Schlüsselwörter
Leitsymptome - Diagnostik - Klassifikation - Therapieoptionen - Endometriosemanagement
Endometriose – Leitsymptome: Schmerz und Sterilität
Endometriose – Leitsymptome: Schmerz und Sterilität
Die Endometriose ist während der sog. reproduktiven Phase nach dem Uterus myomatosus
die häufigste benigne weibliche Erkrankung. Etwa 10% aller Frauen in dieser Altersgruppe
sind betroffen, jährlich erkranken ca. 40 000. Als eine mögliche Erklärung hierfür
sieht man derzeit den Wachstumsstimulus durch ovarielle Hormone (Östrogenüberschuss
und Progesteronresistenz). Leitsymptome sind:
-
Unterbauchschmerz und
-
Beschwerden wie
-
Dysmenorrhö,
-
Dysurie oder Algurie,
-
Dyschezie und
-
Dyspareunie.
Der zweite wegweisende Indikator für Endometriose ist Kinderlosigkeit. Man geht geschätzt
davon aus, dass in 25 – 50% die Endometriose als Ursache für die Sterilität infrage
kommt. Wichtig ist, dass manche Frauen sowohl an Schmerz und Kinderlosigkeit leiden
können, bei anderen Sterilitätspatientinnen aber keinerlei typische Symptome vorliegen.
Daraus folgt, dass in der Betreuung der Ratsuchenden, idealerweise in einem Endometriose-/Kinderwunschzentrum,
Anamnese, Diagnostik und weitere Therapie sorgfältig geplant werden müssen. Außerdem
ist zu beachten, dass das Ausmaß der Endometriose nicht immer mit der Schwere der
Symptome bzw. der Problematik korreliert: So können bereits kleine Herde zu starken
Schmerzen oder Unfruchtbarkeit führen, andererseits finden sich Fälle mit deutlicher
Wachstumsausdehnung ohne jegliche Beschwerden oder Folgen für die Fertilität. Man
geht davon aus, dass sich bis zu 50% der Patientinnen asymptomatisch zeigen können.
Merke
Eine Sterilitätspatientin, bei der (ursächlich) eine Endometriose vorliegt, kann völlig
asymptomatisch sein – Unterbauchschmerzen und „Dys“-Beschwerden (Dyspareunie, Dysmenorrhö
usw.) fehlen dann als anamnestischer Hinweis.
Einteilung der Endometriose und Klassifikation
Einteilung der Endometriose und Klassifikation
Einteilung
Die Endometriose tritt im Wesentlichen in 4 Ausprägungen auf, die unterschiedliche
Auswirkungen auf die Fertilität haben können. Unterteilt werden:
-
ovarielle Endometriose, sog. Endometriome
-
oberflächliche bzw. superfizielle peritoneale Endometriose
-
tief infiltrierende Endometriose
-
Adenomyose (Adenomoysis bzw. Endometriosis genitalis interna)
Endometriome
Endometriome imponieren durch ein charakteristisches sonografisches Erscheinungsbild,
sie können auch bilateral auftreten [1]. Sie können eine Indikatorläsion darstellen für ebenfalls weitere vorliegende Läsionen,
insbesondere tief infiltrierende.
Oberflächliche Endometriose
Peritoneale Herde sind zum Großteil im Becken zu finden. Ihr makroskopisches Bild
mit unterschiedlichen Färbungen ist wahrscheinlich ein Hinweis auf unterschiedliche
Aktivitäts- oder Erkrankungsstadien. Diese können auch zeitgleich nebeneinander im
Becken und/oder Abdomen vorliegen.
Rötliche Herde sind gut vaskularisiert und somit angiogenetisch aktiv.
Die Farbe der dunklen oder schwarzen Herde beruht auf Hämosiderinablagerungen. Wahrscheinlich sind an diesen Stellen bereits
entzündliche Reaktionen mit Makrophagenmigration abgelaufen, sodass man sie jetzt
als inaktiv bewertet.
Endometriosenarben entstehen durch fibrotische Umbauprozesse nach vorheriger Inflammation,
charakteristisch für dieses Stadium ist die weiße Färbung. Manchmal sieht man auch retrahiertes Peritonealgewebe in der Umgebung.
Tief infiltrierende Endometriose
Bei bis zu ca. 35% der Patientinnen tritt eine tief infiltrierende Endometriose mit
Rektumbeteiligung auf [2]. Die Definition der tiefen Infiltration ist nicht ganz klar.
Neben dem histologischen Nachweis von Endometriumgewebe in fibrösen oder muskulären
Schichten einfach unterhalb des Peritoneums in unbestimmter Tiefe bewerten manche
Autoren eine Invasion von mindestens 5 mm als charakteristisch. Ein anderer Ansatz
bezieht sich anstatt der Invasionstiefe mehr auf die Lokalisation der Herde im Bereich
von Vagina, Parametrien, Darm und Harntrakt (Ureter und Blase).
Merke
Oft liegen gleichzeitig ovarielle, peritoneale oder intrauterine Herde vor.
Adenomyose
Intrauterine Herde umfassen das Auftreten von endometrialen Drüsen im Myometrium und
Stroma des Uterus und werden als Adenomyosis uteri (Endometriosis genitalis interna)
bezeichnet. Wahrscheinlich begünstigt ein lokaler Hyperöstrogenismus das Vorwachsen
basaler Endometriumszellen. Diese Infiltration kann eher lokal begrenzt sein oder
aber diffus erfolgen. Manche Autoren sehen die Adenomyose als eigenständiges Krankheitsbild,
dies ist nicht definitiv geklärt. Für die praktische Betreuung der Kinderwunschpatientin
ist diese theoretische Unterscheidung nicht wichtig, von Bedeutung ist aber die hohe
Assoziation von Adenomyose (Uterus) und peritonealer Endometriose sowie die Auffassung,
dass Endometriose und/oder Adenomyose als Ursache für die Subfertilität infrage kommen
und daher diagnostiziert und therapiert werden sollen.
Klassifikation
Die Erkrankung präsentiert verschiedene Aspekte mit teilweise unterschiedlicher Priorität
für die Patientin. Gerade für ein optimales Management zwischen Praxis, Klinik (mit
evtl. operativem Einsatz) und Kinderwunschtherapie (mit evtl. medikamentösem Regime)
ist eine systematische Klassifikation notwendig und wird in den Leitlinien empfohlen.
Dadurch werden die Befunde interprofessionell und interdisziplinär transparent und
bilden die gemeinsame Grundlage für die aktuelle Therapieentscheidung und für den
Rezidivfall.
Leider gibt es bislang noch kein ideales Klassifikationssystem, das alle Facetten
der Erkrankung umfasst, aber im deutschsprachigen Raum haben sich in der Praxis bewährt:
Die rASRM-Einteilung ist vorzugsweise in der Reproduktionsmedizin gebräuchlich; sie zeigt eine geringe
Korrelation mit der Schmerzproblematik und bildet tief infiltrierende Herde, Adenomyose
und extragenitale Befunde nicht ab, es besteht insbesondere bei niedrigeren Stadien
eine hohe Variabilität zwischen den Untersuchern [3].
Der Endometriosis Fertility Index (EFI) besteht seit etwa 10 Jahren. Er beschreibt ein Punktesystem aus anamnestischen und
chirurgischen Parametern, mit dem sich die Prognose einer Kinderwunschtherapie bei
Infertilität berechnen lässt. Er wird in Deutschland kaum angewendet.
Die ENZIAN-Klassifikation (benannt nach dem Ort ihrer Erstbeschreibung) fokussiert demgegenüber auf Kriterien
der tief infiltrierenden Endometriose. Daraus ergibt sich für die tägliche Praxis,
dass zur Beschreibung des Situs derzeit das rASRM-Stadium und die ENZIAN-Klassifikation
verwendet werden sollen. Eine groß angelegte Erhebung zur Versorgungsrealität im deutschsprachigen
Raum (BRD, Österreich, Schweiz) hat leider gezeigt, dass hier einige der eigentlich
international als Goldstandard empfohlenen Maßnahmen nicht konsequent umgesetzt werden.
