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DOI: 10.1055/a-1072-0627
Frühkindliche Karies – was ist diagnostisch und therapeutisch zu beachten?
- Hintergrund
- Definition
- Ätiologie
- Klinisches Erscheinungsbild
- Leistungsumfang der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen
- Anamnese
- Zahnärztliche Untersuchung und Diagnostik
- Ernährungs- und Mundhygieneberatung
- Praktisches Zahnputztraining
- Fluoridanwendung – neue Empfehlungen
- Therapie
- Schlussfolgerungen
- Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
- Literatur
Den aktuellen epidemiologischen Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe aus dem Jahre 2017 zufolge, ist die frühkindliche Karies auch in Deutschland ein ungelöstes Gesundheitsproblem [1]. Vor dem Hintergrund der neuen zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen im System der gesetzlichen Krankenversicherung werden die diagnostischen und therapeutischen Herausforderungen einer präventiv-orientierten Betreuung von Kleinkindern erörtert.
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Hintergrund
In der o. g. repräsentativen bundesweiten Studie wiesen 14% aller 3-Jährigen kariöse Defekte an durchschnittlich 3,6 Milchzähnen auf, und 5% der Kinder hatten einen hohen Kariesbefall (dmfs > 4) [1]. Weiterhin waren 74% aller kariösen Läsionen unversorgt. Akute Zahnschmerzen und daraus resultierende endodontische Folgeerkrankungen sind daher die häufigste Ursache für die Vorstellung von Kleinkindern beim (Kinder)Zahnarzt und deren Krankenhauseinweisungen [2]. Zahnschmerzen gehen darüber hinaus mit Problemen beim Kauen und Schlafen, Appetitlosigkeit, Gewichtsverlust, Verhaltensänderungen, Aktivitätseinschränkungen sowie erheblichen Beeinträchtigungen der Lebensqualität der betroffenen Kinder und ihrer Eltern einher [3], [4].
Die Weltorganisation der Zahnärzte (FDI World Dental Federation) forderte daher bereits 2012 in ihrer „Global Caries Initiative“ eine Priorisierung der zahnärztlichen Betreuung auf die Altersgruppe der 0- bis 3-Jährigen sowie die Ausrottung der frühkindlichen Karies bei unter 3-Jährigen [5]. In Deutschland hat der Gesetzgeber mit der Einführung von zahnärztlichen Frühuntersuchungen ab dem ersten Zahn auf das Problem der frühkindlichen Karies reagiert.
Seit dem 1. Juli 2019 ist im Rahmen der deutschen vertragszahnärztlichen Regelversorgung eine evidenzbasierte zahnärztliche Betreuung mit dem Fokus auf die Prävention der frühkindlichen Karies gegeben.
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Definition
Die frühkindliche Karies (Early Childhood Caries – ECC) ist eine chronische, multifaktorielle Erkrankung, die von der Amerikanischen Gesellschaft für Kinderzahnheilkunde (American Academy of Pediatric Dentistry – AAPD) als das Vorhandensein eines oder mehrerer kariöser (nicht kavitierter oder kavitierter Läsionen), fehlender Zähne aufgrund von Karies oder gefüllter Milchzahnflächen eines Kindes unter 6 Jahren definiert wird [6].
Eine schwere Form der ECC (Severe Early Childhood Caries) liegt vor, wenn
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Zeichen einer Glattflächenkaries bei Kindern jünger als 3 Jahren auftreten,
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im Alter von 3 – 5 Jahren ein Kariesbefall von ≥ 1 dmfs vorliegt,
-
eine Glattflächenfüllung an oberen Milchfrontzähnen
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und ein Kariesbefall von ≥ 4 dmfs mit 3 Jahren, von ≥ 5 dmfs mit 4 Jahren oder von ≥ 6 dmfs mit 5 Jahren vorliegt [6].
