Gastroenterologie up2date 2020; 16(03): 237-254
DOI: 10.1055/a-1129-9368
Spezielle Themen

Differenzialdiagnostik und Therapie des akuten Abdomens

Olga Radulova-Mauersberger
,
Jochen Hampe
,
Jürgen Weitz
,
Stefan Sulk
 

Das „akute Abdomen“ – ein Begriff, der eher einen Zustand als eine konkrete Diagnose beschreibt – ist ein potenziell lebensbedrohliches Krankheitsbild mit akut einsetzender abdomineller Symptomatik. Es bedarf einer schnellen interdisziplinären Abklärung und meist einer chirurgischen Behandlung. Dieser Beitrag gibt einen Überblick über häufige Differenzialdiagnosen und das therapeutische Vorgehen beim akuten Abdomen.


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Abkürzungen

APC-Resistenz: Resistenz gegen aktiviertes Protein C
CDD: Classification of Diverticular Disease
CRP: C-reaktives Protein
CT: Computertomografie
ERCP: endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie
HE: Hounsfield-Einheiten
HIV: Human Immunodeficiency Virus
KM: Kontrastmittel
MRT: Magnetresonanztomografie
NSAR: nichtsteroidales Antirheumatikum
PCT: Procalcitonin
WON: Walled-off Necrosis
 

Einführung und Epidemiologie

Bauchschmerzen sind mit 7 – 10% der dritthäufigste Vorstellungsgrund in einer interdisziplinären Notaufnahme. Die klassischen Leitsymptome des akuten Abdomens sind Bauchschmerzen mit oder ohne Abwehrspannung und Paralyse, einhergehend mit einem sich verschlechternden Allgemeinbefinden. Dabei gilt es, bei ausgeprägter Schmerzsymptomatik mit zunehmender Schmerzintensität eine lebensbedrohliche Notfallsituation zu erkennen. Hier ist ein schneller Workflow erforderlich, denn die Prognose hängt von der zeitlichen Entwicklung der ursächlichen Erkrankung ab [1]. Für den Behandlungserfolg ist die Zeitdauer zwischen Symptombeginn, Diagnosestellung und Therapie essenziell.

Zahlreiche Krankheitsbilder können die Ursache eines akuten Abdomens sein. Daher spielt trotz aller modernen Bildgebung das Wissen um die Zusammenhänge von Klinik, Labor- und Untersuchungsergebnissen eine wichtige Rolle. Noch wichtiger ist aber die Fähigkeit, mittels gezielter klinischer Untersuchung die mögliche Ursache weiter einzugrenzen und so die entsprechende bildgebende Diagnostik rasch einzuleiten. Hier sind die Sonografie als Bedside-Diagnostik und die CT die Methoden der Wahl. Die größte publizierte epidemiologische Studie der OMGE (World Gastroenterology Organization) untersuchte 10 320 Patienten mit akutem Abdomen. Dabei wurden als häufigste Ursachen die akute Appendizitis (28,1%) und die akute Cholezystitis (9,7%) detektiert. Bei 34% der Patienten konnte keine Ursache für die Abdominalschmerzen diagnostiziert werden und sie wurden bei unspezifischen Bauchschmerzen symptomatisch behandelt [2].

Auch systemische und extraabdominelle Ursachen können wie ein akutes Abdomen imponieren. So stellen sich regelhaft Patienten mit Bauchschmerzen vor, deren Ursache in einer Pneumonie oder gar einem akuten Myokardinfarkt liegt. Häufige gynäkologische Ursachen für Bauchschmerzen wie Extrauteringraviditäten oder rupturierte Ovarialzysten sollen in diesem Artikel lediglich erwähnt werden.

Cave

Jeder akute Bauchschmerz kann potenziell eine lebensbedrohliche Ursache haben. Die schnelle diagnostische Abklärung ist für die Prognose von grundlegender Bedeutung.

Im Folgenden werden Krankheitsbilder vorgestellt, die als Ursachen eines akuten Abdomens infrage kommen ([Abb. 1]). Dabei haben wir versucht, einen viszeralchirurgisch-gastroenterologischen Schwerpunkt zu setzen und häufige, klinisch relevante Ursachen vorzustellen. Die Einteilung erfolgt nach der Schmerzlokalisation, denn sie gibt einen ersten Hinweis auf die mögliche Diagnose. Nicht weiter beleuchten wollen wir in diesem Artikel spezielle Erkrankungen aus dem Bereich der Urologie und Gynäkologie sowie kardiale und pneumologische Erkrankungen.

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Abb. 1 Häufige Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens nach Lokalisation.

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Rechter Oberbauch

Akute Schmerzen im rechten Oberbauch weisen am häufigsten auf hepatobiliäre Ursachen oder auf Pathologien im Magen oder Duodenum hin. Die Anamnese sollte sich auf bekannte Vorerkrankungen in diesem Bereich fokussieren. Dabei sollten auch pulmologische und kardiale Differenzialdiagnosen ausgeschlossen werden.

Akute Cholezystitis

Die häufigste Ursache für die akute Cholezystitis ist ein obstruierendes Konkrement im Ductus cysticus, welches zu Stauung und in 20% der Fälle zu bakterieller Superinfektion führt [3], [4].

Merke

Die akute Cholezystitis ist die dritthäufigste Ursache für akute Abdominalschmerzen.

Klinik und Diagnostik

Das klinische Bild hängt vom Schweregrad der Erkrankung ab. Typische Symptome sind kolikartige, plötzlich einsetzende Schmerzen, gefolgt von Dauerschmerzen im rechten Oberbauch. Gegebenenfalls besteht eine Schmerzausstrahlung in den Bereich des rechten Schulterblattes (Head-Zone). Die Patienten berichten häufig von Übelkeit, Erbrechen und Gallenkolik-Episoden in der Anamnese.

Klinisch findet sich ein Druckschmerz im rechten Oberbauch, verstärkt bei tiefer Inspiration (Murphy-Zeichen), und in manchen Fällen lokale Abwehrspannung. Laborchemisch sind die Entzündungswerte oft bereits bei der Initialvorstellung erhöht (Leukozyten und C-reaktives Protein [CRP]), häufig sind auch die Cholestaseparameter (alkalische Phosphatase und γ-Glutamyl-Transferase) ausgelenkt.

Die Sonografie ist mit 81% Sensitivität und 83% Spezifität das bildgebende Verfahren, das bei der Diagnostik der akuten Cholezystitis am häufigsten zur Anwendung kommt [5]. Die Untersuchung ist breit verfügbar, weist keine Strahlenbelastung auf und ist kostengünstig. Es zeigt sich das typische Bild mit Dreischichtung und Verdickung der Gallenblasenwand, Gallenblasenhydrops, Nachweis von Konkrementen im Gallenblasenlumen und in manchen Fällen ein schmaler Flüssigkeitssaum um die Gallenblase. Bei Verdacht auf Choledocholithiasis wird die Endosonografie in ERCP-Bereitschaft (endoskopische retrograde Cholangiopankreatikografie) mit einer Sensitivität von 90% zur Diagnostik empfohlen [6].

Merke

Eine entsprechende Anamnese, die typische Klinik und der sonografische Nachweis sind ausreichend für die Diagnosestellung einer akuten Cholezystitis.

Die Ultraschalluntersuchung ist jedoch stark vom Patientenhabitus und der Expertise des Untersuchers abhängig [5]. Bei unklarem Befund kann anschließend eine CT erfolgen, welche zugleich der Abklärung weiterer Differenzialdiagnosen dient. Die MRT findet bei jungen oder schwangeren Patienten Anwendung und hat eine hohe Sensitivität (85%) und Spezifität (81%) [5].