Dies betrifft sowohl die Fragen zu den Leitsymptomen (s. o.) während der Anamneseerhebung
als auch die Nutzung der Klassifizierungen [4].
Praxistipp
Für das interprofessionelle/interdisziplinäre Endometriosemanagement soll bereits
bei der Anamneseerhebung und Klassifizierung systematisch vorgegangen und immer das
rASRM-Stadium und der ENZIAN Score gleichzeitig angegeben werden. Damit verbessert
sich bereits initial die Versorgungsqualität im Sinne einer leitlinienorientierten
Behandlung.
Gründe für die Subfertilität bei Endometriose
Gründe für die Subfertilität bei Endometriose
Chronische Entzündung – Adhäsionen – veränderte Anatomie
Der Zusammenhang zwischen Endometriose und Infertilität ist bislang unklar. Im Mittelpunkt
steht aber die chronische Entzündung, die durch die Herde unterhalten wird. Diese
führt über eine Kaskade verschiedener inflammatorischer Prozesse zur Ausbildung von
Fibrinbrücken zwischen den peritonealen Oberflächen im kleinen Becken (sog. Adhäsionen).
Es kommt also zu anatomischen Veränderungen im Bereich von Ovar, Tube und Fimbrientrichter,
die mechanisch das Auffangen der Eizelle und deren weiteren Transport Richtung Cavum
uteri negativ beeinflussen können.
Merke
Genau wie für das Ausmaß der eigentlichen Endometriose gilt auch für Adhäsionen, dass
deren Schweregrad nicht notwendigerweise mit der Einschränkung der Fertilität korreliert.
Nicht selten hat die Endometriosepatientin mit unerfülltem Kinderwunsch bereits (mehrfach)
diagnostische oder therapeutische Voroperationen hinter sich, die durch eine Traumatisierung
des Peritoneums zur Defektheilung mit Adhäsionen führen. Neben den anatomisch-mechanischen
Faktoren existieren noch andere Veränderungen, durch die die chronische Entzündung
bei Endometriose die Fertilität beeinträchtigt:
Schmerz
Es gibt Hinweise, dass endometrioseassoziierte Nervenfasern im Peritoneum die Schmerzentstehung
beeinflussen, außerdem scheint die Endometriose selbst neurotroph zu sein und somit
das Einwachsen von Nervenfasern zu befördern [5], [6]. Insgesamt entsteht also auch hier durch die Interaktion zwischen Endometriose,
chronischer Inflammation und neurogenen Komponenten ein komplexer Sachverhalt, der
auf den weiteren Ebenen des zentralen Nervensystems verarbeitet wird und das subjektiv
unterschiedliche Schmerzerleben bedingt.
Der Zusammenhang zwischen Schmerz und unerfülltem Kinderwunsch wird dabei unter folgenden
Gesichtspunkten relevant:
-
schmerzbedingt reduzierte Koitusfrequenz oder sogar komplette Vermeidung von Geschlechtsverkehr
-
daraus resultierende psychische/psychosomatische Folgeproblematik
-
Partnerkonflikte mit ggf. Ausbildung eines Circulus vitiosus
Wenn also operative und medikamentöse Maßnahmen (s. u.) bei tatsächlichem Nachweis
von Endometriose und Kinderwunsch ausgeschöpft sind, empfiehlt sich eine frühzeitige
schmerztherapeutische und psychotherapeutische Vorstellung. Dadurch lassen sich Regelkreise
des zentralen Nervensystems (Schmerzgedächtnis) beeinflussen, und die Patientinnen
erlernen Strategien, den Circulus vitiosus zu durchbrechen.
Veränderung des lokalen Milieus am Beckenperitoneum und gestörte Implantation
Die peritoneale Entzündung in und um die Endometrioseherde führt zur Anreicherung
von Zytokinen und angiogenen Mediatoren, die wahrscheinlich sowohl Eizellen als auch
Spermien nachteilig beeinflussen. Dabei sind am Herd lokalisierte direkte Mechanismen
denkbar, aber auch Effekte, die sich über die Peritonealflüssigkeit oder aber hämatogen/lymphogen
läsionsfern manifestieren.
Es ist gesichert, dass für eine erfolgreiche Implantation eine komplexe hormongesteuerte
Interaktion zwischen endometrialen Oberflächenliganden und anderen speziellen molekularen
Mediatoren notwendig ist. Ob Endometriose tatsächlich Veränderungen an der uterinen
Schleimhaut verursacht, die zu einer Störung der Implantation führen, wird intensiv
diskutiert. Die Ergebnisse sind noch nicht konklusiv. Schon länger werden Faktoren
beschrieben, die bei betroffenen Patientinnen unterschiedlich nachweisbar sind bzw.
exprimiert werden. Zusätzlich sind eine veränderte Hormonsynthese oder Hormonresistenzen
in diesem Zusammenhang zu nennen.
Eine operative Therapie konnte die Expressionslevel von spezifischen Oberflächenproteinen
normalisieren [7], auch wenn dies bislang nicht für alle relevanten Mediatoren gilt und weitere prospektive
Untersuchungen ausstehen.
Veränderungen der Trophoblastversorgung
Definitive Aussagen liegen hierzu nicht ausreichend belegt vor. Speziell bei der Adenomyose
ist es denkbar, dass sie eine veränderte Architektur im Myometrium oder im Stroma
bewirkt und so bereits die Nidation beeinträchtigt oder durch Störungen der uterinen
Peristaltik für eine Minderversorgung von trophoblastären Strukturen sorgt.
Verminderte Eizellqualität
Wie oben für das Peritoneum ausgeführt, gibt es Hinweise für eine Veränderung des
ovariellen Milieus durch Endometriose.
Endometriome wirken auf die ovarielle Reserve durch 2 Hauptmechanismen. Durch den
Druck in der Zyste kommt es zu einer verminderten Zirkulation im Kortexbereich und
folglich zum Follikelverlust. Wie bei anderen Endometrioseherden auch, spielt zum
zweiten der inflammatorische Zustand innerhalb der Zysten eine Rolle für die Follikelschädigung.
Dabei können essenzielle Bestandteile der Oozyten direkt (Spindelapparat, Mitochondrien)
beeinträchtigt sein oder die Umgebung der Eizelle ist gestört (Granulosazellkompartiment,
reaktive Sauerstoffspezies, reduzierte P450-Aromatase-Expression) [8], [9]. Ob sich nun durch eine operative Entfernung von Endometriomen/Endometriose spontane
Schwangerschaftsraten oder die Ergebnisse assistierter reproduktiver Techniken (ART)
verbessern lassen [10], muss sich durch eine enge Zusammenarbeit zwischen Klinik und Reproduktionsbiologie
zeigen.
Veränderung der tubaren Motilität
Die Anzahl an systematischen Untersuchungen hierzu ist gering. Es gibt Belege, dass
der direktionale Spermientransport bei infertilen Patientinnen mit Beckenendometriose
signifikant reduziert ist [11]. Vermutlich spielen besonders die Adenomyoseherde hierbei eine wichtige Rolle: Durch
deren Ausdehnung kommt es vermutlich zu einer Störung der myometranen Architektur.
Es entsteht zunächst eine reduzierte Peristaltik, die sich in der späten Follikelphase
zu einer Dysperistaltik entwickeln kann [12].
Fallbeispiel
Eine 31-jährige stellt sich in der Endometriose-Sprechstunde vor. Seit etwa einem
Jahr besteht Kinderwunsch. Sie hat deswegen die Pille, mit der sie vorher über eine
lange Zeit problem- und symptomlos verhütet hatte, auch zeitgleich abgesetzt. Ansonsten
ist sie gesund und nimmt keine Medikamente ein. Die gynäkologische Vorsorge bei der
Frauenärztin erfolgt regelmäßig und ist bislang ohne Befund.
Außer einer leichten Dysmenorrhö hat sie keine Beschwerden: keine Dysurie, keine Dyschezie,
keine Dyspareunie. Der Ehemann ist auch gesund, Verkehr findet regelmäßig 2 – 3 ×/Woche
statt.
