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DOI: 10.1055/a-1081-7676
Der akute Myokardinfarkt: Leitliniengerechte Therapie in der Präklinik
- Definition und Ätiologie
- Die Arbeitsdiagnose ACS
- Klinik
- Diagnostik
- Therapie
- Transport: Wohin mit Patienten ohne ST-Hebungen im EKG?
- Komplikationsmanagement
- Innerklinisches Prozedere
- Literatur
Jährlich sterben in Deutschland über 40 000 Menschen an den Folgen eines Myokardinfarkts. Unverändert versterben davon allerdings bis zu zwei Drittel präklinisch – was die Wichtigkeit der präklinischen Versorgung für Patienten mit Herzinfarkt unterstreicht. Dieser Beitrag will auf der Basis auf den aktuellen Leitlinien einen Überblick über präklinisch relevante Aspekte geben [1] [4] [7].
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Definition und Ätiologie
Der Myokardinfarkt (oder Herzinfarkt; engl.: Acute Myocardial Infarction) ist als akute Minderdurchblutung des Herzens (Myokard, Herzmuskelgewebe) mit daraus folgendem Absterben von Herzmuskelgewebe definiert. Ätiologisch wird der Myokardinfarkt in 5 Typen eingeteilt, von denen nur die Typen 1–3 präklinisch relevant sind ([Tab. 1]) [1].
Atherosklerose ist bei Weitem die häufigste Ursache des Myokardinfarkts, die am Herzen als koronare Herzkrankheit (KHK) bezeichnet wird. Die Atherosklerose führt durch Verkalkung der herzversorgenden Arterien zu Gefäßengen (Plaques). Wenn die Plaques aufbrechen und daraus folgend einen kompletten Verschluss der Herzarterie verursachen, führt dies zu einem Myokardinfarkt. Der Typ-2-Myokardinfarkt, z. B. im Rahmen einer hypertensiven Krise, ist ebenfalls häufig.
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Die Arbeitsdiagnose ACS
Unter die Arbeitsdiagnose akutes Koronarsyndrom (engl.: Acute Coronary Syndrome, ACS) fallen 3 Entitäten ([Tab. 2]):
ACS: Acute Coronary Syndrome; EKG: Elektrokardiografie; NSTE: Non-ST-Elevation; NSTEMI: Non-ST-Elevation Myocardial Infarction; STE: ST-Elevation; STEMI: ST-Elevation Myocardial Infarction.
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STEMI (ST-Elevation Myocardial Infarction)
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NSTEMI (Non-ST-Elevation Myocardial Infarction)
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instabile Angina pectoris (iAP)
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Klinik
Hauptsymptom des akuten Myokardinfarkts ist die Angina pectoris (AP, lateinisch für „enge Brust“). Als „typische“ Angina pectoris wird ein Engegefühl hinter dem Brustbein (retrosternal) mit Ausstrahlung in den linken Arm (seltener beide Arme, Hals oder Kinn) bezeichnet. Begleitende Symptome beim Herzinfarkt können unter anderem Luftnot, Übelkeit, Kaltschweißigkeit, Bauchschmerzen oder Synkopen sein [1]. Eher atypische Symptome für einen Myokardinfarkt sind unter anderem ein reißender oder stechender Schmerz („wie ein Messerstich“), isolierte Luftnot oder eine Atemabhängigkeit der Schmerzen. Es präsentieren sich bis zu 30 % der Frauen mit Myokardinfarkt ohne oder mit atypischen Beschwerden [2], was die Diagnostik des Herzinfarkts in der Präklinik bei Frauen erschwert. Auch ältere Patienten, Patienten mit chronischer Nierenerkrankung, Diabetes oder Demenz leiden häufig nur unter atypischen Beschwerden und bedürfen eines besonderen Augenmerks [3]. Somit kann kein klinisches Symptom einen Myokardinfarkt ausschließen oder beweisen. Eine sichere Diagnose des Myokardinfarkts ist erst in der Klinik nach ausführlicher Diagnostik möglich (s. u.).