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Therapie

Die Therapie der akuten Cholezystitis ist die frühzeitige laparoskopische Cholezystektomie innerhalb von 24 h nach stationärer Aufnahme. Abhängig von Schweregrad der Erkrankung, Komorbiditäten und Allgemeinzustand des Patienten kann bei sehr hohem Operationsrisiko eine konservative Therapie mit kalkulierter Antibiose und ggf. Gallenblasendrainage favorisiert werden [6]. Im Falle einer Cholestase infolge Choledocholithiasis erfolgt primär die ERCP mit Sanierung des Gallenganges und frühelektiv während des gleichen stationären Aufenthalts die laparoskopische Cholezystektomie [6].

Fallbeispiel

Cholezystitis


Ein Patient wird von seiner Hausärztin zugewiesen. Er berichtet von Oberbauchschmerzen mit rezidivierenden Schmerzexazerbationen seit etwa 3 Wochen sowie Fieber und allgemeinem Unwohlsein. An Vorerkrankungen bestehen ein Bio-Aortenklappenersatz nach Aortenklappeninsuffizienz Grad III sowie eine chronische Niereninsuffizienz Stadium 3 mit Z. n. Nephrektomie vor 5 Jahren bei polyzystischer Nierenerkrankung.


In der klinischen Untersuchung imponiert ein Druckschmerz im rechten bis mittleren Oberbauch mit positivem Murphy-Zeichen. Das Aufnahmelabor ergibt eine Leukozytose von 11,3 Gpt/l sowie ein CRP von 280 mg/l in Kombination mit einem Procalcitonin (PCT) von 10,4 ng/ml. Die Abdomen-CT zeigt bei bekannten Leberzysten im Vergleich zum Vorbefund eine größenprogrediente Leberzyste im rechten Leberlappen mit ca. 12 cm Durchmesser ([Abb. 2]). Bei neuem Randwall und angehobenen Dichtewerten um 15 HE besteht der Verdacht auf eine Superinfektion. Bei der sonografisch gestützten Drainageanlage können insgesamt 700 ml eitriges Sekret entlastet werden. Zudem fällt eine zwiebelschalenartig geschichtete, bis 8 mm verdicke Gallenblasenwand auf, sodass die abschließende Diagnose lautet: Cholezystitis mit konsekutiv superinfizierter Leberzyste.


Die Therapie erfolgt konservativ mittels Antibiose und regelmäßiger Spülung der Zyste. Darunter sind die Bauchschmerzen im Verlauf komplett regredient. Im Anschluss kann die Drainage gezogen und der Patient beschwerdefrei entlassen werden.

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Abb. 2 In der CT zeigt sich im rechten Leberlappen eine ca. 12 cm große infizierte Leberzyste.

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Magen-/Duodenalperforation

Die häufigste Ursache für eine Magen- oder Duodenalperforation ist das unbehandelte peptische Ulkus. Die zwei wichtigsten Risikofaktoren für die Ulkuserkrankung sind die Helicobacter-pylori-Infektion und die Einnahme von nichtsteroidalen Antirheumatika (NSAR). Die Perforationsstelle liegt bei 60% der Patienten im Duodenum und bei je 20% im Pylorusbereich oder Magen [7].

Klinik und Diagnostik

Anamnestisch berichten die Patienten über einen heftigen plötzlichen Schmerz im Epigastrium, welcher sich rasch im gesamten Abdomen ausbreitet. Klinisch präsentiert sich das Abdomen mit diffuser Abwehrspannung und deutlichem Druckschmerz im Epigastrium/rechten Oberbauch. Laborchemisch finden sich initial kaum pathologische Veränderungen, meistens zeigt sich eine geringgradige Leukozytose und auch eine moderate CRP-Erhöhung. Die Projektionsradiografie (p.–a. oder in Linksseitenlage) wird bei geringer Spezifität von 43% zunehmend von der CT ersetzt.

Merke

Die CT zeigt eine Sensitivität von ≥ 90% bei der Detektion von freier intraabdominaler Luft. Zudem kann auch ein extraluminaler Austritt von oralem Kontrastmittel nachgewiesen werden und somit die Perforationsstelle besser lokalisiert werden [2].

Bei jüngeren Patienten sollte jedoch aufgrund der geringeren Strahlenbelastung zunächst eine Projektionsradiografie erwogen werden [3]. Auch die Sonografie eignet sich zur Detektion von freier Luft.


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Therapie

Die Therapie der Magen- bzw. Duodenalperforation besteht in einer zeitnahen Sanierung des entzündlichen Fokusherdes und Beseitigung der Peritonitis. Die meisten Patienten stellen sich in einem deutlich reduzierten Allgemeinzustand vor. Es ist wichtig, eine symptomatische Therapie – Anlage eines großlumigen venösen Zuganges, ausreichende Volumensubstitution zur hämodynamischen Stabilisierung und adäquate Analgesie – noch während der Diagnostik einzuleiten. In einer Multicenteranalyse an 1292 Patienten konnte gezeigt werden, dass sich das Letalitätsrisiko bei einer Therapieverzögerung von mehr als 24 h um das 7- bis 8-Fache erhöht [7], [18]. Die Therapie besteht in der laparoskopischen oder offenen Ulkusübernähung mit Peritoneallavage. Der Operation schließen sich eine Breitbandantibiose und im weiteren Verlauf ggf. die Helicobacter-pylori-Eradikation an.

Cave

Im Gegensatz zum Duodenalulkus erfolgt bei einem perforierten Magenulkus immer eine Ulkusexzision zur Histologiegewinnung (Ausschluss perforiertes Magenkarzinom).

Fallbeispiel

Hohlorganperforation

Ein 50-jähriger Mann wird vom Notarzt mit seit einigen Stunden bestehenden, heftigen und an Intensität zunehmenden diffusen Abdominalschmerzen in der Notaufnahme vorgestellt. Der Patient berichtet von Erbrechen und Übelkeit seit einem Tag. Er ist hämodynamisch stabil, tachykard (110/min) und beklagt starke Bauchschmerzen. Begleiterkrankungen werden verneint. Er berichtet jedoch von einer vermehrten Ibuprofen-Einnahme nach einer Sportverletzung des Beines vor 2 Wochen.

Klinisch besteht eine diffuse Abwehrspannung im gesamten Abdomen. Sonografisch findet sich bei adipositasbedingter eingeschränkter Beurteilbarkeit etwas freie Flüssigkeit im Bauch. Laborchemisch fallen eine Leukozytose und eine geringe CRP-Erhöhung auf. In der CT zeigt sich reichlich freie intraabdominelle Luft als Hinweis auf eine Hohlorganperforation. Der Patient wird unverzüglich in den OP verbracht.


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Rechter Unterbauch

Die häufigste Differenzialdiagnose im rechten Unterbauch ist die akute Appendizitis. Viele gynäkologische und urologische Ursachen präsentieren sich jedoch mit ähnlichen Symptomen. Bei Frauen müssen Schwangerschaft und Extrauteringravidität, Ovarialzystenruptur und Adnexitis ausgeschlossen werden. Eine konsiliarische gynäkologische Mitbetreuung sollte bei Unterbauchschmerzen immer erfolgen. Wenn eine Erythrozyturie vorliegt, ist zudem ein Harnleiterkonkrement auszuschließen.

