Schlüsselwörter
Thromboembolien - Schwangerschaft - Antikoagulation - niedermolekulare Heparine -
orale Antikoagulanzien
Einführung
Im Vergleich zu Nichtschwangeren weisen Schwangere ein deutlich erhöhtes Risiko für
venöse thrombotische Ereignisse (VTE), d. h. tiefe und oberflächliche Venenthrombosen
(„Thrombophlebitiden“) und konsekutive Lungenarterienembolien, auf. In der westlichen
Welt stellen diese Ereignisse eine führende Ursache der Morbidität und Mortalität
von Schwangeren dar [1]. So zeichnen VTE für ca. 10 – 20% aller Todesfälle im Rahmen einer Schwangerschaft
verantwortlich [1], [2], [3], [4], [5], [6], [7], [8], [9], [10].
Die Inzidenz schwangerschaftsassoziierter VTE wird mit etwa 0,12% angegeben [11], [12]; im Vergleich zu nicht schwangeren Frauen identischen Alters weisen Schwangere somit
per se ein ca. 4 – 5-fach gesteigertes VTE-Risiko auf. Dieses alleine durch die Schwangerschaft
erhöhte thrombotische Risiko steigt weiter an, wenn zusätzliche dispositionelle und
expositionelle Risikofaktoren für VTE bei der Schwangeren vorliegen. Diesbezüglich
muss darauf hingewiesen werden, dass aufgrund der demografischen Entwicklung mit in
den letzten Jahrzehnten deutlich ansteigendem Lebensalter der Mutter bei Erstschwangerschaft
– und somit höherem Anteil „älterer“ Schwangerer – das Risiko für thrombotische und
thromboembolische Ereignisse im Gesamtkollektiv der Schwangeren in den Industrienationen
wie Deutschland weiter ansteigt [4], [9].
Das erhöhte Thromboserisiko setzt bereits mit Beginn der Schwangerschaft ein, persistiert
während der Schwangerschaft (bzw. steigt im Verlauf der Schwangerschaft weiter an)
und erreicht postpartal sein Maximum; nach der Entbindung fällt das Thromboserisiko
über einen Zeitraum von ca. 6 Wochen auf das Niveau vor der Schwangerschaft zurück.
Etwa 50% der schwangerschaftsassoziierten VTE treten in der Schwangerschaft selbst
auf, 50% im „kritischen Zeitraum“ über 6 Wochen nach Entbindung [5]; somit ist das Thromboserisiko postpartal etwa 5-mal höher als in der Schwangerschaft
selbst.
Prothrombotische Verschiebung des hämostatischen Gleichgewichts in der Schwangerschaft
Prothrombotische Verschiebung des hämostatischen Gleichgewichts in der Schwangerschaft
Für das signifikant erhöhte Thromboserisiko von Schwangeren im Vergleich zu nicht
schwangeren Frauen ist die physiologische prothrombotische Verschiebung des hämostatischen
Gleichgewichts in der Schwangerschaft von großer Bedeutung. Prokoagulatorische Faktoren
steigen an (z. B. Aktivitäten der plasmatischen Gerinnungsfaktoren), während Gerinnungskomponenten,
die den Gerinnungsprozess kontrollieren bzw. zügeln, signifikant abfallen; gutes Beispiel
hierfür ist der physiologische Rückgang der Protein-S-Aktivität in der Schwangerschaft.
Des Weiteren kommt es zu einer Modifikation der Fibrinolyse, wobei der Anstieg von
Plasminogen-Aktivator-Inhibitor (PAI-1) in der Schwangerschaft antifibrinolytisch
wirkt und somit zur prothrombotischen Verschiebung des hämostatischen Gleichgewichts
beiträgt. Letztere spiegelt sich auch in einem Anstieg der Aktivierungsmarker der
Hämostase (z. B. D-Dimere, Fibrinspaltprodukte [FSP], Thrombin-Antithrombin-Komplexe
[TAT] und Prothrombinfragment) wider [9], [13], [14], [15], [16], [17].
In der späten Schwangerschaft nimmt das Plasmavolumen um bis zu 1600 ml gegenüber
dem Ausgangswert zu [18]. Auch dies trägt in Verbindung mit einem verminderten venösen Rückfluss aufgrund
des zunehmenden Druckes des graviden Uterus auf die V. cava zu einer venösen Stase
und einem vermehrten Koagulationsrisiko bei.
Dispositionelle und expositionelle Risikofaktoren
Dispositionelle und expositionelle Risikofaktoren
Dispositionelle und expositionelle Risikofaktoren begünstigen das Auftreten von VTE
in der Schwangerschaft [19]; hierbei bezeichnet die Disposition die individuelle Veranlagung der Schwangeren
für thrombotische Ereignisse (intrinsisches Risiko), während expositionelle Risikofaktoren
von außen auf die Schwangere einwirkende Faktoren sind, die das Thromboserisiko situativ
erhöhen (sog. „Trigger“). Wichtige Risikofaktoren für thrombotische Ereignisse bei
Schwangeren sind in [Tab. 1] aufgeführt. Auf die klinisch relevantesten wird im Folgenden gesondert eingegangen.
