Aktuelle Urol 2020; 51(05): 416-417
DOI: 10.1055/a-1070-7926
Referiert und kommentiert

Nierenzellkarzinom im Stadium pT1b: Kryoablation versus partielle Nephrektomie

Pecoraro A. et al.
Cryoablation Predisposes to Higher Cancer Specific Mortality Relative to Partial Nephrectomy in Patients with Nonmetastatic pT1b Kidney Cancer.

J Urol 2019;
202: 1120-1126
 

Einzelne Patienten mit einem nicht metastasierten Nierenzellkarzinom im Stadium pT1b werden mittels lokaler Kryoablation behandelt, obwohl dieses Vorgehen weder durch die US-amerikanischen noch die europäischen Leitlinien abgesichert ist. Ein Team internationaler Wissenschaftler hat nun die Überlebensprognose nach Kryoablation mit der nach partieller Nephrektomie verglichen.


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Ihre Hypothese: Bezüglich der tumorspezifischen Mortalität sind die operativ behandelten Patienten im Vorteil. Mithilfe der SEER (Surveillance, Epidemiology and End Results)-Datenbank identifizierten die Forscher 242 Personen im Alter über 18 Jahre, die zwischen 2004 und 2015 aufgrund eines histologisch bestätigten nicht metastasierten Nierenzellkarzinoms im Stadium T1b mittels Kryoablation behandelt worden waren. Das Vergleichskollektiv bildeten 5521 Patienten mit partieller Nephrektomie im selben Zeitraum. Ferner verglichen sie 228 der mittels Kryoablation und 434 der operierten Patienten im Rahmen einer Propensity-Score-Analyse. Beim Matching berücksichtigten sie dabei eine Vielzahl sozio-demografischer, klinischer und histopathologischer Parameter. Die mediane Nachbeobachtungsdauer betrug im Studienkollektiv 38 Monate.

Ergebnisse

Im Vergleich zu den operativ behandelten Patienten waren die kryoabladierten Patienten signifikant älter (median 71 vs. 61 Jahre; p < 0,001), hatten kleinere Tumore (median 46,9 vs. 51,0mm; p < 0,001), häufiger einen nichtklassifizierten Tumorsubtyp (24,0 vs. 12,4 %; p < 0,001), einen low-grade Tumor (17,4 vs. 9,0 %; p < 0,001) oder einen Tumor mit unklarem Grading (35,1 vs. 14,7 %; p < 0,001). Fortgeschrittenes Alter, nie verheiratet gewesen zu sein sowie eine ländliche Wohngegend stellten unabhängige Prädiktoren für eine Kryoablation dar. Die Propensity-Score-Matching-Analyse ergab: Im Kryoablation-Kollektiv betrug die 5-Jahres tumorspezifische Mortalitätsrate 7,6 %, im Kollektiv der partiell nephrektomierten Patienten dagegen nur 2,8 % (p = 0,02). Die 5-Jahres-Mortalitätsrate aufgrund anderer Ursachen betrug 17,9 bzw. 11,8 % (p = 0,1). Nach zusätzlicher Adjustierung bezüglich der Mortalität aufgrund anderer Ursachen erwies sich die Kryoablation als unabhängiger Prädiktor für eine höhere tumorspezifische Mortalität (Hazard Ratio 2,50; 95 % KI 1,08 – 5,63). Umgekehrt unterschieden sich die beiden Therapiegruppen bezüglich des Endpunkts „5-Jahres-Mortalität aufgrund anderer Ursachen“ nicht, wenn im Rahmen der Propensity-Score-Matching-Analyse eine Adjustierung bezüglich der tumorspezifischen Mortalität vorgenommen wurde (Hazard Ratio 1,45; 95 % KI 0,91 – 2,3).

Fazit

Die Kryoablation beim nicht metastasierten Nierenzellkarzinom im Stadium pT1b geht im Vergleich zur partiellen Nephrektomie mit einem um den Faktor 2,5 erhöhten tumorspezifischen Sterberisiko einher, schlussfolgern die Autoren. Trotz des retrospektiven Studiendesigns und der damit verbundenen Schwächen halten sie zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Kryoablation bei Patienten mit diesem Tumorstadium außerhalb klinischer Studien oder institutioneller Protokolle für kontraindiziert.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell

