Schlüsselwörter Drug-Monitoring - Anti-Drug-Antikörper - Biologika - Infliximab
Key words biologics - infliximab - drug monitoring - anti-drug antibodies
Einleitung
Der Einsatz von Biologika hat das Management chronisch-rheumatischer und wie der rheumatoiden Arthritis (RA), Psoriasis Arthritis (PsA), axialer Spondyloarthritis (axSpA) und von chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen revolutioniert. Die Tumor-Necrose-Factor (TNF)-α-blockierenden Therapieantikörper Adalimumab, Infliximab und das Fusionsprotein Etanercept sind in diesem Zusammenhang die am häufigsten eingesetzten Therapeutika [1 ]
[2 ]. Das klinische Wirkansprechen von TNF-α-Inhibitoren wird je nach Studie zwischen 60 und 70% angegeben. Trotz der akzeptablen Wirkungsrate gibt es einen beachtlichen Anteil an Patienten, bei denen diese Medikamente keine ausreichende Wirkung zeigen und somit ein primärer Wirkverlust oder unerwünschte Arzneimittelwirkungen beobachtet werden. Außerdem gibt es Patienten, die nach einem initial guten therapeutischen Ansprechen einen sekundären Wirkverlust erfahren [1 ]
[2 ]
[3 ]. In mehreren Studien konnte bereits ein Zusammenhang zwischen ADA-Formation, niedrigen Serum-Medikamentenspiegeln und einem klinischen Wirkverlust oder einer Abschwächung der TNF-α-Inhibitoren beschrieben werden [1 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ].
Obwohl das Auftreten von Anti-Drug-Antikörper (ADA) in der Biologikatherapie von hoher praktischer Bedeutung ist, existieren jedoch gegenwärtig für keines der zugelassenen Biologika in der Rheumatologie ausreichend standardisierte und evaluierte Nachweismethoden. Aktuell werden viele zugelassene Biologika inklusive Infliximab in Form von Standarddosen meist ohne Berücksichtigung der für die Antigenität relevante Faktoren eingesetzt. Eine Testung auf ADA und korrespondierenden Serumspiegel des TNF-α-Inhibitors erfolgt nur in Ausnahmesituationen und dann auch nur unter Nutzung nicht ausreichend evaluierter Verfahren. Durch das Fehlen von belastbaren Studiendaten ist es unklar, ob die Testung auf ADA und korrespondierenden Medikamenten-Serumspiegel in der klinischen Praxis zu verbesserten therapeutischen Entscheidungen führen würde, wodurch nicht mehr effektive und ggf. nebenwirkungsreiche Behandlungsansätze frühzeitiger erkannt und dementsprechend angepasst werden könnten [1 ].
Es gibt neutralisierende und nicht-neutralisierende Antikörper, wobei die neutralisierenden im klinischen Setting als wichtiger gelten [7 ]. Neutralisierende ADA binden an den Fab-Teil des TNF-α-Inhibitors, blockieren damit die TNF-α Bindungsstelle und führen so zu einer Neutralisation der Therapieantikörper und folglich zu einer Wirkstoffreduktion [8 ]
[9 ]. Nicht-neutralisierende Antikörper haben wahrscheinlich einen indirekten therapeutischen Effekt, indem sie die Bioverfügbarkeit des TNF-α-Inhibitors verringern, oder deren Abbau beschleunigen [7 ]. Außerdem können sowohl neutralisierende als auch nicht-neutralisierende Antikörper die Bildung von Immunkomplexen hervorrufen, die ebenfalls zu einem vermehrten und schnellerem Abbau des Medikamentes führen [7 ]
[10 ].
Es existieren verschiedene Nachweismethoden zur Detektion von ADA, am häufigsten verwendet sind derzeit Sandwich-Enzyme-Linked-Immuno-Sorbent-Assay (ELISA), Radioimmunoassays (RIAs) oder Antigen-Bindingstests (ABT) [11 ]. Problematisch bei Sandwich-ELISA ist, dass während der Bindungsphase der (neutralisierende) ADA der coexistierende Therapieantikörper die Bindungsstellen der ADAs belegt. Deshalb können die ADAs nicht den an die Mikrotiterplatte gebundenen Therapieantikörper binden. Während der Detektionsphase behindert der vorhandene Therapieantikörper die Bindung des Detektionsmokelüls (markierter Therapieantikörper) an die ADA [12 ]
[13 ]. Deshalb ist ein ADA-Nachweis in Assays, die für Medikamenteninterferenzen anfällig sind, nur möglich, wenn die ADA-Konzentration die Medikamentenkonzentration übersteigt. Verschiedene Assay Typen sind unterschiedlich stark anfällig für diese Medikamenteninterferrenzen. Da viele Patienten in kontinuierlicher Behandlung mit einem TNF-α-Inhibitor sind, führt die Medikamenteninterferenz häufig zu falsch negativen Ergebnissen [13 ]. Neuere Assays können sowohl freie als auch gebundene ADA in Anwesenheit des jeweiligen Therapieantikörpers messen und so eine ADA-Bestimmung unabhängig von der Medikamentenkonzentration ermöglichen. Beispiele dafür sind pH-shift, anti-idiotype antigen-binding-test und das in der vorliegenden Arbeit verwendete semi-fluid phase enzyme immonoassay (SFPE) [11 ]
[14 ].
