Die heutige Fachklinik Bad Bentheim mit ihren 4 Fachabteilungen Dermatologie, Rheumatologie, Orthopädie und Kardiologie blickt auf eine mittlerweile mehr als 300-jährige Geschichte zurück [1]. Aufgrund der auf dem Klinikgelände natürlicherweise zu Tage tretenden Schwefelmineralquellen reicht die Nutzung der Stätte jedoch bereits wesentlich weiter in die Vergangenheit zurück. So wurde der Ort bereits zur Zeit der Germanen als Opfer- und Kultstätte genutzt, bis er durch die Römer unter dem Feldherrn Drusus Germanicus zerstört wurde. Ursprünglich hatten einer alten Sage nach Hirsche zur Entdeckung der Quelle wesentlich beigetragen. Bei der Jagd verletzte wie auch kranke Tiere wälzten sich in dem schwefelhaltigen Morast und wurden wieder gesund. Kranke Menschen machten es in der Folge den Hirschen nach und fanden ebenfalls Heilung und Linderung ihrer Leiden, sodass der Coesfelder Arzt Dr. J. H. Cohausen im Jahr 1710 erstmals offiziell auf die Heilkraft der Quelle aufmerksam machte, sie bspw. mit den Quellen in Aachen und Brüggen (Schweiz) verglich und erste Baumaßnahmen eingeleitet wurden. Durch widrige Umstände wie Kriege und Seuchen dauerte es jedoch noch über 100 Jahre, bis ein Kurbetrieb florierte. Eingeleitet wurde dieser Aufstieg durch den im Jahr 1810 zufälligen Besuch von Prof. Dr. Christoph Wilhelm Hufeland, dem damaligen Leibarzt des preußischen Königs und Professors für spezielle Pathologie an der Charité Berlin. Dieser verfasste das folgende Gutachten: „… Dass ich den Schwefelquell bei Bentheim von vorzüglicher Kraft und Güte, und den mit bekannten vorzüglichsten Schwefelquellen gleich gefunden habe; und dass er gewiss verdiente besser gefasst und mit schicklichen Bädern versehen zu werden, umso mehr, da in der ganzen umliegenden Gegend und in ganz Holland nichts Ähnliches vorhanden ist; solches bezeuge ich hierdurch.“ Dieses Gutachten führte in der Folge zu reger Bautätigkeit und einem Besucheransturm. Durch Neuerrichtungen, Um- und Anbauten entstand inmitten des Bentheimer Waldes eine rasch wachsende Kuranstalt. Berühmtheiten wie Kaiser Wilhelm der I., Otto von Bismarck, aber auch internationale Gäste wie Königin Emma der Niederlande verweilten im Badebetrieb. Das Heilwasser wurde vornehmlich zum Baden, aber auch für Trink- und Inhalationskuren verwendet. Jeder Kranke bekam für die Zeit seines Aufenthaltes eine Wanne zugewiesen und erhielt neben Schlamm- und Moorbädern auch Kohlensäure-, Sole- oder Fichtennadelbäder ([Abb. 1]).
Abb. 1 Historische Behandlungsräume.
Rund 300 Jahre später ist aus dem traditionellen Kurbetrieb eine Klinik mit modernsten medizinischen Behandlungsmöglichkeiten entstanden ([Abb. 2], [Abb. 3]). Heute ist die Fachklinik Bad Bentheim eine privat getragene Klinik (die Trägerschaft liegt zur Hälfte bei der Stiftung Fürst zu Bentheim und Steinfurt und zu je einem Viertel beim Landkreis Grafschaft Bentheim sowie bei der Stadt Bad Bentheim). Die Klinik umfasst 435 Betten zur Rehabilitation und Anschlussheilbehandlung (davon 110 für die Dermatologie) sowie 68 dermatologische akut-stationäre Betten. Damit ist die Fachklinik Bad Bentheim mit der Dermatologie auch ein Krankenhaus der Grundversorgung. Mit den rund 460 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern werden jährlich mehr als 7000 Patienten stationär und 14 000 ambulant behandelt. Die Klinik umfasst eine Gesamtfläche von 16 Hektar inmitten des Bentheimer Waldes. Weiterbildungsermächtigungen bestehen heute für die Fachbereiche der Dermatologie (und Zusatzbezeichnung Allergologie), internistische Rheumatologie, Innere Medizin/Kardiologie, Orthopädie, Unfallchirurgie und Physikalische/Rehabilitative Medizin.