Diagnostik
Grundsätzlich unterscheiden sich die diagnostischen Schritte bei Endometrioseverdacht
und Kinderwunsch nicht vom Ablauf bei rein symptomatischen Patientinnen, bei denen
aktuell oder prospektiv die Familienplanung nicht prioritär ist. Trotzdem soll in
dieser Phase unbedingt das für die Patientin zu diesem Zeitpunkt drängendste und führende
Leitsymptom (Schmerz oder eher unerfüllter Kinderwunsch im Vordergrund?) herausgearbeitet
werden, da es entscheidende Implikationen für die weitere (operative) Therapie hat.
Zu beachten ist, dass viele Patientinnen beide Leitsymptome als gleich belastend schildern,
was natürlich ebenso das weitere Management bestimmt.
Es ist sinnvoll, den Partner frühzeitig in die Diagnosekette einzubinden. Manchmal
verbergen sich hinter Schmerzproblemen Konflikte im privaten Umfeld, die natürlich
für die Realisierung des Kinderwunsches nachteilig sind. Dasselbe gilt für organische
Befunde des Partners. Wenn solche frühzeitig bereits bekannt sind oder möglichst zeitnah
abgeklärt werden, lässt sich die weitere Therapie besser planen.
Die Stiftung Endometrioseforschung (SEF) hat in der Zusammenarbeit mit Experten ein
Zertifizierungs- und Qualifizierungskonzept realisiert, welches sowohl für niedergelassene
Kollegen und Kolleginnen als auch in der Klinik die Struktur- und Prozessqualität
bei Diagnostik und Therapie verbessern soll. Auf diese Weise lässt sich die Latenzzeit
zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der bestätigten Endometriose (derzeit
Jahre!) reduzieren.
Ein Ergebnis dieses Konzeptes sind die spezialisierten Endometriosezentren bzw. zertifizierte
Praxen und Kliniken, die durch entsprechende Netzwerke verknüpft sind.
Merke
Gerade der komplexe Fall mit Endometriose und Kinderwunsch soll von Beginn an in spezialisierten
Endometriosezentren betreut werden.
Praxistipp
Das für die Patientin führende Leitsymptom Schmerz oder unerfüllter Kinderwunsch soll
unbedingt herausgearbeitet werden, da die individuelle Lebenssituation für eine optionale
(operative) Therapie die entscheidende Weiche stellt. Durchaus können beide Symptome
für die Patientin gleichbedeutend vorliegen! Es empfiehlt sich, frühzeitig den Partner
in den Behandlungsplan einzubinden und das Paar in einem zertifizierten Endometriosezentrum
zu betreuen.
Anamnese
Durch die Verfügbarkeit und den Umgang mit neuen Medien/Internet sind Endometriose-
und/oder Kinderwunschpatientinnen nicht selten beim ersten Besuch im Zentrum in unterschiedlichem
Maß vorinformiert. Im Internet werden Selbsttests auf Endometriose angeboten, die
wegweisende Symptome abfragen und anschließend computergeneriert auswerten (z. B.
Endo-Test auf der Website der Europäischen Endometriose Liga; www.endometriose-liga.eu/endo-test). Selbstverständlich liefern solche Tools zwar erste Hinweise, sie können aber die
strukturierte ärztliche Endometriosediagnostik mit klinischer Untersuchung nicht ersetzen.
Merke
An erster Stelle steht bei Endometrioseverdacht eine sorgfältige gynäkologische Anamnese.
Es ist bekannt, dass sich die Erkrankung auch durch viele unspezifische Symptome ausdrückt,
wie z. B. Rückenbeschwerden, Kopfschmerz, Abgeschlagenheit, depressive Verstimmungen
usw. Daher müssen zur weiteren Abgrenzung möglicher Differenzialdiagnosen folgende
Beschwerden explizit abgefragt und dokumentiert werden:
-
Sterilität (primär/sekundär)
-
Regelanamnese, (bisherige) Kontrazeption?
-
Sozialanamnese: Partner (gesund?), Beruf, Stressfaktoren
-
Unterbauchbeschwerden/Beschwerden beim Sitzen
-
Dysmenorrhö, -urie, -chezie, -pareunie müssen als Leitsymptome unbedingt eruiert und
dokumentiert werden!
-
Voroperationen, Hinweise für rezidivierende Infektionen (PID: pelvic inflammatory
disease)
-
Endometriose/„Regelschmerz“ in der Familie (v. a. Mutter, Großmutter) bekannt?
-
eigene bestehende Vorerkrankungen, Medikamenteneinnahme
Cave
Etwa 18% der analysierten Kliniken einer Erhebung haben die Abfrage der Endometriose-Leitsymptome
als nicht wichtig beurteilt [4]. Daraus ergibt sich ein erhebliches Verbesserungspotenzial!
Gynäkologische Untersuchung
Praktisch im Alltag nicht immer umsetzbar, aber zu empfehlen ist die Untersuchung
während der Menstruation. Typischerweise nehmen die Symptome zyklusabhängig zu und
schwächen sich dann wieder ab, die heftigsten Beschwerden bestehen meistens etwa 1 – 3 Tage
vor Einsetzen der Blutung.
Merke
Dauerhafte Schmerzen, also abgekoppelt vom Zyklusgeschehen, deuten auf Adhäsionen,
„Kissing ovaries“ oder im Extremfall auf ein „Frozen pelvis“ hin.
Spekulumeinstellung: Bei der Spekulumuntersuchung zur Inspektion empfiehlt sich für die Praxis anstelle
des sog. „Entenschnabels“ die Verwendung von „geteilten“ Spekula (vgl. [Abb. 1]) mit einem vorderen und hinteren Blatt!
Abb. 1 Geteilte Spekula (rechts in der Abbildung) erleichtern bei V. a. Endometriose die
Einsehbarkeit der Fornices vaginae und der Vaginalwände.
Mit diesen können zum Nachweis tief infiltrierender oder schon durchgebrochener Herde
die Fornix anterior, posterior sowie die Vaginalwände gut eingestellt und „umfahren“
werden. Beim Gebrauch anderer Instrumente besteht die Gefahr, diese Läsionen größenmäßig
unzureichend einzuschätzen oder sogar ganz zu übersehen.
Merke
Idealerweise findet die Untersuchung während der Menstruation statt.
Bimanuelle vaginale Palpation: Die vaginale Palpation ist natürlich Grundlage der gynäkologischen Statuserhebung.
Allerdings kann diese bei der Untersuchung an der wachen Patientin in ihrer praktischen
Aussagekraft aufgrund der Schmerzhaftigkeit und Anspannung bei Endometriose deutlich
eingeschränkt und ungenau sein. Dasselbe gilt für die geforderte rektale Palpation.
In diesen Fällen ist es empfehlenswerter, die Patientinnen zu Beginn einer diagnostischen
Laparoskopie (s. u.) sorgfältig in Narkose kombiniert vaginal und rektal zu untersuchen
– in jedem Fall soll vor einer weiteren (operativen) Therapie ein vollständiger rektovaginaler
Status vorliegen. Neben der Beschreibung von Größe, Lokalisation und Verschieblichkeit
eines Tastbefundes ist auch die Angabe des Abstandes ab ano hilfreich.
Praxistipp
Die Verwendung von geteilten Spekula mit vorderem und hinterem Blatt ermöglicht eine
gute Untersuchung/Einsehbarkeit der Fornices vaginae und der Vaginalwände. Ein rektovaginaler
Status soll zur weiteren Planung immer vorliegen – dieser kann bei Schmerzen definitiv
i. R. einer Narkoseuntersuchung erhoben werden.
Bildgebung
Als Goldstandard und hocheffektive Maßnahme gilt die Sonografie. Transvaginalsonografisch lassen sich Endometriome, Follikelzahl, Adenomyosis und auch infiltrierende Darm-
und Blasenherde detektieren.
Wiederholte Nierenultraschalluntersuchungen sind bei Endometriosepatientinnen obligat, da infiltrierende Herde im Ureterverlauf/Blase
konsekutiv zu Harnstau und (oft symptomloser) Dilatation des Nierenbeckenkelchsystems
bis hin zum Verlust des Organs führen können. Unter diesem Aspekt hat die Nierensonografie
(Ausschluss Harnstau) eine hohe praktische und forensische Relevanz!