Probengewinnung/Patienten und Methoden
Probengewinnung/Patienten und Methoden
Es wurden Verlaufs-Serumspiegel von 42 Patienten von jeweils 2 Zeitpunkten in einem Abstand von 3–12 Monaten untersucht, die vor der regelmäßigen Infliximab-Infusion (Originalpräparat Remicade ® , MSD) abgenommen wurden. Die Rekrutierung erfolgte über die ambulante Sprechstunde der Rheumatologie, Charité Campus Mitte und Benjamin-Franklin Für die Vorauswahl wurden die Infliximabkonzentrationen mit dem „drug level ® “-Kit der Firma Sanquin Blood Supply Foundation (Amsterdam, Niederlande) gemessen. Für den weiteren Studienverlauf wurden Proben eingeschlossen, deren Infliximab-Serumspiegel über die Messzeitpunkte hinweg abfielen, oder dauerhaft sehr niedrig waren. Dieses Vorgehen basierte auf der Grundannahme, dass ADA einen Abfall der Medikamenten-Serumspiegel bedingen, da sie den korrespondierenden Therapieantikörper binden. Die Proben der Patienten, deren Medikamenten-Serumkonzentrationen kontinuierlich innerhalb des therapeutischen Bereichs lagen, wurden ausgeschlossen, da in diesen Fällen eine relevante Interaktion mit ADA nicht anzunehmen war ([Abb. 1 ]).
Abb. 1 Dargestellt ist ein Flowchart zum Studiendesign. Die grauen Felder zeigen jeweils die entsprechend verwendeten Assays an. Gepunkteter Pfeil: Nach der ersten Infliximabmessung erfolgte mit dem Sanquin Assay keine erneute Bestimmung der Infliximab Serumspiegel der eingeschlossenen Patienten. axSpA=axiale Spondyloarthritis, PsA=Psoriasis Arthritis, ZP=Zeitpunkt, tADA=totale Anti-Drug-Antikörper, fADA=freie Anti-Drug-Antikörper.
Patienten
Es wurden n=30 Patienten detaillierter untersucht und in den Hauptteil der Studie eingeschlossen (30% weiblich, mittleres Alter 55,5 Jahre, min. 33 Jahre, max. 73 Jahre). Die Therapie mit Infliximab erfolgte in 20% der Fälle bei zugrundeliegender PsA und 80% der Fälle bei axSpA. Eine Co-Medikation mit einem konventionellen Basismedikament (cDMARD) bestand bei 36,7%. Zu Erfassung der klinischen Aktivität wurde der BASDAI für die axiale SpA und der DAS-28 für die PsA-Patienten verwendet. Zum ersten Messzeitpunkt befanden sich 7 Patienten in einer Therapiepause mit Infliximab, in dieser Subgruppe war die letzte Infliximabgabe ca. 3 Jahre vor der Serumentnahme erfolgt. Eine Wiederbehandlung erfolgte erst, als die Patienten ein Rezidiv entwickelten. Zum 2. Zeitpunkt waren alle Patienten unter laufender Infliximabtherapie. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Charité genehmigt (Ethikvotum EA1/050/15 und EK 717/200).
Erfassung der Infliximabkonzentration
Nach der initialen Bestimmung der Infliximabkonzentrationen mit dem Sanquin-Assay wurde für die Kohorte (n=30) zusätzlich eine Infliximabkonzentrationsbestimmung mit dem Assay des Herstellers Immundiagnostik (Immundiagnostik AG, ID, Bensheim, Deutschland) vorgenommen. Beide Assays funktionieren nach dem Sandwich-ELISA Prinzip. Laut Studienlage gilt eine Infliximabkonzentration<3 μg/ml als subtherapeutisch. Eine Obergrenze wird mit 7 μg/ml angegeben [15 ]. Für einen Overflow (Messwerte oberhalb des quantifizierbaren Bereiches) wurde eine Konzentration von 30 µg/ml angenommen.
