Indikationen
Eine notwendig gewordene Zahnextraktion erfolgt oft infolge fortgeschrittener kariöser
Zerstörung von Zahnhartsubstanz oder parodontaler Destruktion oder ist verursacht
durch ein Trauma. Erkennbar ist die Rückläufigkeit anhand der Vergleiche der mittleren
Anzahl fehlender Zähne in den letzten 3 Jahrzehnten ([Tab. 1]).
Tab. 1 Mittlere Anzahl fehlender Zähne (ohne Weisheitszähne) im zeitlichen Verlauf (Deutsche
Mundgesundheitsstudie, DMS) [1].
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DMS I/II (1989, 1992)
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DMS III (1997)
|
DMS IV (2005)
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DMS V (2014)
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jüngere Erwachsene (35 – 44 Jahre)
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3,9
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4,2
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2,7
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2,1
|
jüngere Senioren (65 – 74 Jahre)
|
–
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17,6
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14,2
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11,1
|
Auch die Indikationen zur Zahnextraktion werden dank fortgeschrittener Techniken zur
partiellen oder kompletten Zahnerhaltung (z. B. endodontische Therapie in Kombination
mit Wurzelspitzenresektion, Wurzelamputation oder Hemisektion bzw. Prämolarisierung,
intentionelle Replantation) [2] seltener und strenger gestellt.
Im Wesentlichen sind Indikationen zur Zahnextraktion dann gegeben, wenn es sich um
odontogene bzw. parodontale Infektionen handelt und der ursächliche Zahn aufgrund
weitreichender kariöser Zerstörung oder fortgeschrittener Erkrankung des Parodonts
nicht mehr therapierbar ist [3], [4]:
-
bei Schäden durch Trauma (Längs- oder Mehrfachfrakturen)
-
nach erfolgloser endodontischer Therapie
-
im Zusammenhang mit ausgedehnten Zysten oder Tumoren
Indikationen können sich aber auch ergeben aus:
-
einer kieferorthopädischen Behandlungsplanung (z. B. Platzmangel)
-
prothetischen Gründen (z. B. elongierte Zähne ohne Antagonisten, die in den prothetischen
Behandlungsplan nicht einzubinden sind)
-
bevorstehender Immunsuppression
-
in Vorbereitung einer onkologischen Behandlung (Strahlen- oder Chemotherapie, Therapie
mit Antiresorptiva)
Indikationen zu Zahnextraktionen in den beiden letztgenannten Situationen und vor
Herzklappenersatz werden ausführlicher in den Leitlinien der AWMF dargestellt [5], [6], [7].
Grundsätzlich ist vor einer Zahnextraktion bei kompromittiertem allgemeinmedizinischem
Status des Patienten eine kritische Risikoanalyse, ggf. ein interdisziplinäres Konsil
mit den mitbehandelnden Ärztinnen oder Ärzten durchzuführen und sodann eine Abwägung
zu treffen, ob der Patient ambulant behandelt werden kann oder einer vorübergehenden
stationären Betreuung bedarf. In diesem Zusammenhang sind auch ggf. weitere erforderliche
Maßnahmen zu planen bzw. zu organisieren (z. B. Einleiten einer perioperativen systemischen
antiinfektiven Therapie mit Antibiotika, einer Antibiotikaprophylaxe, Anfertigen einer
Verbandplatte, Bereitstellen von lokalen Hämostyptika etc.).
Techniken und Instrumente
Auch Instrumentarium und Techniken der Zahnextraktionen haben im Laufe der Jahrzehnte
Weiterentwicklungen erfahren. Insbesondere die Überlegung darüber, wie die durch die
Zahnextraktion entstehende Zahnlücke langfristig zu versorgen sei (nicht zuletzt auch
die wachsende Bedeutung implantatprothetischer Rehabilitationen), führte zu einer
neuen Herangehensweise bei der Zahnextraktion.
