Die Arbeit
Die Zerebralparese gehört zu einer Gruppe von Erkrankungen, die durch eine nicht progrediente
Schädigung des unreifen Gehirns entstehen. Es kommt zu Funktionsveränderungen unter
anderem der Motorik. Ursachen hierfür sind Sauerstoffmangel, Blutungen im Gehirn oder
Infektionen während der Schwangerschaft. Die Literatur teilt das Krankheitsbild in
die uni- oder bilaterale spastische Zerebralparese, dyskinetische oder ataktische
Zerebralparese ein. Laufen als Fortbewegungsmittel ist ein essenzieller Teil der Lebensqualität
und spielt eine wichtige Rolle im sozialen Leben im Hinblick auf Autonomie und Selbstständigkeit
der Patienten. Reviews zeigen, dass das größte Problem bei Kindern mit Zerebralparese
die geringe Muskelkraft und nicht die Spastik ist. Ziel der Autorin war es deshalb
herauszufinden, ob sich ein gewichtsunterstützendes Laufbandtraining besser auf den
Gang bei Kindern auswirkt als ein Krafttraining der unteren Extremität.
Bei Kindern mit Zerebralparese ist nicht die Spastik, sondern das Kraftdefizit das
Problem.
Methodik
Tanja Frebel suchte in den Datenbanken PubMed, PEDro, Cochrane Library, LIVIVO und
MEDLINE nach Literatur und schloss sechs Studien mit insgesamt 80 Probanden ein. Als
Suchbegriffe wählte sie unter anderem „treadmill training“, „strength training“, „gait“
und „cerebral palsy“. Die Autorin involvierte englische und deutsche frei verfügbare
Studien zum genannten Thema. Ausschlusskriterien waren jegliche andere Formen des
Gangtrainings mit Roboteruntersützung, virtueller Realität und Studien mit Kindern
mit Nebenerkrankungen. Metaanalysen und Reviews schloss die Therapeutin ebenfalls
aus. Um die Aussagekraft der RCTs zu bewerten, setzte Tanja Frebel die PEDro-Skala
ein.
Ergebnisse
Tanja Frebel hat in ihrer Literaturrecherche herausgefunden, dass …
-
... sich allgemein betrachtet sowohl gewichtsunterstützendes Laufbandtraining als
auch Krafttraining der unteren Extremität positiv auf den Gang auswirkten.
-
... jedoch die Dauer, Trainingszeiten und -häufigkeiten aller eingeschlossenen Studien
variierten und zusätzlich kleine Probandengruppen eine Übertragung auf die Gesamtbevölkerung
schwer möglich machten.
-
... die Studien nur leicht bis mittelgradig eingeschränkte Kinder mit GMFCS-Level
I bis III (Gross Motor Function Classification System) mit einbezogen, was die Ergebnisse
verzerren könnte.
Fazit
Zusammenfassend kann Tanja Frebel festhalten, dass laut der von ihr bewerteten Studien
…
-
... Krafttraining der unteren Extremität die Schrittlänge, Kadenz und Gehgeschwindigkeit
signifikant verbessert. Das Kraft- scheint dem Laufbandtraining überlegen.
-
... es noch zu wenige Studien gibt, die die Auswirkungen des Laufbandtrainings speziell
bei Kindern mit Zerebralparese untersuchen und daher zum heutigen Standpunkt der Forschung
das gewichtsunterstützende Laufbandtraining noch nicht die führende Therapiemaßnahme
zu sein scheint.
-
... gewichtsunterstütztes Laufbandtraining weder signifikant positiv noch signifikant
negativ auswirkt und deshalb als praktikable Methode von Therapeuten genutzt werden
kann. Welche der beiden Maßnahmen Theapeuten einsetzen, ist immer auf das Kind bezogen
zu betrachten.
Krafttraining der unteren Extremität verbessert Schrittlänge und Gehgeschwindigkeit.
Katrin Veit
Fragen an Tanja Frebel
Was raten Sie Therapeuten im Praxisalltag umzusetzen? Laufband- oder Krafttraining?
„Rein theoretisch gesehen ist die Umsetzung von sehr vielen Parametern abhängig. Wenn
Therapeuten die finanziellen Möglichkeiten und Mittel haben, um das gewichtsunterstützende
Laufbandtraining durchzuführen, würde ich zu dieser Therapie raten. Meiner Meinung
nach kommt diese Methode näher an das physiologische Bild des Gehens heran als ein
Krafttraining einzelner Muskelgruppen. Die Assoziation für das Gehen ist für Kinder
greifbarer, und auch der Motivationsfaktor ist erhöht. Denn allein die Bewegung über
das Laufband stellt einen Erfolg für den Patienten dar. Wenn man sich allerdings an
wissenschaftlichen Werten und der Praktikabilität orientieren möchte, würde ich das
Krafttraining empfehlen, da es wesentlich einfacher umzusetzen ist und signifikante
Verbesserungen in einzelnen Parametern bewiesen sind.“
Wie sehen die Übungen und die Trainingsparameter jeweils beim Laufband- und Krafttraining
genau aus?
„Die Parameter für das Krafttraining oder das Training auf dem Laufband können nicht
genau festgelegt werden. Auch in den untersuchten Studien werden keine genauen Trainingsparameter
genannt, da meistens individuell auf den Patienten angepasste Werte genommen werden.
Sei es die Schrittgeschwindigkeit und Gewichtsentlastung beim Laufbandtraining oder
die Gewichte bzw. gewählte Aufgaben beim Krafttraining. Durch die Unterschiede innerhalb
der Ausprägungen und Begleiterkrankungen bei Zerebralparese muss man die Werte grundsätzlich
individuell auf das Kind anpassen, und der Therapeut kann von keiner Norm ausgehen.“