Erfassung der ADA-Konzentrationen
Anti-Infliximab ADA wurden sowohl als gesamte als auch freie ADA mit Assays des Hersteller ID gemessen. Das tADA-Assay ist ein semi-fluid phase enzyme immonoassay (SFPE), das sowohl freie als auch gebundene ADA in Anwesenheit von Infliximab messen und so eine ADA-Bestimmung unabhängig von der Medikamenten-konzentration ermöglicht [11 ]
[14 ]. Durch die initiale Probenvorbereitung mit einem Säure-Puffer wird der ADA von dem Therapieantikörper abgespalten, sodass alle ADA von Infliximab getrennt werden und frei vorliegen ([Abb. 2 ] Schritt A und B). Der fADA Assay weist nur die ADA nach, die frei im Serum nachweisbar sind. Alle gebundenen ADA an Infliximab wurden durch den Waschschritt entfernt. Die Funktionsprinzipien der beiden Assays sind in den [Abb. 2 ] und [3 ] dargestellt. Alle Proben wurden bei 450 nm mit einem ELISA-Reader (Platten OD-Reader „BioTek Synergy HAT“, Gen5 Version 1.11.5 der Firma Biotek, Bad Friedrichshall, Deutschland) gegen einen Referenzwert von 620 nm gemessen. Die optische Dichte (OD) der Cut-Off Kontrolle für tADA wurde mit 0,058 und die für fADA mit 0,033 erhoben. Proben mit höherer mittlere OD als die Cut-Off Kontrolle galten als positiv. Die Titerhöhen berechneten sich in Arbitrary Unit/ml (AU/ml). Es erfolgte eine Einteilung in Anlehnung an Ramos et al. 2016 niedrig, mittel und hoch (<20 AU/ml, 20-40 AU/ml und>80 AU/ml) [16 ]. Die mittlere OD entsprach 10 AU/ml. Die Konzentration berechnete sich folgendermaßen: (mittlere OD der Patientenprobe x 10 AU/ml): mittlere OD der Cut-Off Kontrolle.
Abb. 2 Dargestellt ist eine schematische Abbildung zum Nachweis von totalen ADA gegen Infliximab mittels ELISA-Prinzip. ADA: Anti-Drug-Antikörper, POD: Peroxidase, TMB: 3,3′,5,5′-Tetramethylbenzidin. Schritte A und B: ADA werden durch die Probenvorbereitung mit Tracerkonzentrat und Konjugatkonzentrat von dem Infliximabantikörper abgespalten. Schritt C: POD-markierter Antikörper und Tracer (biotinylierter Antikörper) binden an die ADA und verdrängen das unmarkierte Infliximab, Bindung der biotinylierten Antikörper-ADA-Komplexe an die mit Streptavidin beschichtete Mikrotiterplatte. Schritt D: Zugabe von TMB-Substrat, die durch die Peroxidase aktiviert wird und zu einem blauen Farbstoff umgesetzt wird. Schritt E: Stoppen der Farbreaktion durch Hinzugabe von verdünnter Schwefelsäure mit daraus resultierendem Farbumschlag von blau zu gelb.
Abb. 3 Dargestellt ist eine schematische Abbildung zum Nachweis von freien ADA gegen Infliximab mittels ELISA-Prinzip. F-(ab): fragment antigen binding, ADA: Anti-Drug-Antikörper, POD: Peroxidase, TMB: 3,3′,5,5′-Tetramethylbenzidin. Schritte A und B: fADA aus der Probe binden an das auf der Platte fixierte Infliximab-Fab-Fragment. Schritt C: Detektion durch Hinzugabe eines POD-markierten Antikörpers. Schritt D: Zugabe von TMB-Substrat, die durch die Peroxidase aktiviert wird und zu einem blauen Farbstoff umgesetzt wird. Schritt E: Stoppen der Farbreaktion durch Hinzugabe von verdünnter Schwefelsäure mit daraus resultierendem Farbumschlag von blau zu gelb.
