Die Prävalenz von IgE-vermittelten Nahrungsmittelallergien ist ein zunehmendes Problem der öffentlichen Gesundheit, das Millionen von Menschen weltweit betrifft. In Europa variiert die Prävalenz stark zwischen verschiedenen Ländern und hängt auch davon ab, welche Kriterien angewendet werden; so sind bei selbstberichten Allergien Häufigkeiten von 6,5% – 24%, bei der Sensibilisierung auf Nahrungsmittelallergen von 11% – 29% und bei getesteten Allergien von 1,9% bis zu 5,6% berichtet [1]. Am häufigsten findet sich bei nahrungsmittelsensibilisierten Kindern primäre (nicht kreuzreaktive) Nahrungsmittelallergien. Allerdings sind Nahrungsmittelallergien aufgrund von Birkenpollen-assoziierter Kreuzreaktivität auch in Zentral-Nordeuropa häufig. Auch Sensibilisierungen auf Milch und Ei sind in ganz Europa häufig; Allergien auf Fisch und Garnelen sind vor allem im Mittelmeerraum und in Island häufig. Pfirsich, Kiwi und Erdnuss zusammen mit vor allem
Haselnuss, Apfel, Karotte und Sellerie sind weitere häufige Nahrungsmittelallergene. Die Art der Nahrungsmittelallergene hängt natürlich sehr von den Essensgewohnheiten ab – so dominieren etwa in Nordamerika, Asien und Afrika teils völlig andere Nahrungsmittelallergene wie Erdnuss, Bird Nest oder Meeresfrüchte und selbst Insekten [2].
Interessanterweise scheinen sowohl bei Erwachsenen als auch bei Kindern im Schulalter aus der Allgemeinbevölkerung die Angabe von Oralem Allergie Syndrom (OAS) und Allergischer Rhinitis als Komorbidität der stärkste Prädiktor für eine wahrscheinliche Nahrungsmittelallergie zu sein [3]. Die Anamnese der Patienten erlaubt insbesondere eine gute Unterscheidung zwischen dem Vorhandensein und dem Fehlen zumindest einer durch pflanzliche Bestandteile ausgelösten Nahrungsmittelallergie.
Lebensmittelallergien entstehen durch einen Zusammenbruch der oralen Toleranz, eine verzögerte Entwicklung der oralen Toleranz oder beides bei Personen, die genetisch und möglicherweise auch umweltbedingt für atopische Erkrankungen prädisponiert sind. Obwohl eine große Anzahl von Lebensmitteln allergische Reaktionen hervorrufen kann, sind Milch, Eier und Erdnüsse drei der häufigsten und heikelsten Lebensmittelallergene vor allem bei Kindern – in Nordamerika, aber auch in Europa. Die steigende Flut von Lebensmittelallergien lenkt die Ressourcen auf die Suche nach einer Behandlung oder gar Heilung, sodass hier auch große Investitionen getätigt werden.
Gegenwärtig erfordert die empfohlene Behandlung von Lebensmittelallergien eine strikte und sorgfältige Vermeidung von Nahrungsmitteln sowie die teils belastende Absicherung durch Notfallmedikamente inklusive Adrenalin-Autoinjektoren [4].
Die klassische subkutane Immuntherapie, welche etwa bei Inhalations- und insbesondere auch bei Hymenopterengiftallergien sehr erfolgreich eingesetzt werden, zeigen bei Nahrungsmittelallergien leider meist nur unbefriedigende Ergebnisse. Durch den Einsatz des Anti-IgE-Antagonisten Omalizumab kann bei besonders schweren Nahrungsmittelallergien eine Toleranz erzielt werden; aufgrund der fehlenden Kassenverordnungsfähigkeit hierfür und den damit verbundenen doch beträchtlichen Kosten ist diese Behandlung Einzelfällen vorbehalten. Deswegen sind in den letzten Jahren zahlreiche Studien mit anderen Applikationswegen der Immuntherapie initiiert worden, namentlich die orale Immuntherapie OIT, die sublinguale Immuntherapie SLIT und die epikutane Immuntherapie EPIT.
Von den drei verschiedenen Immuntherapieverfahren ist die OIT diejenige, die in der Lage ist, bei der Mehrzahl der Patienten eine Verbesserung der Verträglichkeit herbeizuführen. Hier existieren auch mehrere Studien in größeren Patientenkollektiven der Phase 3. Der Einsatz der OIT wird jedoch durch teils schwerwiegende Nebenwirkungen beeinträchtigt, wie z. B. schwere abdominale Symptome und Anaphylaxie. Die Kombination mit Omalizumab reduziert den Prozentsatz schwerer Nebenwirkungen immerhin deutlich.
Es gibt noch nicht viele Studien mit SLIT bei Nahrungsmittelallergien, aber es konnte doch gezeigt werden, dass eine Erhöhung der Toleranz möglich ist; allerdings ist diese im Vergleich zu der durch OIT erzielten bescheiden.
Die EPIT, die durch die Diffusion von Allergenen auf intakter Haut durchgeführt wird, ist die jüngste Form der Immuntherapie [7]. Obwohl viele Arbeiten zur EPIT an Labortieren durchgeführt wurden, sind bisher nur wenige klinische Studien am Menschen veröffentlicht worden; die Zahl nimmt aber rasch zu. Im Gegensatz zu OIT und SLIT ist EPIT nicht für systemische Sekundäreffekte wie Anaphylaxie und eosinophile Ösophagitis verantwortlich, sondern nur für lokale und milde Effekte im Hautbereichen, in denen die epikutane Applikation erfolgt. Darüber hinaus zeichnet sich die EPIT durch eine hohe Patientenadhärenz aus.
Es wird aktuell eine beträchtliche Anzahl klinischer Studien zur Immuntherapie durchgeführt, aber es bestehen noch Wissenslücken; auch ist die Vergleichbarkeit begrenzt durch die oft kleine Studienpopulation der meisten bisherigen klinischen Studien und andere Faktoren wie dem Fehlen von Biomarkern oder ethnischer Diversität der Probanden. Darüber hinaus beschränken sich die Daten aus Studien überwiegend auf Kinder sowie auf Probanden mit Erdnuss-, Ei- und Milchallergie. Die OIT scheint bei Patienten indiziert, die nicht über frühere Symptome einer systemischen Anaphylaxie oder schwerer gastrointestinalen Reaktionen berichten; hingegen können SLIT und insbesondere EPIT eher auch bei Patienten mit einem Anaphylaxie-Risiko eingesetzt werden.
Es ist wohl noch verfrüht, von einem vollen Durchbruch der Immuntherapie wie OIT und EPIT bei der Nahrungsmittelallergie zu sprechen. Dennoch handelt es sich dabei sicher um die vielversprechendsten Ansätze zu deren Behandlung – vorerst vor allem bei Kindern. Aktuell sind v. a. Erdnuss, Milch und Hühnerei im Fokus. Ob ähnliche Erfolge auch bei Erwachsenen und anderen Nahrungsmittelallergenen möglich sind, werden weitere Studien zeigen müssen.