Aktuelle Dermatologie 2020; 46(01/02): 10
DOI: 10.1055/a-1075-6863
Derma-Fokus
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Dermatologie-Patienten werden häufig medizinisch überversorgt

Pournamdari AB. et al.
A State-of-the-Art Review Highlighting Medical Overuse in Dermatology, 2017–2018. A Systematic Review.

JAMA Dermatol 2019;
155: 1410-1415
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Publication History

Publication Date:
10 February 2020 (online)

 

    Steigende Kosten für die Krankenversorgung sind oftmals nicht mit einer verbesserten Gesundheit von Patienten assoziiert. Ein Ansatz zur Reduzierung der Kosten beinhaltet eine Minimierung der medizinischen Überversorgung. Pournamdari et al. führten eine Literaturrecherche durch, um die Überversorgung in der Dermatologie zu identifizieren und aufzuzeigen.


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    Im Rahmen der vorliegenden Literaturrecherche konnten die Autoren Themenbereiche identifizieren, in denen die medizinische Versorgung nicht den Richtlinien entspricht, Therapien sorgfältig auszuwählen. Oftmals liegt eine medizinische Überversorgung der Patienten vor, die leicht reduziert werden kann. Die Wissenschaftler führten eine strukturierte PubMed-Datenbanksuche mit den Stichworten „Übernutzung“, „Überbehandlung“, „Überdiagnose“, „unangemessen“ und „unnötig“ nach Publikationen durch, die zwischen Januar 2017 und Dezember 2018 veröffentlicht wurden. Von insgesamt 3023 gefundenen Publikationen wählten die Experten für vorliegenden Übersichtartikel die 10 klinisch relevantesten Studien aus. Aus diesen Studien identifizierten die Forscher verschiedene medizinische Vorgehensweisen, die zwar häufig Verwendung finden, jedoch nur limitierte prognostische und therapeutische Bedeutung aufweisen.

    Eine Zellulitis mit unspezifischen Symptomen wird häufig fehldiagnostiziert. Dies resultiert häufig in einer unangemessenen Antibiotikabehandlung, die die Gefahr einer Clostridium difficile-Infektion erhöht. Bei einer schnellen Konsultation eines Dermatologen können Fehldiagnosen minimiert und die Patienten direkt richtig behandelt werden. So können durch die Vermeidung von Komplikationen und Hospitalisierung Zeit und Geld eingespart werden.

    Studien zeigen, dass sich dysplastische Nävi nur selten zu Melanomen entwickeln. Die Entfernung dysplastischer Nävi birgt ein potenzielles Risiko für Infektionen, Narbenbildung und eine psychosoziale Belastung, was Folgekosten erhöht. Die Entfernung schwer atypischer Nävi wiederum konnte Melanome an den Stellen der Biopsien nicht verhindern. Das Beobachten dysplastischer Nävi reicht im Allgemeinen zur Prävention von Melanomen aus. Patienten, die bereits Melanome aufwiesen, sollten routinemäßig überwacht werden. Eine Beurteilung von Melanomen mittels Tumordicke nach Breslow liefert alle gewünschten Informationen, eine Wächterlymphknoten-Biopsie erwies sich als häufig unnötig.

    Eine medikamentöse Behandlung mit Terbinafin gegen eine Onychomykose oder Isotretionin gegen Akne wird häufig von einem Laborscreening begleitet, da die Einnahme von Terbinafin das Risiko für einen medikamenteninduzierten Leberschaden, Isotretionin für eine idiosynkratische Pankreatitis birgt. Im Falle von Terbinafin fällt auf, dass jene Patienten, die einen medikamenteninduzierten Leberschaden entwickeln, wegen Symptomen vorstellig werden, Leberschäden aber in den seltensten Fällen durch ein Laborscreening entdeckt werden. Eine Isotretionin-assoziierte Pankreatitis ist insbesondere bei jungen Patienten sehr selten. Ein routinemäßiges Laborscreening von Leber- und Pankreaswerten hat in diesen Fällen wenig Aussagekraft.

    Die Vorteile einer Ciclosporin-Behandlung bei Patienten mit Stevens-Johnson-Syndrom und/oder einer toxischen epidermalen Nekrolyse sind umstritten, da die ausgewählte Studie eine ungewöhnlich hohe Mortalität aufwies. Die Implikation nach Betrachtung der Studie ist, dass eine Ciclosporin-Behandlung nicht unbedingt vorteilhaft sein muss, da unter anderem Schäden an den Nieren und Nierenversagen auftreten können.

    Hin und wieder werden Patienten mit dermatologischen Erkrankungen Opioide verschrieben. Eine falsche Einnahme oder ein Missbrauch dieser Medikamente kann schnell zum Tod führen. Um schwerwiegende Folgen zu vermeiden, sollte auf nichtopioide Medikamente zur Schmerzlinderung zurückgegriffen werden.

    Fazit

    Die Vermeidung einer medizinischen Überversorgung ist eine gute Lösung, um Morbiditäten und im Folgenden unnötige gesundheitliche Interventionen bei Dermatologie-Patienten zu verringern und somit auch unnötige Kosten für das Gesundheitssystem zu minimieren, so die Experten.

    Dr. Maddalena Angela Di Lellis, Tübingen


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