Statistik
Die deskriptive Statistik bestand aus Angaben von Median (25. und 75. Perzentile), sowie der absoluten und relativen Häufigkeiten. Für die weitere Analyse diente die Korrelationsanalyse nach Spearman, zur Analyse von Lageunterschieden in 2 Gruppen wurde bei unabhängigen Stichproben der Mann-Whitney-U-Test verwendet. Das Signifikanzniveau wurde bei einem Signifikanzwert (p-Wert)<0,05 angenommen, Konfidenzintervall 95%.
Ergebnisse
Für die ausschließlich die Infliximabkonzentration betreffenden Berechnungen wurde die Subgruppe der 7 zum ersten Messzeitpunkt unbehandelten Patienten nur für den zweiten Messzeitpunkt eingeschlossen und genau gekennzeichnet. Wenn nicht explizit angegeben, kann von einer Fallzahl N=30 ausgegangen werden
Infliximab Serumspiegel
Zum ersten Messzeitpunkt (N=23) betrug der Median der Infliximabkonzentration 0,83 μg/ml (q25 =0, q75 =10,1). Bei 6 Patienten (26%) wurden Medikamentenspiegel innerhalb des therapeutischen Bereichs gemessen, 17 Patienten (74%) hatten subtherapeutische Medikamentenspiegel. Zum zweiten Messzeitpunkt (N=30) betrug der Infliximabmedian 3,94 µg/ml (q25 =1,15, q75 =9,33), 17 Patienten (56,7%) hatten eine Infliximabkonzentration innerhalb des therapeutischen Bereichs, 13 (43,3%) hatten subtherapeutische Medikamentenspiegel.
18 Patienten (60,0%) hatten eine Infliximabkonzentration innerhalb des therapeutischen Bereichs, 12 (40,0%) hatten zu mindestens einem der beiden Messzeitpunkte subtherapeutische Medikamentenspiegel. Von den subtherapeutisch eingestellten Patienten wurde bei 7 (58,3%) zu mindestens einem Messzeitpunkt Infliximabspiegel unterhalb der Nachweißgrenze gemessen. Bei 2 dieser Patienten (28,6%) war zu beiden Messzeitpunkten kein Infliximab nachweisbar. Bei 2 Patienten (6,7%) kam es zu einem Overflow (Messwerte oberhalb des quantifizierbaren Bereiches). Die Subgruppe der 7 zum ersten Messzeitpunkt unbehandelten Patienten wurden nur für den zweiten Messzeitpunkt beachtet.
Im Vergleich der Assays von beiden Hersteller konnte zu beiden Messzeitpunkten eine hohe Interassay Übereinstimmung festgestellt werden (1. ZP r=0,78, p=0,00; 2. ZP r=0,96, p=0,00) ([Tab. 1 ]).
Tab. 1 Interassay Varianz: Dargestellt sind die Unterschiede zwischen den Assays zur Erfassung der Konzentration von Infliximab der Hersteller Sanquin und Immundiagnostik.
ID
S
r
p
1. ZP
0,790
0,000*
Median (μg/ml)
0,54
1,12
Subtherap. Konz. (N)
23
24
Therap. Konz. (N)
7
6
2. ZP
0,960
0,000*
Median (µg/ml)
4,0
7,6
Subtherap. Konz. (N)
13
12
Therap. Konz. (N)
17
18
ID: Immundiagnostik, S: Sanquin, r: Korrelationskoeffizient nach Spearman, p = P-Wert, * das Ergebnis war auf dem 0,01 Niveau signifikant (zweiseitig). Die subtherapeutische Konzentration für Infliximab (< 3 μg /ml). Darüber liegende Konzentrationen werden als therapeutisch angesehen.
Totale und freie Anti-Drug-Antikörper
Zum ersten Messzeitpunkt wurden bei 16 Patienten (53,3%) positive tADA gemessen. Der Median des tADA-Titers betrug 25, 95 AU/ml (q25 =11,90, q75 =37,03). Bei 13 Patienten (43,3%) wurden fADA nachgewiesen. Der Median betrug 17,27 AU/ml (q25 =14,39, q75 =34,09). Zum zweiten Messzeitpunkt wurden folgende Antikörperreaktivitäten bei tADA positive Patienten (n=16, 53,3%) erhoben: Median der tADA 18,53 AU/ml (q25 =11,72, q75 =62,16). Bei n=7 (23,3%) fADA positiven Patienten betrugen die Antikörperreaktivitäten im Median 17,27 AU/ml (q25 =10,61, q75 =35,15).
Bei allen Patienten, bei denen fADA auftraten, fanden sich in derselben Serumprobe auch tADA.
