Aktuelle Dermatologie 2020; 46(06): 275-277
DOI: 10.1055/a-1030-9425
Kasuistik
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Schmerzhafte artifizielle Ekchymosen an Hals und Gesicht

Painful Artifactual Ecchymoses of the Neck and Face
A. Markovic
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsmedizin Leipzig
,
J. C. Simon
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsmedizin Leipzig
,
H. L. Kirsten
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsmedizin Leipzig
,
M. Kunz
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie, Universitätsmedizin Leipzig
› Author Affiliations
Further Information

Korrespondenzadresse

Dr. med. Aleksander Markovic
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum Leipzig
Philipp-Rosenthal-Straße 23
04103 Leipzig

Publication History

Publication Date:
16 January 2020 (online)

 

Zusammenfassung

Es wird über den Fall einer 13-jährigen Patientin mit neu aufgetretenen, auf Druck schmerzhaften Hautveränderungen beidseits am Hals und im Gesicht berichtet. Auf Nachfrage traten die Effloreszenzen episodisch im Rahmen von Stresssituationen auf. Im Verlauf kam es zu einer Spontanheilung mit Narbenbildung und mehreren Rezidiven. Nach erfolgter Probebiopsie wurde ein Gardner-Diamond-Syndrom ausgeschlossen und der Verdacht auf selbstinduzierte Hautläsionen geäußert.


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Abstract

Here we present a young 13-year-old female patient with newly developed bilateral painful ecchymoses of the neck and face. The patient stated that the skin changes developed spontaneously during stress situations. The skin changes healed with scar formation. Histopathology of a punch biopsy was in favor of self-inflicted lesions rather than Gardner-Diamond-Syndrome which may produce similar lesions.


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Falldarstellung

Anamnese

Wir berichten über den Fall einer 13-jährigen Patientin, die konsiliarisch aus der Abteilung für Kinder- und Jugendmedizin in unserer Klinik vorgestellt wurde. Die Patientin berichtete über erstmals im Dezember 2018 neu aufgetretene, druckschmerzhafte Hautveränderungen am Hals und im Gesichtsbereich ([Abb. 1]). Die Anamnese war hinsichtlich anderer Erkrankungen unauffällig. Insbesondere fanden sich keine Hinweise für Erkrankungen aus dem atopischen Formenkreis.

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Abb. 1 Am Hals beidseits teils scharf, teils unscharf abgegrenzte Erosionen und Krustenbildungen (Foto: D. Hildenhagen/UKL).

Im Verlauf stellte sich die Patientin nach zwischenzeitlicher Abheilung noch mehrmals bei uns mit neu aufgetretenen Effloreszenzen am Hals vor.


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Klinischer Befund

Überwiegend scharf begrenzte oberflächliche Ekchymosen und Erosionen, teilweise mit Krustenbildung am Hals ([Abb. 1]).


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Diagnose

Weitere Untersuchungen

In den Blutuntersuchungen fanden sich Normalwerte für antinukleäre Antikörper, Antikörper gegen Desoxyribonukleinsäure, anti-Neutrophile zytoplasmatische Antikörper und Gerinnungswerte (s. unten).

In Zusammenschau der unauffälligen laborchemischen Untersuchungen und der Klinik erfolgte eine Probebiopsie. In der Histopathologie zeigte sich eine Epidermisnekrose mit Epidermisablösung und superfizieller, gemischtzelliger Entzündungsreaktion in der Dermis ([Abb. 2]). Zusammenfassend stellten wir die Diagnose von selbstinduzierten Hautveränderungen im Sinne von Artefakten. Ausreichende Hinweise auf ein Gardner-Diamond-Syndrom, an das zunächst gedacht wurde, fanden sich nicht.

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Abb. 2 H&E-Färbung 100-fache Vergrößerung. Epidermisnekrose mit konsekutiver Epidermisablösung und superfizieller gemischtzelliger Entzündungsreaktion (Foto: R. Reschke/UKL).

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Therapie und Verlauf

Wir behandelten die Patientin zunächst empirisch mit Prednicarbat-Creme. Histologisch fanden sich keine Hinweise auf ein Gardner-Diamond-Syndrom, sodass wir exogen verursachte Hautveränderungen im Sinne von Artefakten diagnostizierten. Wir behandelten die Patientin hierauf lokal mit Fusidinsäure und Betamethason-Creme. Im Verlauf kam es zu einer teils narbigen Abheilung, teils zu postinflammatorischen Hyper- bzw. Hypopigmentierungen ([Abb. 3]). Eine Vorstellung beim Jugend-Psychiater wurde seitens der Patientin und ihrer Eltern nicht gewünscht.

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Abb. 3 Teils postinflammatorische Hypo- bzw. Hyperpigmentierungen mit teils narbiger Abheilung am Hals (Foto: D. Hildenhagen/UKL).

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Diskussion

Beim Gardner-Diamond-Syndrom handelt es sich um ein seltenes Krankheitsbild, bei dem es zur Bildung von schmerzhaften Ekchymosen, oftmals im Rahmen von Stresssituationen oder psychischen Belastungen kommt. Die Hautveränderungen treten häufig im Bereich der oberen sowie unteren Extremitäten, seltener dagegen im Kopf-Hals-Bereich auf [1]. Die Erkrankung äußert sich in der 1. – 5. Lebensdekade, wobei in 90 % der Fälle Frauen betroffen sind [1].

