Dermatofluoroskopie (stufenweise 2-Photonen-Laser-Spektroskopie)
Technischer Hintergrund
Die Dermatofluoroskopie ist eine neuartige In-vivo-Methode zur Früherkennung des malignen Melanoms. Aufgrund der ultraschwachen Eigenfluoreszenz des Melanins spielten die Fluoreszenzmethoden mit konventioneller 1-Photonen-Anregung in der Differenzialdiagnostik des malignen Melanoms bisher keine Rolle [1]
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[4]. Nur etwa jedes zehntausendste von Melanin absorbierte Photon wird als Fluoreszenz emittiert, wohingegen der überwiegende Teil des Anregungslichtes in thermische Energie umgewandelt wird. Weiterhin können andere körpereigene Stoffe mit höherer Fluoreszenzausbeute (endogene Fluorophore, z. B. NADH, Tryptophan, Flavine) die Melaninfluoreszenzsignale überstrahlen [1]
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Die Dermatofluoroskopie hingegen nutzt die ungewöhnlichen Absorptionseigenschaften von Melanin im langwelligen Bereich (Nahinfrarot, NIR) über eine stufenweisen 2-Photonen-Laser-Fluoreszenzanregung. In diesem Bereich absorbieren die endogenen Fluorophore (NADH, Tryptophan, Flavine) nicht und werden folglich auch nicht zur Fluoreszenz angeregt [1]
[2]. Die Melaninfluoreszenz wird dadurch messbar und diagnostisch auswertbar. Bei der konventionellen 1-Photonen-Anregung ist die Energie eines einzelnen 800 nm-Photons zur Anregung der Melaninfluoreszenz zu gering. Daher wird bei der Dermatofluoroskopie mithilfe von aufeinander abgestimmten Nanosekunden-Laserimpulsen ein zweites 800 nm-Photon durch das Melanin absorbiert und erreicht über diese stufenweise 2-Photonen-Absorption das Fluoreszenzniveau. Die Nanosekunden-Laserimpulse werden in der Epidermis fokussiert, und die resultierende Melaninfluoreszenz wird im Bereich von ca. 385 – 785 nm detektiert ([Abb. 1]). Das Fluoreszenzspektrum des auf diese Weise selektiv angeregten Melanins spiegelt eine maligne Entartung spezifisch und signifikant wider [1]
[2]. In malignen melanozytären Tumoren liegt das Maximum der Melaninfluoreszenzintensität bei ca. 640 nm. Bei benignen melanozytären Nävi hingegen ist eine charakteristische Spitzenfluoreszenzintensität von 590 nm beschrieben [1]
[2]. Eine maligne Entartung kann somit mittels unterschiedlicher Fluoreszenzspektren von einer benignen Hautveränderung differenziert werden.
Abb. 1 Bei der Dermatofluoroskopie (stufenweise 2-Photonen-Laser-Spektroskopie) werden Nanosekunden-Laserimpulse in der Epidermis fokussiert, und die resultierende Melaninfluoreszenz wird im Bereich von ca. 385 – 785 nm detektiert (Foto mit freundlicher Genehmigung von Magnosco GmbH).
Anwendungsbereich
Die Technologie der Dermatofluoroskopie ist in Deutschland als Medizinprodukt DermaFC® (Magnosco GmbH, Berlin) zur Früherkennung des Melanoms CE-zugelassen ([Abb. 2]). Das Medizinprodukt der Klasse IIA dient der Diagnostikunterstützung bei melanomverdächtigen melanozytären Hautveränderungen. Technologiebedingt beschränkt sich die Anwendung der Dermatofluoroskopie aktuell noch auf pigmentierte, melaninhaltige Läsionen. Der Einsatz des DermaFC ist weiterhin indiziert bei Patienten mit Hauttyp 1 – 4 sowie intakter Haut im Bereich der Läsion. Die Messung ist an allen mit dem Scankopf zugänglichen Hautstellen durchführbar [5].
Abb. 2 a Dermatofluoroskop DermaFC® (Magnosco GmbH, Berlin, Deutschland). b Die zu untersuchende Läsion wird als hochaufgelöstes Übersichtsbild auf dem Touchscreen angezeigt und mit einem Scanraster überzogen. Der Abstand der Messpunkte beträgt 200 Mikrometer. Die Fluoreszenzspektren werden Punkt für Punkt gescannt. Rote Punkte deuten pathologische Spektren an (Foto mit freundlicher Genehmigung von Magnosco GmbH).