Es besteht eine nicht unerhebliche Heterogenität der Befundbeschreibung hinsichtlich
Sensitivität und Spezifität.
Merke
Für den Ultraschall empfiehlt sich ein systematisches Vorgehen unter Verwendung einheitlicher
Termini und Definitionen.
Die International Deep Endometriosis Analysis-(IDEA-)Gruppe beschreibt ausführlich
einen praktikablen Algorithmus; der Ultraschall soll in der Abfolge dynamisch bei
leicht gefüllter Blase ausgeführt werden. Darunter versteht sich eine sonografische
Diagnostik sowohl der Organe als auch deren Mobilität in „real time“. Der Algorithmus
umfasst 4 Schritte. Die Reihenfolge kann dabei geändert werden, solange die Untersuchung
insgesamt vollständig die verschiedenen Endometrioseformen bestätigt oder ausschließt
[13]:
-
Evaluation von Uterus und Adnexen (Zeichen für Adenomyose, Endometriome?)
-
Softmarker?: Schmerzen/Empfindlichkeit an bestimmten Lokalisationen, Mobilität der
Ovarien
-
Untersuchung des Douglas-Raumes unter Real-Time-Kautelen: „Sliding sign“ vorhanden?
-
Knotenbildungen als Hinweis für tief infiltrierende Endometriose in vorderem/hinterem
Kompartiment
Eine ausführliche Beschreibung der gesamten Kriterien ist in dieser Übersicht nicht
möglich; kurz zusammengefasst sind folgende Zeichen charakteristisch (ergänzt und
modifiziert nach [13]):
-
Endometriom: meist glatte Begrenzung, echogene und homogene Struktur; Größenmessung in 3 Ebenen
empfohlen; ein atypisches Endometriom imponiert irregulär begrenzt mit hyperechogenen
Zonen innerhalb der Zyste, papilläre Strukturen. Die Beschreibung der Endometriome
sollte anhand der International Ovarian Tumor Analysis-(IOTA-)Terminologie erfolgen.
-
Adenomyose: meist vergrößerter Uterus mit Asymmetrie der anterioren/posterioren Wand, gemischte
Echogenität mit hyperechogenen Zonen und subendometrialen Mikrozysten; myometrale
Lakunen, verbreiterte Junktionalzone; „Question mark“-(Fragezeichen-)Form des Uterus.
-
Sliding Sign: leichter Druck auf die Zervix mit der Transvaginalsonde des Ultraschallgerätes bei
antevertiertem Uterus: gleitet das Rektum frei über die posteriore Zervix und die
hintere Vaginalwand?
-
Hinweise für tief infiltrierende Knoten: Sonde zunächst im Bereich der vorderen Vaginalfornix: Hinweise auf Blasenbeteiligung
(Diagnostik gelingt bei leicht gefüllter Blase besser); Beurteilung der posterioren
Fornix und Septum rectovaginale unter langsamem Rückzug der Sonde.
Meistens ist in der täglichen Praxis keine weiterführende Bildgebung mehr notwendig,
diese kann aber ergänzend bei V. a. ausgeprägte Fälle, besonders bei tiefer Infiltration,
weitere Informationen zur Planung liefern:
-
MRT: geeignet bei Adenomyose, Darm-/Blaseninfiltration)
-
Zystoskopie/Urogramm: Blasen-/Ureterendometriose
-
Koloskopie: Darmbefall?
-
CT-Thorax: bei Atembeschwerden oder blutigem Auswurf: Zwerchfellbeteiligung oder Lungenbefall
Cave
Eine unauffällige Koloskopie im Bereich der Mukosa schließt einen Befall oder eine
Beteiligung der äußeren Schichten nie aus!
Bestimmung der ovariellen Reserve
Speziell für die Kinderwunschpatientin eignet sich zur klinischen Abschätzung der
ovariellen Reserve noch ergänzend die transvaginalsonografische Bestimmung der antralen
Follikel. Gebräuchlich ist die Anzahl der antralen Follikel (sog. antral follicle
count, AFC) zwischen 2 und 10 mm während der frühen Follikelphase. Diese Messung kann
bei gleichzeitig vorliegendem Endometriom aber erschwert sein, weil der AFC sichtbedingt
unterschätzt wird. Zusätzlich muss man die individuellen Variationen innerhalb des
Zyklus beachten.
Labordiagnostik
Die allgemeine Labordiagnostik umfasst bei der Kinderwunschpatientin mit Endometrioseverdacht immer
einen Schwangerschaftstest (U-Stix, β-hCG) und sinnvollerweise ein Blutbild mit CRP
als Hinweis auf Entzündungen.
Speziell bei Sterilitätspatientinnen helfen Marker der ovariellen Reserve (FSH: follikelstimulierendes
Hormon; AMH: Anti-Müller-Hormon) zur Einschätzung des operativen Therapiemanagements
bei Endometriomen oder zur Bewertung des Erfolges von ART. Das Serum-AMH umgeht die
Limitationen einer sonografischen Bestimmung der ovariellen Reserve (s. o.) und zeigt
im Vergleich zu anderen Hormonparametern im Serum und gegenüber dem FSH geringere
interzyklische Variationen. Daten zeigen, dass infertile Endometriosepatientinnen
unabhängig von einer vorangegangenen Operation am Ovar schlechtere Marker aufweisen
[14].
CA 125 kann bei Endometriose erhöht sein, liefert aber derzeit keinen zusätzlichen
Nutzen für die Diagnostik bei der Kinderwunschpatientin.
Merke
Als Hinweis für eine eingeschränkte „ovarielle Reserve“ eignen sich bei der Kinderwunschpatientin
die Laborparameter AMH (erniedrigt) und FSH (erhöht) und sonografisch die Anzahl antraler
Follikel. Aktuell ohne wesentliche Bedeutung ist CA 125.
Laparoskopie
Die Laparoskopie steht am Ende der hier aufgezeigten Diagnosekette und gilt als Goldstandard
zur Bestätigung. Initial diagnostisch und oft ambulant geplant, soll sie eine sorgfältige
Inspektion des kleinen Beckens und sämtlicher Endometrioseprädilektionsstellen (z. B.
Oberbauch, Zwerchfellkuppeln; Zökalpol) gewährleisten und unbedingt eine histologische
Sicherung der Endometriose herbeiführen. Die Patientin sollte für diesen Eingriff
immer bereits präoperativ über eine potenzielle einzeitige Entfernung gut zugänglicher
Herde aufgeklärt sein.
Bei der Kinderwunschpatientin empfiehlt sich die Kombination mit einer diagnostischen
Hysteroskopie zur Cavumdiagnostik (Myome, Septen, Adenomyose usw.?) und einer Chromopertubation
(Tubenfaktor). Eine tubare Dysperistaltik oder komplett fehlende Motilität kann mit
der Endometriose assoziiert sein (s. o.). Trotzdem ist ggf. bei der Chromopertubation
die Tube prompt durchgängig (positiv).
Gleiches gilt aber auch umgekehrt: Ein fehlender Blauaustritt alleine darf nie als
sicheres Sterilitätszeichen gewertet werden! Ursächlich können hierfür auch rein technische
Probleme sein: mangelnde Fixation des Adaptersystems, zu wenig Blaulösung, nicht genügend
Druck usw.
Ausgedehnte Befunde, die bei der ersten Laparoskopie so nicht antizipiert wurden und
die u. U. eine Darm-/Blasen-/Ureterresektion erfordern, lassen sich nach erneuter
Fallbesprechung (insbesondere deren wahrscheinliche Relevanz für den Kinderwunsch!)
mit der Patientin zweizeitig interdisziplinär planen (chirurgisches oder urologisches
Stand-by).
Diagnosesicherung
Ziele der Laparoskopie bei Kinderwunsch
-
Gleichzeitig Möglichkeit der Narkoseuntersuchung zur Erhebung des rectovaginalen Status
(s. o.)