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Ätiologie
Die Ursachen der frühkindlichen Karies sind wie bei jeder anderen Kariesform multifaktoriell, d. h. viele Faktoren interagieren miteinander [6] – [9].
Die wichtigsten Risikofaktoren für das Auftreten einer frühkindlichen Karies sind:
Die frühe Besiedlung der kindlichen Mundhöhle mit Streptococcus mutans als Folge der Fehlernährung, ein niedriger sozioökonomischer Status und Migrationshintergrund der Familien, ein unzureichendes Gesundheitswissen und -verhalten sowie eine geringe Schulbildung begünstigen weiterhin das Auftreten der frühkindlichen Karies [10].
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Klinisches Erscheinungsbild
Der Kariesbefall im Milchgebiss folgt dem Zahndurchbruch. Daher sind bei der frühkindlichen Karies zuerst die oberen Milchschneidezähne, gefolgt von den ersten Milchmolaren, betroffen. Erste klinische Anzeichen einer frühkindlichen Karies sind initial kariöse Läsionen in Form von weißen opaken Entkalkungen im marginalen Bereich der klinischen Krone ([Abb. 1 a]). Wird eine zahnschädigende Ernährungsweise – Verabreichung hochkalorischer kariogener und/oder erosiver Getränke via Saugerflasche, insbesondere in der Nacht, – fortgeführt und das tägliche Zähneputzen durch die Eltern unterlassen, treten nachfolgend rasch kariöse Läsionen/Kavitationen an den Milcheckzähnen und zweiten Milchmolaren auf ([Abb. 1 b]). Bei Frühgeborenen können häufiger als bei Reifgeborenen auftretende Schmelzhypoplasien ([Abb. 2]) an den Milchzähnen die Kariesentwicklung begünstigen [11], da hypoplastische Zahnareale die Etablierung eines Biofilms auf rauen Zahnoberflächen fördern.




Eine Schmelzhypoplasie kann durch eine kariöse Läsion maskiert werden.
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Leistungsumfang der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen
Den zahlreichen Kampagnen der Zahnärzteschaft mit dem Slogan „Mit dem ersten Zahn zum Zahnarzt“ folgend, stellen immer mehr Eltern ihre Kinder nach dem Durchbruch der ersten Milchzähne beim Zahnarzt nach dem Verweis durch den Kinderarzt oder eigeninitiativ vor. Seit dem 1. Juli 2019 kann der Zahnarzt 3 Früherkennungsuntersuchungen (FU 1a – c) bei Kindern zwischen dem 6. und 33. Lebensmonat im Rahmen der vertragszahnärztlichen Regelversorgung durchführen ([Tab. 1]). Weiterhin kann bei allen Kindern eine Fluoridlackapplikation (FLA) zur Schmelzhärtung 2-mal je Kalenderhalbjahr erfolgen. Bis zum vollendeten 72. Lebensmonat haben Kinder wie bisher Anspruch auf die bestehenden 3 vertragszahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen (FU 2).
Ärztliche Vorsorgeuntersuchung |
Verweis durch den (Kinder)-Arzt |
Zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung |
Leistungen der Früherkennungsuntersuchung |
---|---|---|---|
im Zeitraum der U5 |
regelhaft zur zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchung |
FU 1a und FU Pr 6. – 9. Lebensmonat |
|
im Zeitraum der U6 |
regelhaft zur zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchung |
FU 1b und FU Pr 10. – 20. Lebensmonat |
|
im Zeitraum der U7 |
regelhaft zur zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchung |
FU 1c und FU Pr 21. – 33. Lebensmonat |
|
im Zeitraum der U7a |
zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung |
ab 34. – 72. Lebensmonat (= 6. Geburtstag) 3 FU 2 im Mindestabstand von 12 Monaten Kinder von 3, 4 und 5 Jahren anstelle der 01-Leistung |
|
im Zeitraum der U8 |
zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung |
||
im Zeitraum der U9 |
zahnärztliche Früherkennungsuntersuchung |
Der Leistungsumfang der einzelnen FU-Positionen wurde vom Gesetzgeber dezidiert definiert ([Tab. 1]). Praktische Handlungsempfehlungen für den Umgang und die Betreuung von Kleinkindern zur Vermeidung der frühkindlichen Karies im Praxisalltag finden sich in dem online verfügbaren Ratgeber ([Abb. 3]), der von der Kassenzahnärztlichen Bundesvereinigung (KZBV) und Bundeszahnärztekammer (BZÄK) herausgegeben wird [12].


