Aktuelle Rheumatologie 2020; 45(03): 214-216
DOI: 10.1055/a-1123-0374
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Rheumastudien: Plazeboeffekt nimmt zu

Rezensent(en):
Richard Kessing
Bechman K. et al.
Placebo Response in Rheumatoid Arthritis Clinical Trials.

J Rheumatol 2020;
47: 28-34
 

    Entscheidend für die Interpretation der Wirksamkeit einer Medikamentenbehandlung ist zu erkennen, wie hoch der Plazeboeffekt auf die therapeutische Effektivität ist. Wissenschaftler des King’s College in London überprüften, ob die Plazebo-Reaktion im Zeitverlauf in randomisierten plazebokontrollierten Studien im Indikationsgebiet der rheumatoider Arthritis, die zur Arzneimittelzulassung geeignet waren, zunimmt.


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    Die Autoren durchsuchten die Datenbank des Cochrane Controlled Trials Register nach randomisierten plazebokontrollierten Studien(RCTs) mit biologischen und zielgerichteten „disease modifying antirheumatic drugs“ (bDMARDs und tsDMARDs), die in Großbritannien zur Behandlung der rheumatoiden Arthritis zugelassen waren. Die Stichworte lauteten: rheumatoide Arthritis (RA) zusammen mit Infliximab, Etanercept, Adalimumab, Certolizumab, Golimumab, Canakinumab, Tocilizumab, Sarilumab, Abatacept, Rituximab, Tofacitinib, Baricitinib und Upadacitinib.

    Publikationen in englischer Sprache zu Phase II und Phase III Studien wurden ausgewählt. Ausgeschlossen wurden Studien, in denen die Patienten bisher nicht mit konventionell synthetischen DMARDS behandelt worden waren, keine Basis csDMARD-Therapie erhielten oder bereits Erfahrungen mit Biologika hatten sowie keine Plazebogruppe als Kontrolle eingeschlossen war. Primäres Studienergebnis war das Ansprechen auf die Behandlung gemäß den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR) ACR20, ACR50 und ACR70 im Zeitverlauf.

    Die Literaturrecherche ergab insgesamt 1828 Studien, von denen 141 Phase II- und Phase III- Studien waren. Insgesamt wurden 109 Studien aus den oben genannten Gründen ausselektiert, sodass 32 Studien in die Auswertung gelangten. Von den 32 ausgewählten Studien wurden in 15 Studien TNF-α-Hemmer getestet, in 4 der IL-6-Rezeptorantagonist Tocilizumab und in 2 Studien der T-Zell-Aktivierungshemmer Abatacept untersucht. In 2 Studien wurde Rituximab und in 9 Studien Janus-Kinase-Inhibitoren gegen Plazebo verglichen. Im Untersuchungszeitraum von 1999 bis 2018 gab es keinen signifikanten Trend in Bezug auf Alter oder Geschlecht der Patienten im Plazebo-Arm. Die Krankheitsdauer, die Anzahl der geschwollenen Gelenke und der DAS28 (Disease Activity Score 28) unter Einbeziehung der Blutsenkungsgeschwindigkeit zu Studienbeginn, nahmen im Laufe des Untersuchungszeitraums signifikant ab. Es gab einen statistisch signifikanten Anstieg der Plazebo-ACR50- und ACR70-Reaktionen im Untersuchungszeitraum von 1999 bis 2018. Dieser Effekt blieb auch nach Korrektur von Alter, Geschlecht, Krankheitsdauer sowie geschwollener und druckschmerzhafter Gelenke signifikant.

    Fazit

    In den letzten 2 Jahrzehnten hat die Plazebo-Reaktion in klinischen RA-Studien zugenommen. Möglicherweise beruht dieses Phänomen auf einer Veränderung im RA-Phänotyp, in Änderungen des Studiendesigns und einem Bias hinsichtlich der Erwartung. Aber dieser Befund hat nach Auffassung der Autorinnen und Autoren Einfluss auf den Vergleich neuartiger mit etablierten Substanzen und sollte von Ärzten bei der Evaluation verschiedenartiger Therapien beachtet werden.

    Richard Kessing, Zeiskam


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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    18. Juni 2020

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    Stuttgart · New York