Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-1105-2825
Körperlicher und emotionaler Missbrauch in der Kindheit erhöhen Risiko für SLE
Es ist bekannt, dass schwerer Stress Immunreaktionen beeinflussen und die Ausschüttung von Entzündungsmediatoren antreiben kann. Wissenschaftler der Harvard Medical School haben nun untersucht, ob körperlicher, emotionaler und sexueller Missbrauch in der Kindheit mit einem erhöhten Risiko für die Entwicklung eines systemischen Lupus erythematosus (SLE) assoziiert sind.
#
Im Rahmen der Studie werteten die Autoren Daten aus der sogenannten Nurses Health Study II aus. Dabei handelt es sich um eine Kohorte von insgesamt 116 429 US-amerikanischen Krankenschwestern, die im Jahr 1986 eingeschlossen wurden und seitdem alle 2 Jahre Fragebögen zu verschiedenen Gesundheitsthemen ausfüllen. Die Krankenschwestern waren bei Einschluss in die Kohorte zwischen 25 und 44 Jahre alt.
In den regelmäßigen Fragebögen sollten die Krankenschwestern angeben, ob bei ihnen ein SLE neu diagnostiziert worden war. Die Teilnehmerinnen mit einer Diagnose wurden gebeten, den Connective Tissue Disease Screening Questionnaire auszufüllen und den Wissenschaftlern ihre medizinischen Unterlagen zur Verfügung zu stellen.
Im Jahr 2001 erhielten die Teilnehmerinnen Fragebögen zum Thema Missbrauch in der Kindheit. Körperlicher und emotionaler Missbrauch in der Kindheit wurde mit dem Physical and Emotional Abuse Subscale of the Childhood Trauma Questionnaire erfasst, sexueller Missbrauch mit dem Sexual Maltreatment Scale of the Parent-Child Conflict Tactics Scale. Die Teilnehmerinnen wurden in Kategorien von keinem, mildem, mittlerem und schweren Missbrauch eingeteilt. Von 67 516 Frauen lagen Antworten über körperlichen und emotionalen Missbrauch vor, 54% gaben an, mittleren oder schweren Missbrauch erlebt zu haben. Über sexuellen Missbrauch lagen Antworten von 67 480 Frauen vor, 9,9% gaben mittleren oder schweren sexuellen Missbrauch an.
In der Analyse wurden Teilnehmerinnen ausgeschlossen, die schon bei Einschluss an einer systemischen Bindegewebserkrankung gelitten hatten. Das Vorliegen eines SLE wurde anhand der American College of Rheumatology Klassifikation von 1997 diagnostiziert, wenn mindestens vier Kriterien vorlagen. Die meisten SLE-Fälle in der Studie hatten antinukleäre Antikörper (98,9%), mehr als die Hälfte anti-dsDNA-Antikörper (52,1%), die wichtigsten Manifestationen waren Arthritis (73%) und hämatologische Veränderungen (64%).
Mit einer multivariablen Cox-Regression untersuchten die Wissenschaftler den Zusammenhang zwischen Missbrauch in der Kindheit und dem Auftreten eines SLE, sowie mögliche Störfaktoren (Bildungsstand der Eltern, Beruf, Besitz eines Hauses) und Mediatoren (Depression, Posttraumatische Belastungsstörung).
Von 67 516 Frauen wurden bis zum Jahr 2015 insgesamt 94 Fälle von SLE diagnostiziert. Auch nach einer Adjustierung für verschiedene Faktoren (Alter, Ethnizität, elterliche Faktoren) hatten Frauen, die in der Kindheit der höchsten Kategorie von körperlichem und emotionalem Missbrauch ausgesetzt waren im Vergleich zur Frauen, die keinem Missbrauch ausgesetzt waren, ein 2,57-fach höheres Risiko für die Diagnose eines SLE (95% KI 1,30–5,12).
Die Autoren errechneten, dass 17% des durch Missbrauch erhöhten SLE-Risikos auf das Vorliegen von Depressionen zurückgeführt werden kann (p<0,0001) und 23% auf das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung (p<0,0001). Die Autoren konnten in der Studie keinen statistisch signifikanten Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und dem Auftreten eines SLE feststellen (HR 0,84, 95% KI 0,40–1,77).
Die vorliegende Studie zeigt, dass Frauen, die in der Kindheit schwer körperlich oder emotional missbraucht wurden, ein fast dreifach erhöhtes Risiko haben, an einem systemischen Lupus zu erkranken. In der Studie konnte kein erhöhtes Lupus-Risiko nach schwerem sexuellem Missbrauch festgestellt werden.
Marisa Kurz M. Sc. B. A., München
#
Publication History
Article published online:
18 June 2020
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York