Frauen mit Herzinfarkt stellen sich häufig ohne die typischen Symptome wie retrosternales Engegefühl mit Ausstrahlung in den linken Arm vor.
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Diagnostik
Anamnese und Untersuchung
Teil 1
Ein Rettungswagen wird notfallmäßig zu einem Einsatz (Stichwort „Übelkeit“) gerufen. Bei Eintreffen am Einsatzort findet das Einsatzteam einen kardiorespiratorisch stabilen adipösen 62-jährigen Patienten (AF 15/min, HF 100/min, RR 160/80 mmHg) vor. Er gibt an, dass er vorhin plötzlich unter starkem Erbrechen gelitten habe, außerdem sei ihm der Schweiß ausgebrochen, es sei mittlerweile jedoch wieder besser. Bis auf Probleme mit dem Blutzucker sei es ihm bisher immer gut gegangen. Der verantwortliche Notfallsanitäter entschließt sich zur Durchführung eines 12-Kanal-EKGs.
Bei Erstkontakt mit dem Patienten sollte eine gezielte Anamnese erfolgen und besonders nach herzinfarkttypischen Symptomen (s. u.) gefragt werden. Das Erfragen der kardiovaskulären Risikofaktoren (siehe folgende Übersicht) oder typischer Medikamente kann helfen, Risikopatienten zu identifizieren. Eine gezielte körperliche Untersuchung, auch zur Differenzialdiagnostik, insbesondere Aortendissektion, Lungenarterienembolie, Spannungspneumothorax und Ösophagusperforation (für eine unvollständige Übersicht s. [Tab. 3]), ist unerlässlich.
Kardiovaskuläre Risikofaktoren
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männliches Geschlecht
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positive Familienanamnese (koronare Herzerkrankung bei Familienangehörigen 1. Grades vor dem 55. (männlich) bzw. 65. (weiblich) Lebensjahr)
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Nikotinkonsum
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Diabetes mellitus
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Hypercholesterinämie
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Adipositas
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EKG
Teil 2
Es zeigt sich das in [Abb. 1, ]A, dargestellte EKG. Bei STEMI wird der Notarzt nachgefordert, ein venöser Zugang sowie eine kontinuierliche Monitorüberwachung werden etabliert. Der Notarzt ist rasch vor Ort. Es erfolgt die Gabe von 300 mg ASS + 5000 IE Heparin i. v. Mittlerweile klagt der Patient über progredienten Thoraxschmerz, sodass eine fraktionierte Gabe von Morphin (kumulativ 5 mg i. v.) sowie eines Antiemetikums erfolgt. Parallel dazu telefoniert der Notarzt bereits mit der nächsten Klinik mit Herzkatheterlabor und vereinbart, diese direkt anzufahren.
Die Differenzierung zwischen STEMI und NSTEMI/iAP hat größte Relevanz für die präklinische Versorgung, da beim STEMI jede Minute zählt.
Zusätzlich kann das initiale EKG-Monitoring lebensbedrohliche Arrhythmien identifizieren, weswegen dieses umgehend etabliert und bis zur Patientenübergabe in der Klinik erfolgen sollte [4]. Laut Leitlinie darf die Zeit zwischen medizinischem Erstkontakt und Befundung des 12-Kanal-EKGs maximal 10 min betragen [4] [5].
Ein 12-Kanal-EKG sollte bei Verdacht auf einen Myokardinfarkt innerhalb von 10 min nach Eintreffen des Rettungsdienstes geschrieben und interpretiert sein.
Liegt eine entsprechende Klinik vor (und nur dann), wird ein STEMI anhand der in der folgenden Übersicht genannten EKG-Kriterien diagnostiziert ([Abb. 1]) [4]. EKG-Veränderungen sind häufig dynamisch und treten manchmal erst ca. 20 min nach Symptombeginn auf (initial zeigt sich dann oft eine T-Überhöhung, das „Erstickungs-T“). Dann können sequenzielle EKG-Kontrollen sinnvoll sein [4]. Eine telemetrische Übertragung des EKGs an die Zielklinik kann hilfreich sein. Eine initiale Labordiagnostik wird präklinisch nicht empfohlen.