-
Kombination mit Hysteroskopie ([Abb. 2]) und Chromopertubation ([Abb. 3]) (Cavumanatomie, Tubenfaktor)
-
Histologische Sicherung der Endometriose
-
Stadieneinteilung/Klassifikation (rASRM und ENZIAN)
-
Einzeitiges Vorgehen: Entfernung relevanter Herde, wenn zugänglich
-
Zweizeitiges Vorgehen: ggf. (interdisziplinäre) Entfernung tief infiltrierender Herde
mit Organbeteiligung, wenn ein positiver Effekt auf die Fertilität oder ART erwartet
wird.
Fallbeispiel
Vaginale Untersuchung
Äußeres Genitale altersentsprechend, keine Endometriose mit geteiltem Spekulum sichtbar.
Das Septum rectovaginale tastet sich frei.
Vaginalsonografie
Uterus anteflektiert 6,3 × 3,5 cm, Endometriumreflex 5 mm.
Adnexe beidseits unauffällig, keine freie Flüssigkeit im Douglas.
Nierensonografie
Ohne Befund, Nieren beidseits orthotop gelegen, kein Harnstau beidseits.
Therapievorschlag
Hysteroskopie ([Abb. 2]), Laparoskopie mit Chromopertubation ([Abb. 3]), ggf. Entfernung von Endometriose.
Abb. 2 Hysteroskopie. Blick ins Cavum mit Fundus und Tubenabgängen beidseits.
Abb. 3 Laparoskopie mit Chromopertubation. Endometriose am linken Lig. sacrout. Austritt
von Blaufarbstoff Tube rechts.
Eine Übersicht zu Diagnosemöglichkeiten bei Endometrioseverdacht und Kinderwunsch
zeigt [Tab. 1].
Tab. 1 Diagnostik bei Endometriose und Kinderwunsch [15].
|
diagnostische Maßnahme
|
Rationale
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|
Eigen-/Partneranamnese
|
Hinweise für verminderte Koitusfrequenz, ggf. schmerzbedingt
|
|
rektovaginale Palpation; Spekulumeinstellung (möglichst geteilt!)
|
verminderte Organverschieblichkeit; Schmerzpunkt, Resistenzen, Raumforderungen, Frozen
Pelvis, sichtbare Herde?
|
|
Transvaginalsonografie
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Endometriome, Adenomyosezeichen, indirekte Hinweise für Adhäsionen (veränderte Organbeziehungen),
Hinweise für tief infiltrierende Endometriose und Organbeteiligung, Follikelanzahl
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Nierensonografie
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obligat zum Ausschluss Nierenstau!
forensisch wichtige Bedeutung!
|
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weiterführende Bildgebung (MRT, CT, Koloskopie, Zystoskopie)
|
nicht Routine, ggf. ergänzend bei Hinweis für tief infiltrierende Endometriose/Organbeteiligung
|
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Laborparameter AMH und FSH
|
ovarielle Reserve
|
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Laparoskopie
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histologische Diagnosesicherung, Stadium, Therapie
|
Therapie der Endometriose bei Kinderwunsch
Therapie der Endometriose bei Kinderwunsch
Eine gezielte kausale Therapie, welche die Ursache der Endometriose beseitigt und
folglich die Erkrankung heilt, gibt es bislang nicht. Daher stützt sich das Konzept
auf die folgenden Säulen, die für den Fall des gleichzeitig bestehenden Kinderwunsches
angepasst werden müssen.
Die Ziele in dieser Situation sind grundsätzlich:
-
Symptomminderung/Schmerzreduktion: Verbesserung der Lebensqualität und der Chance
auf damit einhergehende Spontankonzeption, wenn organisch/anatomisch möglich
-
Entfernung der Endometriose: Reduktion der lokalen Inflammation und Wiederherstellung
der Anatomie für entweder Spontankonzeption oder ART.
Medikamentöse Therapie
Für Endometriosepatientinnen mit Kinderwunsch kommt eine Hormontherapie mit kombinierten
oralen Kontrazeptiva (KOK, gleichbedeutend mit der sog. Pille) oder mit einem der
zahlreich verfügbaren Gestagene nicht infrage. Die Präparate beeinflussen zwar den
Östrogenspiegel so, dass sich die Läsionen verkleinern und möglichst keine neuen Herde
entstehen (erwünschte Wirkung); andererseits wirken sie direkt auf den Zyklus (bei
Subfertilität ist die sonst angestrebte therapeutische Amenorrhö durch Einnahme im
Langzyklus, also ohne Pause, eine unerwünschte Wirkung).
Gestagene haben je nach Dosis und Substanz einen antiöstrogenen und antigonadotropen
Effekt. Sie werden als Medikament oder in Form eines Intrauterinpessars (IUP) verabreicht,
was sich logischerweise für die Kinderwunschpatientin ebenfalls verbietet.
Merke
Der pharmakologisch-endokrine Ansatz, normalerweise einer der wesentlichen Pfeiler
beim ersten Verdacht auf Endometriose sowie bei gesicherten oder rezidivierenden Fällen,
eignet sich nicht für die Kinderwunschpatientin.
Eine Ausnahme bilden Analoga des Gonadotropin-releasing-Hormons (GnRH) im Rahmen von
ART/IVF-Protokollen. Diese Wirkstoffe führen zunächst zu einer Down-Regulation der
Sexualhormone, aus der anschließend kontrolliert stimuliert werden kann. Hierauf geht
diese Übersicht nicht ein.
Eine medikamentöse Option zur reinen Schmerztherapie, also nicht zur Behandlung der
Kinderwunschproblematik, sind nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) unter Beachtung
bestehender Risikofaktoren und potenzieller Nebenwirkungen analog dem WHO-Stufenplan
zur Schmerztherapie. Typische Wirkstoffe sind Derivate der Salicylsäure (Acetylsalicylsäure),
der Propionsäure (Ibuprofen) und der Essigsäure (Diclofenac).
Praxistipp
Es ist – insbesondere vor dem Hintergrund auch internationaler Leitlinien – zu beachten,
dass in Deutschland für die hier vorgestellten Optionen oft keine spezielle Zulassung
für die Endometriose-/
Kinderwunschtherapie vorliegt. Dann handelt es sich im Gegensatz zur Anwendung im
Ausland um einen sog. Off-Label-Use.
Lifestyle-Anpassungen
Neben Alter und Menstruationsanamnese (v. a. Zyklusdauer, Beginn Menarche und Menopause)
wird der Body-Mass-Index (BMI) als möglicher zusätzlicher Faktor für die Entstehung
von Endometriose gesehen. Nicht gesichert, aber im Einzelfall für die Patientin und
ihren Kinderwunsch vorteilhaft und selbst aktiv umsetzbar, sind in diesem Zusammenhang
Lifestyle-Änderungen. Dazu gehören u. a.:
-
Wärmeanwendungen
-
Physiotherapie
-
Bewegung mit möglichst Ausdauersport
-
Ernährungsumstellung (ausgewogen mit Vitaminen und Mineralstoffen)
-
Körpergewichtsreduktion
-
Stressreduktion und Entspannungstechniken (Yoga, Progressive Muskelentspannung nach
Jacobson, autogenes Training usw.)
Komplementäre oder alternative Therapieversuche werden von den gesetzlichen Krankenkassen
oft nicht erstattet, da der sichere Nachweis der Wirksamkeit fehlt.
Die Kinderwunschpatientin soll darüber informiert werden, dass diese Optionen größere
und infiltrative Endometrioseherde und damit assoziierte organisch-anatomisch Probleme
(z. B. Adhäsionen, fehlende Tubendurchgängigkeit usw.) mit großer Wahrscheinlichkeit
nicht beseitigen können. Unter dem Verständnis der Systemerkrankung sind diese Maßnahmen
aber in Ergänzung zur ärztlich eingeleiteten medikamentösen und operativen Therapie
(s. u.) sinnvoll. Sie unterstützen ein Körpergefühl, das auf Konzeption und Schwangerschaft
positiv wirkt, und schaffen häufig ein besseres Vertrauensverhältnis in der Interaktion
mit dem betroffenen Paar.