Bei 19 Patienten (63,3%) traten mindestens einmal während des Messzeitraums tADA auf. Bei 13 (43,33%) Patienten wurde kontinuierlich tADA gemessen. 11 (36,7%) Patienten hatten zu beiden Zeitpunkten keine tADA. Im Serum von 7 (23,33%) Patienten traten zu beiden Zeitpunkten positive fADA auf, bei 13 (43,3%) wurde an mindestens einem Zeitpunkt positive fADA gemessen.
Die fADA-positiven Proben wurden detaillierter auf die Höhe des tADA-Titers untersucht Bei niedrigen tADA Titern war der Anteil an fADA zu beiden Zeitpunkten gering (1. und 2. ZP<20%). Bei mittleren tADA Titern konnten zum 1. ZP bei 90%, zum 2. ZP bei 40% fADA gefunden werden. Bei hohen tADA Spiegeln wurden zu beiden ZP bei allen Patienten auch fADA nachgewiesen ([Abb. 4 ]).
Abb. 4 fADA in Abhängigkeit des tADA-Titers bei Infliximab. Dargestellt ist das Auftreten von fADA in Abhängigkeit des tADA-Titers zum 1. und 2. ZP bei Patienten unter Infliximab. 1. ZP N=16, 2. ZP N=16 (niedrig≤20 AU/ml, mittel=20–80 AU/ml, hoch=≥ 80 AU/ml).
Auswirkungen von Anti-Drug-Antikörper auf den Infliximab-Serumspiegel
Der Serumspiegel der Patienten mit ADA lag unter dem Spiegel der Patienten ohne ADA (tADA: 1. ZP (N=23) 0,8 vs. 1,3 μg/ml, p=0,186; 2. ZP (N=30) 2,9 vs. 7,9 μg/ml, p=0,17 / fADA: 1. ZP (N=23) 0,51 vs. 1,25 μg/ml, p=0,88; 2. ZP (N=30) 3,3 vs. 6,7 μg/ml, p=0,14). Bei den Patienten, deren Infliximabkonzentration unterhalb der Nachweisgrenze lag, konnten bei 8/14 (57%) tADA und bei 7/14 (50%) ebenfalls fADA nachgewiesen werden.
Von den 19 positiv gemessenen tADA Patienten hatte nur 1 Patient durchgängig therapeutische Infliximabspiegel, 18 (94,7%) waren mindestens zeitweise subtherapeutisch eingestellt. 8 dieser Patienten (42,1%) hatten über den gesamten Messzeitraum subtherapeutische Infliximabspiegel. Hierbei wurden die 7 Proben, die zuvor nicht mit Infliximab behandelt wurden mit eingeschlossen, sofern sie ADA positiv waren.
Ein linearer Zusammenhang zwischen tADA-Titer und Infliximab Konzentration konnte nicht gefunden werden (1. ZP (N=23) r=−0,31, p=0,15; 2. ZP (N=30) r=−0,31, p=0,1). Zwischen dem fADA-Titer und der Infliximab Konzentration fand sich jedoch ein moderater Zusammenhang (1. ZP (N=23) r=−0,43, p=0,041; 2.ZP (N=30) r=−0,51, p=0,004)
Patienten mit zeitweise hohen Infliximabkonzentrationen wurden separat auf ADA untersucht. In der tADA Gruppe konnten ab einer Infliximabkonzentration von 10,1 μg/ml bei keinem Patienten mehr ADA nachgewiesen werden, bei fADA bereits ab einer Konzentration von 7,9 μg/ml.
Klinische Relevanz von Anti-Drug-Antikörpern
In der Gruppe der PsA Patienten befanden sich zum ersten Messzeitpunkt 4 Patienten in Remission (DAS28<2,6), bei einem Patienten bestand eine moderate Krankheitsaktivität (DAS28=3,96). Von den Patienten in Remission hatte n=1 Patient positive tADA und fADA. Zum 2. ZP fanden sich folgende Ergebnisse: Remission bestand bei n=3 Patienten (DAS-28=2,55, 1,75, 2,18), moderate Aktivität bei 2 Patienten (DAS-28=3,76, 4,54). Eine Remission bei gleichzeitig positiven tADA oder fADA fand sich jeweils nur bei n=1 Patienten.