EKG-Kriterien eines STEMI
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ST-Hebung in 2 angrenzenden Ableitungen: V2–V3 > 2,5 mm (m < 40 Jahre), > 2 mm (m > 40 Jahre), > 1,5 mm (w) und/oder > 1 mm in anderen Ableitungen ohne Nachweis eines Linksschenkelblocks (LSB); (10 mm entsprechen 1 mV)
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Bei inferiorem Infarkt sollten rechts präkordiale Ableitungen (V3 R und V4 R) zur Diagnostik eines rechtsventrikulären Infarkts erfolgen.
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Bei ST-Senkungen in V1–V3 sollten posteriore Ableitungen (V7–V9) erfolgen, Hebungen > 0,5 mm bestätigen einen posterioren STEMI.
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Bei LSB sind konkordante ST-Hebungen gute Indikatoren für einen STEMI (Sgarbossa-Kriterien).
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Patienten mit LSB und klinischer Symptomatik sollten als STEMI-äquivalent behandelt werden, unabhängig davon, ob der LSB bekannt ist.
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Bei Patienten mit Herzschrittmacher mit ventrikulärer Stimulation oder bei Patienten mit Rechtsschenkelblock sollte eine Behandlung als STEMI-äquivalent erwogen werden.
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ST-Senkungen > 1 mm in 8 oder mehr Ableitungen + ST-Hebung in aVR und/oder V1 sollten ebenfalls als STEMI-äquivalent behandelt werden (V. a. Hauptstammstenose).
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Therapie
Abarbeiten nach ABCDE-Schema
Nach Eintreffen bei einem Patienten mit Verdacht auf Myokardinfarkt sollte eine fokussierte Erhebung des Patientenstatus nach dem ABCDE-Schema erfolgen (Airway, Breathing, Circulation, Disability, Environment, Exposure). Erst wenn sich nach Abarbeitung des ABCDE-Schemas keine lebensbedrohlichen Diagnosen ergeben oder diese adressiert wurden, wird die spezifische Diagnostik des Myokardinfarkts durchgeführt.
In den ersten 60–90 s nach Patientenkontakt sollte das ABCDE-Schema abgearbeitet werden. Ein engmaschiges Monitoring und die kontinuierliche Überwachung des Patienten sind obligat.
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Blutverdünnung
Da bei einem Herzinfarkt die Blutversorgung meist durch einen Thrombus im Herzkranzgefäß unterbrochen ist, stellt die Blutverdünnung einen wichtigen Baustein der Therapie dar. Aktuelle Leitlinien empfehlen die Gabe sowohl von Acetylsalicylsäure (ASS, Aspirin®, 150–300 mg intravenös) als auch von Heparin (UFH, 70–100 IE/kg KG, max. 5000 IE i. v.). Es konnte gezeigt werden, dass eine höhere Dosis von ASS, wie früher üblich, bei akutem Koronarsyndrom keinen Überlebensvorteil bringt [6]. Wichtig ist, dass vor Gabe der Medikamente auf Allergien und auf Kontraindikationen (wie Hirnblutung, kürzlich durchgemachter Schlaganfall oder aber große OP bzw. Magenblutung in der Anamnese) geachtet werden muss. Im Zweifelsfall muss die Gabe als Einzelfallentscheidung von dem behandelnden Arzt indiziert werden.
Die Standardtherapie bei Patienten mit Verdacht auf einen Myokardinfarkt besteht aus ASS 150–300 mg i. v. und unfraktioniertem Heparin 5000 IE i. v.
Bezüglich der Gabe des zweiten Thrombozytenaggregationshemmers ist die Datenlage nicht eindeutig, sodass von den aktuellen Leitlinien keine Empfehlung bezüglich des genauen Einnahmezeitpunkts gegeben wird [1] [4] [7]. Im Rahmen der Herzkatheteruntersuchung erfolgt aber immer eine duale Thrombozytenaggregationshemmung mit Aspirin und einem weiteren P2Y12-Hemmer (Clopidogrel, Ticagrelor, Prasugrel). Dabei sollten lokale Protokolle beachtet werden.
