Einleitung
Das spinozelluläre Karzinom stellt den am zweithäufigsten diagnostizierten Hauttumor
in Deutschland dar. Die Inzidenz nicht melanozytärer Hauttumoren ist weltweit steigend
und Prognosen gehen davon aus, dass sich die Inzidenzrate bis 2032 verdoppeln wird
[1]. Das spinozelluläre Karzinom entwickelt sich i. d. R. aus Vorläufern, den aktinischen
Keratosen. Der Übergang von aktinischen Keratosen zum spinozellulären Karzinom ist
klinisch nicht immer klar zu erkennen. Insbesondere im Rahmen der Therapie der aktinischen
Keratosen (AK) gewinnt die Tageslicht-PDT (DL-PDT) zunehmend an Bedeutung gegenüber
der klassischen PDT. Man unterscheidet weiterhin eine Tageslicht-PDT mittels natürlicher
solarer Strahlung sowie eine Therapie unter kontrollierter Lichtdosis einer LED-Lampe
mit ausgewählten Lichtspektren. Die zweite Therapiemodalität bietet den Vorteil einer
ganzjährigen Durchführung unabhängig von der tagesaktuellen Wetterlage.
Derzeit ist die PDT nicht zur Behandlung von invasiven spinozellulären Karzinomen
zugelassen. Weiterhin gilt als Goldstandard die chirurgische Exzision mit histologisch
tumorfreien Rändern.
In der S3-Leitlinie von Dezember 2018 zu aktinischen Keratosen und Plattenepithelkarzinomen
der Haut ist bisher keine neoadjuvante (DL)-PDT vor operativer Exzision beschrieben.
Kasuistik
Ein 82-jähriger männlicher Patient stellte sich mit Feldkanzerisierung und Cornu cutaneum
an der rechten parietalen Kopfhaut in unserer Sprechstunde vor.
Es erfolgte eine Probenentnahme an der rechten parietalen Kopfhaut bei Verdacht auf
ein spinozelluläres Karzinom. Aufgrund der Tumorgröße und Lokalisation erfolgte nach
Bekanntwerden der Histologie „hochdifferenziertes verhornendes Plattenepithelkarzinom
der Haut“ eine Vorstellung zur stationären Operation in einer nahegelegenen Hautklinik.
Ein stationärer Aufenthalt wurde vom Patienten im Folgemonat abgelehnt. Daraufhin
stellte sich der Patient erneut in unserer Sprechstunde vor. Das klinische Bild bei
erneuter Vorstellung zur OP-Planung ist in [Abb. 1] abgebildet. Um bei unklarer Flächenausdehnung des Tumors den Sicherheitsabstand
besser bestimmen zu können, wurden mittels einer neoadjuvanter DL-PDT die umliegenden
aktinischen Keratosen behandelt. Diese waren klinisch nicht sicher vom Tumor zu unterscheiden.
Hierdurch wurde klinisch eine Abgrenzung des eigentlichen Tumors von den aktinischen
Vorstufen deutlich. Es erfolgte eine kleinere Exzision des Tumors mit Sicherheitsabstand.
Abb. 1 Befund bei OP-Planung AKASI 6,6.
Therapie
Aufgrund der starken Verhornung löste der Patient einige Tage vor der DL-PDT mit einer
Salicylvaseline 1× täglich die Hyperkeratosen auf der betroffenen Kopfhaut.
Die erste DL-PDT Behandlung erfolgte 6 Wochen nach Erstdiagnose. Zunächst wurden mittels
Kürettage die über das Hautniveau stehenden Keratosen gelöst. Im Anschluss kam eine
20 %-ALA-Rezeptur zur Anwendung. Nach 15-minütiger Einwirkzeit erfolgte die Belichtung
mittels 415 nm, 585 nm und 635 nm MultiLite® Daylight PDT-Lampe (GME, Deutschland) für 35 Minuten mit einer Lichtdosis von 48 J/cm2.