Tab. 1 Wichtige Risikofaktoren für VTE in der Schwangerschaft.
|
Kategorie
|
Risikofaktor
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|
allgemeine Risikofaktoren
|
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Vor- und Begleiterkrankungen
|
-
abgelaufene VTE (Thrombose, Lungenembolie)
-
abgelaufene Thrombophlebitis
-
chronisch-entzündliche Erkrankungen
-
Sichelzellanämie
-
Herzerkrankungen
-
Diabetes mellitus
-
arterielle Hypertonie
-
Nikotinkonsum
|
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Komplikationen von Schwangerschaft und Entbindung
|
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iatrogene Risikofaktoren
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Thrombophilie
|
siehe [Tab. 2]
|
Thrombotische Ereignisse in der Vorgeschichte
Vorausgegangene tiefe Venenthrombosen und Lungenarterienembolien, insbesondere spontane
oder hormonell getriggerte Ereignisse – vor allem unter hormoneller Kontrazeption
– gehen mit einem deutlich gesteigerten Rezidivrisiko im Rahmen der Schwangerschaft
einher. Nach spontanen oder hormonell getriggerten Ereignissen ist ohne adäquate Thromboseprophylaxe
von einem Rezidivrisiko von ca. 10% im Rahmen einer Schwangerschaft auszugehen, welches
bei Vorliegen weiterer dispositioneller und expositioneller Risikofaktoren noch deutlich
höher sein kann [9], [20], [21], [22]. Auch abgelaufene oberflächliche Venenthrombosen (Thrombophlebitiden) sind bei entsprechender
Ausprägung mit einem um ca. das 10-Fache gesteigerten VTE-Risiko in Schwangerschaft
und Wochenbett verbunden. Durch eine adäquate Sekundärprophylaxe lässt sich dieses
Risiko auf ca. 2 – 3% reduzieren.
Thrombophilie
Genetisch determinierte Thrombophilie
Auch eine genetisch determinierte oder erworbene Thrombophilie wirkt sich auf das
VTE-Risiko in der Schwangerschaft aus. Die entsprechenden relativen und absoluten
Risiken für Trägerinnen genetisch determinierter thrombophiler Risikofaktoren sind
in [Tab. 2] zusammengestellt.
Tab. 2 Relatives und hieraus abgeleitetes absolutes VTE-Risiko in der Schwangerschaft für
Trägerinnen wichtiger hereditärer thrombophiler Risikofaktoren in Abhängigkeit von
der Familienanamnese [23], [24], [25], [26], [27], [28], [29], [30].
|
Risikofaktor
|
relatives Thromboserisiko
|
absolutes Thromboserisiko in Schwangerschaft und Puerperium
|
|
unauffällige Familienanamnese
|
belastete Familienanamnese
|
|
* Risikosteigerung und absolutes Thromboserisiko bei Inhibitoren-Mangelzuständen abhängig
von Art und Schweregrad des jeweiligen Defekts.
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Faktor-V-Leiden-Mutation
|
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|
|
|
8,32
|
0,8 – 1,2%
|
3,1%
|
|
|
34,4
|
3,4 – 4,8%
|
14%
|
|
Prothrombinmutation (G20210A)
|
|
|
|
|
|
6,8
|
0,6 – 1%
|
2,6%
|
|
|
26,4
|
2,6 – 3,7%
|
(?)
|
|
Faktor-V-Leiden-Mutation und Prothrombinmutation (G20210A)
|
|
|
|
|
|
50
|
5%
|
(?)
|
|
Protein-C-Mangel*
|
4,8 – 7,2
|
0,4 – 0,7%
|
1,7%
|
|
Protein-S-Mangel*
|
3,2
|
0,3 – 0,5%
|
6,6%
|
|
Antithrombinmangel*
|
4,7 – 64
|
0,4 – 4,1%
|
3,0%
|
Neben den oben genannten etablierten genetisch determinierten Risikofaktoren für VTE
sind in der Literatur eine Vielzahl weiterer Risikofaktoren beschrieben, die mit einem
gesteigerten Thromboserisiko in der Schwangerschaft assoziiert sein können bzw. bei
simultanem Auftreten mit anderen thrombophilen Risikofaktoren das durch diese bedingte
Thromboserisiko modulieren können. Beispielhaft seien hier die homozygote Variante
(4G/4G) des 4G/5G-Polymorphismus des Plasminogen-Aktivator-Inhibitors Typ 1 (PAI-1),
die Erhöhung des Niveaus plasmatischer Gerinnungsfaktoren sowie die Erhöhung von Lipoprotein
(a) und Homocystein genannt. Der Einfluss dieser nicht generell akzeptierten und nachrangigen
Risikofaktoren auf das Thromboserisiko in der Schwangerschaft ist nicht exakt geklärt,
ebenso wenig deren Interaktion mit anderen thrombophilen Risikofaktoren. Somit sollten
diese Faktoren im Regelfall nicht zur Abschätzung des Thromboserisikos im Rahmen der
Schwangerschaft herangezogen werden.
Erworbene Thrombophilie: Antiphospholipidsyndrom (APLS)
Unter den erworbenen Gerinnungsstörungen kommt dem APLS eine große Bedeutung für das
Auftreten thrombotischer Ereignisse in der Schwangerschaft zu [25], [31]. Dieses Krankheitsbild ist neben dem Auftreten von venösen und arteriellen Thrombosen
auch durch Abortneigung und sonstige Schwangerschaftskomplikationen gekennzeichnet.
Bei Betroffenen lassen sich Antiphospholipid-(APL-)Antikörper nachweisen, wobei gerinnungsaktive
APL-Antikörper (Lupusantikoagulanzien) von solchen, die keinen Einfluss auf Gerinnungstests
haben (insbesondere Cardiolipin-Antikörper und β2-Glykoprotein-I-Antikörper), abzugrenzen sind. Die Diagnose eines APLS kann nur dann
gestellt werden, wenn mindestens eines der oben genannten klinischen Anzeichen vorliegt
und zudem im zeitlichen Zusammenhang einer oder mehrere der oben genannten APL-Antikörper
bestätigt nachgewiesen werden; hingegen erlaubt der Befund positiver APL-Antikörper
ohne klinisches Korrelat nicht die Diagnose eines Antiphospholipidsyndroms, lässt
jedoch ein erhöhtes Risiko für Komplikationen vermuten. Eine engmaschige Betreuung
asymptomatischer Schwangerer mit erhöhten APL-Antikörpern ist daher zu empfehlen.