Merke
Technische Verbesserungen und moderne Entwicklungen der Lokalanästhesie haben dazu
geführt, dass Zahnextraktionen heute i. d. R. nicht mehr als traumatische Erfahrung
wahrgenommen werden.
Neben der Ergebnisqualität (früher: Entfernung des Zahnes; heute: Entfernung des Zahnes
unter Anstreben des Erhalts der alveolären Strukturen) findet heute auch die Prozessqualität
der Zahnextraktion mehr Beachtung. Schwerpunkte liegen hier in einer Minimierung des
Traumas und der Schaffung von optimalen Heilungsergebnissen:
-
Verbesserung der Wundheilung nach Zahnextraktion bei Patienten mit potenziell kompromittierter
Wundheilung (z. B. nach Radiatio oder Therapie mit Antiresorptiva)
-
Erhalt des Desmodonts und Wurzelzements nach Extraktionen in Vorbereitung einer Zahntransplantation
oder intentionellen Replantation
-
Schaffung von besseren Ausgangsbedingungen für nachfolgend geplante Implantationen
Merke
Eine Zahnextraktion will gut geplant und vorbereitet sein.
Neben der klinischen und röntgenologischen Untersuchung und nicht zuletzt der gründlichen
und nachvollziehbaren Dokumentation der Befunde und der sich daraus ableitenden Indikation
zur Zahnextraktion folgt stets eine bewährte Abfolge von Arbeitsschritten oder Phasen.
Diese bestehen aus [8]:
-
Lösen des dentogingivalen Verschlusses, evtl. auch Trennung der intraalveolären Sharpeyschen
Fasern
-
Ansetzen des Instruments bzw. der Extraktionszange
-
Lockerung des Zahnes in der Alveole
-
Extraktion, also das Entfernen des Zahnes aus der Alveole
-
Wundversorgung
Für all diese Schritte ist die Bereitstellung der benötigten Instrumente und Materialien
sowie bei gedanklicher Vorwegnahme möglicher Komplikationen die Bereithaltung der
zu deren Behandlung notwendigen Hilfsmittel erforderlich. An dieser Schrittfolge orientiert,
sollen im Folgenden Bewährtes und Neues dargestellt werden.
Zahnextraktion
Lösen des dentogingivalen Verschlusses
Die erste Phase der Zahnextraktion besteht im Lösen des dentogingivalen Verschlusses.
Dies sollte grundsätzlich mit scharfen, grazilen Instrumenten erfolgen, um günstige
Voraussetzungen für die nachfolgende Wundheilung auch im Bereich der perialveolären
Weichgewebe zu schaffen. In der Vergangenheit wurde hierzu meist der Hebel nach Bein
favorisiert [3], [9]. Allerdings gab es auch schon in der Vergangenheit Überlegungen, durch spezielles
Beschleifen und Umformen die eher bauchige Gestalt des Bein-Hebels an seinem Arbeitsende
graziler zu gestalten, um möglichst ohne Gewebetrauma den dentogingivalen Verschluss
lösen zu können [10].
Heute wird die Verwendung scharfer, schneidender Instrumente, wie z. B. Periotom oder
Mikroskalpell, für diese Phase der Zahnextraktion empfohlen und hat sich im klinischen
Alltag weitgehend durchgesetzt [3], [4], [11], [12] ([Abb. 1]).
Abb. 1 Periotom im Einsatz zum schonenden Lösen des dentogingivalen Verschlusses.
Ansetzen des Instruments und Lockerung des Zahnes in der Alveole
Schon frühzeitig wurde die Idee umgesetzt, Extraktionszangen so zu gestalten, dass
die Branchen der anatomischen Form der Krone bzw. des Halses des zu extrahierenden
Zahnes – oder bei Wurzelzangen der anatomischen Form des Wurzelquerschnitts – angepasst
werden. Ziel dabei ist das sichere Fassen des Zahnes durch flächiges Anliegen der
Zangenbranchen, möglichst apikal der Schmelz-Zement-Grenze [8]. Andererseits sollen die marginalen Weichgewebe und auch der krestale perialveoläre
Knochen durch die Zangenbranchen nicht verletzt werden. Daraus resultiert eine Vielzahl
unterschiedlich geformter Extraktionszangen, die sich in der praktischen Anwendung
bewährt haben.