Neuartige Ansätze
Es gibt eine Reihe von medikamentösen Ansätzen, die auf die pathophysiologischen Zusammenhänge
der Endometriose einwirken können. Vielfach handelt es sich dabei um Ergebnisse aus
Labor- oder Tierstudien, die entweder noch nicht beim Menschen eingesetzt wurden oder
einer weiteren klinischen Prüfung bzw. Zulassung bedürfen. Als Vertreter aus dieser
Kategorie sind beispielsweise zu nennen:
Es ist unklar, wie diese (endokrin wirksamen) Substanzen mittel- bis langfristig die
endometriosebedingte Sterilität beeinflussen.
Praxistipp
Da endokrine Behandlungen, auch als Erhaltung nach OP, die Rate an spontanen Schwangerschaften
nach jetziger Kenntnis nicht steigern, sollte eine geplante Kinderwunschtherapie nicht
unnötig verschleppt werden.
Operative Therapie
Es gelten für die Endometriose, unabhängig vom Kinderwunsch, folgende OP-Indikationen:
-
Leidensdruck, starke Symptomatik, die durch konservative/medikamentöse Maßnahmen nicht
gebessert werden
-
drohende Organdestruktion (hier besonders Verlust der Niere durch tief infiltrierende
Herde im Bereich des Urogenitaltraktes): absolute OP-Indikation!
Bei bestehendem Kinderwunsch ohne relevante Symptomatik kommt es für die OP-Indikationsstellung
auf viele Einflussfaktoren an, die alle mit dem ratsuchenden Paar berücksichtigt werden
müssen: Neben dem Alter der Patientin sind dafür die Ausdehnung und Lokalisation der
Endometriose, die ovarielle Reserve (s. o.), Vortherapie(n) und die Definition des
OP-Ziels (spontane Konzeption möglich oder eher ART-Maßnahmen anzustreben?) entscheidend.
In manchen Fällen wird die Patientin vor dem Eingriff ggf. bereits (mehrere) nichtoperative
Kinderwunschtherapie(n) hinter sich haben. Deswegen ist auch die Unterscheidung zwischen
einem operativen Management in der Primärsituation oder im Rezidivfall wichtig, weiterhin
die Festlegung des Ausmaßes (also die OP-Radikalität), um das definierte Ziel zu erreichen.
Merke
Die operative Therapie der Endometriose mit Kinderwunsch orientiert sich nie an einem
allgemeingültigen Konzept, sondern wird immer für den Einzelfall entschieden.
Optimalerweise wird die operative Therapie an einem Endometriosezentrum durchgeführt,
welches die interdisziplinäre Logistik mit Gynäkologie, Chirurgie und Urologie vorhält.
Diese Kette muss in allen Phasen lückenlos verfügbar sein:
-
präoperativ: z. B. Anlage eines Uretersplints bei Ureter-/Blasenbeteiligung; Nierenfunktionsanalyse;
Darmvorbereitung
-
intraoperativ: Darmteilresektion; vorübergehende protektive AP-Anlage Ureterneuimplantation;
Blasenteilresektion
-
postoperativ: Überprüfung des OP-Erfolges: Darmanastomose, Blase dicht? Komplikationsmanagement
Grundsätzlich soll die Operation …
-
im Primärfall durchgeführt werden, wenn ein positiver Effekt auf die Fertilität zu
erwarten ist, z. B. auch nach ART-Versagen.
-
minimalinvasiv (laparoskopisch) durchgeführt werden; dies gilt auch für Eingriffe
an Darm und Harntrakt (interdisziplinäres, erfahrenes Team), wenn erforderlich und
ein positiver Effekt auf die Fertilität zu erwarten ist. Ein offen chirurgisches Vorgehen
geht mit niedrigeren Schwangerschaftsraten einher und gilt als absolute Ausnahme bei
Kontraindikationen für eine Laparoskopie oder bei minimalinvasiv nicht beherrschbaren
Komplikationen. Eine fehlende Laparoskopie-Expertise darf kein Kriterium für einen
Bauchschnitt sein; in diesen Fällen soll die Patientin spätestens in einem Endometriosezentrum
vorgestellt werden.
-
die Endometriose so entfernen, dass die reproduktiven Organe erhalten bleiben und
viel vitales Ovarialgewebe geschont wird; manchmal ist jedoch eine Ovarektomie/Salpingektomie
unvermeidlich.
-
die Endometriose so entfernen, dass der chronisch inflammatorische Reiz maximal reduziert
wird (s. o.); nicht immer ist eine Komplettresektion möglich oder notwendig.
-
die Anatomie so wiederherstellen, dass im Falle einer nicht vollständig möglichen
Endometrioseresektion ART-Maßnahmen möglich sind (gute Erreichbarkeit der Ovarien
für die Follikelpunktion, Reduktion von Adhäsionen.
-
technisch so durchgeführt werden, dass möglichst die peritonealen Oberflächen gering
traumatisiert werden und somit Adhäsionen minimiert sind.
-
konkret der Patientin anschließend eine Empfehlung für die Realisierung des Kinderwunsches
geben (Spontankonzeption versuchen vs. ART) und ein Endometriosestadium festlegen
(rASRM und ENZIAN).
-
eher zurückhaltend indiziert werden, wenn es sich um symptomarme/-lose Rezidive handelt
– insbesondere bei Endometriomen oder ausgedehnteren Läsionen.
Merke
Auf jeden Fall muss die Patientin darüber aufgeklärt sein, dass auch eine erfolgreiche
operative Endometriosesanierung/Adhäsiolyse keine sichere Garantie für eine folgende
Schwangerschaft ist.
Die Literatur zu den Ergebnissen der Spontankonzeption sowie zu ART-Outcome einschließlich
IVF und ICSI alleine und in Kombination mit operativem Management sind nicht einheitlich.
Das liegt in einem hohen Maß an der heterogenen Patientengruppe, der unterschiedlichen
Schwere und Lokalisation der Endometriose (mit oder ohne begleitende Adenomyose [16]) sowie an unterschiedlich bestimmten Endpunkten, wie z. B. der klinischen Schwangerschaftsrate
in Abgrenzung zur Lebendgeburtenrate.
[Tab. 2] zeigt eine Übersicht des zu erwartenden Effektes der Endometriose-OP auf die Schwangerschaftsrate
und bezieht sich in praktisch modifizierter Form auf die hierzu publizierten Empfehlungen
der ESHRE (European Society of Human Reproduction and Embryology) [17].
Tab. 2 Auswirkung einer operativen Endometriosesanierung auf die Schwangerschaftsrate [17], [18].
|
operative Endometriosesanierung
|
Effekt auf Schwangerschaftsrate
|
|
rASRM I – II
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kürzere Zeit bis zur Schwangerschaft
höhere Schwangerschaftsrate
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Endometriom (primär), komplette Resektion
Endometriomrezidiv
Anmerkung: Es gibt verschiedene OP-Techniken zur Endometriomtherapie, die unterschiedliche
Effekte haben können (s. u. im Text)!
|
Höhere Schwangerschaftsrate; Effekt auf AFC ist nicht eindeutig.
AMH-Werte im Serum können permanent erniedrigt sein.
Nach OP ggf. weniger Oozyten für ART verfügbar.
Fraglich! Cave: ovarielle Reserve!
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rASRM IV
tief infiltrierende Endometriose
bei Rezidiv
tief infiltrierende Endometriose und begleitende(s) Endometriom(e)
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höhere Schwangerschaftsraten
Kontrovers! Eher ART
Benefit unklar, ggf. Freezing von Oozyten diskutieren
|
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Adenomyose (v. a. fokal) [18]
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höhere Schwangerschaftsrate
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Je älter die Patientin und je ausgedehnter ein mild bis asymptomatischer Befund …
Je häufiger Voroperationen …
Je niedriger die ovarielle Reserve …
Bei primär männlich bedingter Problematik …
|
… desto zurückhaltendere OP-Indikation zur Fertilitätsverbesserung.
Zeitnah ART als ersten Schritt erwägen.
|
Darüber hinaus spielt zweifellos immer die Erfahrung der Operateure für eine ggf.
komplette Exzision relevanter Herde im Gegensatz zur lediglich Teilentfernung oder
thermischen Destruktion/Ablation eine ganz wichtige Rolle. Hier geht es also um die
Definition individueller Resektionsgrenzen mit dem Ziel, die Fertilität zu erhalten
oder zu optimieren.