Höheres Schwangerenalter
Der Einfluss des Alters der Schwangeren auf das Thromboserisiko wurde in zahlreichen
Studien untersucht, mit nicht ganz konsistenten Ergebnissen. Fallkontrollstudien ergaben,
dass das relative Risiko für schwangerschaftsassoziierte VTE bei einem Lebensalter
von > 35 Jahren etwa doppelt so hoch ist wie in einem Alter von ≤ 35 Jahren [32].
Adipositas
Die Adipositas geht grundsätzlich mit einer leichten Risikosteigerung für VTE einher.
Auch für schwangerschaftsassoziierte VTE wurde bei einem Body-Mass-Index (BMI) über
30 kg/m2 eine relevante Risikosteigerung nachgewiesen [9], [33], [34]. In einer großen populationsbasierten Kohortenstudie in den Vereinigten Staaten
betrug bei Schwangeren mit einem (vor Schwangerschaftsbeginn gemessenen) BMI ≥ 40 kg/m2 die bereinigte Odds Ratio für pränatale VTE 2,9 (95%-Konfidenzintervall 2,2 – 3,8)
und für postpartale VTE 3,6 (95%-Konfidenzintervall 2,9 – 4,6), verglichen mit normalgewichtigen
Schwangeren [35]. Angesichts dieses Befundes sehen die Autoren der Studie die Bedeutung des Risikofaktors
Adipositas in den aktuellen Leitlinien zur VTE-Prophylaxe in der Schwangerschaft,
z. B. von ACCP (American College of Chest Physicians) [36], RCOG (Royal College of Obstetricians and Gynaecologists) [32] und ACOG (American College of Obstetricians and Gynecologists) [37] nur unzureichend repräsentiert. Auch in der deutschen S3-Leitlinie zur VTE-Prophylaxe
wird ein BMI > 30 kg/m2 nur als Risikofaktor für Nichtschwangere genannt und dessen relative Bedeutung als
„mittel“ eingestuft [38].
Schnittentbindung
Im Vergleich zur spontanen Entbindung ist die Schnittentbindung (Sectio) mit einem
etwa doppelt so hohen postpartalen Thromboserisiko assoziiert [6]; allerdings ist das absolute Risiko immer noch relativ gering.
Kinderwunschbehandlung
Heute werden bei Frauen mit Sterilität oder (habitueller) Abortneigung häufig „Kinderwunschbehandlungen“
durchgeführt. Bestandteil dieser Behandlungen ist in der Regel die Applikation von
Sexualhormonen zur hormonellen Stimulation. Hierdurch wird in Abhängigkeit von Art
und Dosierung der verabreichten Hormone eine Steigerung des Thromboserisikos induziert,
vor allem im 1. Trimenon der Schwangerschaft [39], [40], [41]; dies sollte daher klinisch berücksichtigt werden. Insbesondere nach abgelaufenen
thrombotischen Ereignissen und/oder bei Vorliegen einer klinisch relevanten Thrombophilie
ist die Durchführung einer hormonellen Stimulation im Rahmen einer Kinderwunschbehandlung
unter Umständen mit einem hohen Risiko behaftet und sollte daher nur unter strenger
Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen, zumal die Hormonapplikation bei bestehender Thromboseneigung
formal kontraindiziert ist. Bei gefährdeten Patientinnen empfiehlt sich eine interdisziplinäre
Betreuung durch das Kinderwunschzentrum und eine hämostaseologische Einrichtung, um
das Thromboserisiko exakt einzuschätzen und ggf. eine optimale Strategie zur Thromboseprophylaxe
unter der Stimulation und in einer eventuell nachfolgenden Schwangerschaft zu entwickeln
[9], [42].
Prädisponierende Begleiterkrankungen
Bestimmte Erkrankungen können mit einer Steigerung des Thromboserisikos einhergehen
und somit auch das VTE-Risiko in Schwangerschaft und Wochenbett erhöhen. Beispielhaft
seien hier Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises, chronisch-entzündliche Darmerkrankungen
(CED) wie Colitis ulcerosa und Morbus Crohn sowie Infektionen genannt [43], [44], [45]. Hingegen geht eine unkomplizierte Varikosis der unteren Extremitäten mit einer
allenfalls geringen Steigerung des Thromboserisikos in der Schwangerschaft einher.
Operative Eingriffe und Immobilisation
Grundsätzlich erhöhen operative Eingriffe das Thromboserisiko deutlich [46], wobei dieses ggf. durch eine postoperative Immobilität oder Komplikationen im Rahmen
des Eingriffs (z. B. Infektion) noch weiter gesteigert wird. Auch unabhängig von einem
Eingriff stellt eine Immobilität einen Risikofaktor für VTE, auch in Schwangerschaft
und Wochenbett, dar. Gegebenenfalls muss daher das Thromboserisiko im Verlauf der
Schwangerschaft anders bewertet werden, wenn bei bestehender Disposition für thrombotische
Ereignisse zusätzlich eine Immobilisation eintritt.
Abschätzung des thrombotischen Risikos in der Schwangerschaft
Abschätzung des thrombotischen Risikos in der Schwangerschaft
Um die Notwendigkeit einer medikamentösen Thromboseprophylaxe im Rahmen der Schwangerschaft
abzuklären, ist eine Abschätzung des Thromboserisikos erforderlich. Hierbei müssen
alle bekannten dispositionellen und expositionellen Risikofaktoren der Schwangeren
berücksichtigt werden [9], [32], [36], [47], [48], [49], [50], [51].
Rationale für die Durchführung einer medikamentösen Thromboseprophylaxe in der Schwangerschaft
ist, dass die prothrombotische Verschiebung des hämostatischen Gleichgewichts zusammen
mit dispositionellen und expositionellen Risikofaktoren zum Überschreiten einer imaginären
„kritischen Schwelle“ führen kann, was dann zur Manifestation thrombotischer Ereignisse
führt ([Abb. 1]). Auf diesem Konzept fußend wurden spezielle Risiko-Scores für Schwangere entwickelt
[32], [52]. Hierbei wird aus den vorliegenden, nach ihrer prothrombotischen Relevanz gewichteten
Einzelfaktoren ein Summenscore gebildet, der Aufschluss über die Höhe des Gesamtrisikos
der Schwangeren für VTE gibt. Solche Scores können für die Entscheidungsfindung für
oder gegen eine medikamentöse Thromboseprophylaxe bzw. für die Überweisung der Patientin
an einen Hämostaseologen sehr hilfreich sein.