Akute Appendizitis

Die häufigste Ursache für die akute Appendizitis ist die intraluminale Obstruktion durch einen Koprolithen oder lymphoide Hyperplasie und in der Folge transmurale Inflammation durch bakterielle Besiedlung. Escherichia coli und Bacteroides spp. werden im Rahmen der akuten Appendizitis in der Mehrzahl nachgewiesen. Die Prävalenz beträgt ca. 100/100 000 Einwohner.

Merke

Die akute Appendizitis ist bei Patienten unter 50 Jahren die häufigste Ursache für ein akutes Abdomen [1], [8].

Klinik und Diagnostik

Die typische Anamnese beinhaltet periumbilikale Schmerzen, später betont im rechten Unterbauch. Wegweisende klinische Zeichen sind lokale Abwehrspannung mit Druckschmerz am McBurney- und Lanz-Punkt sowie das positive Blumberg- und Rovsing-Zeichen. Die Anamnese und das klinische Untersuchungsbild in Kombination mit der paraklinischen Untersuchung (Leukozytose und moderate CRP-Erhöhung) weisen auf eine akute Appendizitis hin – sie sind in der Regel ausreichend für die Diagnosestellung.

Die Ultraschalluntersuchung hat bei der Diagnosestellung eine Sensitivität von 86% und eine Spezifität von 81% [8]. Abhängig von Patientenhabitus und Expertise des Untersuchers kann der sonografische Nachweis einer Kokarde (Dreischichtung der Appendixwand), ggf. mit freier Flüssigkeit im rechten Unterbauch, die Diagnose weiter untermauern. Die CT hat eine hohe Sensitivität von 92% und kann zusätzliche Informationen zum Vorliegen einer Abszedierung oder Perforation liefern [8]. Aufgrund der Strahlenbelastung sollte sie bei den oft jüngeren Patienten aber zurückhaltend angewandt werden. Die MRT kann im Ausnahmefall als zusätzliches bildgebendes Verfahren bei schwangeren und jüngeren Patientinnen und Patienten angewandt werden. Differenzialdiagnostisch kann die Appendizitis durch die Lagevariationen der Appendix verschiedene gastrointestinale Erkrankungen imitieren.


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Therapie

Die Therapie ist die laparoskopisch-operative Entfernung der entzündeten Appendix. In der Literatur finden sich auch Daten zur alleinigen Antibiotikatherapie. In einer Metaanalyse randomisiert-kontrollierter Studien wurde die konservative mit der operativen Therapie verglichen: Die Antibiotikatherapie zeigte sich effektiv, jedoch mussten 25 – 30% der Patienten im 1-Jahres-Follow-up erneut stationär behandelt oder operiert werden.

Merke

Aufgrund der geringeren längerfristigen Effektivität der konservativen Therapie ist die laparoskopische Appendektomie bei Diagnosestellung indiziert.

Ein konservativer Therapieversuch bei unkomplizierter Appendizitis erscheint nach aktueller Datenlage möglich, sollte jedoch nur bei ausgewählten Patienten nach ausführlicher Aufklärung über mögliche Komplikationen und Rezidive erfolgen [9].


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Linker Oberbauch

Isolierte Schmerzen im linken Oberbauch sind selten. Mögliche Ursachen hierfür können z. B. Divertikulitis des Kolons, Magenperforation, Pankreatitis oder Colitis ulcerosa sein. Eine häufige Folge abdomineller Traumen ist die Milzruptur. Seltener kommt es zu entzündlichen Veränderungen der Milz.

Milzinfarkt und Milzabszess

Bei akut einsetzenden Schmerzen im linken Oberbauch, ggf. assoziiert mit Übelkeit, Erbrechen oder Fieber, sollte ein Milzinfarkt ausgeschlossen werden. Besonders thromboembolische Erkrankungen wie das Vorhofflimmern, ein Vorhofseptumdefekt oder Herzklappenerkrankungen können mit einem Milzinfarkt assoziiert sein. Auch Patienten mit prothrombotischen Hämostasestörungen wie der APC-Resistenz, dem Antiphospholipid-Syndrom oder maligner Grunderkrankung sind prädisponiert. Zudem gilt die Splenomegalie, z. B. im Rahmen hämatologischer Grunderkrankungen, als Risikofaktor.

Septische Embolien mit konsekutivem Milzabszess treten bei Endokarditiden oder anderen bakteriellen Entzündungen wie Pneumonien und Pyelonephritiden auf. Staphylokokken und Streptokokken sind die häufigsten bakteriellen Erreger. Hämatologische Grunderkrankungen, die mit prolongierten Neutropenien einhergehen, sind ebenfalls mit Milzabszessen assoziiert. Dann sind zusätzlich humanpathogene Pilze als Erreger zu berücksichtigen. Differenzialdiagnostisch soll eine HIV-Erkrankung ausgeschlossen werden.

Klinik und Diagnostik

Neben Schmerzen in klassischer Lokalisation kann Fieber hinzutreten. Die pleurale Reizung kann Thoraxschmerzen bis in die linke Schulter und Schluckauf verursachen. Bei Zustand nach Trauma muss eine sekundäre Milzruptur mit in die differenzialdiagnostischen Überlegungen eingeschlossen werden.

Eine rasche Diagnose gelingt mittels Bildgebung. Neben der kontrastmittelverstärkten CT, die einen Infarkt sicher detektieren kann, hat sich als Alternative die Sonografie mit Kontrastmittel (KM) bewährt ([Abb. 3]). In der B-Bild-Sonografie ohne KM können frische Infarkte übersehen werden. Abszesse sind meist rundlich, können Lufteinschlüsse aufweisen und bleiben typischerweise in der KM-Darstellung ausgespart. Kleinere Milzinfarkte stellen sich aufgrund der Aufzweigung der A. lienalis von zentral nach peripher fast immer keilförmig dar. Bei größeren infarzierten Arealen kann die klassische Keilform verloren gehen.

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Abb. 3 B-Bild-Sonografie mit Kontrastmittel-Darstellung (jeweils die rechte Teilabbildung). a Milzabszess durch humanpathogene Pilze. b Ausgeprägter Milzinfarkt.

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Therapie

Ein unklarer Milzinfarkt oder -abszess bedürfen einer weiteren Ursachenabklärung. Dabei sind Hämostasestörungen, Vorhofflimmern und ein septischer Fokus, besonders eine Endokarditis, auszuschließen. Gegebenenfalls ist eine Antikoagulation nötig. Eine suffiziente Analgesie gelingt in der Regel mit Nichtopioiden, die Schmerzen sistieren unter Therapie im Verlauf der nächsten Wochen. Beim reinen Milzabszess ist nach der Abnahme von Blutkulturen eine Breitbandantibiose nötig, die im Verlauf resistenzgerecht deeskaliert werden kann. Bei größeren Verhalten ist die Splenektomie sinnvoll, bei singulären Verhalten kann auch eine Entlastung mittels Spülung oder Drainageeinlage erwogen werden.

Merke

Bei Milzinfarkt oder -abszess sollten ein septischer Fokus, eine Herzrhythmusstörung sowie eine hämatologische Grunderkrankung erwogen werden.


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Linker Unterbauch

Schmerzen im linken Unterbauch liegt häufig eine Sigmadivertikulitis zugrunde. Auch bei dieser Schmerzlokalisation sollten die bereits erwähnte gynäkologische Vorstellung und der Ausschluss eines Konkrementes der ableitenden Harnwege erfolgen. Zusätzlich sollen die Leisten beidseits sorgfältig auf eine inkarzerierte Leisten- oder Femoralhernie als mögliche Ursache für die Beschwerden untersucht werden.