Bei axialer SpA befand sich zum 1. ZP n=14 Patienten in Remission (BASDAI<4), während bei n=9 eine aktive Erkrankung bestand (BASDAI>4). Von den Patienten in Remission hatten n=9 positive tADA und n=8 positive fADA. Zum 2. ZP wurden analog folgende Ergebnisse erhoben: Remission (BASDAI<4) lag bei n=20 Patienten vor, eine aktive Erkrankung (BASDAI>4) bestand bei n=3 Patienten. Eine Remission bei gleichzeitig positiven tADA lag bei n=11 Patienten und nur bei einem Patienten bei gleichzeitig positiven fADA vor.
Deskriptiv hatten Patienten mit ADA keine erhöhte Krankheitsaktivität gegenüber den Patienten ohne tADA. Die Patienten mit axialer SpA und einer hohen Krankheitsaktivität gemessen am BASDAI hatten jedoch häufiger mittlere oder hohe tADA Titer. Dieser Zusammenhang zeigte sich vor allem zum 2. Messzeitpunkt ([Abb. 5 ]). Bei den PsA-Patienten wurde aufgrund der geringen Fallzahl keine weitere Auswertung durchgeführt.
Abb. 5 Krankheitsaktivität gemessen am BASDAI in Abhängigkeit des tADA-Titers bei Infliximab zum 2. ZP (N=23, niedrig≤20 AU/ml, mittel=20–80 AU/ml, hoch≥80 AU/ml).
Sicherheit
In dieser Kohorte traten keine Infusionsreaktionen bei ADA-positiven Patienten auf. Insbesondere wurden keine allergischen Reaktionen, sowie auch keine sonstigen Nebenwirkungen beobachtet, die eindeutig in Assoziation mit dem Auftreten von ADA gebracht werden können.
Diskussion
Diese Studie bestätigt die Praktikabilität und Zuverlässigkeit der aktuell verfügbaren Messverfahren zur Bestimmung von Infliximab- Serumspiegeln sowie auch ADA gegen Infliximab. Die Unterscheidung zwischen tADA und fADA erscheint sinnvoll, da mit dem tADA-Assay häufiger ADA als mit dem fADA Assay nachgewiesen wurden. Auch gingen hohe tADA Titer in der Regel mit einer höheren Krankheitsaktivität einher, während fADA nur bei mittleren bis hohen tADA-Titern auftraten.
In unserer Kohorte hatten zu mindestens einem Zeitpunkt 40% der Patienten subtherapeutische Infliximabspiegel, bei denen zu 58,3% Medikamentenspiegel unterhalb der Nachweisgrenze festgestellt wurden. Übereinstimmend mit anderen Studien zeigte sich, dass ADA den Therapieantikörperspiegel signifikant erniedrigen können [5 ]
[6 ]
[17 ]
[18 ]
[19 ].
A DA traten in unserer Untersuchung nicht permanent auf, was durch andere Studien bestätigt wird [20 ]. Das transiente Auftreten von ADA führte bei uns sowohl zu einem Abfall aber auch einem Anstieg der Infliximabkonzentration. Wir konnten einen Z usammenhang zwischen hohen tADA Titern und dem Nachweis von fADA feststellen, was bereits v on Ramos et al. mit dem gleichen Assay beschrieben wurde [16 ].
Generell variiert die beschriebene ADA-Prävalenz in der Literatur stark. Metaanalysen geben Prävalenzen von 6–61% [1 ]
[2 ] an, was die von uns erhoben Prävalenzen von abbildet. Das oben genannte Autorenteam hat eine tADA Prävalenz von 64% und eine fADA Prävalenz von 36% erhoben [16 ].
Die Messergebnisse zeigen eine hohe Interassay Konkordanz beim Nachweis des Serumspiegels von Infliximab bei gleichem Messverfahren, was auch in vorangegangenen Studien gezeigt wurde [13 ]. In unserer Untersuchung konnten durch das tADA Assay deutlich häufiger Antikörper nachgewiesen werden, als durch das fADA Assay. In vorangegangenen Studien wurde gezeigt, dass die ADA-Prävalenz zwischen den einzelnen Nachweisverfahren stark variiert. In einer Analyse von Afonso et al. wurden 3 verschiedene Assays (u.a. SFPE Assay) miteinander verglichen, die bei gleichen Proben unterschiedlich häufig positiv ausfielen. Teilweise wurden ADA-negativ erkannten Proben in einem anderem Assay positiv auf ADA vom IgG4-Typ erkannt [12 ]
[13 ]. Beim SFPE Assay zeigten sich nur Interferenzen bei sehr hohen Infliximab Spiegeln. Unterschiede zwischen den Messergebnissen waren am deutlichsten bei zweifach negativen (Infliximab-/ADA-) oder zweifach positiven (Infliximab+/ADA+) Proben erkennbar [13 ]. Van Schouwenburg et al. konnten in ihrer Adalimumab Langzeitbeobachtung mittels pH-shift Assay in Komplexen gebundene ADA häufiger und früher (innerhalb der ersten 28 Wochen) nachweisen als frei vorliegende ADA [14 ]
[20 ]. Das Autorenteam nimmt an, dass diese ADA vor allem in Form von kleinen Immunkomplexen vorliegen und nur langsam abgebaut werden [9 ].