Abb. 1 Zusammensetzung des individuellen Thromboserisikos in der Schwangerschaft. Übersteigt
das Gesamtrisiko eine imaginäre „kritische Schwelle“ (gestrichelte Linie), so kommt
es zur Manifestation des thrombotischen Ereignisses.
An dieser Stelle sei noch einmal die Bedeutung etwaiger hereditärer und/oder erworbener
thrombophiler Risikofaktoren für das Thromboserisiko in der Schwangerschaft betont.
Eine Thrombophilie-Diagnostik sollte dann durchgeführt werden, wenn bereits eine besondere
Disposition der Schwangeren für thrombotische Ereignisse vorliegt und sich aus dem
zusätzlichen Nachweis einer Thrombophilie Konsequenzen hinsichtlich einer medikamentösen
Thromboseprophylaxe ergeben würden. Wichtig ist die Thrombophilie-Diagnostik unter
anderem auch in der Planungsphase einer Schwangerschaft, wenn die Familienanamnese
der Frau hinsichtlich thrombotischer Ereignisse belastet ist. Die positive Familienanamnese
in Kombination mit einer Thrombophilie kann eine Indikation für eine medikamentöse
Thromboseprophylaxe in Schwangerschaft und Wochenbett darstellen.
Medikamente zur Therapie und Prophylaxe thrombotischer Ereignisse in der Schwangerschaft
Medikamente zur Therapie und Prophylaxe thrombotischer Ereignisse in der Schwangerschaft
Niedermolekulare Heparine
Niedermolekulare Heparine (NMH) stellen die Standardmedikation zur Prophylaxe und
Therapie thrombotischer Ereignisse im Rahmen von Schwangerschaft und Wochenbett dar
[9], [32], [36], [38], [53], [54], [55], [56], [57], [58], [59], [60], [61] und haben die früher verwendeten unfraktionierten Heparine (UFH) inzwischen weitgehend
verdrängt. NMH zeichnen sich gegenüber den UFH insbesondere durch das günstigere Nebenwirkungsprofil
(bessere Verträglichkeit, geringes Risiko für eine heparininduzierte Thrombozytopenie
[HIT]) bei mindestens vergleichbarer Wirksamkeit aus. Eine Übersicht über derzeit
verfügbare Heparine und das Pentasaccharid Fondaparinux zeigt [Tab. 3].
Tab. 3 Übersicht über parenterale Antikoagulanzien für die Schwangerschaft.
|
Antikoagulans
|
mittleres Molekulargewicht (Dalton)
|
Verhältnis von Anti-Xa- und Anti-IIa-Wirkung
|
Herstellungsmethode
|
|
unfraktioniertes Heparin (UFH)
|
5 000 – 30 000
|
1
|
–
|
|
Dalteparin
|
6 000
|
2,5
|
Hydrolyse mit HNO2
|
|
Certoparin
|
5 200
|
2,2
|
Hydrolyse mit Isoamylnitrit
|
|
Nadroparin
|
4 500
|
2,5 – 4
|
Hydrolyse mit HNO2 und Fraktionierung
|
|
Enoxaparin
|
4 500
|
3,6
|
Benzylierung und alkalische β-Elimination
|
|
Reviparin
|
4 150
|
3,6 – 6,1
|
Hydrolyse mit HNO2
|
|
Tinzaparin
|
6 500
|
1,5 – 2,5
|
enzymatische β-Elimination
|
|
Fondaparinux
|
1 728
|
nur Anti-Xa-Effekt
|
künstliche chemische Synthese
|
Zur Primär- und Sekundärprophylaxe von VTE werden NMH im Rahmen der Schwangerschaft in der Regel in einer an der Hochrisikoprophylaxe
adaptierten Dosierung eingesetzt. Zur Verfügung stehen hierfür verschiedene NMH, die
auch als Fertigspritze für die Selbstapplikation durch die Patientinnen zur Verfügung
stehen. Unlängst hat auch Tinzaparin in einer Dosierung von 4500 IE/d die deutsche
Zulassung zur Hochrisikoprophylaxe erhalten und steht nun auch als Fertigspritze zur
VTE-Prophylaxe in der Schwangerschaft zur Verfügung; laut Fachinformation liegen zum
Einsatz von Tinzaparin in der Schwangerschaft Daten von mehr als 2000 Fällen vor.
Zur Therapie thrombotischer Ereignisse in der Schwangerschaft werden NMH in therapeutischer Dosierung
eingesetzt. Mit Tinzaparin ist hierbei eine therapeutische Antikoagulation mit einer
1-mal täglichen Heparinapplikation möglich, während andere NMH bei therapeutischer
Anwendung 2-mal täglich appliziert werden müssen.
Eine Übersicht über die Standarddosierungen von NMH zur Prophylaxe und Therapie schwangerschaftsassoziierter
VTE zeigt [Tab. 4]; zu betonen ist, dass in begründeten Fällen von diesen Standarddosierungen ggf.
abgewichen werden muss.