Sigmadivertikulitis

Die Sigmadivertikulose ist eine erworbene Herniation der Mukosa und Submukosa durch präformierte Schwachstellen („Loci minoris resistentiae“) der versorgenden Gefäße (Vasa recta). Im Sigma finden sich zahlreiche versorgende Gefäße, was auch den Grund für das häufige Auftreten einer Divertikulose in diesem Bereich darstellt. Risikofaktoren für die Entstehung der Sigmadivertikulose sind verminderte Darmmotilität, erhöhter intraluminaler Druck und genetische Prädisposition. Die Prävalenz liegt in der westlichen Welt bei Patienten < 50 Jahre bei 13% und steigt mit zunehmendem Alter auf über 50% bei ≥ 70-Jährigen. Bei der Sigmadivertikulitis kommt es zur Stuhlretention in den Divertikeln und in der Folge zur lokalen Irritation [16].

Klinik und Diagnostik

Patienten mit Sigmadivertikulitis klagen über anhaltende dumpfe Schmerzen im linken Unterbauch. Klinisch besteht lokalisiert, in manchen Fällen auch im gesamten Unterbauch, ein Druckschmerz bis hin zu einer lokalen Abwehrspannung. Begleitend finden sich subfebrile Temperaturen und erhöhte Entzündungswerte (Leukozytose und CRP). Aufgrund des klinischen Befundes wird die Sigmadivertikulitis auch „linksseitige Appendizitis“ genannt.

Zur weiteren Diagnosesicherung soll zunächst eine sonografische Untersuchung erfolgen. Bei unkomplizierter Divertikulitis hat sie eine Sensitivität von 96%. Beim Vorliegen von Komplikationen wie Fisteln und Abszessen oder Perforation ist die Diagnosestellung mit Ultraschall bei einer Sensitivität von 77% deutlich erschwert. Die CT mit i. v. Kontrastmittelapplikation hat eine höhere Sensitivität von 99% hinsichtlich Komplikationen und möglichen Differenzialdiagnosen. Die MRT hat keine breite Anwendung, sie kann bei jüngeren oder schwangeren Patienten mit lokaler oder diffuser Peritonitis erwogen werden.


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Therapie

Die Therapie der Sigmadivertikulitis richtet sich nach dem Stadium der Erkrankung. Die aktuelle Leitlinie empfiehlt die Anwendung der CDD (Classification of Diverticular Disease) im klinischen Alltag ([Tab. 1]). Bei Patienten mit gedeckt perforierter Divertikulitis und parakolischen Abszessen können zunächst eine interventionelle Drainage und eine Antibiotikatherapie erfolgen. Eine Ausnahme stellen hierbei immunkompromittierte Patienten dar, z. B. nach Organtransplantation, Langzeittherapie mit Kortikosteroiden oder mit hämatoonkologischen Erkrankungen. Bei diesen Patienten ist die operative Fokussanierung dringend indiziert.

Tab. 1 Klassifikation der Divertikelkrankheit modifiziert nach „Classification of Diverticular Disease“ (CDD) der S2k-Leitlinie der Divertikelkrankheit/Divertikulitis [10].

Typ

Definition

Symptomatik

Therapie

Typ 0

asymptomatische Divertikulose

asymptomatisch – Zufallsbefund

keine Therapie

Typ 1a und b

Divertikulitis ohne oder mit phlegmonöser Umgebungsreaktion

Bauchschmerzen, kein akutes Abdomen

konservative Therapie, ggf. Antibiose

Typ 2a

gedeckte Perforation, ggf. kleiner Abszess

akutes Abdomen

Antibiose, ggf. interventionelle Drainage, ggf. Sigmaresektion

Typ 2b

großer Abszess (> 1 cm)

Typ 2c

freie Perforation mit Peritonitis

Notfall-Sigmaresektion

Typ 3

chronische Divertikelkrankheit

kein akutes Abdomen

elektive operative Therapie bei Komplikationen wie Stenosen und Fisteln

Typ 4

Divertikelblutung

Notfall-OP oder früh elektive Operation

Merke

In allen Fällen mit freier Perforation und Peritonitis besteht die Indikation zur Notfalloperation unmittelbar nach der Diagnosestellung.

Der Eingriff sollte als Sigmaresektion mit primärer Wiederherstellung der Kontinuität und ggf. protektivem Ileostoma erfolgen. Es gibt keine evidenzbasierte Empfehlung, ob der Eingriff laparoskopisch oder offen durchgeführt werden soll; das Vorgehen hängt von der Expertise des Operateurs ab. Bei septischen Patienten mit Komorbiditäten und erhöhtem Komplikationsrisiko kann im ersten Schritt auf die primäre Anastomosierung verzichtet werden und eine Diskontinuitätsoperation nach Hartmann erfolgen [10].

Die Sigmadivertikelblutung (Typ 4) kann bei einigen Patienten mit Abdominalschmerzen einhergehen. Die Diagnostik und Therapie (z. B. Clipping) bei unterer gastrointestinaler Blutung erfolgen primär endoskopisch. Sollte die Blutungsquelle endoskopisch nicht detektiert werden, wird eine CT-Angiografie zur Blutungssuche empfohlen [10].


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Periumbilikale Schmerzen

Akute Pankreatitis

Eine mögliche Ursache für Bauchschmerzen im mittleren Oberbauch ist die akute Pankreatitis. Sie kann als Erstmanifestation oder als akuter Schub einer chronischen, vorbestehenden Entzündung auftreten. Im letzteren Fall sind typischerweise bereits chronische Veränderungen in der Bildgebung zu erkennen. Die akute Pankreatitis ist definiert als akuter entzündlicher Prozess des Pankreas. Die Mortalitätsrate liegt bei der interstitiellen ödematösen Pankreatitis um 3%, kommen Nekrosen hinzu, kann die Rate auf 17% und mehr steigen [11].

Eine biliäre Genese mit Verlegung des Ductus choledochus durch Konkremente ist dicht gefolgt von der alkoholinduzierten Pankreas als häufigste Ursachen einer akuten Pankreatitis. Rezidivierende Steinabgänge können, genauso wie ein andauernder Alkoholabusus, zu chronischen Pankreatitiden führen. Andere, zumeist seltene Ursachen einer akuten Pankreatitis sind Medikamente, Viruserkrankungen, Bauchtraumen, eine Hypertriglyzeridämie sowie iatrogene Entzündungen nach ERCP.

Klinik und Diagnostik

Betroffene Patienten klagen über Bauchschmerzen, die typischerweise im Oberbauch lokalisiert sind und in den Rücken strahlen oder als dumpfer Druck imponieren können. Auch Übelkeit und Erbrechen, besonders nach Nahrungsaufnahme, können zum Krankheitsbild gehören.

Die akute Pankreatitis kann in 4 Schweregrade eingeteilt werden, wobei das Vorliegen von Organversagen und (peri-)pankreatischen Nekrosen berücksichtigt wird (s. „[Definition – Schweregrade]“).

Definition

Schweregrade

  • milde akute Pankreatitis: fehlendes Organversagen ohne das Vorliegen (peri-)pankreatischer Nekrosen

  • mäßig schwere akute Pankreatitis: fehlendes oder transientes Organversagen über 48 h und/oder sterile lokale Nekrose

  • schwere akute Pankreatitis: persistierendes Organversagen länger als 48 h oder Vorliegen einer infizierten (peri-)pankreatischen Nekrose

  • kritische akute Pankreatitis: persistierendes Organversagen zusammen mit infizierter (peri-)pankreatischer Nekrose [12]

Zahlreiche Parameter definieren das Vorliegen einer schweren Pankreatitis hinsichtlich des Organversagens und machen eine rasche Verlegung auf eine Intensivstation notwendig. An dieser Stelle sollen instabiler Kreislauf und erhöhte Atemfrequenz genannt werden:

  • Puls: < 40 oder > 150 bpm; systolischer arterieller Blutdruck < 80 mmHg oder mittlerer Druck < 60 mmHg oder diastolischer Druck > 120 mmHg

  • Atemfrequenz > 35/min

Viele weitere Parameter, die unter anderem Auskunft über Bewusstseinszustand oder Nierenfunktion geben, sind an anderer Stelle erfasst [13].

