Pneumologie 2020; 74(05): 251
DOI: 10.1055/a-1108-7576
Pneumo-Fokus

Latente Tuberkulose: Neue Schwellenwerte für bekannte Testverfahren?

Gupta RK. et al.
Quantitative Interferon Gamma Release Assay and Tuberculin Skin Test Results to Predict Incident Tuberculosis: A Prospective Cohort Study.

Am J Respir Crit Care Med 2019;
 

Die Früherkennung von latenten Tuberkulose-Infektionen ist ein wichtiger Baustein der Maßnahmen der WHO zur Eindämmung der Lungenerkrankung. Obgleich international nach neuen Biomarkern geforscht wird, bleiben aktuell nur klassische Tests mit geringer Aussagekraft. Gupta und Kollegen stellten die Hypothese auf, dass eine höhere Testschwelle die Güte gängiger Verfahren erhöhen könnte, und legen die Ergebnisse einer Kohortenstudie vor.


#

Menschen, die Kontakt zu Patienten mit Tuberkulose hatten oder aus Ländern mit einer hohen Inzidenz stammen, leiden nicht selten unter einer latenten Tuberkulose. Eine frühe Erkennung dieser Fälle und die Einleitung einer entsprechenden Therapie können die Inzidenz und somit auch die Morbidität und Mortalität schwerer Tuberkulosefälle reduzieren. Im Rahmen der Maßnahmen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) zur Eindämmung der Tuberkulose werden daher Schnelltests bei sensiblen Personengruppen durchgeführt.

Da die Testgüte allerdings als eher gering eingestuft werden muss, wird bereits seit Jahren nach zuverlässigen neuen Biomarkern geforscht. Bis diese bekannt sind und entsprechende Tests zur Verfügung stehen, könnte eine Anhebung der Testschwellen bereits verfügbarer Verfahren die Erkennung latenter Krankheitsfälle erleichtern. So stellten Gupta und Team nun die Hypothese auf, dass höhere Schwellenwerte für die 3 quantitativen Tests

  • QFT-GIT,

  • T-SPOT.TB

  • und TST

zu einer höheren Inzidenz führen würden. Um diese Behauptung überprüfen zu können, griffen sie auf die Daten der UK PREDICT-Kohortenstudie zurück und stellten eine Verbindung zwischen den Testergebnissen der Probanden, der Inzidenz von latenter Tuberkulose sowie von Tuberkulose im Follow-up-Zeitraum, sowie einem nationalen Register über Tuberkulosefälle her.

Probanden wurden in London, Birmingham oder Leicester rekrutiert und sollten Kontakt zu Personen mit Tuberkulose gehabt haben oder aus einem Land mit hoher Inzidenz kommen. Die 3 oben genannten Testverfahren wurden dann 6 Wochen nach der letzten Exposition oder der Migration durchgeführt, die Anzahl der Tuberkulosefälle wurde nach 12 und 24 Monaten telefonisch sowie mithilfe des nationalen Registers abgefragt. In der Analyse verglichen die Forscher die Inzidenzraten dann in Abhängigkeit von der Höhe der Testfälle und ermittelten jeweils Testgütekriterien wie u. a. positiven prädiktiven Wert und Sensitivität.

Sensitivität nimmt ab

Über 10 000 Teilnehmer konnten für die Studie rekrutiert werden, 9610 von ihnen erfüllten die Einschlusskriterien und wurden bei der Auswertung berücksichtigt. Das mittlere Follow-up lag bei 4,7 Jahren, 57,5 % der Probanden waren jünger als 35 Jahre. Die Kohorte umfasste zu 49,8 % Menschen, die in der Vergangenheit einen Kontakt mit einem Tuberkulosepatienten hatten, sowie zu 49,2 % Migranten aus einem Land mit hoher Inzidenz. Schließlich berichteten 68,9 % der Teilnehmer eine Impfung.

Die Ergebnisse der 3 klassischen Testverfahren lagen bei 89,1 %, 84,1 % und 81,5 % vor. 107 Probanden entwickelten im Nachbeobachtungszeitraum eine Tuberkulose, 47 von ihnen mit pulmonaler Beteiligung. Die mittlere Zeit bis zur Diagnose einer Tuberkulose konnte auf 188 Tage beziffert werden. Für alle 3 Tests stellten die Forscher mit Anhebung der Schwelle eine höhere Inzidenzrate für Tuberkulose fest. So stieg bspw. die Rate pro 1000 Personenjahre beim QFT-GIT nach Anhebung der Testschwelle von 0,35 IU/mal auf 0,4 IU/mal von 1,1 auf 10,02.

Auch für den positiven prädiktiven Wert konnten die Forscher für alle 3 Tests einen deutlichen Anstieg durch die Anhebung der Schwelle feststellen. Im Gegensatz dazu verringerte sich die Sensitivität jeweils deutlich, weshalb sich die Autorinnen/Autoren für die Zukunft weitere Forschungsanstrengungen zur Identifizierung von neuen Biomarkern zur Früherkennung von latenten Tuberkuloseinfektionen wünschen.

Fazit

In dieser Kohortenstudie mit jungen Erwachsenen, die Kontakt zu Tuberkulosepatienten hatten oder aus Ländern mit hoher Inzidenz eingewandert sind, konnte eine Anhebung der Schwelle 3 klassischer Testverfahren zur Früherkennung einer latenten Tuberkulose die Inzidenzrate und den positiven prädiktiven Wert deutlich erhöhen. Da die Autorinnen/Autoren gleichzeitig aber eine Abnahme der Sensitivität feststellen mussten, sehen sie weiterhin den dringenden Bedarf nach neuen Tests und Biomarkern.

Dipl.-Psych. Annika Simon, Hannover


#
#

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. Mai 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York