Ist eine heparininduzierte Thrombozytopenie (HIT) bekannt, wird Bivalirudin (0,75 mg/kg KG als Bolus empfohlen, gefolgt von einer Infusion mit 1,75 mg/kg KG/h).
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Kreislauf
Manche Patienten mit Herzinfarkt präsentieren sich mit stark hypertensiven Blutdruckwerten, die einerseits häufig chronisch sind und andererseits durch Aufregung, Angst und Schmerzen bedingt sein können. Fraktionierte Opiat- und bei starker Angst auch Benzodiazepingabe sollten dann erwogen werden. Wenn nach Symptomlinderung weiterhin stark hypertensive Blutdruckwerte zu messen sind, empfehlen sich Nitrate (z. B. 2 Hübe Nitro s. l. bei einem systolischen Blutdruck > 180 mmHg.
Nitrate (Nitroglyzerin, TNS) werden von den aktuellen Leitlinien nur zur Symptomkontrolle empfohlen und haben keinen Einfluss auf das Überleben [8]. Relevante Kontraindikation (z. B. Einnahme von PDE-5-Hemmern) müssen beachtet werden. Eine Reduktion der Symptomatik nach Gabe von Nitroglyzerin kann zu Fehlinterpretationen führen, sodass dies nicht als Diagnostikmethode empfohlen wird.
Sind die Patienten nicht nur hypertensiv, sondern auch noch tachykard, kann eine vorsichtige Gabe eines intravenösen Betablockers (z. B. Metoprolol 1 mg i. v. fraktioniert) erfolgen. Eine routinemäßige Gabe eines Betablockers, wie früher empfohlen, sollte nicht mehr durchgeführt werden.
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Schmerztherapie
Angst und Schmerz führen zu Sympathikusaktivierung und damit zur Vasokonstriktion der peripheren Gefäße, was die Herzarbeit erhöht. Aus diesem Grund sowie zur Entspannung der Atmosphäre sind Angst- und Schmerztherapie essenziell. Am häufigsten wird Morphin verwendet. Auf eine zu liberale Gabe sollte jedoch verzichtet werden, da Morphin die Wirkung von Thrombozytenaggregationshemmern reduziert [9].
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Sauerstoff
Früher war die Gabe von Sauerstoff bei Patienten mit Herzinfarkt Standard. Heute wissen wir aber, dass auch Sauerstoff als Medikament anzusehen ist, und eine Gabe eines Medikaments an Patienten, die es nicht benötigen, diesen schaden kann. So ergeben sich Hinweise, dass eine liberale Sauerstoffgabe die Myokardinfarktnarbe sogar vergrößern kann [10]. Sauerstoff sollte deshalb nur bei einer peripheren Sauerstoffsättigung von < 90 % oder Symptomatik (Hypoxie, Luftnot, Herzinsuffizienzzeichen) gegeben werden (Zielsättigung 94–98 %, keinesfalls 100 %).
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Herzkatheteruntersuchung
Da die Ursache des Herzinfarkts eine Minderdurchblutung des Herzens ist, ist die Wiedereröffnung der Herzkranzarterie die einzige kausale Therapie. Ziel sollte deshalb die rasche Reperfusion des minderdurchbluteten Myokards sein – was mittels perkutaner transluminaler Koronarangioplastie (PTCA) im Rahmen einer Herzkatheteruntersuchung erfolgen kann. Dabei kommt das EKG ins Spiel. Zeigen sich ST-Hebungen im EKG, dann zählt jede Minute. Patienten müssen umgehend direkt ins nächste Herzkatheterlabor gebracht werden – ein Umweg über die Notaufnahme oder die Intensivstation kostet Menschenleben. Daher ist es sinnvoll, das medizinische Personal des Herzkatheterlabors frühzeitig zu informieren. Die aktuellen Leitlinien geben dazu eine Obergrenze von 120 min zwischen Diagnosestellung des STEMI (sollte innerhalb von 10 min nach medizinischem Erstkontakt erfolgen) und Durchführung der Herzkatheteruntersuchung an, wobei die kürzestmögliche Zeit angestrebt wird.
