Aktuelle Urol 2020; 51(05): 410-412
DOI: 10.1055/a-1071-2126
Referiert und kommentiert

Nephrolithiasis: Harnsäuresteine sprechen gut auf Alkalisierungstherapie an

Gridley CM. et al.
Medical dissolution therapy for the treatment of uric acid nephrolithiasis.

World J Urol 2019;
37: 2509-2515
 

In den USA handelt es sich bei jedem zehnten Nierenstein um ein Harnsäurekonkrement. Ein niedriger Urin-pH-Wert, ein geringes Urinvolumen sowie eine hohe Harnsäuresättigung stellen die stärksten Risikofaktoren für eine Steinbildung dar. In einem beträchtlichen Anteil der Fälle gelingt die Litholyse durch eine medikamentöse Alkalisierungstherapie, berichten US-Wissenschaftler.


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Um zu klären, wie häufig eine konservative Behandlung erfolgreich verläuft, werteten sie retrospektiv die Daten von 24 Patienten aus. Die 14 Männer und 10 Frauen waren zwischen 2007 und 2016 initial zur operativen Therapie eines renalen Harnsäurekonkrements überwiesen worden, hatten jedoch schließlich eine orale Alkalisierungstherapie mit Kaliumzitrat (allein oder in Kombination mit Allopurinol) erhalten. Während der Therapie erfolgten serielle Urin-pH-Messungen (Ziel-pH: > 6,0) sowie regelmäßige bildgebende Untersuchungen (Computertomografie, Nierensonografie). Die Studienendpunkte bildeten das Therapieansprechen sowie die Sicherheit und Verträglichkeit der Behandlung. Eine vollständige Steinauflösung definierten die Wissenschaftler als Fehlen von Residualsteinen bzw. Nachweis minimaler Steinfragmente (1 – 2 mm) in der Bildgebung. Eine partielle Steinauflösung lag bei einer Verringerung der Gesamtsteinlast und Nachweis von Residualkonkrementen vor.

Ergebnisse

3 Patienten (13 %) setzten die medikamentöse Therapie – aus Kostengründen oder aufgrund einer Unverträglichkeit – wieder ab. Die verbleibenden 21 Patienten hatten ein Durchschnittsalter von 55,8 Jahren und einen Bodymassindex von 43,7 kg/m2. In 2 Fällen (10 %) bestand eine Gicht, in 3 (14 %) eine maligne Erkrankung und in 13 (62 %) ein Diabetes mellitus. 15 Patienten (71 %) litten unter rezidivierenden Harnsäurekonkrementen. Die Gesamtsteinlast betrug bei der Erstvorstellung im Durchschnitt 30,9 mm. Bei 14 der 21 medikamentös behandelten Patienten (67 %) führte die Alkalisierungstherapie zu einer vollständigen Litholyse. Im Median vergingen hierbei 3 Monate bis zur vollständigen Auflösung der Konkremente. In 7 Fällen (33 %) beobachteten die Forscher eine partielle Steinauflösung: Im Durchschnitt verringerte sich die Gesamt-Steinlast in diesem Kollektiv dabei um 68 %. In 3 Fällen traten unter der Alkalisierungstherapie Komplikationen auf (Harnwegsinfekt, gastrointestinale Beschwerden, Rachenirritation). 4 Patienten erlitten ein Steinrezidiv: Ein Konkrement löste sich unter einer erneuten Alkalisierungstherapie wieder auf, die übrigen 3 Steine wurden beobachtet. Insgesamt 3 Patienten (13 %) entschieden sich im Verlauf für ein operatives Steinmanagement.

Fazit

Die Harnalkalisierung stellt eine einmalige, nicht invasive und effektive Behandlungsoption für Patienten mit Harnsäure-Nierensteinen dar, schlussfolgern die Wissenschaftler: Die Therapie wird gut vertragen, führt in einem hohen Prozentsatz zur Auflösung der Konkremente und geht im Vergleich zum operativen Eingriff mit einem geringeren Morbiditätsrisiko einher. Nun müssen Studien die beiden Behandlungsoptionen im Hinblick auf die Kostenbelastung sowie die Lebensqualität der Betroffenen beleuchten.