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Anamnese
Jeder klinischen Untersuchung des Kleinkindes geht eine sorgfältige Erhebung der Sozialdaten sowie der medizinischen und zahnärztlichen Anamnese voraus. Dabei sollten die anamnestischen Fragen vor allem auf die Risikofaktoren der frühkindlichen Karies – Ernährungsweise (Stillen und Flaschengabe), Zahnputzgewohnheiten, Nutzung von Fluoriden – fokussieren.
Weiterhin sollten Lutschhabits des Kleinkindes erfragt werden, da diese mit den späteren Konsequenzen eines lutschoffenen Bisses oder seitlichen Kreuzbisses ([Abb. 4]) einhergehen können.


Zahnärzte, die keinen eigenen Anamnesebogen für Kleinkinder besitzen, finden den Vorschlag eines prophylaxeorientierten Anamnesebogens für das 1. – 3. Lebensjahr auf der Homepage der Bundeszahnärztekammer [12].
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Zahnärztliche Untersuchung und Diagnostik
Die Untersuchung des Kleinkindes wird in der Schoß- oder Knie-zu-Knie-Position ([Abb. 5]) empfohlen [12]. In dieser Position öffnet das Kind vielfach reflektorisch den Mund, sodass der Zahnarzt rasch eine orale Inspektion vornehmen kann. Biofilmauflagerungen an den oberen Schneidezähnen sind ein sicherer Indikator für ein hohes Kariesrisiko ([Abb. 6]) und einen zukünftigen Kariesbefall [13]. Da die Bezugsperson, das Kind an den Händen haltend, einen guten Blick in die kindliche Mundhöhle hat, ermöglicht die Entfernung des Biofilms von der Zahnoberfläche mit einer Parodontalsonde oder Watterolle einerseits die sichere Kariesdiagnostik und zeigt andererseits die Notwendigkeit der Zahnreinigung durch die Eltern. Darüber hinaus ist eine differenzierte Kariesdiagnostik von initial kariösen und kavitierten Läsionen nur auf einer sauberen und trockenen Zahnoberfläche möglich. Initial kariöse Läsionen, sog. „White spots“, sind ein deutlicher Indikator für ein hohes Kariesrisiko [14]. Da eine Schmelzhypoplasie auch ein Karies-Risikofaktor sein kann, sollten diese ebenfalls in die Befundung des Zahnarztes einfließen [11].




Initial kariöse Läsionen an den Labialflächen der oberen Milchfrontzähne signalisieren eine unzureichende Mundhygiene und die frequente Gabe zuckerhaltiger Getränke mit der Saugerflasche.
Während sich die Mehrzahl der Kleinkinder problemlos untersuchen lässt, kann im Einzelfall ein Kind mit Weinen, Würgereiz und Ablehnung auf die Mundinspektion reagieren. Wenn diese Reaktionsmuster zuvor mit den Eltern kommuniziert wurden, sollte eine zielführende zahnärztliche Diagnostik dennoch möglich sein.