Zwei Wochen später fand die ambulante Nachexzision des verbliebenen Tumors parietal
rechts mit 3 mm Sicherheitsabstand mit mikrografischer Schnittrandkontrolle statt
([Abb. 2], [Abb. 3]).
Abb. 2 Tumorrest nach 1. DL-PDT am Exzisionstag, Exzisionsareal markiert.
Abb. 3 Wunde 14 Tage postoperativ, nach Fadenzug.
Eine zweite und dritte adjuvante DL-PDT zur weiteren Behandlung verbliebener AK an
der gesamten Kopfhaut unter Wiederholung des oben beschriebenen Behandlungsschemas
fanden jeweils 2 und 3 Monate nach der ersten DL-PDT Therapie statt ([Abb. 4], [Abb. 5]). Nach Abschluss der dritten PDT fiel parietal links ein hyperkeratotischer Knoten
auf, welcher sich als weiteres Plattenepithelkarzinom erwies ([Abb. 6]). Zeitnah erfolgte die Exzision des zweiten Tumors parietal links ([Abb. 7]).
Abb. 4 Reizlose Narbe 3 Wochen nach zweiter DL-PDT.
Abb. 5 Reizlose Narbe 3 Wochen nach dritter DL-PDT.
Abb. 6 3 Wochen nach dritter DL-PDT, neuer hyperkeratotischer Knoten parietal links, Probeexzisionsstelle
markiert, AKASI 2,0.
Abb. 7 14 Tage postoperativ parietal links, nach Fadenzug.
Histopathologischer Befund
Histopathologischer Befund
Probe parietal rechts Probebiopsie
Von der Oberfläche ausgehende breite, plumpe Zapfen aus wechselnd differenzierten
Keratinozyten, die zum Zentrum wie auch individuell verhornen. In den basalen epithelialen
Anteilen wechselnde Kernpleomorphie und z. T. atypische Mitosen. Infiltration des
Tumors in die Dermis. Der Tumor ist umgeben, zum Teil auch infiltriert, durch ein
vorwiegend mononukleäres Zellinfiltrat. Die umgebende subpapilläre Dermis zeigt eine
basophile Degeneration des Bindegewebes.
Es wurde die Diagnose eines hochdifferenzierten verhornenden Plattenepithelkarzinoms
der Haut mit vertikaler Eindringtiefe von mindestens 3,8 mm (pT1aNxMx) gestellt. Klassifikation
nach UICC 2017 pT1NxMx.
Nachexzidat parietal rechts nach erster DL-PDT
Das Exzidat des Tumors nach der ersten DL-PDT zeigte mikroskopisch eine ortstypische
Epidermis, im Corium straffes, überwiegend horizontal orientiertes Bindegewebe sowie
zahlreiche kapilläre Gefäßstrukturen und fokal entzündliche Infiltrate. Erneut konnte
die Diagnose eines Plattenepithelkarzinoms mit vertikaler Eindringtiefe 3,8 mm gestellt
werden. Ferner stellten sich die lateralen und tiefen Resektatränder frei von Tumorrest
dar. Klassifikation nach UICC 2017 pT1NxMx.
Probe parietal links nach drei DL-PDT
Von der Oberfläche ausgehende breite, plumpe Zapfen aus wechselnd differenzierten
Keratinozyten, die zum Zentrum wie auch individuell verhornen. In den basalen epithelialen
Anteilen wechselnde Kernpleomorphie und zum Teil atypische Mitosen. Infiltration des
Tumors in die Dermis. Der Tumor ist umgeben, zum Teil auch infiltriert, durch ein
vorwiegend mononukleäres Zellinfiltrat. Die umgebende subpapilläre Dermis zeigt eine
basophile Degeneration des Bindegewebes. Es wurde die Diagnose eines invasiven, hochdifferenzierten,
verhornenden Plattenepithelkarzinoms der Haut mit einer Tumordicke von 2,4 mm gestellt.
Klassifikation nach UICC 2017 pT1NxMx.