Abb. 2 Klinikgelände mit historischem Brunnenhaus.
Abb. 3 Trainingstherapiezentrum mit Geräteeinweisung.
Der Aufstieg der Dermatologie kam durch Probebohrungen auf dem Gelände der Fachklinik in den 70er-Jahren zustande, als man in 1187 Meter Tiefe auf reiche Salzwasserstätten (Sole) stieß ([Abb. 4]). Diese Sole entsprach in der Qualität genau den Eigenschaften, wie man sie vom Toten Meer in Israel her kannte. Der damalige Bentheimer Dermatologe und spätere Chefarzt der Dermatologie, Dr. Markward Ständer erkannte sofort, welches Potenzial diese Entdeckung hatte, indem man Patienten, die unter Psoriasis litten, in der Thermalsole baden ließ und anschließend mit UV-Licht behandelte (die Vorbehandlung in Sole verstärkt den UV-Effekt). Bereits 1977 stellte der Rentenversicherungsträger LVA 50 Betten zur Behandlung der Psoriasis mit der Balneofototherapie zur Verfügung. Die klinischen Ergebnisse der Balneofototherapie (heutzutage Kombination aus einem Bad in gesättigter 27 %iger Solelösung mit anschließender UVB-311 nm-Bestrahlung) reichen nahezu an die Ergebnisse einer PUVA-Behandlung heran und erreichen PASI 75-Werte, wie man sie von Biologika wie Adalimumab oder Ustekinumab her kennt [2]
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[4]. Die Dermatologie der Fachklinik Bad Bentheim machte sich so in der Folge einen bundesweiten Namen als wichtiges Zentrum zur Behandlung v. a. der Psoriasis. Zahlreiche (internationale) Fachtagungen und Symposien untermauerten diese Entwicklung. Die auf Dr. Ständer folgenden dermatologischen Chefärzte Dr. J. Elsner (2005 – 2008), Dr. A. Weyergraf (2008 – 2016) und Dr. A. Altenburg (2016 – 2017) bauten die Balneofototherapie weiter aus bzw. führten sie erfolgreich fort.
Abb. 4 Soleförderung.
Heutzutage bietet die Fachklinik Bad Bentheim als traditionelles Schwerpunktzentrum der Psoriasisbehandlung ihren Patienten neben der Balneofototherapie selbstverständlich auch alle zur Verfügung stehenden Optionen der Systemtherapie einschließlich aller Biologika an. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal der Fachklinik Bad Bentheim ist die Kombinationsbehandlung von Patienten mit Psoriasis, bei denen auch die Diagnose einer Psoriasis-Arthritis besteht. Diese profitieren von der engen Kooperation mit der Abteilung für Rheumatologie (ärztliche Leitung Dr. Ali Nimeh). Die Patienten mit Psoriasis und Psoriasis-Arthritis werden automatisch sowohl dermatologisch als auch rheumatologisch behandelt. Es gibt gemeinsame Derma-Rheuma-Visiten, um den Patienten die bestmögliche Behandlung zukommen zu lassen. Von dieser engen Zusammenarbeit profitieren auch die zahlreichen Patienten mit systemischer Sklerose und Morphea, die in der Fachklinik ein spezifisches dermato-rheumatologisches Therapiekonzept mit neben der Balneofototherapie zahlreichen physio- und ergotherapeutischen Ansätzen erhalten.
Auf Grundlage der Sole hat man mittlerweile auch eine weitere Attraktion geschaffen, die Bentheimer Mineraltherme ([Abb. 5]). Diese steht gemeinsam mit ihrem modernen Wellnessbereich der Öffentlichkeit zur Verfügung und erfreut sich großer Beliebtheit (kostenlose Mitbenutzung durch die Patienten der Fachklinik Bad Bentheim).
Abb. 5 Bentheimer Mineraltherme, Außenanlage.