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Ernährungs- und Mundhygieneberatung
Eine wesentliche Säule der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchung ist das präventive Beratungsgespräch der Eltern, das nachfolgende Inhalte berücksichtigen sollte:
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Stillen ist die beste Ernährungsform des Säuglings. Nach Durchbruch der ersten Zähne fördert nächtliches Stillen ad libitum bei unterlassener Zahnpflege die Kariesentstehung [6], [7], [12]
-
Mit Fruchtsäften gefüllte Saugerflaschen sollten weder zum Dauernuckeln noch zum Einschlafen dem Kleinkind gereicht werden [6], [7]
-
Sobald das Kind selbstständig sitzen kann und Beikost gegeben wird, sollte auf die Gabe der Saugerflasche verzichtet und am besten Leitungswasser ([Abb. 7]) mit der Tasse oder einem Becher gereicht werden [15]


-
Verzicht auf eine Zuckerzugabe zur Kindernahrung bis zum 2. Geburtstag; Zuckerrestriktion im Kindesalter beugt neben der Karies auch Übergewicht, Adipositas, Diabetes etc. vor [16]
-
Keimzahlsenkung kariogener Bakterien durch verringerten Konsum zuckerhaltiger Getränke und Speisen
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Zähneputzen ab dem ersten Zahn mit einer fluoridhaltigen Zahnpaste 2-mal täglich – früh und abends nach der Mahlzeit
-
Unterlassene Zahn- und Mundpflege fördern die Kariesentstehung und die Entstehung einer Gingivitis
-
Halbjährliche Inanspruchnahme der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchung ermöglicht eine effektive Vorbeugung der frühkindlichen Karies
-
Mundgesundheit ist integraler Bestandteil der Allgemeingesundheit des Kindes
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Praktisches Zahnputztraining
Die angeleitete praktische Durchführung des Zähneputzens durch die Betreuungsperson ist ein wesentlicher Bestandteil der Früherkennungsuntersuchungen (FU Pr). Dass viele Eltern ein solches Training benötigen, zeigte eine videobasierten Studie zum Zähneputzen von Kleinkindern [17]. Die Autoren registrierten eine unzureichende elterliche Zahnputzzeit – 10 Sekunden für die Front- und 13 Sekunden für die Seitenzähne. Sie schlussfolgerten, dass auch bei der Verwendung einer fluoridhaltigen Zahnpaste die Putzzeit und der Fluoridkontakt mit der Zahnoberfläche nicht ausreichen, die frühkindliche Karies zu vermeiden. Neben der Vermittlung der Putzsystematik KAI (Kau-, Außen-Innen-Flächen) sollte gezielt auf die Mundhygienedefizite, die bei der Befundung festgestellt wurden, eingegangen werden. Die Visualisierung des Biofilms (Plaque) durch Anfärbung wird insbesondere bei Kindern mit bereits vorhandenen initial kariösen Läsionen und einer Gingivitis für die Betreuungsperson empfohlen [12]. Weiterhin sollte mit der Demonstration der Lift-the-Lip-Technik, mit der besonders die am häufigsten kariös betroffenen Oberkieferfrontzähne gut gereinigt werden, Rechnung getragen werden ([Abb. 8]).


Das praktische Zahnputztraining der Eltern hat das Ziel, eine effiziente Mundhygienepraxis beim Kleinkind zu etablieren. Zähneputzen ist eine Basishygiene, die ritualisiert in die Alltagsroutine eingebettet sein sollte.
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Fluoridanwendung – neue Empfehlungen
Da für die bislang in Deutschland übliche Fluoridkonzentration in Kinderzahnpasten von 500 ppm keine sichere Evidenz einer karieshemmenden Wirksamkeit besteht [18], wurde die Empfehlung zum Fluoridgehalt in Kinderzahnpasten aktualisiert ([Tab. 2]) [19]. Mit der Erhöhung der Fluoridkonzentration auf 1000 ppm wird nunmehr eine Zahnpastenmenge für die ersten beiden Lebensjahre von „Reiskorngröße“ empfohlen. Vom 2. bis 6. Geburtstag sollte eine „erbsengroße“ Menge verwandt werden. Bei weiterer Nutzung der 500-ppm-Kinderzahnpaste ist wie zuvor eine „erbsengroße“ Menge in den ersten beiden Lebensjahren angezeigt. Im Rahmen des Zahnputztrainings mit den Eltern sollte ebenfalls auf die Wahl und die jeweiligen Dosierungsmöglichkeiten der Zahnpaste eingegangen werden.
