Pneumologie 2020; 74(01): 12-13
DOI: 10.1055/a-1020-9137
Pneumo-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

COPD-Exazerbation: Unnötige Antibiotikagabe mit CRP-Point-of-Care-Test vermeiden

Butler CC. et al.
C-Reactive Protein Testing to Guide Antibiotic Prescribing for COPD Exacerbations.

N Engl J Med 2019;
381: 111-120
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Publication Date:
20 January 2020 (online)

 

    Mehr als die Hälfte der Patienten mit einer chronisch obstruktiven Lungenerkrankung (COPD) erfährt jedes Jahr eine oder mehrere akute Exazerbationen; in 80 % dieser Fälle werden Antibiotika verschrieben. Sie helfen zwar vielen, aber nicht allen Patienten. Empfehlungen für die Antibiotikagabe basieren meist allein auf klinischen Merkmalen, die jedoch subjektiv sind und nur ungenügende Informationen darüber liefern, welche Patienten gesichert auch ohne Antibiotika behandelt werden könnten.


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    Um eine gezielte Antibiotikaverschreibung möglich zu machen, bieten sich Point-of-Care (POC)-Tests für akute Infektionen an. Bislang haben aber nur wenige Studien untersucht, ob sich mithilfe solcher Tests tatsächlich das Ergebnis für den Patienten verbessern lässt. Christopher C. Butler vom Nuffield Department of Primary Care Health Sciences an der University of Oxford und Kollegen testeten in ihrer aktuellen Studie nun, ob der Einsatz eines POC-Tests für den Entzündungsmarker CRP bei akuten Exazerbationen der COPD geeignet ist, um unnötige Antibiotikagaben zu vermeiden, ohne den Patienten dabei zu schaden. Mit dem Schnelltest kann innerhalb von 3 – 4 Minuten der quantitative Nachweis von CRP im Blut erbracht werden. Ein signifikant erhöhter CRP-Wert kann ein Hinweis auf die Notwendigkeit einer umgehenden Antibiotikabehandlung sein. Ein normaler oder nur leicht erhöhter CRP-Wert kann die Diagnose einer viralen oder selbstlimitierenden Infektion unterstützen.

    An der multizentrischen Studie nahmen Patienten mit einer COPD-Diagnose teil, die aufgrund einer akuten Exazerbation eine Klinik aufsuchten. Sie wurden randomisiert entweder der Gruppe zugeteilt, die lediglich die übliche Behandlung erhielten (Usual-Care-Gruppe, n = 324) oder zusätzlich zur üblichen Behandlung einen CRP-POC-Test (CRP-Gruppe, n = 325). Der behandelnde Arzt führte den CRP-Schnelltest bei der Erstkonsultation und allen weiteren Untersuchungen durch. Laut Studienprotokoll galt für die CRP-Werte: Bei einem CRP-Wert unter 20 mg/l sollte kein Antibiotikum verschrieben werden, da es wahrscheinlich unwirksam sein würde. Bei einem CRP-Wert zwischen 20 und 40 mg/l könnte ein Antibiotikum hilfreich sein, bei einem CRP-Wert über 40 mg/l ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass das Antibiotikum hilft. Von den Patienten in der CRP-Gruppe hatten 76 % einen CRP-Wert von < 20 mg/l, 12 % hatten einen CRP-Wert zwischen 20 und 40 mg/l und weitere 12 % von > 40 mg/l.

    Zur Datenerhebung wurden die Patienten 2 Wochen nach Beginn der Behandlung gebeten, einen COPD-Fragebogen auszufüllen und einen zur Lebensqualität (EQ-5D-5L); nach 4 Wochen machten sie Angaben zur Antibiotikaeinnahme. Weniger Patienten in der CRP-Gruppe als in der Usual-Care-Gruppe gaben an, ein Antibiotikum genommen zu haben (57,0 % vs. 77,4 %). Auch die Punktezahl beim COPD-Fragebogen war in der CRP-Gruppe niedriger: Die durchschnittliche Punktedifferenz zwischen beiden Gruppen betrug – 0,19.

    Die Entscheidung eines Arztes, bei Auftreten der Exazerbation ein Antibiotikum zu verschreiben oder nicht, war bei allen Patienten bis auf einen einzigen die richtige. Weniger Patienten in der CRP-Gruppe als in der Usual-Care-Gruppe erhielten eine Antibiotikaverordnung bei der Erstuntersuchung (47,7 % vs. 69,7 %) bzw. während der 4-wöchigen Nachbeobachtung (59,1 % vs. 79,7 %). Bei der Erstuntersuchung der Patienten in der CRP-Gruppe verschrieben die Ärzte in 32,8 % der Fälle ein Antibiotikum bei einem CRP-Wert < 20 mg/l, 84,2 % der Patienten mit einem CRP-Wert von 20 – 40 mg/l erhielten eine Antibiotikumverordnung und 94,7 % der Patienten mit einem CRP-Wert > 40 mg/l.

    Bei der Frage nach ihrem allgemeinen Gesundheitszustand mittels Fragebögen schnitten wieder die Patienten in der CRP-Gruppe besser ab, sie gaben eine mehr als 3 Punkte höhere Punktzahl an als Patienten in der Usual-Care-Gruppe. In der Usual-Care-Gruppe verstarben 2 Patienten während der 4-wöchigen Nachbeobachtung, was laut Autoren nicht auf die Studienintervention zurückzuführen war. Das Auftreten von Antibiotikanebenwirkungen unterschied sich in beiden Gruppen nicht.