Ein interessantes Ergebnis unserer Studie war, dass die Subgruppe der Patienten mit 3 Jahren pausierter Therapie vor der Wiederbehandlung mit Infliximab auf die Persistenz von Antikörpern getestet wurden, wobei sich in 6/7 Proben tADA und in 5/7 auch fADA nachweisen ließen. Ein mehrheitlicher Abbau von ADA innerhalb eines Jahres wurde von einer Arbeitsgruppe beschrieben, die Patienten nach der Unterbrechung der Infliximabtherapie beobachtet haben. Das Autorenteam verwendete ein eigens entwickeltes anti-human-lambda-chain ELISA [21 ]. Diese Beobachtungen stehen im Kontrast zu den Erkenntnissen von van Schouwenburg und zu unseren Ergebnissen. Derzeit gibt es wenige Langzeitstudien, die den Abbau von ADA beobachten. Vertiefende Studien werden auf diesem Gebiet für ein besseres Verständnis notwendig sein. Basierend auf diesen Beobachtungen könnte angenommen werden, dass Hinweise auf persistierende ADA keine Kontraindikation für den Wiederbeginn der Behandlung mit Infliximab sind, was von Ben-Horin et al. ebenfalls beschrieben wird [21 ].
In unserer Studie hatten Patienten mit hohen ADA-Titern eine höhere Krankheitsaktivität als mit niedrigeren ADA-Titern. Bei über der Hälfte der Patienten mit Krankheitsaktivität in Remission gemessen am BASDAI konnten wir positive tADA nachweisen. Die Literatur bestätigt den Zusammenhang zwischen hohen ADA-Titern und einer hohen Krankheitsaktivität [5 ]
[6 ]. Van Schouwenburg et al. formulieren die Hypothese, dass geringe Level von ADA in Komplexen das klinische Wirkansprechen nicht beeinflussen würden, was möglicherweise die von uns erhobene hohe Prävalenz von ADA bei den Remissionspatienten erklären könnte [9 ]. Im Gegensatz dazu fanden andere Arbeitsgruppen, dass ein Auftreten von ADA mit einer Zunahme der Krankheitsaktivität und dadurch mit einem vermindertem Therapieansprechen einher geht [5 ]
[6 ]
[19 ]
[22 ]. Diese Studien verwendeten alle einen ABT-Assay, die teilweise auch ADA vom IgG4-Typ erfasst haben. Eine vollständige Erfassung von Komplex-gebundenen ADA war jedoch nicht möglich.
Wichtig ist zu bedenken, dass die Einschlusskriterien für unsere Studie im Vergleich zu RCT-Studien weit gefasst waren. Dies kann einerseits kritisch gesehen werden, andererseits konnte dadurch einen möglichst repräsentativen klinischen Alltag abgebildet werden. Aufgrund dieser Unterschiede können unsere Messergebnisse von der Studienlage abweichen. Die anti-TNF Therapie bestand bei unseren Patienten seit mehreren Jahren, wohingegen die RCT-Studienteilnehmer überwiegend TNF-α-Blocker naiv sind. Deshalb wurde bei uns nicht der kurze TNF-naive Zustand beobachtete, in dem Veränderungen mit der höchsten Wahrscheinlichkeit auftreten, sondern ein bereits über lange Zeit bestehender Zustand [23 ]
[24 ]. Weiterführende Untersuchungen des Zusammenhangs zwischen tADA und Krankheitsaktivität wären in einer größeren Kohorte anzuraten. Es ist bemerkenswert und problematisch, dass in vielen Studien (jede 4. bis 5. Publikation) keine Angaben darüber gemacht werden, welches Assay verwendet wurden [11 ]. Weiter ist als deutliche Limitation unserer Studie die kleine Stichprobe zu nennen. Zur Bestätigung der Ergebnisse wäre eine Kontrolle in einer unabhängigen Stichprobe ratsam.