Studien-Kommentar

Für die Behandlung von cT1b Nierentumoren sind entsprechend den internationalen und nationalen Leitlinien operative Verfahren zu indizieren. Insbesondere die partielle Nephrektomie hat sich für Patienten mit lokalisierten Tumoren unabhängig von Größe und Lokalisation als Goldstandard etabliert. In der vorliegenden Studie bestätigen die Autoren erneut, dass das Krebsspezifische Überleben deutlich schlechter ist, wenn statt einer Operation eine Kryoablation durchgeführt wird. Generell ist dabei jedoch zu erwähnen, dass es bereits seit längerem als bestätigt gilt, dass Nierentumore größer 4 cm keine Indikation für eine Kryoablation darstellen. Risikofaktoren, die die Komplikationsrate der Kryoablation steigern sind eine zentrale Lage des zu abladierenden Tumors, die Beteiligung des Hohlsystems, eine Nähe zum Darm und die Größe von mehr als 3 cm einer zu behandelnden Läsion. Zudem gelten Diabetes mellitus und Z. n. Myokardinfarkt als negative Faktoren für die Entwicklung einer post-interventionellen Komplikation. Die Größe hat sich als negativer Prognosemarker in mehreren Analysen erneut bestätigt, wobei neben der Komplikationsrate auch die onkologische Prognose mit einer Hazard Ratio von 2.1 – 2.5 negativ beeinflusst wird. Generell gilt somit der größere Nierentumor > 4 cm als Kontraindikation für ablative Verfahren. Dabei haben Arbeiten zur Radiofrequenzablation in dieser Situation ähnliche Limitationen bei noch schlechterer Prognose gezeigt.


Kritisch muss die Methodik der vorliegenden Publikation bewertet werden. Bei lediglich 4 % der Patienten in der SEER Datenbank wurde eine Kryoablation durchgeführt, so dass ein 1:1 Matching um eine bessere Vergleichbarkeit zu erzielen nicht möglich war. Somit kann der Effekt durch Selektion der Matchingkohorte beeinflusst worden sein. Der retrospektive Ansatz der Analyse eines nicht flächendeckenden Registers birgt zudem das Risiko, dass Selektionskriterien die Ergebnisse stark verzerren können. Es bleibt dem Leser verborgen welche Kriterien dazu geführt haben, dass Patienten statt einer operativen Therapie eine Ablation angeboten wurde. Bezweifelt werden kann jedoch, dass alle Patienten, die eine Kryoablation erhielten keine Kandidaten für eine operative Therapie waren. Das Gesamtüberleben der Kohorte ist dafür schlichtweg zu lang, was sich darin ausdrückt, dass eine tumorspezifisches Überleben als Endpunkt tatsächlich auch analysiert werden kann. Der erhebliche Altersunterschied der verglichenen Kollektive zeigt zwar, dass jüngeren Patienten eher ein operativ-kurativ Vorgehen vorgeschlagen wird, dass aber andererseits das Überleben der älteren Patienten mittlerweile deutlich länger ist als allgemein angenommen. Somit wird die onkologische Therapie auch beim älteren Patienten immer wichtiger und das Prinzip der bestmöglichen onkologischen Therapie ist der Komplikationsrate und dem operativen Risiko unterzuordnen.


Eigentlich müsst die Frage nach der besseren Therapieform einer prospektiv randomisierten Studie zugeführt werden, es stellt sich allerdings an Hand des deutlich schlechteren tumorspezifischen Überlebens der Kryoablationspatienten die Frage, ob dies ethisch überhaupt noch berechtigt wäre. Die erheblich schlechteren Überlebensdaten für die Kryotherapie in dieser Patientengruppe schließen eine derartige Studie a priori aus. Es mag spekuliert werden ob die Kryoablation nicht generell ein Verfahren darstellt, dass keine ausreichende onkologische Sicherheit bietet. In der Patientengruppe mit kleinen Nierentumoren konnte dies bis dato noch nicht gezeigt werden, allerdings ist die Progression oder Metastasierung bei T1a Tumoren so gering, dass onkologische Endpunkte nur in sehr großen Studienkollektiven statistisch unterschieden werden könnten. Aus den mittlerweile mehrfach vorliegenden Ergebnissen zur Kryotherapie muss zur Behandlung lokalisierter Nierentumor eindeutig eine operative Therapie indiziert werden sein. Die Kryotherapie hat nach den vorliegenden Daten keinen Stellenwert in der Therapie des Nierenzellkarzinoms.


Autorinnen/Autoren

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Prof. Dr. med. Michael Staehler, Klinik und Poliklinik für Urologie, Klinikum der Universität München

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Publication History

Article published online:
26 August 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York


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Prof. Dr. med. Michael Staehler, Klinik und Poliklinik für Urologie, Klinikum der Universität München