Tab. 4 Dosierung von niedermolekularen Heparinen (NMH) und Fondaparinux zur Prophylaxe und
Therapie thrombotischer Ereignisse in der Schwangerschaft.
|
Substanzgruppe
|
Wirkstoff
|
Präparat
|
Dosierung
|
|
Prophylaxe
|
Therapie
|
|
KG = Körpergewicht
|
|
niedermolekulares Heparin (NMH)
|
Certoparin
|
Mono-Embolex® (Aspen)
|
1 × 3000 IE/d s. c.
|
2 × tgl. 8000 IE s. c. (vom KG unabhängig)
|
|
Dalteparin
|
Fragmin® (Pfizer)
|
1 × 5000 IE/d s. c.
|
2 × tgl. 100 IE/kgKG s. c.
|
|
1 × tgl. 200 IE/kgKG s. c.
|
|
Enoxaparin
|
Clexane® (Sanofi)
|
1 × 40 mg/d s. c.
|
2 × tgl. 1 mg/kgKG s. c.
|
|
Nadroparin
|
Fraxiparin® (Aspen)
|
1 × 0,3 ml/d s. c.
|
2 × tgl. 0,1 ml/10 kgKG s. c.
|
|
Tinzaparin
|
Innohep® (LEO Pharma)
|
1 × 4500 IE/d s. c.
|
1 × tgl. 175 IE/kgKG s. c.
|
|
Pentasaccharid
|
Fondaparinux
|
Arixtra® (Aspen)
|
1 × 2,5 mg/d s. c.
|
< 50 kgKG: 1 × tgl. 5 mg s. c.
50 – 100 kgKG: 1 × tgl. 7,5 mg s. c.
> 100 kgKG: 1 × tgl. 10 mg s. c.
|
Fondaparinux
Das Pentasaccharid Fondaparinux stellt eine Alternative zur Prophylaxe und Therapie
von VTE in der Schwangerschaft dar [62], [63], [64], [65]. Das Präparat zeichnet sich durch eine gute Verträglichkeit und geringe Rate allergischer
Reaktionen aus. Allerdings ist Fondaparinux im Gegensatz zu NMH plazentagängig. Zwar
wird diese Plazentagängigkeit im Allgemeinen als unproblematisch angesehen, dennoch
sollte der Einsatz von Fondaparinux in der Schwangerschaft auf solche Fälle beschränkt
werden, bei denen NMH nicht eingesetzt werden können [32], [36], [55]. So etwa bei HIT und bei einer Unverträglichkeit gegenüber (verschiedenen) NMH,
insbesondere kutanen allergischen Reaktionen.
Danaparoid
Das Heparinoid Danaparoid stellt prinzipiell ebenfalls eine Alternative für die Prophylaxe
und Therapie thrombotischer Ereignisse dar, wenn NMH nach abgelaufener HIT oder allergischen
Reaktionen auf die Applikation von NMH nicht eingesetzt werden können. Heute wird
Danaparoid im Rahmen einer Schwangerschaft nur noch sehr selten angewendet [66], [67].
Orale Antikoagulanzien
Vitamin-K-Antagonisten (VKA), insbesondere Phenprocoumon und Warfarin, sind plazentagängig;
bei ihrem Einsatz in der Schwangerschaft, insbesondere im 1. Trimenon, sind embryotoxische
Effekte beschrieben (sog. „Warfarin-Embryopathie“) [68]. Hierdurch verbietet sich ihre Anwendung, insbesondere in der für die Embryonalentwicklung
entscheidenden Phase, dem 1. Trimenon der Schwangerschaft. In seltenen Ausnahmefällen,
insbesondere bei Frauen mit mechanischem Herzklappenersatz, werden VKA nach dem 1. Trimenon
zur Prophylaxe thrombotischer Komplikationen eingesetzt.
Die Erfahrungen mit nicht-Vitamin-K-abhängigen oralen Antikogulanzien (NOAK), dem
direkten oralen Thrombininhibitor (DTI) Dabigatran-Etexilat und den oralen Xa-Inhibitoren
Rivaroxaban, Apixaban und Edoxaban im Rahmen der Schwangerschaft sind begrenzt. Diese
Antikoagulanzien sind in Schwangerschaft und Stillzeit formal nicht zugelassen. Es
geht jedoch aus den wenigen vorliegenden Berichten hervor, dass es bei versehentlicher
Anwendung von NOAK im 1. Trimenon der Schwangerschaft offenbar nicht gehäuft zu mütterlichen
Komplikationen oder zu einer Schädigung des Embryos kommt; eine Anwendung von NOAK
in der Frühschwangerschaft stellt daher nach gegenwärtigem Stand keine hinreichende
Begründung für den Abbruch einer Schwangerschaft dar.
Tritt unter Exposition mit VKA oder NOAK eine Schwangerschaft ein, muss die orale
Antikoagulation beendet und rasch eine Umstellung auf ein parenterales Antikoagulans,
in der Regel ein NMH, vorgenommen werden [9].
Wichtig ist anzumerken, dass der VKA Phenprocoumon sowie die NOAK in der Stillzeit
nicht eingesetzt werden sollten. Wird im Rahmen der Stillzeit eine orale Antikoagulation
erforderlich, so kann hierfür der VKA Coumadin eingesetzt werden, der nicht in die
Muttermilch übergeht. Alternativ kann im Rahmen der Stillzeit natürlich eine parenterale
Antikoagulation mit einem NMH oder mit Fondaparinux durchgeführt werden [9].
Laborkontrollen unter antithrombotischer Medikation in der Schwangerschaft
Laborkontrollen unter antithrombotischer Medikation in der Schwangerschaft
Ein begleitendes Labor-Monitoring unter medikamentöser Prophylaxe oder Therapie einer
VTE im Rahmen der Schwangerschaft wird kontrovers diskutiert. Aus Sicht des Autors
sind aus verschiedenen Gründen periodische Laborkontrollen anzuraten [9].