Ein STEMI ist ein äußerst zeitkritischer Notfall; daher sollte ein direkter Transport in ein Herzkatheterlabor erfolgen.
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Lysetherapie
In Einzelfällen gelingt es nicht, die Herzkatheteruntersuchung innerhalb von 120 min durchzuführen (z. B. bei widrigem Wetter). Sollte dieser Sonderfall eintreten und sollten die Beschwerden des Patienten sicher < 12 h bestehen, wird, sofern nicht kontraindiziert, eine intravenöse fibrinolytische Therapie (Lysetherapie) empfohlen [4]. Wichtig zu verstehen ist, dass die Lysetherapie besonders gut bei frischen Thromben wirkt, während die Blutungsgefahr (bis hin zu tödlichen Hirnblutungen) unabhängig von der Beschaffenheit des Thrombus in der Herzkranzarterie ist. Aktuelle Leitlinien sehen für die Indikationsstellung der Lysetherapie die ersten 10 min nach Diagnosestellung STEMI vor. In beiden Fällen sollte ein Zentrum mit Herzkatheter angefahren werden, da auch Patienten mit primärer Lysetherapie eine zeitnahe Herzkatheteruntersuchung erhalten sollten.
STEMI und Transportzeit und Herzkatheterlabor > 120 min. Sofortige Lyse, sofern nicht kontraindiziert.
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Transport: Wohin mit Patienten ohne ST-Hebungen im EKG?
Oft lässt sich präklinisch ein Myokardinfarkt nicht sicher diagnostizieren, wenn sich im EKG kein STEMI zeigt. Diese Patienten müssen aber natürlich dennoch in ein Akutkrankenhaus aufgenommen und weiter abgeklärt werden. Aktuelle Leitlinien empfehlen in solchen Fällen eine Risikostratifizierung der Patienten mit Verdacht auf ACS ([Abb. 2]).
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Komplikationsmanagement
Teil 3
Kurz nach Transportbeginn verdreht der Patient plötzlich die Augen und verliert das Bewusstsein, ein rascher Blick auf den Monitor zeigt eine HF von 180/min mit breiten QRS-Komplexen, das Einsatzteam diagnostiziert eine VT und kardiovertiert den Patienten, was primär erfolgreich ist und zu raschem Wiedererlangen des Bewusstseins führt. Nach ca. 5 min kommt es zu einer erneuten VT, diesmal jedoch ohne hämodynamische Relevanz. Der Notarzt entschließt sich zur Gabe von 300 mg Amiodaron in 100 ml G5 % als Kurzinfusion über 20–60 min. Nach erneut ca. 5 min kommt es zur Konversion in einen stabilen Sinusrhythmus. Im Anschluss ist der Patient kardiorespiratorisch stabil.
Komplikationen im Rahmen eines akuten Myokardinfarkts sind häufig und individuell verschieden. Dazu kann nur ein kurzer, unvollständiger Überblick gegeben werden.
Der kardiogene Schock wird definiert als systolischer Blutdruck < 90 mmHg mit Hypoperfusionszeichen und ist eine häufige Komplikation des Myokardinfarkts. Primäres Ziel sollte der schnellstmögliche Transport ins Herzkatheterlabor zur Ursachenbehandlung sein. Sofern es nicht bereits zum Rückwärtsversagen mit Lungenödem gekommen ist (ggf. auch dann), kann ein Volumenversuch erfolgen. Zur Aufrechterhaltung des Kreislaufs muss, falls notwendig, eine Katecholamintherapie erfolgen (Dobutamin/Noradrenalin).
Deutlich häufiger als der kardiogene Schock sind ventrikuläre Arrhythmien (ventrikuläre Tachykardie, VT, und Kammerflimmern, VF), die auch Haupttodesursache beim akuten Myokardinfarkt sind [11]. Aus diesem Grund muss immer eine Reanimationsbereitschaft bestehen. Auch dann gilt es eine schnellstmögliche Ursachenbehandlung, d. h. Reperfusion, anzustreben. Liegt eine VT vor, kann bei fehlender hämodynamischer Relevanz Amiodaron gegeben werden (z. B. 300 mg Amiodaron in Glukose 5 % 100 ml als Kurzinfusion über 20–60 min). Bei hämodynamischer Relevanz muss kardiovertiert werden. Bei Bradykardien mit hämodynamischer Relevanz kann ein medikamentöser Therapieversuch (z. B. Adrenalin, Atropin) erfolgen, ggf. muss extern stimuliert werden.
