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DOI: 10.1055/a-1021-0959
VKB-Rekonstruktion: Kortikospinale Erregbarkeit beeinflusst Quadrizepskraft
Publication History
Publication Date:
05 December 2019 (online)


Verletzungen des vorderen Kreuzbandes (VKB) sind bei jungen, aktiven Menschen weit verbreitet, mit bis zu 45 pro 100 000 Einwohnern im Jahr in Deutschland. Patienten mit einem aktiven Lebensstil entscheiden sich häufig für eine VKB-Rekonstruktion (VKB-R), um die mechanische Stabilität des Knies wiederherzustellen. Lediglich 67 % davon kehren zu ihrem Vorverletzungsniveau und 55 % zu einem wettbewerbsfähigen Niveau im Sport zurück. Darüber hinaus gibt es Berichte über eine verminderte subjektive Kniefunktion, nachfolgende Rerupturen und posttraumatische Arthrosen.
Die Muskelfunktion der unteren Extremität steht mit funktionellen und patientenberichteten Ergebnissen bei diesen Patienten in Verbindung. So hat sich beispielsweise gezeigt, dass ein kräftiger M. quadriceps femoris eine bessere subjektive Kniefunktion, eine verbesserte Gangsymmetrie und ein geringeres Risiko einer sekundären Knieverletzung bedingt. In der Funktion des M. quadriceps femoris sehen die Forscher einen Zusammenhang zwischen Verletzung und klinischen Ergebnissen nach VKB-R.
Anhaltende Kraftdefizite des M. quadriceps femoris werden bei Patienten nach VKB-R beobachtet und haben deshalb zu Untersuchungen der zugrunde liegenden Neurophysiologie von Muskeldysfunktion und -hemmung geführt. Neurophysiologische Faktoren, welche die Muskelhemmung beeinflussen, stammen sowohl von den spinalen als auch von den kortikospinalen Bahnen ([ Abb. 1 ]). Prospektive Daten zeigten, dass sich zwischen 2 Wochen und 6 Monaten nach der Operation Störungen der kortikospinalen Erregbarkeit entwickeln. Patienten werden oft zu genau diesem Zeitpunkt (nach 6 Monaten) aus den postoperativen Rehabilitationsmaßnahmen entlassen und kehren zu körperlicher Aktivität zurück. Mit anhaltender Muskelschwäche behaftet, weisen sie die höchsten Raten einer erneuten Verletzung auf.



Daher untersuchten die Wissenschaftler die Zusammenhänge zwischen der Kraft des M. quadriceps und der neuronalen Aktivität im Zentralnervensystem und suchten nach einem klinischen Schwellenwert für die kortikospinale Erregbarkeit, welcher Patienten mit zufriedenstellender von jenen mit unbefriedigender Kniefunktion unterscheidet.
An der Studie nahmen 29 Patienten nach primärer, einseitiger Rekonstruktion des VKB teil (11 Frauen, im Durchschnitt 23 Jahre alt, circa 7 Monate nach der OP). Die Wissenschaftler beurteilten die subjektive Kniefunktion, das maximale isokinetische Drehmoment und die kortikospinale Erregbarkeit des M. quadriceps. Die Ergebnisse zeigten, dass ein Drehmoment des Kniestreckers > 1,23 Nm/kg ein ausgezeichnetes Unterscheidungsmerkmal für eine zufriedenstellende Kniefunktion war. Eine aktive motorische Reizschwelle unter 50,5 % war zusätzlich ein sehr gutes Unterscheidungsmerkmal für die Kraft des M. quadriceps und wies auf eine zufriedenstellende Kniefunktion nach VKB-R hin.
Katrin Veit
Bodkin SG, Norte GE, Hart JM. Corticospinal excitability can discriminate quadriceps strength indicative of knee function after ACL-reconstruction. Scand J Med Sci Sports 2019; 29(5): 716–724
Diese Studie ist die erste, welche klinische Schwellenwerte der kortikospinalen Erregbarkeit ermittelt, die über eine Kraftmessung Patienten mit zufriedenstellender von jenen mit unbefriedigender Kniefunktion unterscheidet. In der Gruppe der Patienten, die in dieser Studie innerhalb eines Jahres nach VKB-R untersucht wurden, waren 24 % nicht in der Lage, ein zufriedenstellendes Niveau der Kraft des M. quadriceps nachzuweisen, was den Schwerpunkt auf die Erforschung physiologischer Faktoren legt. Niedrige subjektive Funktionen hängen stark mit einer Schwäche des M. quadriceps zusammen. Kortikospinale Beeinträchtigungen können bei Patienten mit einer anhaltenden Schwäche des M. quadriceps vorhanden sein und somit die funktionellen Ergebnisse bei der Rückkehr zum Sport negativ beeinflussen. Therapeuten sollten Interventionen, die darauf abzielen, die kortikospinale Erregbarkeit zu erhöhen, einbeziehen, z. B. visuomotorisches Feedbacktraining oder operante Konditionierung. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine aktive motorische Reizschwelle von unter 50,5 % ein ausgezeichneter Marker für die Kraft des M. quadriceps ist, welcher Aufschluss über eine zufriedenstellende Kniefunktion nach VKB-R gibt. Umgekehrt verhält es sich genauso: Über 50,5 % weist eher auf eine unbefriedigende Kniefunktion hin. Patienten, welche innerhalb eines Jahres nach VKB-R immer noch eine geringe Knieextensorenkraft aufweisen, haben möglicherweise neurophysiologische Defizite, die ihre muskulären Fähigkeiten beeinflussen.
Design: Beschreibende Querschnittslaboruntersuchung
Teilnehmer: 29 Patienten > 6 Monate nach VKB-Rekonstruktion
Parameter: Isokinetisches Spitzendrehmoment des Knieextensors, Hoffmann-Reflex (H-Reflex), aktive motorische Reizschwelle, IKDC-Wert („International Knee Documentation Committee“-Fragebogen)
Resultate: Eine geringere kortikospinale Erregbarkeit ist mit einer geringeren Kraft des M. quadriceps verbunden. Eine aktive motorische Reizschwelle > 50,5 % verringerte die Wahrscheinlichkeit, eine zufriedenstellende Kraft im Kniegelenk zu haben, um über 62 %.