Wir konnten keine eindeutig auf ADA zurückzuführenden Nebenwirkungen nachweisen. Andere Autorenteams fanden sicherheitsrelevante Aspekte, bspw. dass hohe Serumspielen von TNF-alpha-Inhibitoren mit einem 50% erhöhten Infektionsrisiko gegenüber der Gruppe mit niedrigen/normalen Serumspiegeln einher gingen [25 ]. Andere wiesen darauf hin, dass der frühe und schnelle Nachweis von ADA vor potentiell gefährlichen, infusionsbedingten Reaktionen schützen kann, da diese Reaktionen bei vorhandenen ADA stärker und dadurch riskanter für die Patienten ausfallen können [10 ]
[26 ]
[27 ].
Therapeutisches Drugmonitoring
Es gibt mittlerweile viele Studien, die die Etablierung eines routinemäßigen TDM in der klinischen Praxis befürworten. Die Datenlage ist für Morbus Crohn Kollektive deutlich ergiebiger, weshalb im folgenden auch Crohn-Studien aufgeführt werden. Ein Autorenteam beschreibt, dass durch TDM ein TNF-α-Inhibitor Wechsel mit einem Ansprechen von 92% erzielt werden konnte. Eine alleinige Dosiserhöhung erbrachte nur ein therapeutisches Ansprechen von 17% [28 ]. Ein früh erniedrigter Infliximab Spiegel könnte einen prädiktiven Faktor für einen späteren Wirkverlust darstellen, da dieser bei Patienten mit Wirkverlust bereits nach 2 Wochen gegenüber der Gruppe mit Langzeitansprechen erniedrigt war [29 ]. Weiter geben Autoren an, dass ebenso wie eine Therapieeskalation, eine Dosisreduktion bei Patienten, deren Krankheitsaktivität sich in klinischer Remission befinden und die gleichzeitig hohe therapeutischen Medikamentenspiegeln haben, möglich sei. TDM könnte helfen, diese zu überwachen und eine Über- bzw. Untertherapie zu vermeiden [30 ].
Die Implementierung von TDM bei der Therapie von Biologika, wie TNF-α-Inhibitoren, ist eine bisher nicht gelöste Herausforderung im rheumatologisch-klinischen Alltag, größtenteils bedingt durch eine fehlende Standardisierung des Nachweisverfahrens und erhöhtem Zeitaufwand. Auch in unserer Studie zeigte sich, dass die unterschiedlichen auf dem Markt erhältlichen Assays (tADA/fADA) zur Erfassung der ADA zu unterschiedlichen Ergebnissen führen und eine Standardisierung anzuraten wäre. Die Assays zur Erfassung der Infliximabkonzentration verfügen hingehen bereits über eine gute Übereinstimmung. Das von uns verwendete tADA-Assay misst besonders valide, kontinuierlich und unabhängig von den Interventionszeitpunkten die tADA und zeigte in Anwesenheit von exogenem korrespondierendem Therapieantikörper die besten Messergebnisse [13 ]
[16 ].
Vincent et al. 2013 entwickelten einen Algorithmus für ein mögliches Vorgehen bei Patienten mit primärem oder sekundären Wirkverlust unter Therapie mit TNF-α-Blockern. Es ermöglicht die genauere Differenzierung des Wirkverlustes in Pharmakon- oder TNF-assoziierten Wirkverlust, was für eine weitere Therapieentscheidung von Bedeutung ist [1 ]. Bei Betrachtung des von Vincent et al. erstellten Algorithmus unter Berücksichtigung unserer Ergebnisse sind folgende Punkte aufgefallen: Wir konnten feststellen, dass viele Patienten, deren Krankheitsaktivität sich in Remission befand, tADA-positiv waren. Diese Patienten Gruppe würde nach dem vorlegenden Algorithmus nicht identifiziert werden, da eine Überprüfung des (t)ADA-Status nur bei klinischem Wirkverlust vorgenommen wird.
Schlussfolgerung
Auf Basis unserer Untersuchung erscheint eine Unterscheidung in tADA und fADA sinnvoll. Das verwendete Assay zur Erhebung der ADA sollte aufgrund der unterschiedlichen Prävalenzen unbedingt angegeben werden. Eine Verwendung des tADA Assays und des Infliximabspiegels ist unserer Meinung nach als Screening sinnvoll. Im nächsten Schritt kann insbesondere bei hohen tADA Spiegeln die Bestimmung von fADA sinnvoll sein. Es sollte berücksichtigt werden, dass ADA nicht immer zu einem Wirkverlust von Infliximab führen und sogar Jahre nach Beendigung der Therapie persistieren können.