Bei Patienten mit Kreislaufstillstand erfolgt die kardiopulmonale Reanimation entsprechend den aktuellen Leitlinien [12]. Nach ROSC (Return of Spontaneous Circulation) muss umgehend ein 12-Kanal-EKG geschrieben werden. Bei STEMI sollte das Herzkatheterlabor als Zielstruktur angefahren werden. Bei sonstigem hochgradigem Verdacht auf einen ursächlichen Myokardinfarkt (z. B. zuvor angegebener Brustschmerz, bekannter KHK, erster Rhythmus VF) sollte das Herzkatheterlabor als Zielstruktur erwogen werden [4].
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Innerklinisches Prozedere
Teil 4
Im Herzkatheterlabor zeigt sich der in [Abb. 3] gezeigte Befund. Nach PCI wird der Patient auf die Intensivstation gebracht. Der postinterventionelle Verlauf gestaltet sich komplikationslos und der Patient kann nach 5 Tagen entlassen werden.
Nach Erreichen der Zielstruktur wird der Patient an das dortige Behandlungsteam übergeben. Nach der Herzkatheteruntersuchung ([Abb. 3]) wird der Patient üblicherweise auf der Intensivstation überwacht. Die weitere stationäre Therapie gilt der Überwachung von Herzrhythmusstörungen, der medikamentösen Therapie einer ggf. auftretenden Herzinsuffizienz und der Einstellung der kardiovaskulären Risikofaktoren. Die typische Krankenhausverweildauer von Patienten mit Herzinfarkt beträgt 3–7 Tage. Eine Anschlussheilbehandlung für mehrere Wochen wird nach Entlassung empfohlen.
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Die präklinische Mortalität beim akuten Myokardinfarkt ist weiterhin hoch.
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Hauptsymptom des akuten Myokardinfarkts ist die Angina pectoris. Insbesondere bei Frauen, Diabetikern und älteren Patienten ist die klinische Präsentation jedoch häufig atypisch.
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Zur Diagnostik muss ein 12-Kanal-EKG erfolgen. Aufgrund von lebensbedrohlichen Arrhythmien muss ein kontinuierliches EKG-Monitoring durchgeführt werden.
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Die Auswahl der richtigen Zielklinik und die damit verbundenen lokalen Protokolle sollten jedem Rettungsdienstmitarbeiter und Notarzt bekannt sein.
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Aspirin und Heparin sind die einzigen therapeutisch wichtigen präklinischen Medikamente. Sauerstoff verbessert die Prognose nicht und sollte nur bei Hypoxie, Luftnot und Herzinsuffizienzsymptomatik gegeben werden.
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Haupttodesursache sind Arrhythmien wie Kammerflimmern und ventrikuläre Tachykardien. Eine andere häufige Komplikation ist der kardiogene Schock mit Vorwärts- und/oder Rückwärtsversagen.
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Markus Jäckel
Dr., 2006–2007 Rettungssanitäterausbildung i. R. FSJ in Lindau. 2007–2013 Studium der Medizin in Innsbruck. 2014–2019 Facharztausbildung Innere Medizin (Kardiologie I, Prof. Bode, Freiburg). 2019 Facharzt Innere Medizin. 2020 Zusatzbezeichnung Notfallmedizin Schwerpunkt: Internistische Intensivmedizin.
Christoph Bode
Prof. Dr. Dr. h. c., 1974–1980 Studium der Medizin in Köln. 1983–1992 Facharztausbildung Universität Heidelberg. 1992–1999 Oberarzt. Seit 1999 Ordinarius Kardiologie und Angiologie der Universität Freiburg. Seit 2012 ärztlicher Direktor der Klinik für internistische Intensivmedizin des Universitätsklinikums Freiburg und der Klinik für Kardiologie und Angiologie I des Universitäts-Herzzentrums Freiburg – Bad Krozingen.