Eine gefürchtete Nebenwirkung der Applikation von Heparinen ist die HIT, bei der es
sich um ein schwerwiegendes thrombotisches Krankheitsbild handelt. Im Vergleich zum
Einsatz von UFH ist das Risiko für eine HIT bei NMH äußerst gering; des Weiteren tritt
diese Komplikation ganz überwiegend in gefährdeten operativen Patientenkollektiven
auf (z. B. in der Gefäßchirurgie) und ist im konservativen Fachgebiet, insbesondere
auch in der Schwangerschaft, ausgesprochen selten. Somit werden heute routinemäßige
Blutbildkontrollen bei Heparinisierung in der Schwangerschaft und im Wochenbett zur
ggf. frühzeitigen Erkennung einer HIT nicht mehr empfohlen. Tritt im Rahmen der Schwangerschaft
eine Thrombozytopenie unter Heparinisierung auf, so ist eine ursächliche HIT differenzialdiagnostisch
zu berücksichtigen; allerdings stellen Gestationsthrombozytopenie und Immunthrombozytopenie
die mit Abstand häufigsten Ursachen einer Thrombozytopenie in der Schwangerschaft
dar.
Da der antikoagulatorische Heparineffekt über die Schwangerschaft hinweg aufgrund
der physiologischen Veränderungen der Hämostase nicht konstant ist, kann eine Dosissteigerung
der Antikoagulation erforderlich werden. Der Effekt der eingesetzten parenteralen
Antikoagulanzien (NMH, Fondaparinux, Danaparoid) kann durch Bestimmung der Anti-Faktor-Xa-Aktivität
erfasst werden, wobei das Verfahren auf das verwendete Antikoagulans kalibriert werden
sollte. Um die für die Bewertung der Dosierung entscheidenden Spitzenspiegel der eingesetzten
Antikoagulanzien zu erfassen, sollte die Blutentnahme ggf. etwa 3 – 4 Stunden nach
letztmaliger Injektion des Antikoagulans erfolgen. Neben der Anti-Faktor-Xa-Aktivität
können auch andere Kriterien zur Dosisanpassung der parenteralen Antikoagulanzien
im Rahmen der Schwangerschaft herangezogen werden: So können unüblich hohe Aktivierungsmarker
(z. B. D-Dimere) auf eine unzureichende Gerinnungshemmung hinweisen und eine Dosissteigerung
erfordern.
Schließlich ist anzumerken, dass für die eingesetzten parenteralen Antikoagulanzien,
insbesondere NMH, zwar eine große Erfahrung zur Anwendung in Schwangerschaft und Stillzeit
besteht, diese aber formal nicht in der Schwangerschaft zugelassen sind. Somit sollte
die Anwendung unter strenger Nutzen-Risiko-Abwägung erfolgen und es sollten geeignete
Kontrollen durchgeführt werden, um eine eventuelle Toxizität zu erkennen. Unter parenteraler
Antikoagulation kann es zu hepatotoxischen Nebenwirkungen mit Anstieg der Leberwerte
kommen, was eine Umstellung der Antikoagulation erforderlich machen kann. Da bei einer
Niereninsuffizienz eine Einschränkung bez. des Einsatzes parenteraler Antikoagulanzien
resultieren oder eine Dosisreduktion notwendig werden kann, wird ferner empfohlen,
die Nierenfunktion – insbesondere bei therapeutischer Antikoagulation oder bei Risikopatientinnen
– zu kontrollieren. Das Akkumulationspotenzial der langkettigen NMH, wie z. B. Tinzaparin
und Dalteparin, ist bei Vorliegen einer renalen Funktionsstörung aufgrund eines alternativen
Eliminationsweges über das retikuloendotheliale System (RES) am geringsten [62].
Medikamentöse Thromboseprophylaxe in Schwangerschaft und Wochenbett
Medikamentöse Thromboseprophylaxe in Schwangerschaft und Wochenbett
Wie auch außerhalb der Schwangerschaft ist das Vermeiden einer Immobilität die entscheidende
Basismaßnahme zur Prävention schwangerschaftsassoziierter VTE. Nach der Entbindung ist eine Frühmobilisation
anzustreben, was ggf. durch Krankengymnastik unterstützt werden kann [9]. Hinsichtlich der Indikationsstellung zur medikamentösen Thromboseprophylaxe sind
die situative passagere Thromboseprophylaxe, die Primär- und die Sekundärprophylaxe
zu unterscheiden [9], [47], [48], [49], [50], [51].
Passagere/situative Prophylaxe
Eine zeitlich begrenzte Thromboseprophylaxe in der Schwangerschaft erfolgt aufgrund
passagerer situativer Risikofaktoren bzw. Risikosituationen, die mit einem erhöhten
Thromboserisiko der Schwangeren assoziiert sind. Hierzu zählen etwa operative Eingriffe,
Immobilisierung, schwere Infekte und Langstrecken(flug)reisen mit einer Reisedauer
von über 3 – 4 Stunden. In solchen Situationen besteht ohnehin ein erhöhtes Thromboserisiko,
welches im Rahmen der Schwangerschaft nochmals weiter gesteigert ist. Grundsätzlich
ist in allen Fällen, in denen auch außerhalb der Schwangerschaft eine passagere medikamentöse
Thromboseprophylaxe erfolgt, eine entsprechende Prophylaxe im Rahmen einer Schwangerschaft
durchzuführen; hierbei kann nach den entsprechenden Leitlinien-Empfehlungen vorgegangen
werden [38].
Primärprophylaxe
Um die Indikation für eine medikamentöse Thromboseprophylaxe in der Schwangerschaft
adäquat stellen zu können, ist eine individuelle Abwägung des Thromboserisikos der
Schwangeren unter Berücksichtigung aller bekannten dispositionellen und expositionellen Risikofaktoren erforderlich. Hierbei ist auch das Vorliegen hereditärer thrombophiler
Risikofaktoren von besonderer Bedeutung, vor allem Faktor-V-Leiden-Mutation (Faktor
V G1691A), Prothrombinmutation (Faktor II G20210A) sowie Protein-C-, Protein-S- und
Antithrombinmangel.