Zur Lockerung des Zahnes in der Alveole wurden in der Vergangenheit bis etwa zu Beginn
der 2000er-Jahre und auch noch darüber hinaus je nach Wurzelkonfiguration neben axial-rotierenden
auch vestibuloorale wohldosierte Luxationsbewegungen mit dem Ziel des Zerreißens des
parodontalen Ligaments und zur Weitung der Alveole empfohlen [3], [9], [13]. Diese Techniken wurden mittlerweile durch Einsatz moderner Verfahren ergänzt, teilweise
abgelöst. Im Vordergrund steht nunmehr die axiale Rotationsbewegung des Zahnes in
der Alveole bei – bedingt durch die anatomischen Grenzen der Breite des Parodontalspalts
– sehr geringer Amplitude, aber längerer Dauer (30 Sekunden lang), wie sie z. B. im
ÖGRAM®-Verfahren (ÖGRAM®-System, Groß-Umstadt, Deutschland; s. [Abb. 1]–[4]) beschrieben wurde [12].
In der Folge entwickelt sich im Desmodontalspalt eine Einblutung, durch die sich der
Spalt zwischen Alveolarknochen und Wurzeloberfläche erweitert und der desmodontale
Faserapparat gelockert wird. Die dazu erforderliche Wartezeit beträgt etwa 3 – 5 Minuten.
Meist kann sodann die vertikale Extraktion des Zahnes aus der Alveole erfolgen, gelegentlich
ist der Vorgang der intraalveolären Luxation jedoch zu wiederholen [12].
Merke
Liegen mechanische Hindernisse zur vertikalen Entwicklung des Zahnes in toto aus seiner
Alveole vor (z. B. in Form mehrwurzeliger Zähne mit divergierenden oder gekrümmten
Wurzeln), ist im Vorfeld die Separation des Zahnes und der Wurzeln erforderlich, um
eine übermäßige Dehnung der Alveole und Traumatisierung der perialveolären Gewebe
zu vermeiden.
In diesen Situationen und auch bei tiefergehenden Zerstörungen der klinischen Krone
bzw. des Zahnhalses gelingt das Fassen des Zahnes meist nur mit bestimmten Spezialzangen
([Abb. 2]).
Abb. 2 Spezialzangen zur Extraktion von koronal tief zerstörten Molaren im Unterkiefer (links)
und im linken Oberkiefer (rechts). Die spitz zulaufenden Branchenenden stützen sich
auf dem Limbus alveolaris ab, greifen in die Bi- bzw. Trifurkation und heben die Wurzeln
aus der Alveole.
Mitunter ist jedoch der Einsatz von Zangen nicht mehr möglich – in diesen Fällen ist
der Einsatz von grazil gestalteten Hebeln (eher im Sinne von Wurzelhebern) erforderlich.
Auch hierzu wurden aus den traditionell am Arbeitsende eher bauchig geformten Hebeln
nach Bein grazilere Formen geschaffen, die ein Eindringen zwischen Wurzel und Alveolarknochen
im subkrestalen Abschnitt des Desmodontalspalts erlauben und so die vertikale Luxation
der Wurzel aus der Alveole einleiten können [10]. Die unterschiedlichen anatomischen Anforderungen und das Streben nach Einleitung
einer initialen vertikalen Luxationsbewegung der Wurzel aus der Alveole sowie auch
das Ermöglichen eines Zugangs zu intraalveolär schwer erreichbaren Resten frakturierter
Wurzeln führte zur Entwicklung verschiedener grazil gestalteter Wurzelheber ([Abb. 3]).