Die revidierte Atlanta-Klassifikation teilt die akute Pankreatitis hingegen nach morphologischen Eigenschaften ein ([Tab. 2]) [11].

Tab. 2 Revidierte Atlanta-Klassifikation der akuten Pankreatitis (modifiziert nach Banks [11]).

Bezeichnung

Definition

interstitielle ödematöse Pankreatitis

akute Pankreatitis mit akuter Entzündung des Pankreas, aber ohne Gewebsnekrose

nekrotisierende Pankreatitis

akute Pankreatitis, die neben der Entzündung des Pankreas auch Gewebsnekrose des Pankreas selbst oder des Umgebungsgewebes aufweist

APFC (acute peripancreatic fluid collection)

peripankreatische Flüssigkeit bei ödematöser Pankreatitis ohne Nekrosen (bis max. 4 Wochen nach Beginn der Pankreatitis) ohne Anzeichen einer peripankreatischen Nekrose oder Pseudozyste

  • vergesellschaftet mit interstitieller ödematöser Pankreatitis

  • homogene Flüssigkeitsansammlung

  • keine detektierbare Kapsel

  • an das Pankreas angrenzend ohne intrapankreatische Ausbreitung

pankreatische Pseudozyste

von einer entzündlichen Wandung umkapselte Flüssigkeitsansammlung außerhalb des Pankreas mit wenig oder keinen Nekroseanteilen; meist 4 Wochen nach Beginn einer Pankreatitis

  • umschrieben und meist rundlich oval

  • homogener Flüssigkeitsverhalt

  • keine festen Anteile

  • komplett abgekapselt

  • Ausreifung i. d. R. frühestens 4 Wochen nach Beginn einer interstitiellen ödematösen Pankreatitis

ANC (acute necrotic collection)

Ansammlung von sowohl Flüssigkeit als auch Nekroseanteilen von Pankreas- oder peripankreatischem Parenchym

  • nur in Vergesellschaftung mit einer nekrotisierenden Pankreatitis

  • keine abgrenzbare Kapsel

  • intra- und/oder extrapankreatisch

WON (walled-off necrosis)

ausgereifte, abgekapselte Ansammlung (peri-)pankreatischen Nekrosegewebes, gut durch eine entzündliche Wand abgegrenzt; i. d. R. Entstehung erst nach 4 Wochen nach Beginn der Pankreatitis

  • flüssige und nicht flüssige Anteile

  • gut abgrenzbare Wand, komplett verkapselt

  • intra- oder extrapankreatisch

  • Ausbildung dauert i. d. R. mind. 4 Wochen ab Beginn der Episode

Die erhöhte Serumlipase in Kombination mit klassischer Klinik oder einem passenden Befund in der Schnittbildgebung oder Sonografie sichert die Diagnose. Morphologische Veränderungen treten aber zumeist frühestens nach 3 Tagen auf. Häufige Befunde sind ein ödematös aufgetriebenes Pankreas, parapankreatische Verhalte, besonders in der Bursa omentalis, sowie Flüssigkeitsstraßen, die in verschiedene Körperregionen ziehen können. Bestehen Entzündungen über eine längere Zeit, so zeigt die Schnittbildgebung auch abgekapselte Pankreasnekrosen, sog. WON („walled-off necrosis“), oder Flüssigkeitsverhalte mit entzündlicher Wandung, sog. Pseudozysten ([Tab. 2]).

Merke

Schwere Verläufe weisen über die Zeit regelhaft lokale Komplikationen in Form von entzündlichen Flüssigkeitsansammlungen oder (peri-)pankreatischen Nekrosen auf.

Nach diesen sollte gesucht werden, wenn Bauchschmerzen, Organdysfunktionen oder Sepsis trotz suffizienter Therapie persistieren [11].


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Therapie

Die Therapie besteht in einer raschen bilanzierten Rehydratation. Diese konnte nachweislich die Mortalität der akuten Pankreatitis senken [13]. Die Substitution von Ringer-Laktat-Lösung konnte in einer kleinen randomisierten Studie weiterhin die Häufigkeit eines SIRS (Systemic Inflammatory Response Syndrome) im stationären Verlauf verringern. Für die Infusionstherapie werden Infusionsraten von 5 – 10 ml/kg Körpergewicht/h bilanzierter Kochsalzlösung angegeben. In den nächsten 48 h muss die Substitutionsrate regelhaft überprüft werden. Hier sollte anhand klinischer und laborchemischer Parameter wie stabilisiertem arteriellem Mitteldruck und Herzfrequenz, Urinproduktion oder Serumkreatinin über die Reduktion der Infusionsrate entschieden werden.

Eine suffiziente Analgesie gelingt mit Opioiden; Buprenorphin als Tablette oder Perfusor ist sicher und erprobt.

Info

Ernährung

Ein Kostaufbau mit fett- und zunächst ballaststoffarmer Kost erfolgt bei guter Verträglichkeit und fehlenden Komplikationen rasch. Komplikationen sind nahrungsabhängige Schmerzen, Übelkeit oder Erbrechen bei entzündlicher Magenausgangsstenose. Treten diese auf, kann ein Kostaufbau von zunächst flüssiger über breiige bis hin zu einer normalen Kost versucht werden. Sollte eine Magenausgangsstenose eine enterale Ernährung unmöglich machen, ist als Ultima Ratio eine nasojejunale Sonde indiziert. Sie ist der parenteralen Ernährung vorzuziehen, wenngleich diese nach Intubation, bei schweren nekrotisierenden Verläufen oder zur Begleitsubstitution einer enteralen Ernährung in manchen Fällen nicht vermieden werden kann.

Eine primäre Antibiose wird auch bei hohen CRP-Werten weder bei ödematöser noch nekrotisierender Pankreatitis empfohlen. Die Entzündung durch Autodigestion ist weitestgehend steril. Erst eine Superinfektion von Verhalten mit steigendem PCT oder extrapankreatische Infektionen, die mit bis zu 20% angegeben werden, weisen eine erhöhte Mortalität auf. Dann sollte neben der Fokussuche auch eine Breitbandantibiose erfolgen [14].

Neue Therapieansätze belegen die Überlegenheit einer möglichst konservativen Therapie für mindestens 4 Wochen. Zeigt sich aber 72 h nach Aufnahme des Patienten weiterhin keine Besserung einer bestehenden septischen Symptomatik, sollten lokale Komplikationen mittels CT und Endosonografie ausgeschlossen werden [11]. In den letzten Jahren hat sich dabei ein vielversprechender interventioneller Therapieansatz mittels transkutaner, transgastraler oder auch transduodenaler Drainage in (peri-)pankreatische Nekrosen oder retroperitoneale Verhalte etabliert ([Abb. 4]). Anschließend besteht die Möglichkeit endoskopischer oder transkutaner Nekrosektomien. Dieses Vorgehen sollte stufenweise eskaliert werden und ist als sog. „Step-up Approach“ bekannt [7]. Es sollte spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben, da insbesondere akute arterielle Blutungen seltene, aber lebensbedrohliche Komplikationen darstellen.