Die verschiedenen minimalinvasiven Methoden und Techniken (scharfe Exzision, Laser,
Plasma, monopolare/bipolare Elektrochirurgie, ultraschallbasiert und neuerdings auch
zunehmend roboterassistiert) zur Endometrioseresektion in den einzelnen Kompartimenten
können komplex sein [19] und müssen vor allem bei tief infiltrierenden Herden interdisziplinär beherrscht
werden. Die Überlegenheit eines bestimmten Verfahrens ist nicht evidenzbasiert.
Im Folgenden werden die operativen Techniken für die Endometrioselokalisationen kurz
zusammengefasst.
Oberflächliche peritoneale Endometriose
Die peritoneale Endometriose kommt typischerweise im kleinen Becken und Douglas-Raum
vor. Es sind aber auch Manifestationen im Mittelbauch bis hoch zu den Zwerchfellkuppeln
möglich. Daher muss immer, auch bei einer asymptomatischen Patientin, der Oberbauch
möglichst vor Einstellung der Kopftieflage sorgfältig inspiziert werden!
Die komplette Exzision von peritonealen Herden ist sinnvoll …
Durch eine lokale Peritonektomie wird die vollständige Entfernung der Läsionen am
besten erreicht ([Abb. 4]).
Abb. 4 Resektion der peritonealen Endometriose im Bereich der Beckenwand.
Im linken Unterbauch ist nicht selten eine Adhäsiolyse zwischen Sigma und Beckenwand
erforderlich, um freien Zugang zum Douglas-Raum zu haben und die Ureteren beidseitig
zu inspizieren. Häufig liegen die Endometrioseherde peritoneal im Verlauf der Fossa
ovarica dem Ureter auf, dann ist eine Eröffnung der Beckenwand mit Ureterolyse notwendig.
Der Einstieg gelingt gut und sicher, wenn man kranial am Beckeneingang zwischen Promontorium
(medial) und Ureter (lateral) den Zugang in einem Areal wählt, der frei von Endometriose
ist. Dieser grundsätzliche Präparationsschritt ermöglicht die bessere Isolierung der
Herde.
Eine Modifikation der Technik ist auch bei größerer Ausdehnung an den Zwerchfellkuppeln
empfehlenswert: Zusätzliche Trokareinstiche (z. B. am Palmer-Punkt) oder eine kaudokraniale
Laparoskopie (die Kamera wird suprasymphysär eingeführt und man spiegelt nach oben)
ermöglichen Freiheitsgrade zur Deperitonealisierung am Diaphragma.
Geeignet für die peritoneale Endometriose sind:
-
die Kombination aus bipolarer Koagulation und scharfer Schere
-
monopolare Techniken (z. B. Nadel oder Haken)
-
Laser
-
Plasmaanwendungen (z. B. Argonplasma)
Manche Autoren unterspritzen das Gewebe vor der Exzision (Kochsalz und Vasokonstriktor),
um den Herd zu elevieren und so das tiefer liegende Gewebe zu schonen.
Welche Technik eingesetzt wird, hängt von der Ausbildung/Präferenz des Teams und von
der Klinikausstattung ab. Grundsätzlich muss der Operateur aber die Anatomie und retroperitoneale
Darstellung im Becken kennen, um Rektum und Ureter (s. o.) so zu distanzieren, dass
die Resektion gefahrlos ist.
Eine oberflächliche Destruktion durch alleinige Koagulation/Vaporisation soll nur
Ausnahmefällen vorbehalten sein (z. B. massiver Adhäsionssitus mit multiplen miliaren
Herden, kleine Herde in den Zwerchfellkuppeln oder vereinzelt auf der Blase, sofern
natürlich keine Hinweise für Infiltration vorliegen: Einziehungen, Hämaturie usw.).
Die Resektion der peritonealen Herde ist auch unter einem zusätzlichen Aspekt zu favorisieren:
Vor allem im Bereich der Ligg. sacrouterina können die Grenzen zur tief infiltrierenden
Endometriose Richtung pararektal/Septum rectovaginale fließend sein. Der makroskopisch
sichtbare Befund entspricht dann nur dem oberflächlichen Anteil einer ausgedehnteren
Endometriose.
Praxistipp
Bei der Endometriose handelt es sich um eine benigne Erkrankung. Trotzdem kann die
endoskopische Operation durch die Ausdehnung oder Lokalisation der Befunde schnell
komplex werden. Modifikationen der Technik (Position der Trokare, zusätzliche Einstiche,
Uterusmanipulator usw.) und Grundlagen für den Zugang zum Retroperitoneum müssen beherrscht
werden.
Tief infiltrierende Endometriose – Becken und Septum rectovaginale
Für die Resektion der tief infiltrierenden Endometriose eignen sich zunächst analog
zur Technik bei peritonealen Befunden (s. o.) grundsätzlich:
-
die Kombination aus bipolarer Koagulation und scharfer Schere
-
monopolare Techniken (z. B. Nadel oder Haken)
-
Laser
-
Plasmaanwendungen (z. B. Argonplasma)
-
Zusätzlich ist die tief infiltrierende Endometriose eine Domäne für technisch weiterentwickelte
Instrumente: Durch bipolare Applikation oder mithilfe des Ultraschalls gelingt die
Exzision mit gleichzeitiger Gewebeversiegelung.
Wenn die genannten Prinzipien zur Darstellung der retroperitonealen Anatomie mit Isolierung
der endometriotischen Raumforderung beherzigt werden, lassen sich die tiefer infiltrierenden
Befunde unter Distanz von Darm und Ureter sicher entfernen. Bei Durchbruch in die
Fornices ist dafür eine Eröffnung der Vagina notwendig, die OP kann laparoskopisch,
vaginal oder kombiniert fortgesetzt werden.
Tief infiltrierende Endometriose – Darm
Die Entfernung der tief infiltrierenden Endometriose (vor allem laparoskopisch) hat
einen positiven Effekt auf die Schwangerschaftsrate (vgl. [Tab. 2]).
Besonders bei Kinderwunschpatientinnen mit milden Symptomen und fehlender Dyschezie
muss aber im Vorfeld geklärt werden, wie radikal diese Zielsetzung bei Darmbefall
verfolgt wird.
Es gibt 3 bedeutende Verfahrenswege:
-
Diskoide Resektion: Die Integrität des Darmrohres bleibt hauptsächlich erhalten, es erfolgt nur eine
partielle Resektion der Wand. Anschließend wird der Defekt ein- bis zweischichtig
vernäht oder gestapelt.
-
Shaving: Eine festgelegte Definition für das Shaving gibt es noch nicht. Es besteht aber Einigkeit
darüber, dass es sich um eine oberflächliche Entfernung/Destruktion von Endometriose
ohne Eröffnung des Darmlumens/Mukosa handelt. Die oben genannten Techniken kommen
dabei zur Anwendung. Wenn thermische Energie durch Plasma, Laser oder Elektrochirurgie
eingebracht wird, entscheiden sich manche Operateure sicherheitshalber für eine großzügige
Übernähung des Areals.
Praxistipp
Wichtig: Shaving kann bedeuten, dass (ggf. bewusst!) Endometriose auf der Darmoberfläche
zurückgelassen wird. Gerade bei Kinderwunsch und geringer bis fehlender Darmsymptomatik
ist dies aber eine Option zur Vermeidung erhöhter postoperativer Morbidität.
Die Schwangerschaftsraten nach Shaving betragen bis > 80%; im Falle einer unvollständigen
oberflächlichen Entfernung ist im weiteren Verlauf mit Rezidiven zu rechnen. Diese
Überlegungen sollen mit dem Kinderwunschpaar immer in Zusammenhang mit der Symptomatik
abgewogen werden.