Die Ermittlung des absoluten Thromboserisikos in der Schwangerschaft bei Vorliegen
einer genetisch-determinierten Thrombophilie ist nicht unproblematisch, da stets das
Vorliegen anderer dispositioneller Risikofaktoren in die Ermittlung des Gesamtrisikos
einfließen muss. Auch können gleichzeitig verschiedene thrombophile Risikofaktoren
vorliegen, was dann das thrombotische Risiko – ggf. übermultiplikativ – erhöhen kann. So ist beispielsweise die heterozygote Faktor-V-Leiden-Mutation
bei ansonsten fehlender Disposition mit einem Thromboserisiko von ca. 0,3% in der
Schwangerschaft assoziiert [10], [23]; daher ist diese Mutation alleine keine Indikation für eine medikamentöse Primärprophylaxe
in der Schwangerschaft. Hingegen rechtfertigt die homozygote Faktor-V-Leiden-Mutation
mit einem Thromboserisiko von ca. 1,5% und die Kombination von heterozygoter Faktor-V-Leiden-
und heterozygoter Prothrombinmutation mit einem Risiko von ca. 5% in der Schwangerschaft
[10], [23] in der Regel eine medikamentöse Primärprophylaxe in der Schwangerschaft, auch wenn
keine sonstigen dispositionellen Risikofaktoren vorliegen. Berücksichtigt werden muss,
dass die genannten absoluten Risiken sich noch deutlich erhöhen, wenn andere dispositionelle
Risikofaktoren für VTE vorliegen. Beispielsweise führt die positive Familienanamnese
für VTE zu einer ca. 2 – 4-fachen Risikosteigerung, die Adipositas verdoppelt bis
verdreifacht das Thromboserisiko, und bei höherem Schwangerenalter steigt das Thromboserisiko
ebenfalls an.
Während bei einer leichten Disposition für thrombotische Ereignisse (etwa einem BMI
von 25 – 30 kg/m2) in der Regel keine medikamentöse Primärprophylaxe in Schwangerschaft und Wochenbett
per se erforderlich ist, wird bei mittlerer Disposition – in der Regel bei Kombination
einer milden Thrombophilie mit einem anderen dispositionellen Risikofaktor – primär
eine medikamentöse Thromboseprophylaxe im Wochenbett empfohlen. Treten im Rahmen der
Schwangerschaft zusätzliche Risikofaktoren auf, die das Thromboserisiko fördern, wird
ggf. bereits in der Schwangerschaft eine medikamentöse Thromboseprophylaxe eingeleitet.
Bei schwerer Disposition für thrombotische Ereignisse, etwa schwerer Thrombophilie,
erfolgt über die gesamte Schwangerschaft eine medikamentöse Thromboseprophylaxe. Grundsätzlich
wird eine in der Schwangerschaft begonnene medikamentöse Thromboseprophylaxe aufgrund
des postpartal gipfelnden Thromboserisikos im Wochenbett zumeist für ca. 6 Wochen
nach der Entbindung fortgeführt. Wird im Rahmen der Entbindung eine rückenmarksnahe
Anästhesie (PDA) oder eine Sectio durchgeführt, so ist ein Abstand von mindestens
12 Stunden zwischen letzter Heparingabe und Durchführung der Intervention bzw. der
Entbindung einzuhalten [9], [32].
Ein allgemeiner Algorithmus ([Abb. 2]) sowie ein Algorithmus bei Vorliegen einer Thrombophilie ([Abb. 3]) zur medikamentösen Primärprophylaxe im Rahmen einer Schwangerschaft sind grafisch
dargestellt.
Abb. 2 Primärprophylaxe thrombotischer Ereignisse im Rahmen der Schwangerschaft bei Vorliegen
dispositioneller Risikofaktoren.
Abb. 3 Primärprophylaxe thrombotischer Ereignisse im Rahmen der Schwangerschaft bei Vorliegen
einer Thrombophilie. * Abhängig von Art und Schwere des Inhibitorenmangels. ** Tiefe
Venenthrombose insbesondere bei Verwandten 1. Grades. *** Abhängig von Art und Ausprägung
des Risikofaktors, ggf. wiederholte Überprüfung in der Schwangerschaft erforderlich.
**** Bei im Rahmen der Schwangerschaft durchgeführter medikamentöser Thromboseprophylaxe
wird diese in der Regel auch über 6 Wochen postpartal fortgeführt.
Sekundärprophylaxe
Bei Patientinnen mit anamnestisch vor der Schwangerschaft aufgetretenen VTE besteht in der Schwangerschaft ein erhöhtes
Rezidivrisiko, welches je nach vorliegender Konstellation bei 10 – 20% liegen kann.
Daher erhalten diese Frauen in der Regel eine medikamentöse Thromboseprophylaxe, insbesondere
nach spontan aufgetretenen Ereignissen oder Ereignissen mit hormonellem Auslöser (unter
hormoneller Kontrazeption, Hormon[ersatz]therapie [HRT] oder in einer früheren Schwangerschaft).
Bei Patientinnen mit einem starken transienten Risikofaktor, etwa nach schwerem Trauma
oder großem operativen Eingriff, ist ggf. Zuwarten gerechtfertigt. Da das Thromboserisiko
und auch das Rezidivrisiko nach abgelaufenem Ereignis von Beginn der Schwangerschaft
an erhöht sind, wird die medikamentöse Thromboseprophylaxe bei Eintritt einer Schwangerschaft
zeitnah begonnen und in der Regel über 6 Wochen postpartal fortgeführt; bei Persistenz
situativer Risikofaktoren über mehr als 6 Wochen nach Entbindung kann ggf. eine weitere
Verlängerung der medikamentösen Thromboseprophylaxe erforderlich werden [47], [48], [49], [50], [51]. Bei therapeutischer Heparinisierung ist zwischen letzter Heparingabe und Entbindung
– insbesondere bei Durchführung einer PDA – ein zeitlicher Mindestabstand von 24 Stunden
einzuhalten [32]. Nichtbeachten dieses Intervalls kann das Risiko für Blutungskomplikationen, insbesondere
im Rahmen der PDA, deutlich erhöhen. Bei hohem Thromboserisiko kann UFH intravenös
noch bis 4 – 6 Stunden vor dem Eingriff gegeben werden; kann das entsprechende Intervall
nicht eingehalten werden, so ist ggf. auf die Durchführung einer PDA zu verzichten
[9], [69].