Alter |
Konzentration (ppm) |
Häufigkeit (täglich) |
Menge |
---|---|---|---|
ab Durchbruch des 1. Milchzahnes bis zum 2. Geburtstag |
500 |
2-mal |
erbsengroß (0,25 g) |
alternativ |
|||
1000 |
2-mal |
reiskorngroß (0,125 g) |
|
vom 2. bis zum 6. Geburtstag |
1000 |
2-mal |
erbsengroß (0,25 g) |
Die empfohlene Zahnpastenmenge für die jeweilige Fluoridkonzentration muss eingehalten werden.
Eine weitere Neuerung im Rahmen der Früherkennungsuntersuchung ist die Fluoridlackapplikation, die 2-mal pro Kalenderhalbjahr abgerechnet werden kann. Die Indikation dieser evidenzbasierten kariespräventiven Maßnahme ist beim Vorliegen von initial kariösen Läsionen an den Milchzähnen gegeben. Der Fluoridlack lässt sich beim Kleinkind ebenfalls in der Knie-zu-Knie-Position unkompliziert applizieren ([Abb. 9]). Verbunden mit einer guten häuslichen Mundhygiene wird ein weiteres Fortschreiten initial kariöser Läsionen durch ihre Stagnation verhindert ([Abb. 10]). Kleinkinder, die aufgrund einer schweren frühkindlichen Karies in Allgemeinanästhesie behandelt wurden, benötigen als Karies-Risikopatienten ebenfalls eine regelmäßige Fluoridlackapplikation im Rahmen eines engmaschigen Recalls.




Die Applikation eines Fluoridlackes ist eine evidenzbasierte präventive Therapiemaßnahme zur Chronifizierung bzw. Stagnation initial kariöser Läsionen.
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Therapie
Die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen zielen auf eine frühzeitige Diagnostik eines erhöhten Kariesrisikos mit der Erfassung initial kariöser Läsionen, die professionell rein präventiv mit einer Fluoridlackapplikation therapiert werden. Selbst bei bereits eingebrochener Schmelzoberfläche ist eine Stagnation des kariösen Prozesses durch regelmäßige Fluoridlackapplikationen verbunden mit einer effizienten täglichen Zahnpflege möglich ([Abb. 10 b]) [20]. Liegen kavitierte Läsionen ausschließlich an den oberen Frontzähne vor, empfiehlt sich auch bei sehr kleinen Kindern – zur Vermeidung der Behandlung in Allgemeinanästhesie – die Handexkavation der Karies und der Kavitätenverschluss mit einem Glasionomerzement ([Abb. 4]). Bei einem großen Behandlungsbedarf ([Abb. 1]) ist aufgrund der psycho-emotionalen Entwicklung und geringen Compliance von Kleinkindern die Behandlung nur in Allgemeinanästhesie möglich. Nicht erhaltungsfähige kariöse Milchzähne müssen extrahiert werden, um die Provokation akuter Exazerbationen und die Entwicklung von Schmelzstrukturstörungen der bleibenden Zähne zu vermeiden [21].
Nach der Gebisssanierung in Allgemeinanästhesie müssen Kleinkinder zur Kontrolle des Kariesrisikos in ein präventiv ausgerichtetes Betreuungskonzept einbezogen werden.