-
Kolorektale Resektion/Segmentresektion. Die Segmentresektion ist von den 3 vorgestellten
Methoden die Option mit der höchsten Radikalität. Sie wird bei ausgedehntem Darmbefall
indiziert, wenn diskoide Resektion und Shaving nicht ausreichen und das befallene
Segment mit der kompletten Zirkumferenz entfernt werden muss. Hinsichtlich der hohen
Schwangerschaftsraten und geringen Rezidive gibt es gute Daten. Allerdings ist die
Morbidität erwartungsgemäß höher. Die Komplikationen steigen, je tiefer eine Anastomose
(gemessen ab ano) angelegt wird. In sehr seltenen Fällen ist deswegen die Anlage eines
(protektiven) Stomas zu erwägen, welches nach einigen Wochen wieder rückverlegt werden
kann. Gerade für junge Kinderwunschpatientinnen ist das aber natürlich eine abschreckende
Vorstellung, zumal das Prozedere zusätzlich Zeit kostet, ehe die Realisierung des
Kinderwunsches möglich ist. Erneut ist die präoperative Aufklärung und sorgfältige
Festlegung der Strategie ein
wichtiger Faktor für den interdisziplinären (hier Viszeralchirurgie) Therapieerfolg.
Dies gilt auch für das Management von möglichen Komplikationen, hier sind vor allem
zu nennen:
-
Blasen-/Darmentleerungsstörungen durch Affektion der nervalen Versorgung
-
Hämatome, Infektionen
-
Anastomoseninsuffizienz, Fistel
Tief infiltrierende Endometriose – Harntrakt (Blase, Ureter)
Die tief infiltrierende Endometriose des Harntraktes (Blase, Ureter) kommt bei < 5%
der Endometriosepatientinnen vor. Es gelten hinsichtlich der OP-Indikation bei der
Sterilitätspatientin die gleichen Überlegungen wie bei der tief infiltrierenden Endometriose
mit/ohne Darmbeteiligung.
Da je nach Ausdehnung grundsätzlich die Gefahr einer Hydronephrose besteht, wird die
Indikation zur operativen Entfernung richtigerweise großzügig gestellt.
Blasenendometriose
Eine Blasenendometriose lässt sich durch eine Vollwandresektion (partielle Zystektomie)
gut entfernen. Liegen die Herde in der Nähe der Ureterostien, ist eine Schienung der
Harnleiter sinnvoll. Die Blase wird ein- oder zweischichtig verschlossen, danach erfolgt
eine Niederdruckableitung mit liegendem Katheter für eine Woche und dann ein Zystogramm
zur Dichtigkeitsprüfung.
Ureterbeteiligung
Hier unterscheidet man:
-
Shaving: Ähnlich wie beim oberflächlichen Darmbefall lässt sich auch der Ureter shaven. Dafür
eröffnet man den retroperitonealen Raum (s. o.) und führt dann eine Ureterolyse durch.
Die dem Ureter direkt aufliegende Endometriose wird mit kalter Schere exzidiert, da
der Ureter thermisch sehr empfindlich ist. Das umliegende Gewebe kann, sofern ebenfalls
befallen, mit den o. g. Techniken behandelt werden.
-
Ureterteilresektion: Das befallene Segment wird entfernt, anschließend erfolgt die Re-Anastomosierung.
-
Ureterneuimplantation: bei langstreckigem Befall und Unmöglichkeit der Re-Anastomisierung sowie Befall am
Blaseneintritt.
Praxistipp
Auch bei der Endometriose des Harntraktes ist ein interdisziplinäres Regime (hier
Urologie) wichtig für das erfolgreiche intraoperative und postoperative Management
(Splint, Zystogramm, Vorgehen bei Leakage usw.).
Endometriome
Die ovarielle Reserve wird ganz entscheidend durch die Hämostasetechnik nach Zystenentfernung
bestimmt. Der (möglichst geringe) Verlust von vitalem Gewebe ist aber technisch unvermeidbar.
Hierüber muss die Kinderwunschpatientin aufgeklärt sein.
Wenn immer möglich, soll in der Primärsituation eine vollständige Entfernung des Zystenbalges
das Ziel sein. Welche Methode (Elektrokoagulation, Plasma, Laser) zur Blutstillung
die besten Schwangerschaftsraten bringt, ist nicht eindeutig. Variable Applikationsformen
und Energieeinstellungen führen zu unterschiedlichen Effekten.
Cave
Nähte sind nur bei großen Endometriomen zur Reduktion möglicher Verwachsungen zu erwägen.
Sie sind selbst adhäsiogen und hemmen die Zirkulation.
Rezidivendometriome werden bei fehlenden bis geringen Beschwerden gar nicht oder nur
sehr zurückhaltend operiert, da in dieser Situation die ovarielle Reserve weiter abnimmt
und somit der Nutzen für die Schwangerschaftsrate wahrscheinlich nicht gegeben ist.
Fallbeispiel
Die Hysteroskopie und die Chromopertubation beidseits sind unauffällig. Es findet
sich eine peritoneale Endometriose im Bereich der Beckenwand beidseits, welche reseziert
wird ([Abb. 4]). Die Patientin erhält die Empfehlung, eine spontane Konzeption anzustreben.
Acht Monate post-OP kann bei der Patientin eine intakte intrauterine Frühschwangerschaft
diagnostiziert werden.
Schlussfolgerungen und Empfehlungen für den Geburtsmodus
Schlussfolgerungen und Empfehlungen für den Geburtsmodus
Endometriose und unerfüllter Kinderwunsch hängen kausal zusammen. Das gilt auch für
Läsionen, die nicht direkt Uterus und Tuben betreffen.
Durch Anamnese, Untersuchung und Ultraschall ergibt sich der Verdacht, die klinische
und histologische Sicherung gelingt laparoskopisch. Bei endometriosebedingter Sterilität
profitiert die Patientin von einer individualisierten Operation.
Eindeutige Aussagen oder Empfehlungen zum Geburtsmodus bei Schwangerschaft nach Endometrioseoperation
liegen nicht vor – ein Spontanpartus kann angestrebt werden, wenn nicht klare Kontraindikationen
bestehen. Nach ausgedehnter Sanierung oder bei Frozen Pelvis/Adhäsionssitus muss natürlich
individuell abgewogen werden. Es gibt Hinweise, dass nach einer unvollständigen Sanierung
vermehrt mit Schwangerschaftskomplikationen zu rechnen ist (u. a. Placenta praevia,
Frühgeburtlichkeit, Hypertonie) [20]. Wenn eine fokale intrauterine Adenomyose reseziert wurde, kann man sich an den
Empfehlungen nach Myomenukleation orientieren: je nach Ausdehnung und Lokalisation
großzügig Sectio!
Kernaussagen
-
Bei unerfülltem Kinderwunsch kann eine Endometriose die Ursache sein; diese kann auch
vorliegen, wenn die Patientin asymptomatisch ist.
-
Die weitere Diagnostik stützt sich zunächst auf die gezielte Anamnese, die gynäkologische
Untersuchung in Kombination mit Transvaginal- und Nierenultraschall und eine Laparoskopie.
Die sonografische Befundbeschreibung soll schrittweise und anhand terminologischer
Kriterien durchgeführt werden.
-
Die Laparoskopie sichert die Läsionen histologisch und ermöglicht eine Stadieneinteilung.
Die Stadieneinteilung (rASRM und ENZIAN) ist die Grundlage für die weitere interprofessionelle/interdisziplinäre
Therapie.
-
Die Laparoskopie eignet sich für die möglichst komplette Entfernung der Endometriose
zur Verbesserung der Fertilität, da für Sterilitätspatientinnen eine (hormonelle)
medikamentöse Therapie keine Option ist.
-
Die Therapie folgt keinem allgemeingültigen Konzept, sondern wird für die jeweilige
Kinderwunschpatientin individuell festgelegt: Es gilt, dass nicht jede Endometrioseläsion
(benigne Erkrankung!) zwingend entfernt werden muss; die Gesamtkonstellation der Patientin
entscheidet!
-
Die Behandlung sollte in einem Endometriosezentrum stattfinden, häufig ist im Anschluss
die direkte Anbindung an eine reproduktionsmedizinische Abteilung sinnvoll.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag
ist Prof. Dr. med. Bernhard Krämer, Tübingen.