Nachexzidat parietal links
Regelhafte Epidermis. Im Bereich des Coriums findet sich eine Vermehrung straffen,
horizontal orientierten kollagenen Bindegewebes. Vertikal dazu orientieren sich zahlreiche
Gefäßstrukturen. Im Zentrum des Präparates noch Anteile des zuvor exzidierten Tumors,
lateral und zur Tiefe in toto exzidiert, im Randbereich Veränderungen im Sinne aktinischer
Keratosen. Klassifikation nach UICC 2017 pT1NxMx.
Diskussion
Die neoadjuvante PDT bietet vielversprechende Ergebnisse in Hinsicht auf kosmetische
Aspekte bei weißen Hautkrebsen, insbesondere den Basalzellkarzinomen, ohne onkologische
Prinzipien zu verletzen [2]
[3]
[4]
[5]. Es werden jedoch weitere Studien hinsichtlich spinozellulären Karzinomen benötigt.
Die im Folgenden genannten Studien sind nur bedingt vergleichbar, da keine einheitliche
Wellenlänge und Lichtdosis, unterschiedliche Prophyrin-Derivate sowie eine variierende
Anzahl an und Abstand von einzelnen PDT-Sitzungen angewandt wurden.
In unserem Fall ermöglichte die neoadjuvante DL-PDT eine Abgrenzung des Tumors von
umliegender flächiger Feldkanzerisierung. Im Anschluss konnte in einzeitigem Vorgehen
eine R0-Resektion erfolgen. Ein ähnliches Vorgehen beschrieben Jeremic et al. in ihrer
Studie an 33 Basalzellkarzinomen und 26 spinozellulären Karzinomen unter Anwendung
der konventionellen 10 % ALA-PDT [4]. Die von uns gewählte DL-PDT gilt als nebenwirkungsärmer im Sinne der Schmerzhaftigkeit
als die klassische PDT bei gleicher Effektivität [6]. Des Weiteren bietet die von uns gewählte artifizielle Tageslichtquelle die Möglichkeit,
die Therapie auch im Winter zu beginnen.
Jeremic et al. bemerkten bei 22 von 26 Patienten eine komplette Remission des Tumorgewebes
[4]. Auch Gilaberte et al. konnten erfolgreich 3 invasive SCC mit MAL-PDT behandeln.
Die Gründe für ein Nichtansprechen der MAL-PDT bei 2 Patienten sowie das Fortschreiten
bis zur Metastasierung bei einem Patienten wurden untersucht. Die Autoren gehen in
diesen Fällen von einer Selektion der PDT-resistenten Zellen aus, welche sich histologisch
aggressiver, fibroblastischer und weniger differenziert darstellten [7]. Klinisch war das Ansprechen auf die PDT nicht voraussehbar, wohingegen der histologische
Nachweis eines entzündlichen lymphozytären Infiltrates mit einem guten Ansprechen
auf die MAL-PDT einherging [7].
Ferner ist die benötigte Anzahl an PDT-Behandlungen vor der Exzision von Interesse.
Jeremic et al. beobachten keine weitere Reduktion der Tumorlast nach 3 PDT-Behandlungen
à 2 × 20 Minuten mit einer Rotlichtlampe (633 nm) im Abstand von 4 Wochen [4]. Auch in unserem Fall war nach 3 DL-PDT-Sitzungen weiterhin parietal links ein hyperkeratotischer
Knoten auffällig, welcher ebenfalls exzidiert werden musste. Als neoadjuvante DL-PDT
kann definitionsgemäß in unserem Fall nur die erste DL-PDT Sitzung des spinozellulären
Karzinoms parietal rechts bezeichnet werden. Die jeweils zweite und dritte DL-PDT Therapiesitzungen nach Exzision
parietal rechts sind als adjuvant zu bezeichen. Bezogen auf das spinozelluläre Karzinom parietal
links sind jedoch alle drei DL-PDT Sitzungen als neoadjuvant zu bezeichen.