Durchführung
Um die Messung durchführen zu können, wird zunächst ein Führungsring mithilfe eines Klebepads auf der Haut angebracht, sodass sich die Läsion im Zentrum des Rings befindet. Anschließend wird der Scankopf direkt auf der Läsion platziert. Der zu untersuchende Bereich wird als hochaufgelöstes Übersichtsbild auf dem Touchscreen angezeigt. Im Folgenden wird die zu untersuchende Läsion auf dem Bildschirm mit dem Finger umkreist und nach der Selektion automatisch mit einem Scanraster überzogen ([Abb. 2]). Der Abstand der Messpunkte beträgt 200 Mikrometer. Pro Läsion werden typischerweise mehrere hundert Spektren aufgenommen. Unter Verwendung der Dermatofluoroskopie wird die Läsion Punkt für Punkt abgetastet. Nach einem Scan sind innerhalb der Läsion Bereiche mit maligner Entartung farblich markiert. Basierend auf der Analyse der Fluoreszenzspektren wird ein Zahlenwert generiert, der die Läsion aufgrund eines festgelegten Grenzwertes als benigne oder maligne einstuft. Ab einem Score von > 28 wird die Exzision empfohlen. Die Interpretation der Ergebnisse und die Diagnose erfolgt ausschließlich durch den Arzt. Abhängig von der Größe der Läsion dauert die Messung ca. 10 Minuten [5] ([Abb. 2] und [Abb. 3]).
Abb. 3 Untersuchung einer atypischen Pigmentläsion mittel Dermatofluoroskopie im Rahmen der Zulassungsstudie. a Atypische Pigmentläsion am rechten Unterschenkel eines 45-jährigen Mannes. b Die klinische Nahaufnahme zeigt eine unregelmäßige Pigmentierung und Begrenzung. c Die Dermatoskopie zeigt eine inhomogene Pigmentierung mit verbreiterten Reteleisten und peripherer radiärer Streifung. Die Analyse mit dem DermaFC® ergab einen Score von 70, der auf das Vorliegen eines Melanoms hinweist. Die histopathologische Untersuchung bestätigte ein superfiziell spreitendes Melanom (Tumordicke 1,05 mm).
Sicherheit und diagnostische Leistungsfähigkeit des DermaFC®
In einer von Leupold et al. durchgeführten Ex-vivo-Studie wurden 167 exzidierte melanozytäre Nävi und Melanome untersucht [1]. Hierbei konnte der Dermatofluoroskopie eine hohe Sensitivität von 93,5 % und eine Spezifität von 80,1 % bescheinigt werden [1]. In der nachfolgenden In-vivo-Pilotstudie mit insgesamt 87 melanomverdächtigen Läsionen konnten diese Ergebnisse reproduziert werden [6]. Anschließend erfolgte die Kalibrierung und Validierung des DermaFC® im Rahmen einer 3-jährigen, prospektiven, multizentrischen klinischen Prüfung an der Universitätsklinik Tübingen, der Universitätsklinik Heidelberg und der Charité Berlin [5]. Endpunkte der Studie waren die diagnostische Leistungsfähigkeit sowie die Optimierung des auswertenden Algorithmus. Alle Läsionen wurden zunächst in vivo mittels Dermatoskopie und Dermatofluoroskopie untersucht und nach Exzision histopathologisch aufgearbeitet. Insgesamt wurden 369 Patienten mit 476 Läsionen in der finalen Analyse berücksichtigt. Es konnte eine Sensitivität von 89,1 % detektiert werden (90 der 101 Melanome wurden erkannt). Die Spezifität lag bei dieser Zulassungsstudie bei 44,8 %. Der positive und negative prädiktive Wert betrug jeweils 30,3 % und 93,9 % [5]. Während der Studie ereigneten sich keine unerwünschten Ereignisse. Es konnte geschlussfolgert werden, dass es sich bei der Dermatofluoroskopie um eine sichere Technologie mit guter diagnostischer Leistungsfähigkeit handelt [5]. Zusätzlich wurden Patienten im Rahmen der Zulassungsstudie hinsichtlich ihrer Akzeptanz und ihres Vertrauens in die Dermatofluoroskopie befragt [7]. 74 % der untersuchten Patienten zeigten eine hohe bis sehr hohe Akzeptanz gegenüber der Methode. Die Mehrheit (78,5 %) der Patienten war der Meinung, dass eine computergestützte Diagnostik grundsätzlich die diagnostische Leistung eines Arztes verbessern kann. Jedoch forderten alle befragten Patienten mit hoher oder sehr hoher Zustimmung zusätzlich zur Dermatofluoroskopie die Meinung des Arztes [7]. Zuletzt wurden im Rahmen einer Post-Market-Clinical-Follow-up-Studie retrospektiv Patientendaten aus der Zulassungsstudie (FLIMMA-Studie) untersucht [8]
[9]. Die mit dem DermaFC® gemessenen Läsionen wurden hierbei mittels eines neu entwickelten Machine Learning-Algorithmus analysiert. Dieser Algorithmus wurde zunächst mittels 17 918 Fluoreszenzspektren von insgesamt 49 Läsionen trainiert und anhand der restlichen 165 melanomverdächtigen Läsionen validiert. Alle 214 Läsionen wurden zusätzlich zu der ursprünglichen Diagnose von 2 weiteren Dermatohistopathologen befundet, um die Qualität des Datensatzes zu erhöhen. Als endgültige Diagnose wurde jeweils eine übereinstimmende Diagnose von mindestens 2 Dermatohistopathologen (≥ 2) gewertet. Mithilfe des verbesserten Datensatzes und des neuen Algorithmus zeigte die Studie eine deutlich gesteigerte Sensitivität von 96 % und eine Spezifität von 81 % der angewendeten Dermatofluoroskopie [8]
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