Einen Algorithmus zur medikamentösen Sekundärprophylaxe in der Schwangerschaft nach
abgelaufenen thrombotischen Ereignissen zeigt [Abb. 4].
Abb. 4 Sekundärprophylaxe nach abgelaufenen VTE in der Schwangerschaft. * Insbesondere hormonell
getriggerte Ereignisse (unter hormoneller Kontrazeption, Hormon[ersatz]therapie [HRT]
oder in früherer Schwangerschaft). ** Ggf. wiederholte Überprüfung auf erworbene/expositionelle
Risikofaktoren im Rahmen der Schwangerschaft erforderlich.
Antikoagulation bei thrombotischen Ereignissen in der Schwangerschaft
Antikoagulation bei thrombotischen Ereignissen in der Schwangerschaft
Tritt im Rahmen einer Schwangerschaft eine tiefe Venenthrombose mit oder ohne begleitende
Lungenembolie auf, so wird eine therapeutische Antikoagulation erforderlich; diese
wird in der Regel mit einem NMH in therapeutischer Dosierung durchgeführt, in Ausnahmefällen
mit Fondaparinux in therapeutischer Dosierung [47], [48], [49], [50], [51]. Eine Dosisreduktion erfolgt während der Antikoagulationsdauer nicht, sofern keine
besonderen Umstände – etwa eine vermehrte Blutungsneigung – unter der Antikoagulation
vorliegen [9].
Grundsätzlich wird die Antikoagulation über mindestens 3 Monate durchgeführt und stets
über einen Zeitraum von 6 Wochen postpartal fortgeführt, da das thrombotische Risiko
im Wochenbett „gipfelt“. Postpartal kann die Antikoagulation entweder weiter parenteral
durchgeführt werden oder aber eine Oralisierung erfolgen. Es ist aber zu berücksichtigen,
dass alle derzeit verfügbaren NOAK in der Stillzeit kontraindiziert sind und dass
der in Deutschland ganz überwiegend eingesetzte VKA Phenprocoumon in die Muttermilch
übergeht und einen Vitamin-K-Mangel beim Neugeborenen induzieren oder verstärken kann.
Daher kommt für die orale Antikoagulation in der Stillzeit derzeit lediglich Warfarin
in Betracht, das nicht in die Muttermilch übergeht und daher auch in der Stillzeit
zugelassen ist. Die Einstellung auf Warfarin muss ggf. überlappend mit der parenteralen
Antikoagulation begonnen werden; letzere kann beendet werden, wenn nach Aufsättigung
der INR-Wert unter Warfarin im angestrebten Zielbereich (i. d. R. 2,0 – 3,0) liegt.
Ist etwa bei Frauen mit wiederholten VTE eine dauerhafte Antikoagulation erforderlich,
so kann diese nach Beendigung der Stillzeit oder bei nicht stillenden Frauen oralisiert
werden, wobei dann alternativ ein NOAK (derzeit sind die Xa-Inhibitoren Rivaroxaban,
Apixaban und Edoxaban sowie der direkte orale Thrombininhibitor [DTI] Dabigatran-Etexilat
verfügbar) oder ein VKA, in der Regel Phenprocoumon, eingesetzt werden können [9].
Einen Algorithmus zur Antikoagulation bei schwangerschaftsassoziierten thrombotischen
Ereignissen zeigt [Abb. 5].
Abb. 5 Antikoagulation bei Auftreten thrombotischer bzw. thromboembolischer Ereignisse im
Rahmen einer Schwangerschaft.
Nach schwangerschaftsassoziierten thrombotischen Ereignissen ist wie bei sonstigen
thrombotischen Ereignissen in definierter Risikosituation in der Regel keine langfristige
bzw. dauerhafte Antikoagulation erforderlich. Abweichungen hiervon können sich jedoch
ergeben, wenn eine ausgeprägte Disposition für thrombotische Ereignisse besteht bzw.
ein künftig stark erhöhtes Rezidivrisiko angenommen wird; dies kann beispielsweise
bei Vorliegen einer schwerwiegenden Thrombophilie oder bei rezidivierenden thrombotischen
Ereignissen der Fall sein. Zur Klärung dieser Frage empfiehlt sich in entsprechenden
Fällen eine Vorstellung betroffener Patientinnen in einer Gerinnungsambulanz.
Auch wenn nach schwangerschaftsassoziierten VTE keine dauerhafte Antikoagulation erfolgt,
ergeben sich folgende Konsequenzen [9]:
-
Auf die Einnahme von hormonellen Kontrazeptiva ist nach schwangerschaftsassoziierten
und sonstigen hormonell getriggerten Ereignissen nach Möglichkeit zu verzichten; ggf.
kann ein reines Gestagenpräparat („Minipille“) zur Kontrazeption eingesetzt werden.
Hierbei sind allerdings formal-juristische Aspekte zu beachten, da gemäß Fachinformation
auch „Minipillen“ nach VTE kontraindiziert sind.
-
In Risikosituationen sollte nach schwangerschaftsassoziierten Ereignissen ggf. eine
medikamentöse Thromboseprophylaxe, in der Regel mit einem NMH, durchgeführt werden.
-
In einer Folgeschwangerschaft ist gemäß Leitlinie nach bereits abgelaufenem schwangerschaftsassoziierten
Ereignis in einer Vorschwangerschaft eine medikamentöse Thromboseprophylaxe, in der
Regel mit NMH, vom Eintritt der Schwangerschaft an bis (mindestens) 6 Wochen postpartal
indiziert.