Abb. 3 Wurzelheber. Die Arbeitsenden sind grazil gestaltet, um zwischen Wurzel und Alveolenkortikalis
in den krestalen Anteil des Desmodontalspalts eindringen und die Wurzel in krestaler
Richtung luxieren bzw. heben zu können.
Darüber hinaus bietet sich der Einsatz der Piezochirurgie zur hochfrequenten intraalveolären
Fasertrennung, Luxation und Lockerung der Wurzel an. Hierbei erfolgt die Lockerung
des Zahnes in der Alveole durch Umfahren der Zahnwurzel im krestalen Abschnitt des
Desmodontalspalts mit grazil gestalteten Instrumenten [14], [15], [16]. Verschiedene Studien konnten zeigen, dass das Trauma der alveolären und perialveolären
Gewebe mit dieser Methode deutlich minimiert werden kann und der Einsatz insbesondere
im Zusammenhang mit Zahnextraktionen bei Patienten unter antiresorptiver Medikation
geeignet ist [15], [16], [17]. In vitro konnte zudem eine bakterizide Wirkung der piezochirurgischen Instrumentierung
in Abhängigkeit von Leistung und Dauer der Einwirkung gezeigt werden [18].
Entwicklung des Zahnes aus der Alveole
Die Entwicklung des Zahnes aus der Alveole erfolgt erst dann, wenn eine Lockerung
des Zahnes in der Alveole deutlich spürbar ist und der Zahn mit der entsprechenden
Zange sicher gefasst werden kann. Dieser Vorgang der eigentlichen Extraktion sollte
in axialer Richtung aus der Alveole heraus erfolgen, ohne dabei eine weitere Dehnung
des Alveolarknochens vorzunehmen. Ob dies gelingen kann, zeigt sich anlässlich der
Extraktionsplanung bei einem Blick auf die Röntgenaufnahme. Wie schon beschrieben,
kann bei mehrwurzeligen Zähnen mit divergierenden Wurzeln oder bei gekrümmten Wurzeln
eine Separation des Zahnes bzw. der Zahnwurzeln erforderlich werden, um diese dann
in Richtung der Wurzelachse extrahieren zu können.
Cave
Beim Extrahieren ist darauf zu achten, dass bei einem möglicherweise ruckartigen Nachgeben
der Fasern des parodontalen Ligaments die Zange nicht versehentlich die Zahnkronen
der gegenüberliegenden Zähne beschädigt. Daher ist entsprechend vorsichtig zu agieren
und der Antagonist zu schützen.
Durch speziellen instrumentellen Einsatz kann eine besonders konsequente vertikale,
dem Achsenverlauf der Zahnwurzel entsprechende Entwicklung des Zahnes aus der Alveole
mit einer zusätzlichen Hebezange erfolgen. Diese stützt sich auf den Okklusionsflächen
der benachbarten Zahnkronen ab (dabei ist dieses Arbeitsende der Hebezange zum Schutz
der Zahnkronen mit mehreren Schichten eines Dämpfungsmaterials versehen), greift unter
das Schloss der Haltezange (hierzu können konventionelle Extraktionszangen verwendet
werden, die den Zahn sicher fassen) und drückt die Haltezange mit dem zu extrahierenden
Zahn sodann vom Alveolarfortsatz weg in Richtung Okklusionsebene (Zalex®-Explantations-Replantations-System, Hohenwarte, Deutschland) [19]. Allerdings ist auch hierbei auf den Zustand bzw. auf die Unversehrtheit der benachbarten
Zähne zu achten, auf denen sich die Hebezange abstützt. Bei tief zerstörten Zahnkronen
oder Wurzelresten ist das Fassen selbst mittels Spezialzange mitunter deutlich erschwert,
wenn nicht gar unmöglich.