Charakteristisch sind ein Brennen und Schmerzen der Haut, gefolgt von einer Ausbildung von 1 – 25 cm großen, druckschmerzhaften Ekchymosen. Andere Beschwerden, wie z. B. Arthralgien, Kopfschmerzen, Abgeschlagenheit und Bauchschmerzen können gleichzeitig auftreten. Als Ursache wird eine Autosensibilisierung gegen Phosphoglyzeride der Erythrozyten vermutet [2].

Histologisch sind eine Extravasation von Erythrozyten in der Dermis mit perivaskulären Lymphozyten sowie Einblutungen in die Dermis und Subkutis zu sehen [1].

Den diagnostischen Goldstandard stellt eine Injektion von autologen, gewaschenen Erythrozyten in die Dermis dar. Hiernach kommt es zur Ausbildung schmerzhafter Ekchymosen [1].

Eine Negativkontrolle erfolgt mit Natrium-Chlorid-Lösung intradermal.

Therapeutisch wird eine Anbindung an einen Psychiater, eine Psychotherapie sowie eine medikamentöse Therapie mit z. B. Antipsychotika, trizyklischen Antidepressiva und Benzodiazepinen empfohlen [1]. Topisch können glukokortikoidhaltige Externa zum Einsatz kommen [1].

Die Diagnose stellt eine Ausschlussdiagnose dar. Andere Erkrankungen, insbesondere Gerinnungsstörungen, Vaskulitiden oder Lupus erythematodes, sollten vorher ausgeschlossen werden.

Bei unserer Patientin traten rezidivierend Ekchymosen am Hals und im Gesicht auf. Ältere Ekchymosen heilten mit einer postinflammatorischen Hypo- bzw. Hyperpigmentierung und vereinzelt auch Narbenbildung ab. Die Thrombozytenzahl, Coombs-Test inklusive weiterer Gerinnungswerte wie Quick-Wert, Internationalized Ratio (INR), partielle Thromboplastinzeit (pTT), Prothrombinzeit (PT), Ristocetin Cofactor sowie Fibrinogen, Antithrombin III und von-Willebrand-Faktor waren normwertig.

Anti-Neutrophile zytoplasmatische Antikörper waren negativ.

Histologisch zeigte sich eine Epidermisnekrose mit konsekutiver Epidermisablösung und superfizieller gemischtzelliger Entzündungsreaktion, die vereinbar war mit einem äußerlichen Trauma.

Nach intensivem Gespräch mit der Patientin und ihrer Mutter konnte eine Selbstverletzung nicht ausgeschlossen werden. Eine Vorstellung in unserer psychiatrischen Klinik wurde nicht gewünscht. Histologisch ist eine Epidermisnekrose, wie sie bei der Patientin zu sehen war, jedoch nur mit einem exogenen, z. B. thermischen Trauma vereinbar. Die Patientin verwendet regelmäßig ein Glätteisen zur Haarglättung. Hier konnte aber anamnestisch kein sicherer Zusammenhang hergestellt werden.

Zusammenfassend sollte bei schmerzhaften Ekchymosen v. a. an Gerinnungsstörungen, eine Vaskulitis oder an einen Lupus erythematodes gedacht werden. Es sollte aber differenzialdiagnostisch auch ein Gardner-Diamond-Syndrom in Betracht gezogen werden. Dieser Verdacht konnte in unserem Fall jedoch nicht bestätigt werden, sodass wir letztlich von Artefakten ausgingen.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Block ME, Sitenga JL, Lehrer M. et al. Gardner‐Diamond syndrome: a systematic review of treatment options for a rare psychodermatological disorder. Int J Dermatol 2019; 58: 782-787
  • 2 Sridharan M, Ali U, Hook CC. et al. The Mayo Clinic Experience With Psychogenic Purpura (Gardner-Diamond Syndrome). Am J Med Sci 2019; 357: 411-420

Korrespondenzadresse

Dr. med. Aleksander Markovic
Klinik für Dermatologie, Venerologie und Allergologie
Universitätsklinikum Leipzig
Philipp-Rosenthal-Straße 23
04103 Leipzig

  • Literatur

  • 1 Block ME, Sitenga JL, Lehrer M. et al. Gardner‐Diamond syndrome: a systematic review of treatment options for a rare psychodermatological disorder. Int J Dermatol 2019; 58: 782-787
  • 2 Sridharan M, Ali U, Hook CC. et al. The Mayo Clinic Experience With Psychogenic Purpura (Gardner-Diamond Syndrome). Am J Med Sci 2019; 357: 411-420

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Abb. 1 Am Hals beidseits teils scharf, teils unscharf abgegrenzte Erosionen und Krustenbildungen (Foto: D. Hildenhagen/UKL).
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Abb. 2 H&E-Färbung 100-fache Vergrößerung. Epidermisnekrose mit konsekutiver Epidermisablösung und superfizieller gemischtzelliger Entzündungsreaktion (Foto: R. Reschke/UKL).
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Abb. 3 Teils postinflammatorische Hypo- bzw. Hyperpigmentierungen mit teils narbiger Abheilung am Hals (Foto: D. Hildenhagen/UKL).