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DOI: 10.1055/a-1024-8999
Stimmlippenrandödem
- Ursache
- Pathogenese
- Falldarstellung
- Symptome und Befund
- Therapie
-
Prognose
- Zitierweise für diesen Artikel
Das Stimmlippenrandödem ist wahrscheinlich die 1-seitige Sonderform des Stimmlippenknötchens. Die Entstehung und Symptome beider Erkrankungen sind identisch, Therapie und Prophylaxe erfolgen auf gleiche Weise.
Eine 28-jährige Erzieherin von Kleinkindern ist im Beruf durch häufiges Singen, Reden und gelegentliches Schreien stimmlich belastet. Seit etwa 1 Jahr tritt eine Heiserkeit am Wochenende auf. Berufsbedingt hat sie in der Kinderkrippe Kontakt mit vielen Krankheitserregern und häufig ein trockenes Gefühl im Hals. Das Reden ist für sie anstrengend. In letzter Zeit hält die Heiserkeit an. Vor 1 Monat hatte sie 1 Woche lang gar keine Stimme. Momentan liegt die subjektive Stressbelastung bei 10 von 10. Sie klagt über Infektanfälligkeit. In der Familie sind Krebserkrankungen bei Großmutter, Tante und Onkel aufgetreten. In der Vergangenheit wurden eine schiefe Nasenscheidewand und in der Kindheit die Mandeln operiert. Außerdem hatte sie eine Borreliose sowie Herzrhythmusstörungen, die jedoch nicht behandlungspflichtig sind. Seit 2 Jahren ist sie Nichtraucherin, davor hat sie etwa 1 Schachtel pro Tag über 10 Jahre geraucht.
Ursache
Im Erwachsenenalter treten Randödeme bei Frauen in Stimmberufen, aber auch bei Männern mit hoher Stimmbelastung auf; diese entstehen meist durch Sprechen im Lärm, bei Sängerinnen durch Überforderung der Stimme.
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Pathogenese
Randödeme entstehen ähnlich wie Stimmlippenknötchen. Durch den Bernoulli-Effekt während des Durchtritts der Phonationsluft wird das Epithel an der Stelle der größten Geschwindigkeit am stärksten nach medial verlagert. Diese Sogwirkung führt zu Schwellungen, die als Knötchen bezeichnet werden, wenn sie beidseitig auftreten. Der Zusammenprall der Stimmlippen und die Wirkung der Scherkräfte sind weitere Pathomechanismen, die bei höheren Frequenzen und damit bei Frauen- und Kinderstimmen häufiger wirken. Die Ödeme liegen meist 1-seitig in der Mitte des membranösen Teils der Stimmlippen.
Das Stimmlippenödem ist eine 1-seitige Verdickung des Stimmlippenrandes infolge subepithelialer Schwellung durch ein Ödem in der Lamina propria, dem Reinke-Raum, und Dehnung des darüber liegenden Epithels.
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Falldarstellung
Die Videosequenz zeigt eine blasenähnliche Vorwölbung der linken Stimmlippe. Auf der rechten Seite ist kein entsprechender Befund zu sehen. Im Bereich der Sprechstimmlage – im Brustregister – ist die Phonation noch relativ klar bei Stimmsteigerung. Es kommt kurzzeitig zum vollständigen Stimmlippenschluss. Bei leisen Tönen und bei versuchter Phonation in höheren Tonlagen wird die Stimme deutlich behaucht und versagt schließlich ganz oberhalb von 400 Hz. Der Stimmklang beim Lesen des Textes ist leicht rau, leicht behaucht, leicht heiser (R1 B1 H1). Das Sprechen wirkt angestrengt trotz der flüssigen Sprechweise.
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Symptome und Befund
Die Stimme ist bei Patienten mit Randödem leicht bis mittelgradig heiser, vorwiegend rau, aber in höheren Stimmlagen auch behaucht und weist intermittierend aphonische Einschübe auf.
Die Symptome sind denen bei Stimmlippenknötchen so ähnlich, dass man davon ausgehen kann, dass Randödeme die 1-seitige Sonderform darstellen. Anfangs sind sie nur leicht ausgeprägt und zeigen ein gedehntes Epithel über der durch das Ödem aufgelockerten Lamina propria. Phonatorisch sind die verdickten, vorgewölbten Abschnitte beweglich. Auch bei 1-seitigem Befall kann es zu einer Sanduhrglottis kommen, die besonders im Kopfstimmbereich eine stark behauchte oder aphone Stimme zur Folge hat.
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Therapie
Bei Randödemen steht die konservative Therapie mit Stimmruhe und Stimmtherapie am Anfang. Meist bilden sich die Befunde nicht zurück, können aber stimmlich gut kompensiert werden. Die operative Abtragung ist in der Regel indiziert. Es dürfen jedoch exakt nur die pathologischen Veränderungen am Stimmlippenrand entfernt werden.
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Prognose
Die Therapie hat gute Erfolgsaussichten, wenn postoperativ nach 2 Wochen eine Stimmtherapie angeschlossen wird, um falsche Gewohnheiten oder Phonationsmuster zu verändern und unachtsame Überlastungen zu vermeiden.
Stimmlippenrandödeme entstehen auf die gleiche Weise wie Stimmlippenknötchen und sind vom Befund her sehr ähnlich, allerdings nur 1-seitig. Die Therapie ist daher auch in der Regel operativ. Zur Prophylaxe von Rezidiven ist eine Stimmtherapie indiziert.
Prof. Dr. med. Tadeus Nawka, Berlin
Video Sehen Sie sich das Video im Internet an unter http://dx.doi.org/10.1055/a-1024-8999.
Quality:
Audio Hören Sie die Stimme, erkennen Sie den Befund und verstehen Sie den Einfluss auf die Phonation.
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Zitierweise für diesen Artikel
Sprache Stimme Gehör 2015; 39(02): 67
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Publication History
Article published online:
20 April 2020
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York