Die Allergen-Immuntherapie (AIT) ist die einzige Therapieoption für Patienten mit IgE-vermittelten inhalativen Allergien, welche nachweislich einen Krankheits-modifizierenden und (sekundär-)präventiven Effekt hat [1], [2], [3], [4], da sie die zugrunde liegenden immunologischen Pathomechanismen dieser Erkrankungen beeinflusst [5], [6]. Nach der Erstbeschreibung der AIT durch Noon im Jahre 1911 sind viele innovative Wege beschritten worden, um die Wirksamkeit und Sicherheit der AIT weiter zu optimieren [7] ([Abb. 1]).
Abb. 1 Allergen-Immuntherapie (AIT) im 110. Jahr der Erstbeschreibung (aus [28], aktualisiert mit freundlicher Genehmigung: Springer Medizin Verlag). Zahlreiche innovative Ansätze zur subkutanen (SCIT) und sublingualen (SLIT) Immuntherapie sind beschrieben worden, und die AIT hat sich als einzige immunmodulierende und krankheitsmodifizierende Therapieoption von IgE vermittelten, inhalativen allergischen Erkrankungen etabliert. Abkürzungen: COVID-19: coronavirus disease 2019; EAACI: Europäische Akademie für Allergologie und Klinische Immunologie; SCIT: subkutane Immuntherapie; SLIT: sublinguale Immuntherapie; S2k-LL: Leitlinie zur AIT von 2014; TAV: Therapieallergene-Verordnung; WHO: Weltgesundheitsorganisation.
Zahlreiche Studien zur subkutanen (SCIT) und sublingualen (SLIT) Form der AIT sind durchgeführt worden und insbesondere durch die regulatorischen Vorgaben der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA) [8] und des Bundesinstitutes für Impfstoffe und biomedizinische Arzneimittel, dem Paul-Ehrlich-Institut (PEI) [9], hat sich in den letzten Jahren das Evidenzniveau der AIT auf der Basis von optimierten methodischen Standards in der klinischen Prüfung zunehmend erhöht [2], [10], [11]. Infolge dieser Daten sind mehrere nationale und internationale Leitlinien erstellt worden mit dem Ziel einer evidenzbasierten Behandlung der Patienten mit Inhalationsallergien [3], [4], [12], [13]. Bei der Beurteilung der
Evidenz ist hervorzuheben, dass es bei der AIT keinen generischen Klasseneffekt gibt, sondern für die Beurteilung der Wirksamkeit und Sicherheit der SCIT und SLIT eine produktspezifische Einzelbewertung unabdingbar ist, da die methodischen Designs der publizierten Studien hinsichtlich der gewählten Endpunkte, der Studiendauer, der Patientenkohorten u. a. sehr unterschiedlich sind [4], [12]. Daher haben die deutschen, österreichischen und schweizerischen allergologischen Fachgesellschaften parallel zur Aktualisierung der S2k-LL zur AIT [4] (weltweit erstmalig) ein online-Tabellenwerk erstellt, welches aktuelle Angaben zur Wirksamkeit, zum Zulassungsstatus sowie zum klinischen Entwicklungsprogramm von AIT Produkten macht und im Sinne einer „Living-guideline“ regelmäßig aktualisiert wird [14].
Das Anliegen mehrerer Task-Force Arbeitsgruppen der Europäischen Akademie für Allergologie und klinische Immunologie (EAACI) ist, methodenspezifische Standards für das klinische Entwicklungsprogramm von AIT-Produkten zu harmonisieren und zu optimieren mit dem Ziel einer zukünftigen besseren Vergleichbarkeit von Studienergebnissen (Übersicht in [15] und [6]). Hierzu gehören eine internationale Harmonisierung von primären und sekundären Endpunkten in AIT-Studien [16] und Überlegungen zum Einfluss von Plazeboeffekten [17] und Pollenexpositionen [18] auf die Höhe von Effektstärken sowie zum Einsatz von Allergen-Expositionskammern im klinischen Entwicklungsprogramm von AIT-Produkten [19]. Eine besondere Rolle spielt die zukünftige Entwicklung von Biomarkern als Surrogatmarkern des
Ansprechens der AIT in klinischen Studien sowie in der klinischen Routine [15], [20].
Derzeit finden sich viele innovative Ansätze in der präklinischen und klinischen Pipeline [6], [21], [22] wie alternative Applikationswege bei der AIT, Toll-like receptor agonists und andere immunstimulierende Adjuvanzien, Peptide und rekombinant hergestellte Vakzine und Biologika.
Die derzeitige COVID-19 Pandemie hat zu einem hohen Maß an Verunsicherung bei Patienten und Ärzten geführt bezüglich der allgemeinen Sicherheit dieser immunmodulierenden Therapieoption. Die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und Klinische Immunologie (DGAKI) hat daher zeitnah nach dem Beginn des Lockdowns im März 2020 allgemeine Empfehlungen zur Durchführung der SLIT und SCIT formuliert und publiziert [23] und hieran haben sich zahlreiche nationale und internationale Empfehlungen und Positionspapiere zur AIT [24], [25] und zu allergologischen Erkrankungen angeschlossen (Übersicht in [26]). Die EAACI und die DGAKI haben eine online-Umfrage initiiert, welche zum Ziel hat, die Auswirkungen der Pandemie auf das Verordnungsverhalten sowie auf die Sicherheit und Praxistauglichkeit der AIT in einem standardisierten und anonymisierten Fragebogen zu
erfassen. Die Erhebung der Daten im deutschsprachigen Survey erfolgt über [27].