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Abb. 4 Patient mit akuter nekrotisierender Pankreatitis nach Anlage eines Axios-Stents und einer Pigtail-Drainage.
Merke

Neben der Entlastung (peri-)pankreatischer superinfizierter Nekrosen soll auch eine Kolonfistel ausgeschlossen werden. Liegt eine solche vor, ist regelhaft die Versorgung mit einem temporären Stoma indiziert.

Trotz der Erkenntnisse, die in den letzten Jahren bei der Behandlung schwerer nekrotisierender Pankreatitiden gewonnen wurden, bleibt die nekrotisierende Pankreatitis ein bedrohliches Krankheitsbild mit hoher Mortalität.


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Diffuse Lokalisation

Ileus

Der Ileus ist in seiner Ätiologie und seinem klinischen Erscheinungsbild sehr heterogen. Mit dem Begriff wird jede Störung der Darmpassage bis zur vollständigen Lähmung bzw. Obstruktion bezeichnet. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen einem mechanischen und einem paralytischen Ileus. Die Ursache für den mechanischen Ileus ist immer ein vollständiger Lumenverschluss ([Abb. 6]), hingegen sind die Ursachen für das Auftreten eines paralytischen Ileus sehr vielfältig ([Abb. 7]). Durch die Dehnung der Darmwand und ihre Minderperfusion kommt es zur bakteriellen Translokation extraluminal und zur Peritonitis als Ursache akuter Abdominalschmerzen. Der mechanische Ileus ist mit 65 – 70% die häufigste Form des Darmverschlusses [16].

Fallbeispiel

Dünndarm-Torquierung


Im Nachtdienst stellt sich eine 44-jährige Patientin in der konservativen Notaufnahme vor. Sie beklagt Bauchschmerzen seit dem Vormittag, die zunächst kontinuierlich waren und seit dem Nachmittag an Intensität stetig zunehmen. In der klinischen Untersuchung kann die Schmerzlokalisation auf den Mittelbauch eingegrenzt werden. Sonst zeigen sich keine Auffälligkeiten. Vorerkrankungen werden verneint, Dauermedikation ist nur eine orale Kontrazeption. Die Laboruntersuchungen (Entzündungswerte, kleines Blutbild, klinische Chemie) sind unauffällig.


Es erfolgen eine bilanzierte Infusionstherapie und eine Kurzinfusion von Pantoprazol, Metamizol und Butylscopolamin. Darunter bleibt jedoch eine subjektive Besserung aus, vielmehr nehmen die Schmerzen im Verlauf des Morgens zu. Eine Analgesie mit Piritramid führt dann erstmals zu einer kurzen Besserung der Beschwerden.


Die Abdomensonografie ergibt einen unauffälligen Oberbauchstatus (Gallenblase, beide Nieren, Pankreas) ohne Hinweise für eine akute Entzündung. Auch der Kolonrahmen inklusive Zökum ist ohne Auffälligkeiten. Über dem Punkt des maximalen Druckschmerzes im Mittelbauch zeigt sich jedoch ein etwa 7 cm langes, dezent wandverdicktes Dünndarmsegment mit auffällig schmalem Luftreflex. Bei sonografisch nicht weiter zu spezifizierender Pathologie ergibt die CT am gleichen Vormittag den hochgradigen Verdacht auf eine Dünndarm-Torquierung ([Abb. 5]). Bei nun auch steigenden Entzündungswerten erfolgt noch am gleichen Tag die Operation. Hier bestätigt sich der Verdacht, aufgrund der raschen Operation liegen keine Nekrosen vor, eine Dünndarmteilresektion kann vermieden werden.

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Abb. 5 Verdacht auf torquierten Dünndarm im Unterbauch mit Darmdilatation und Kalibersprung.
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Abb. 6 Gallensteinileus. a, b Mechanischer Ileus durch ein Gallenblasenkonkrement. Die Ursache ist eine Fistel zwischen Gallenblase und Duodenum infolge chronischer Cholezystitis.
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Abb. 7 Massiv dilatiertes Kolon (17 cm Durchmesser) bei Ogilvie-Syndrom (akute Kolon-Pseudoobstruktion bei Motilitätsstörung).

Klinik und Diagnostik

Das Beschwerdebild beim Ileus ist aufgrund seiner vielfältigen Ätiologie sehr unterschiedlich. Führend sind die Symptome Übelkeit und Erbrechen sowie Stuhlverhalt und geblähtes, schmerzhaftes Abdomen mit klingend-hochgestellter oder fehlender Peristaltik. Wichtig ist eine Untersuchung des gesamten Abdomens, inklusive der Leisten, um eine inkarzerierte Leisten- oder Femoralhernie als Ursache auszuschließen. Die Laboruntersuchung gibt nur einen Hinweis auf das Vorliegen einer fortgeschrittenen Entzündung/Peritonitis und ist für die Diagnosestellung unspezifisch.

Merke

Typische Symptome für einen Ileus sind Übelkeit, Erbrechen und Stuhlverhalt. Sie können auch bei jüngeren Patienten ohne Voroperationen auftreten.

Sonografisch kann der Nachweis von distendierten Dünndarmschlingen und Pendelperistaltik für das Vorliegen einer Passagestörung wegweisend sein. Die Röntgenaufnahme des Abdomens kann das Ileusbild bestätigen, gibt jedoch keine zusätzliche Information. Im CT kann der Kalibersprung lokalisiert und ggf. die Ursache des Ileus detektiert werden. Zudem liefert die Untersuchung Informationen über das Vorliegen arterieller oder venöser Gefäßverschlüsse des Darmes und kann eine Pneumatosis intestinalis bei verminderter Perfusion erkennen.


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Therapie

Aufgrund der Heterogenität des Krankheitsbildes erfolgt ein unterschiedliches therapeutisches Vorgehen. Beim Vorliegen eines akuten Abdomens bzw. einer Peritonitis besteht die Indikation zur Notfalloperation. Das operative Vorgehen richtet sich nach der zugrunde liegenden Ursache des Ileus. Die wichtigsten operativen Ziele sind die Beseitigung der Peritonitis und die Entfernung des mechanischen Hindernisses.

Merke

Der Ileus ist ein vielfältiges Krankheitsbild. Ein paralytischer Ileus hat häufig eine extraabdominelle oder systemische Ursache.


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Pyelonephritis und paranephritischer Abszess

Fallbeispiel

Eingetrübter Patient

Die nächtliche Vorstellung des 83-jährigen Patienten erfolgt mit dem Notarzt aus der Häuslichkeit. Seit dem Nachmittag hätte Erbrechen bestanden, zuletzt auch bräunlich gefärbt. Zudem habe die Vigilanz bei dem sonst zu allen Qualitäten orientierten Patienten immer weiter abgenommen.

In der körperlichen Untersuchung imponiert ein schläfriger, aber erweckbarer Patient. Der Blutdruck ist max. 85/50 mmHg, es liegt eine Tachykardie mit 120 bpm vor. Lunge und Herz sind bis auf ein bekanntes Systolikum ohne Auffälligkeiten. Über dem Abdomen lassen sich keine Darmgeräusche auskultieren. Es bestehen ein Druckschmerz mit Punctum maximum im Mittel- und Unterbauch bereits bei flacher Palpation sowie ein angedeuteter Klopfschmerz im linken Nierenlager. Der liegende Dauerkatheter zeigt einen konzentrierten Urin.

An Vorerkrankungen bestehen eine arterielle Hypertonie, ein Morbus Parkinson sowie ein Z. n. Prostatakarzinom, das mittels Antiandrogenen therapiert wird. Aus Vorbriefen ist eine einliegende Ureterschiene links bekannt.