Die Dermatologie nutzt neben der Sole aber auch zunehmend das natürlich vorkommende Schwefelmineralwasser. Sie macht sich dabei zunutze, dass Schwefelmineralwasser bekanntermaßen starke antipruritische und antiinflammatorische Eigenschaften aufweist [5]. Darauf basierend wurde seit 2017 mit dem neuen Chefarzt PD Dr. Athanasios Tsianakas (vormals Universitätshautklinik Münster) in enger Kooperation mit dem Kompetenzzentrum chronischer Pruritus (KCP, Leitung Prof. Dr. med. Dr. h. c. Sonja Ständer) ein neuer rehabilitativer Behandlungsschwerpunkt zur Behandlung des chronischen Pruritus aufgebaut. Hierfür wurde mit dem KCP ein spezifisches Rehabilitationskonzept für Patienten erarbeitet, die unter chronischem Pruritus leiden. Dabei erhalten die Patienten neben einer Leitlinien-gerechten spezifischen antipruritischen Therapie (Lokaltherapie, Systemtherapie einschließlich der Neuroleptika Gabapentin oder Pregabalin oder auch Infusionen mit dem Opioidrezeptor-Antagonisten Naloxon etc.) eine individuelle Balneofototherapie mit Schwelmer-Mineralbädern. Zum anderen besteht das Rehabilitationsprogramm aber auch aus einem breiten psychologischen Therapieangebot (jeder Patient erhält Therapie-Einzelstunden in der Abteilung für Psychologie und Psychotherapie), bewegungstherapeutischen und entspannungsmedizinischen Ansätzen (das Angebot umfasst u. a. Physiotherapie, progressive Muskelrelaxation, Qigong, Pilates, Massagen etc.). Um das Thema und den Stellenwert der Rehabilitation bei chronischem Pruritus näher zu durchleuchten, werden seit 2017 wissenschaftliche Untersuchungen in Kooperation mit der Universität Münster durchgeführt.
Das Schwefelmineralwasser lässt sich aber auch für ganz andere Indikationen nutzen. Schwefel ist ein traditionelles Therapeutikum zur Behandlung der Skabies (Schwefel-haltige Externa werden in den Entwicklungsländern erfolgreich als alternatives Therapeutikum zu den ansonsten verwendeten teureren Antiskabiosa wie Permethrin oder Benzylbenzoat verwendet) [6]. Im Rahmen der Zunahme der Skabies in den letzten Jahren und den häufig frustran mehrfachbehandelten Patienten wurde an der Fachklinik Bad Bentheim der Schwefel als Therapeutikum wiederentdeckt. Im stationären Rahmen werden die ambulant austherapierten Patienten einer antiskabiösen Therapie in Kombination mit Schwefelmineralwasserbädern mit nachweislichem Erfolg zugeführt.
Neue Impulse hat die Dermatologie der Fachklinik Bad Bentheim auch durch die Neugründung der dermatologischen Studienambulanz im Jahr 2017 erfahren. Das professionelle Studienzentrum widmet sich schwerpunktmäßig der Behandlung v. a. chronisch-entzündlicher Dermatosen wie der Psoriasis, dem Atopischen Ekzem, der Prurigo, der Rosazea, der Akne bis hin zu Dermatosen wie der Alopecia areata oder der Vitiligo. Hierdurch hat die Fachklinik ihr therapeutisches Spektrum deutlich erweitert und bietet ihren Patienten unter kontrollierten Bedingungen schon die Medizin der Zukunft.
Ein weiteres neues Feld der Fachklinik Bad Bentheim ist die spezifische Rehabilitation auf dem Gebiet der Dermato-Onkologie. Traditionell werden viele dermato-onkologische Patienten in internistisch-onkologischen Rehabilitationskliniken behandelt, welche die Dermato-Onkologie nicht als Schwerpunkt betreuen. Mit der dermato-onkologischen Rehabilitation möchte die Fachklinik Bad Bentheim eine Versorgungslücke schließen. Den Patienten wird neben einem breiten psycho-onkologischen Angebot auch eine Vielfalt aus den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie, Entspannungstherapie, Lymphdrainage, Massage usw. angeboten. Zusätzlich erhalten die Patienten ein auf ihre Erkrankung zugeschnittenes Schulungsprogramm. Melanom-Patienten besuchen die Melanomschulung, wo u. a. die Inhalte Ursache, Therapie und Nachsorge im Detail besprochen werden. Weitere Schulungen decken die Felder Hautkrebsentstehung und Sonnenschutz ab. Patienten mit epithelialen Tumoren wie Plattenepithel-CA oder Basalzellkarzinom erhalten wiederum Schulungen zu epithelialen Hauttumoren. Lymphompatienten besuchen die Schulung „Hautlymphome“, in der in patientengerechter Sprache wichtige Informationen vermittelt werden, für die im normalen Klinikalltag kaum genügend Zeit ist.
Somit hat sich die Fachklinik Bad Bentheim zu jeder Zeit den medizinischen Anforderungen gestellt und versucht, durch die Verbindung von Tradition und Moderne weiter in eine erfolgreiche Zukunft zu gehen.