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Schlussfolgerungen
Die zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen zielen auf eine Verbesserung der Zahn- und Mundgesundheit von Klein- und Vorschulkindern im deutschen vertragszahnärztlichen Versorgungskontext ab. Ein präventiv-orientiertes zahnärztliches Betreuungskonzept ab dem ersten Zahn schließt neben der anamnestischen Erhebung der Risikofaktoren für eine frühkindliche Karies die orale Inspektion mit der Erfassung des Biofilmbefalls sowie initial und manifester kariöser Läsionen ein. Dieser sollte sich eine individuelle praktische Unterweisung des Zähneputzens mit einer fluoridhaltigen Zahnpaste der Eltern/Bezugsperson (FU Pr) anschließen. Einen additiven karieshemmenden Effekt hat die halbjährliche professionelle Applikation eines Fluoridlackes; bei vorliegenden initial kariösen Läsionen führt diese zur Chronifizierung oder Stagnation. Invasive therapeutische Maßnahmen können im Zusammenspiel mit einer guten häuslichen Mundhygiene auf diese Weise vermieden werden bzw. auf einen späteren Zeitpunkt mit einer altersbedingten besseren Compliance des Kindes verschoben werden. Um die frühkindliche Karies mit ihren teilweisen schweren Ausprägungen zu vermeiden, bedarf es einer flächendeckenden Umsetzung der neuen Regelungen in der zahnärztlichen Praxis.
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Die frühkindliche Karies ist ein großes Gesundheitsprobleme in der zahnärztlichen Betreuung von Kleinkindern.
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Aufgrund der Einführung der zahnärztlichen Früherkennungsuntersuchungen (FU 1a – 1c) in das System der gesetzlichen Krankenversicherung werden zukünftig mehr jüngere als 1 Jahr alte Kinder in der Zahnarztpraxis vorgestellt.
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Anamnestisch sind die Hauptrisikofaktoren für das Auftreten der frühkindlichen Karies – zahnschädigende Ernährungsweise, nächtliches Stillen oder Gebrauch einer Saugerflasche, fehlendes Zähneputzen, fehlende Nutzung einer fluoridhaltigen Zahnpaste – zu erfassen.
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Die Befundung der Kleinkinder schließt die Erfassung des Biofilmbefalls, des Vorkommens von initial kariösen und kavitierten Läsionen ein.
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Die Betreuungspersonen sind umfänglich über Mundhygienemaßnahmen und zahngesunde Ernährungsweisen aufzuklären.
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Mit den Betreuungspersonen ist ein individuelles Zahnputztraining durchzuführen.
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Ab dem Durchbruch des ersten Milchzahnes soll eine fluoridhaltige Kinderzahnpaste entsprechend den aktualisierten Empfehlungen verwandt werden.
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Fluoridlackapplikationen sollen kariesrisikobezogen regelmäßig vorgenommen werden.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. Roswitha Heinrich-Weltzien, Erfurt.
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Roswitha Heinrich-Weltzien


Prof. Dr. med. dent., Jahrgang 1950. 1969 – 1974 Studium der Zahnheilkunde an der Friedrich-Schiller-Universität Jena. 1974 – 1979 Fachzahnarzt-Ausbildung Kinderzahnheilkunde an der Poliklinik für Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde an der Medizinischen Akademie Erfurt. Von 2009 bis 2018 Komm. Direktorin der Poliklinik für Präventive Zahnheilkunde und Kinderzahnheilkunde am Universitätsklinikum Jena. Schwerpunkte: Betreuung von Patienten mit chronischen Erkrankungen und Behinderungen, orale Epidemiologie, Kariesdiagnostik und -prävention, dentale Strukturstörungen.
Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
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- 21 Heinrich-Weltzien R, Kühnisch J. Frühkindliche Karies (Early Childhood Caries – ECC) – Folgen der Nichtbehandlung. Quintessenz 2019; 70: 516-524
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
23 June 2020
Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
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Literatur
- 1 Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Jugendzahnpflege e. V. (DAJ). Epidemiologische Begleituntersuchungen zur Gruppenprophylaxe 2016. Bonn: DAJ; 2017. Im Internet (Stand: 18.05.2020): https://www.daj.de/Studien.29.0.html
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