Ursachen und Klinik

Eine Pyelonephritis entsteht meist auf dem Boden eines aszendierenden Harnwegsinfektes über den Blasensphinkter mit interstitieller Nephritis. Es treten Flankenschmerzen mit klopfschmerzhaftem Nierenbecken sowie teils ausgeprägtem Schüttelfrost und Fieber auf. Komplizierend kann auch ein druckschmerzhaftes Abdomen in Kombination mit (Sub-)Ileus-typischen Beschwerden wie Übelkeit und Erbrechen hinzukommen. Prädisponierende Faktoren sind Obstruktionen der ableitenden Harnwege wie eine benigne Prostatahyperplasie oder Konkremente, neurogene Blasenentleerungsstörungen z. B. bei Querschnittslähmung oder einliegendes Fremdmaterial wie Ureterschienen oder Blasenkatheter. Auch immunsuppressive Therapien oder ein Diabetes mellitus prädisponieren zu Harnwegsinfekten [19].

In der Mehrzahl der Fälle sind Monoinfektionen mit E. coli zu beobachten. Mischinfektionen sieht man hingegen häufiger bei chronischen Pyelonephritiden. In diesen Fällen können häufig Enterokokken, Staphylokokken, Pseudomonaden und seltene Erreger wie Proteus und Klebsiellen nachgewiesen werden [19].

Merke

Die akute Pyelonephritis ist klinisch nicht zu unterscheiden vom akuten Schub einer chronischen Pyelonephritis.

Letztere entwickelt sich stets auf dem Boden prädisponierender Faktoren. Allen Formen ist gemein, dass sie obstruktive Veränderungen der ableitenden Harnwege bedingen.

Komplizierend hinzutreten können neben der Niereninsuffizienz im Verlauf besonders infektiöse Komplikationen wie Urosepsis und septische Embolien in andere Organe. Auch eitrige Nephritiden mit einschmelzenden, die Kapsel überschreitenden paranephritischen Abszessen zählen dazu. Diese bedingen infolge der starken retroperitonealen Reizung eine Darmparalyse bis hin zu einem paralytischen Ileus.


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Therapie

Therapie der Wahl ist nach Abnahme von Blut- und Urinkulturen die rasche Breitbandantibiose, die dann im weiteren Verlauf resistenzgerecht deeskaliert werden kann. Fremdmaterial ist superinfiziert und muss gewechselt werden. Die Ableitung der Harnwege muss ebenfalls sichergestellt sein. Abszesse müssen drainiert oder operativ entlastet werden. Besteht die Indikation zur dauerhaften Einlage von Harnleiterschienen oder einem Blasenkatheter, ist ein Rezidiv häufig [19].

Fallbeispiel

Urosepsis

Im Aufnahmelabor unseres 83-jährigen Patienten imponiert ein akutes Nierenversagen mit einem Kreatinin von 320 µmol/l sowie einer Leukozytose von 34 Gpt/l und einem CRP von 200 mg/l. Das PCT liegt bei 94 ng/ml. Die Urindiagnostik ergibt einen nitritpositiven Harnwegsinfekt mit ausgeprägter Bakteriurie und Leukozyturie.

Die KM-CT des Abdomens mit Gefäßdarstellung ergibt das Bild eines Dünndarmileus ohne klar erkennbare Ursache, die CT-Angiografie keinen Anhalt für einen mesenterialen Gefäßverschluss oder eine Pneumatosis intestinalis.

Schließlich gehen wir von einer Urosepsis auf dem Boden einer Pyelonephritis mit paralytischem Ileus aus. Neben einer kalkulierten Infusionstherapie erhält der Patient einen Single Shot Gentamicin sowie eine Therapie mit Meropenem bei bekanntem 3MRGN in der Urinkultur vom vorangegangenen Aufenthalt. Am Folgetag wird der Doppel-J-Katheter links gewechselt. Unter diesen Maßnahmen klart der Patient zunehmend auf und die Nierenfunktion stabilisiert sich. Nach insgesamt 14-tägigem stationärem Aufenthalt kann er mit intensiviertem Pflegedienst wieder nach Hause entlassen werden.


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Mesenteriale Ischämie

Die mesenteriale Embolie ist bei 4% der Patienten > 80 Jahre die Ursache für ein akutes Abdomen. Beim größten Teil der Patienten liegt ein Verschluss der A. mesenterica superior vor. Die Letalität bei der akuten mesenterialen Ischämie beträgt in der Literatur zwischen 60 und 85% [15]. Die Ursachen sind am häufigsten kardioembolische Ereignisse, Thrombosen im Bereich von vorbestehenden Gefäßstenosen und kardiochirurgische Eingriffe. Beim vollständigen arteriellen Verschluss kann die Perfusion durch Kollateralen nicht kompensiert werden und es kommt in der Folge zur Darmwandnekrose.

Klinik und Diagnostik

Das typische klinische Erscheinungsbild ist der charakteristische 3-phasische Verlauf. Er beginnt mit einem starken abdominellen Schmerz, gefolgt von einem schmerzfreien Intervall. Im letzten Stadium manifestiert sich die Erkrankung mit Peritonitis und paralytischem Ileus. Die diagnostische Herausforderung – insbesondere in den ersten beiden Phasen der Erkrankung – besteht darin, trotz eines relativ unauffälligen klinischen Abdominalbefundes die richtigen Schlüsse zu ziehen.

Cave

Die Überlebenschance der Patienten sinkt rapide bei einer Verzögerung der Therapie [15].

Die Labordiagnostik hat bei der Diagnosestellung keine hohe Sensibilität und Sensitivität. Parameter wie Leukozytose und erhöhter Laktatspiegel können jedoch als Hilfsmittel bei der Diagnosesuche dienen. Die Diagnose wird mittels CT-Angiografie gestellt. Als bildgebendes Standardverfahren hat die CT-Angiografie eine Sensitivität von 100% und eine Spezifität von 89% [15].


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Therapie

Die Therapie besteht in hämodynamischer Stabilisierung des Patienten. Wenn nicht kontraindiziert, werden 5000 IE Heparin verabreicht und der Patient wird unverzüglich zur chirurgischen Exploration in den OP-Saal verbracht. Das Ausmaß der Operation richtet sich nach dem Befund ([Abb. 8]). Bei irreversiblen ischämischen Veränderungen und einem peripheren thromboembolischen Verschluss werden die entsprechenden Darmabschnitte reseziert. Eine zusätzliche gefäßchirurgische Intervention ist nicht notwendig. Bei einem zentralen Verschluss erfolgt zunächst die Embolektomie der A. mesenterica superior und anschließend die erneute Beurteilung des Darmes mit ggf. Resektion von irreversibel ischämischen Darmabschnitten. Die Indikation zur Second-Look-Operation, Reevaluation und Anastomosierung in einer zweiten Sitzung sollte großzügig gestellt werden.

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Abb. 8 Akute mesenteriale Ischämie. a Akuter thrombotischer Verschluss der A. mesenterica superior (Pfeil). b Pneumatosis intestinalis (Pfeil). c Irreversible Darmischämie mit Gangrän.
Merke

Die mesenteriale Ischämie stellt eine chirurgische Notfallsituation dar und ist eine der wichtigsten Differenzialdiagnosen beim akuten Abdomen.


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Differenzialdiagnosen

Als wichtige Differenzialdiagnose der okklusiven mesenterialen Ischämie führt die nicht okklusive mesenteriale Ischämie (NOMI) durch Gefäßspasmus zur Minderperfusion des Darmes. Die Diagnostik erfolgt wie bei der okklusiven Ischämie mittels CT-Angiografie.