    Fazit

    Bei Einsatz eines CRP-Point-of-Care-Tests bei COPD-Patienten mit akuter Exazerbation verschrieben die behandelnden Ärzte weniger häufig ein Antibiotikum. Außerdem berichteten weniger Patienten, ein Antibiotikum eingenommen zu haben, als in der Kontrollgruppe von COPD-Patienten, bei denen der Schnelltest nicht eingesetzt wurde.

    Dr. Michaela Bitzer, Tübingen

    Studien-Kommentar

    ⅘ aller stationär behandelten COPD-Exazerbation wurden durch einen respiratorischen Infekt ausgelöst und nur ⅕ ist nichtinfektiöser Natur. Der Einsatz von Antibiotika ist daher nur empfohlen, wenn die Exazerbation höchstwahrscheinlich auf einem bakteriellen Infekt fußt (www.goldcopd.org). In der Praxis ist aber genau dieses Kriterium auf den individuellen Patienten schwierig anzuwenden, da unverändert nur die Anthonisen-Kriterien (Zunahme von Dyspnoe, Sputumvolumen und Sputumpurulenz) oder die Sputumfarbe (gelb, gelb-grünlich) mit ausreichender Sensitivität auf einen solchen bakteriellen Zusammenhang hinweisen [1, 2]. Neben diesen ausschließlich klinischen Parametern stehen keine verlässlichen Biomarker für die COPD-Exazerbation zur Verfügung, die sicher eine Bakterien-induzierte COPD-Exazerbation anzeigen und darüber hinaus die Effektivität einer Antibiotikatherapie mit einer ausreichenden Sensitivität und Spezifität anzeigen können. So sind bei der ambulant erworbenen Pneumonie neben der Klinik (Fieber) und der Infiltration im Röntgen-Thorax-Bild noch die Biomarker Procalcitonin (und CRP) für eine Antibiotikatherapiesteuerung empfohlen [3].


    Das Besondere an der Studie von Butler et al. ist, dass sie – für die Praxis relevant – die Sinnhaftigkeit einer CRP-gesteuerten (Point-of-Care-CRP-Quantifizierung) Therapiesteuerung durch Hausärzte, die ohnehin von allen ambulant tätigen Ärzten die meisten ambulanten COPD-Patienten betreuen, untersuchte.


    Unzählige Studien untersuchten eine ganze Fülle von laborchemischen und klinischen Biomarkern zur Antibiotikasteuerung von Infekt-exazerbierten COPD-Patienten, z. B. CRP, Fibrinogen, die Blut-Leukozytenzahl, Körpertemperatur, Exazerbationsrate und -schwere. Viele von diesen Markern waren positive Prädiktoren für die nächste COPD-Exazerbation bzw. für eine erhöhten Exazerbationsrate. Butler et al. belegten, dass CRP eine gute Steuerungshilfe einer Antibiotikatherapie ist. CRP ergänzte in diesem Zusammenhang die klinischen Anthonisen-Kriterien. Mehr oder weniger parallel wurde 2019 im Eur Respir J eine sehr ähnliche Studie, allerdings mit im Krankenhaus behandelten COPD-Patienten, publiziert. Diese untermauerte ebenso den Wert einer CRP-Steuerung im Antibiotikamanagement [4].


    Problematisch ist leider in Bezug auf die praktische Umsetzbarkeit der Studienergebnisse, dass die Studien nicht zum Ziel hatten, klare CRP-Grenzwerte zu erarbeiten, ab welchen CRP-Werten bei exazerbierten Patienten ein Antibiotikum sinnvoll ist und ab welchen auf einen solchen Therapieansatz verzichtet werden sollte. Der Blick in die Methodik offenbart, dass den Studienärzten folgende Studienempfehlung für den Antibiotikaeinsatz gegeben wurde:

    • CRP < 20 mg/l: kein Antibiotikum empfohlen

    • CRP 20 – 40 mg/l: Antibiotikaverschreibung könnte sinnvoll sein, sofern Patienten über putrides Sputum klagen

    • CRP > 40 mg/l: Antibiotikaverschreibung sehr wahrscheinlich sinnvoll


    Es fehlte aber die Analyse, inwieweit sich diese Grenzwerte im Studienergebnis widerspiegelten. Somit wissen wir zwar von dieser Studie, dass eine CRP-Steuerung zur Antibiotikasteuerung klinisch bedeutungsvoll beiträgt, aber Cut-off-Werte und damit eine Handlungsanweisung für die Praxis sucht man bei Butler et al. vergeblich.


    Autorinnen/Autoren

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    Prof. Dr. med. Adrian Gillissen Med. Klinik III (Innere Medizin & Pneumologie), Klinikum am Steinenberg/Ermstalklinik
    gillissen_a@klin-rt.de

    Literatur


    [1] Anthonisen NR, Manfreda J, Warren CPW. Antibiotic therapy in exacerbations of chronic obstructive pulmonary disease. Ann Intern Med 1987; 106: 196 – 204


    [2] Stockley RA, OʼBrien C, Pye A et al. Relationship of sputum color to nature and outpatient management of acute exacerbations of COPD. Chest 2000; 177: 1638 – 1645


    [3] Ewig S, Hoffken G, Kern WV et al. Behandlung von erwachsenen Patienten mit ambulant erworbener Pneumonie und Prävention – Update 2016. Pneumologie 2016; 70: 151 – 200


    [4] Prins HJ, Duijkers R, van der Valk P et al. CRP-guided antibiotic treatment in acute exacerbations of COPD in hospital admissions. Eur Respir J 2019; 53


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    Prof. Dr. med. Adrian Gillissen Med. Klinik III (Innere Medizin & Pneumologie), Klinikum am Steinenberg/Ermstalklinik
    gillissen_a@klin-rt.de