Dr. med. Judith Lorenz, Künzell

Kommentar

Bis zu 15 % aller Harnsteine bestehen aus Harnsäure [1]. Hauptrisikofaktoren für die Bildung von Harnsäuresteinen sind eine hohe Harnsäurekonzentration und ein niedriger Harn-pH-Wert. Die Löslichkeit von Harnsäure im Urin ist ganz wesentlich vom pH-Wert abhängig. Wird der Harn-pH-Wert in den alkalischen Bereich verschoben, steigt der Dissoziationsgrad und damit der Anteil der löslichen Harnsäure, sodass die Kristallisationsneigung im Harn verringert wird. Harnsäuresteine sind als einzige Steinart in situ durch eine Harnalkalisierung auflösbar. Zur Chemolitholyse wird eine Alkalisierung mit Urin-pH-Werten zwischen 7,0 und 7,2 angestrebt [1, 2]. Voraussetzung für eine erfolgreiche Anwendung ist die Kenntnis der Steinzusammensetzung.


Die vorliegende Publikation untersuchte die Erfolgsrate einer medikamentösen Auflösung von Harnsäuresteinen in einer single-center retrospektiven Studie an 24 Patienten. In die Untersuchung wurden Patienten auch ohne Ergebnis einer qualitativen und quantitativen Steinanalyse aufgenommen. Auch wenn es sich in der Mehrzahl um reine Harnsäuresteine gehandelt haben dürfte, ist der Anteil der Patienten mit anderen Steinzusammensetzungen unbekannt. Mischkomponenten, wie Calciumoxalat, reduzieren jedoch den Erfolg der Litholyse. Die Dosierung des Alkalizitrats wurde durch Messungen des Harn-pH-Werts mittels Teststreifen titriert. Unter Hinweis auf ein erhöhtes Risiko einer Calciumphosphat-Steinbildung wurde die Dosierung des Kaliumzitrats zur Chemolitholyse, im Gegensatz zur Leitlinien-Empfehlung [2], auf einen Ziel-pH-Bereich von maximal 6,7 – 7,0 im Harn eingestellt.


Die Untersuchung ergab, dass selbst bei hoher Steinlast 2 Drittel der Patienten unter Chemolitholyse im Follow-up eine komplette Steinfreiheit aufwiesen. Darüber hinaus konnte bei einem Drittel der Patienten eine partielle Reduktion der Steinlast um insgesamt rund 70 % erzielt werden. Zur Erfolgskontrolle standen CT bzw. Sonografie zur Verfügung. Das Resultat deckt sich mit Ergebnissen einer aktuellen prospektiven Studie von Elsawy et al. [3]. Auch wenn in beiden Studien der empfohlene Ziel-pH-Bereich für eine medikamentöse Auflösung von Harnsäuresteinen nicht ganz erreicht wurde, sind die Ergebnisse überzeugend. Sie bestätigen, dass die orale Chemolitholyse als effektive, nicht invasive Therapieoption bei Harnsäuresteinen eingesetzt werden kann. Prospektive Studien sind erforderlich um zu klären, ob durch eine gesicherte Steinanalyse, eine leitlinienkonforme Harn-pH-Adjustierung auf 7,0 – 7,2 und eine Unterstützung der Therapie durch harnalkalisierende Getränke wie hydrogenkarbonatreiche Mineral- oder Heilwässer und Zitrussäfte zur gleichzeitigen Steigerung der Harndilution der Therapieerfolg einer oralen Chemolitholyse bei Harnsäure-Urolithiasis weiter erhöht werden kann.


Autorinnen/Autoren

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Prof. Dr. Roswitha Siener, Universitäres Steinzentrum, Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum Bonn

Literatur


[1] Hesse A, Tiselius HG, Siener R, Hoppe B. Urinary stones: Diagnosis, treatment, and prevention of recurrence. 3 rd edition, 2009. Karger, Basel.


[2] Arbeitskreis Harnsteine der Akademie der Deutschen Urologen, Deutsche Gesellschaft für Urologie e. V., S2k-Leitlinie zur Diagnostik, Therapie und Metaphylaxe der Urolithiasis. Düsseldorf, 2018 (AWMF Registernummer 043 – 025)


[3] Elsawy AA, Elshal AM, El-Nahas AR, Elbaset MA, Farag H, Shokeir AA. Can we predict the outcome of oral dissolution therapy for radiolucent renal calculi? A prospective study. J Urol 2019; 201: 350 – 357.


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Publication History

Article published online:
26 August 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York


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Prof. Dr. Roswitha Siener, Universitäres Steinzentrum, Klinik und Poliklinik für Urologie und Kinderurologie, Universitätsklinikum Bonn