Um ein unkontrolliertes Abrutschen der Wurzel in die Mundhöhle, Verschlucken oder
Aspiration zu verhindern, ist folgende Reihenfolge wichtig:
-
Heben der Wurzel mittels graziler Wurzelheber in krestaler Richtung
-
sicheres Fassen der Wurzel mit einer entsprechend der anatomischen Form gestalteten
Wurzelzange ([Abb. 4])
Abb. 4 Wurzelzangen, deren grazil gestaltete Arbeitsenden den Einsatz in der Alveole erleichtern
und zugleich der Wurzel aufgrund der Anpassung an die anatomische Form optimal anliegen,
um sie sicher zu fixieren.
Zur Schonung der alveolären und perialveolären Gewebe kann zunächst die intraalveoläre
Separation der Zahnwurzel unterer Molaren in vestibulooraler Richtung mit einer grazilen
Fräse in der Längsachse der Wurzel erfolgen, ohne jedoch den Alveolarknochen dabei
zu verletzen ([Abb. 5]). Es hat sich bewährt, diese Separation so auszuführen, dass eine sehr dünne Lamelle
des äußeren Wurzelabschnitts zunächst erhalten bleibt, dann die Wurzeln durch Einsetzen
eines grazilen Hebels im Separationsspalt getrennt und anschließend die Wurzelfragmente
unter vorsichtigem Einsatz eines Wurzelhebers aus der Alveole luxiert und nach sicherem
Fassen entfernt werden [11].
Abb. 5 Tief zerstörter Zahn 36 nach Entfernung der Krone und Separation. a In vestibulooraler Richtung. b Nach Luxation und Entfernung der mesialen Wurzel. Die distale Wurzel kann dann mit
einem Wurzelheber entfernt werden.
Als Alternative hierzu wurden schon früher Vorrichtungen zur vertikalen Extraktion
eines für Zange und Wurzelheber schwer zugänglichen Wurzelrestes aus der Alveole entwickelt
[10], die im Laufe der Jahre perfektioniert wurden: Hier wird in den Wurzelrest im axialen
Verlauf entlang des Wurzelkanals eine Schraube verankert, an der mittels Seilzug eine
vertikale Kraft entlang der Zahnachse wirkt. Auch hierbei dienen die benachbarten
Zähne als Widerlager (Benex®-Extraktionssystem, Hager & Meisinger, Neuss, Deutschland) ([Abb. 6]). Diese Methode ist insbesondere zur Minimierung des Extraktionstraumas auch bei
Entfernung einwurzeliger Zähne geeignet [19], [20].
Abb. 6 Demonstration des Benex-Extraktionssystems am Modell: Nach Entfernung der Krone wurde
der Wurzelkanal mit einem Spiralbohrer erweitert und eine Extraktionsschraube eingesetzt,
sodann das Zugseil an der Extraktionsschraube und am Extraktorschlitten befestigt.
Durch Drehen der Handschraube am Extraktorschlitten wird über das Zugseil und die
Extraktionsschraube die Wurzel langsam und schonend vertikal aus der Alveole herausbewegt.
Der Extraktorschlitten stützt sich mit den Teflonflächen auf den benachbarten Zahnkronen
ab.
Eine Alternative wurde durch Einsatz eines elastischen Ligaturbands aus der Kieferorthopädie
vorgestellt, das im Zahnhalsbereich der klinisch zugänglichen Zahnkrone angelegt wird
und durch dessen apikalwärts gerichteten Druck der Zahn langsam – im Laufe von etwa
4 Wochen – aus der Alveole herausbewegt wird. Unter wöchentlicher Kontrolle und Wechsel
des Ligaturbands kann so z. B. bei Patienten unter Bisphosphonattherapie eine atraumatische
Zahnextraktion unter gleichzeitiger begleitender Epithelisierung der Alveole erfolgen
[21], [22].