Dawid Staudacher
Dr., 1999–2005 Studium der Humanmedizin in Wien und Alicante. Nach einem Forschungsaufenthalt in Haifa seit 2006 an der Uniklinik Freiburg tätig. Rettungssanitäter (1998), Notarzt (2011), Internist (2013), Intensivmediziner (2015) und Kardiologe (2017). Schwerpunkte: kardiologische Intensivmedizin und extrakorporaler Organersatz.
Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Roffi M, Patrono C, Collet JP. et al 2015 ESC Guidelines for the Management of Acute Coronary Syndromes in Patients Presenting Without Persistent ST-segment Elevation. Rev Esp Cardiol (Engl Ed) 2015; 68 (12) 1125 . doi:10.1016/j.rec.2015.10.009
- 2 Brieger D, Eagle KA, Goodman SG. et al Acute coronary syndromes without chest pain, an underdiagnosed and undertreated high-risk group: insights from the Global Registry of Acute Coronary Events. Chest 2004; 126 (02) 461-469 . doi:10.1378/chest.126.2.461
- 3 Canto JG, Fincher C, Kiefe CI. et al Atypical presentations among Medicare beneficiaries with unstable angina pectoris. Am J Cardiol 2002; 90 (03) 248-253 . doi:10.1016/s0002-9149(02)02463-3
- 4 Ibánez B, James S, Agewall S. et al 2017 ESC Guidelines for the management of acute myocardial infarction in patients presenting with ST-segment elevation. Rev Esp Cardiol (Engl Ed) 2017; 70 (12) 1082 . doi:10.1016/j.rec.2017.11.010
- 5 Tubaro M, Danchin N, Goldstein P. et al Pre-hospital treatment of STEMI patients. A scientific statement of the Working Group Acute Cardiac Care of the European Society of Cardiology. Acute Card Care 2011; 13 (02) 56-67 . doi:10.3109/17482941.2011.581292
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- 7 Nikolaou NI, Arntz HR, Bellou A. et al European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2015 Section 8. Initial management of acute coronary syndromes. Resuscitation 2015; 95: 264-277 . doi:10.1016/j.resuscitation.2015.07.030
- 8 Borzak S, Cannon CP, Kraft PL. et al Effects of prior aspirin and anti-ischemic therapy on outcome of patients with unstable angina. TIMI 7 Investigators. Thrombin Inhibition in Myocardial Ischemia. Am J Cardiol 1998; 81 (06) 678-681 . doi:10.1016/s0002-9149(97)01006-0
- 9 Parodi G, Bellandi B, Xanthopoulou I. et al Morphine is associated with a delayed activity of oral antiplatelet agents in patients with ST-elevation acute myocardial infarction undergoing primary percutaneous coronary intervention. Circ Cardiovasc Interv 2015; 8 (01)
- 10 Stub D, Smith K, Bernard S. et al Air Versus Oxygen in ST-Segment-Elevation Myocardial Infarction. Circulation 2015; 131 (24) 2143-2150 . doi:10.1161/CIRCULATIONAHA.114.014494
- 11 Larsen JM, Ravkilde J. Acute coronary angiography in patients resuscitated from out-of-hospital cardiac arrest – a systematic review and meta-analysis. Resuscitation 2012; 83 (12) 1427-1433 . doi:10.1016/j.resuscitation.2012.08.337
- 12 Monsieurs KG, Nolan JP, Bossaert LL. et al European Resuscitation Council Guidelines for Resuscitation 2015: Section 1. Executive summary. Resuscitation 2015; 95: 1-80 . doi:10.1016/j.resuscitation.2015.07.038
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
27 November 2020
© 2020. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Roffi M, Patrono C, Collet JP. et al 2015 ESC Guidelines for the Management of Acute Coronary Syndromes in Patients Presenting Without Persistent ST-segment Elevation. Rev Esp Cardiol (Engl Ed) 2015; 68 (12) 1125 . doi:10.1016/j.rec.2015.10.009
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