Merke
Unabhängig von der Methodik der Zahnextraktion ist in jedem Fall durch gründliche
Inaugenscheinnahme der Alveole und auch des extrahierten Zahnes bzw. der Zahnwurzel
zu überprüfen, ob der Zahn bzw. die Zahnwurzel vollständig entfernt wurde.
Erforderlichenfalls kann eine intraorale Röntgenaufnahme indiziert sein, um im Zweifelsfall
das Verbleiben eines Wurzelrestes in der Alveole oder ihrer Umgebung auszuschließen.
Wundversorgung nach Zahnextraktion
Die Inspektion der Extraktionswunde schließt neben der aufmerksamen Betrachtung der
Alveole auch die der Umgebung mit ein, um etwaige Verletzungen des Alveolarknochens
oder der perialveolären Gewebe zu erkennen und ggf. zu behandeln. Etwa vorhandene
Zahn-, Knochen- oder Füllungsfragmente sind zu identifizieren und zu entfernen, scharfe
Kanten des Alveolarknochens erforderlichenfalls zu glätten [4], [8]. Insofern eine apikale Parodontitis bestand, ist der Fundus der Alveole gründlich
zu kürettieren. Auch die anschließende Sondierung der Alveole, insbesondere des Alveolenfundus,
gehört dazu.
Merke
Im Oberkiefer sind zudem neben der vorsichtigen Sondierung ein direkter und indirekter
Nasenblasversuch zum Ausschluss einer akzidentellen Mund-Antrum-Verbindung durchzuführen
und die Ergebnisse zu dokumentieren.
Auf eine bidigitale Kompression der Alveole wird heute – zumindest nach Extraktionen
aus kieferorthopädischer Indikation und nachfolgend geplanter Zahnbewegung in die
entstandene Lücke hinein – häufiger verzichtet. Eine leichte Kompression mit einem
sterilen Tupfer zum Aufbeißen für einige Minuten ist dennoch zu empfehlen. Wichtig
ist jedoch, auf eine Adaptation der Wundränder zu achten und diese bzw. die Verkleinerung
der Wundfläche erforderlichenfalls mit einer Situationsnaht zu erleichtern, wobei
der Aufbisstupfer auch die ungestörte Ausbildung eines die Extraktionswunde schützenden
Koagulums unterstützt.
Wenn implantologische Maßnahmen in der Folge geplant sind oder Komplikationen bei
der Zahnextraktion (z. B. Mund-Antrum-Verbindung) auftraten oder medizinische Gründe
dies erfordern (z. B. Einnahme von Antikoagulanzien oder Thrombozytenaggregationshemmern,
Einnahme von Antiresorptiva, Zustand nach Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich),
sind die in diesem Zusammenhang beschriebenen bzw. in Leitlinien dargestellten Therapiemaßnahmen
durchzuführen. Hierzu gehören:
-
„Socket Preservation“ oder „Ridge Preservation“ im Vorfeld von später geplanten Implantationen
[11], [23]
-
plastische Deckung
-
einer bestehenden Mund-Antrum-Verbindung [4], [8]
-
einer Extraktionsalveole bei Patienten nach Strahlentherapie im Kopf-Hals-Bereich
[7]
-
unter Therapie mit Antiresorptiva [6]
-
Besonderheiten der Wundversorgung bei Patienten unter Einnahme von Antikoagulanzien
[24]
Das lokale Einsetzen autogener Thrombozytenkonzentrate in die Extraktionsalveole (z. B.
PRF [platelet-rich fibrin], PRGF [plasma rich in growth factors], PRP [platelet-rich
plasma]) wurde in einer aktuellen Metaanalyse als vorteilhaft für die Verbesserung
der Wundheilung nach Zahnextraktionen charakterisiert (insbesondere Linderung postoperativer
Symptome, schnellere Heilung der perialveolären Weichgewebe, höhere radiologisch erkennbare
Knochendichte) [25].