Im Vergleich zum akuten thrombotischen Viszeralarterienverschluss führt die Mesenterialvenenthrombose erst nach Tagen oder Wochen zu einer vollständigen Abflussbehinderung mit konsekutiver Darminfarzierung. Als Ursache finden sich häufig Pankreatitis, Leberzirrhose sowie onkologische und hämatologische Erkrankungen. Die Symptome sind unspezifisch: Übelkeit, Bauchschmerzen, Durchfall und in einigen Fällen hohes Fieber. Die CT-Angiografie ist das Mittel der Wahl bei der Diagnosestellung. Das Ziel der Therapie – die Ausdehnung der Thrombose zu limitieren – wird initial konservativ durch therapeutische Heparinisierung angestrebt. Beim klinischen Bild eines akuten Abdomens mit Peritonitis besteht die Indikation zur Laparotomie und Resektion der hämorrhagisch gestauten Darmsegmente [16].


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Besondere Fälle

Der ältere Patient

Die Ursachen für das akute Abdomen bei älteren Menschen sind vielfältig. Die Diagnosestellung ist meist durch kognitive Einschränkungen und durch abgeschwächte Schmerzwahrnehmung bei chronischer Schmerztherapie oder atrophierte Abdominalmuskulatur zusätzlich erschwert. Gleichzeitig sind ein rasches Erkennen der Symptome und die Einleitung der Therapie bei diesem Patientenkollektiv mit geringeren biologischen Reserven essenziell. Einige der häufigen Ursachen für Abdominalschmerzen bei älteren Menschen sind Cholezystitis, Zystitis, mesenteriale Ischämie, Ileus bei Tumorstenose. Fehlende Anamnese und ein wenig wegweisender klinischer Befund führen zur Fehlinterpretation und somit Fehldiagnose. Die Indikation zur CT-Diagnostik sollte in solchen Fällen sehr großzügig gestellt werden [16].

Merke

Das rasche Erkennen der Symptome und die umgehende Therapieeinleitung sind bei älteren Patienten für die Prognose essenziell.


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Der mental retardierte Patient

Fallbeispiel

Verändertes Schmerzempfinden

Ein 53-jähriger Mann, geistig hochgradig behindert infolge eines frühkindlichen Hirnschadens, wird vom Hausarzt bei Verdacht auf Gastroenteritis eingewiesen. Im Pflegeheim lehnt der Patient seit 3 Tagen die Nahrung ab und wirkt insgesamt apathisch. Seit 2 Tagen hat er erhöhte Temperaturen bis 38,5 °C, Erbrechen und seit einem Tag etwas Durchfall.

In der Anamnese sind arterielle Hypertonie und Epilepsie als Begleiterkrankungen bekannt, es gab keine Voroperationen. Eine Kommunikation ist aufgrund der hochgradigen geistigen Behinderung nicht möglich. Der Patient ist wach, kreislaufstabil, das Abdomen ist weich mit vorhandener Peristaltik. Es ist unklar, ob durch die Untersuchung Schmerzen im Bauch ausgelöst werden. Der Urinbefund ist unauffällig, im Labor finden sich eine Leukozytose von 23 Gpt/l und ein CRP von 134 mg/l, das Kreatinin ist mit 180 µmol/l etwas erhöht. In der Sonografie ist das Abdomen bei Meteorismus eingeschränkt beurteilbar. Es schließt sich noch eine CT-Abdomen mit i. v. KM an. Hier zeigt sich das Bild einer Appendizitis mit Abszess im rechten Unterbauch. Der Patient bekommt bereits in der Notaufnahme ein Antibiotikum und wird am gleichen Tag laparoskopisch appendektomiert.

Bei Patienten mit geistiger Retardierung besteht ein hohes Risiko der Fehldiagnose. Häufig ist eine Kommunikation nur eingeschränkt möglich und die Patienten sind selbst nicht in der Lage, die Gefahr der Situation zu erkennen. Ähnlich wie ältere Patienten weisen sie eine veränderte oder hohe Schmerztoleranz auf, was häufig auf die Einnahme von Sedativa und Antiepileptika zurückzuführen ist.

Die Diagnosestellung anhand des klinischen Befundes und der Labordiagnostik ist bei Verdacht auf ein akutes Abdomen bei diesem Patientengut erschwert. Die Bildgebung spielt daher analog zum Vorgehen bei älteren Patienten eine wichtigere Rolle, um eine Verzögerung der Therapie zu vermeiden. Eine Abdomen-CT sollte bei Symptomen wie Erbrechen, Durchfall und erhöhten Entzündungswerten großzügig indiziert werden [17].

Cave

Bei mental retardierten Patienten kann trotz eines unauffälligen klinischen Befunds ein akutes Abdomen mit lebensbedrohlicher Ursache vorliegen.


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Das perforierte Aortenaneurysma

Die Erkrankung stellt eine krankhafte Erweiterung der abdominellen Aorta dar und tritt vor allem bei der über 65-jährigen Bevölkerung auf. Bei einer Aortenruptur kommt es zu heftigen, plötzlichen Schmerzen im Abdomen mit Ausstrahlung in den Rücken. Die Patienten sind blass, hypoton und tachykard.

Im Falle einer Ruptur liegen die Krankenhausletalität bei 40 – 50% und die Gesamtletalität bei 90%. Aufgrund der schlechten Prognose stellt das symptomatische Aortenaneurysma eine lebensbedrohliche Differenzialdiagnose des akuten Abdomens dar. Die richtige Interpretation der klinischen Symptome ist essenziell, um eine sofortige Diagnostik (CT-Angiografie) ([Abb. 9]) und Therapie einzuleiten.

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Abb. 9 Gedeckt perforiertes Aortenaneurysma.

Die unverzügliche gefäßchirurgische Therapie erfolgt als EVAR (endovascular aortic repair) oder OR (open repair) [16].

Merke

Bei plötzlichen heftigen Schmerzen im Abdomen mit Ausstrahlung in den Rücken sollte immer an ein rupturiertes Aortenaneurysma als Differenzialdiagnose gedacht werden.


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Fazit

Der Begriff „akutes Abdomen“ fasst eine Reihe von Krankheitsbildern zusammen, die mit heftigen Bauchschmerzen einhergehen und von weiteren Symptomen wie Abwehrspannung, Darmparalyse und Kreislaufschock begleitet werden können. Das Wissen um die Zusammenhänge von Schmerzqualität, -lokalisation und Erkrankungsursache erleichtert die Diagnosefindung. Die moderne Medizin erlaubt zudem die rasche Laborroutine sowie die umgehende Schnittbildgebung oder Sonografie.

Häufige Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens sind die akute Appendizitis und die akute Cholezystitis. Bei einem großen Teil der Patienten bleibt die Ursache der Beschwerden ungeklärt. Hier sind eine erweiterte Diagnostik und die konsiliarische gynäkologische, urologische und kardiologische Vorstellung wichtig. Bei älteren Patienten mit akuten Beschwerden und relativ blandem Befund in der klinischen Untersuchung sollen immer eine lebensbedrohliche mesenteriale Ischämie und ein perforiertes Aortenaneurysma ausgeschlossen werden. Bei jedem akuten Abdominalschmerz gilt: Ein strukturierter Workflow ([Abb. 10]) mit fokussierter Anamnese und klinischer Untersuchung liefert wichtige Informationen für das weitere diagnostische und therapeutische Vorgehen. Aus chirurgischer Sicht ist bei unklarer Situation frühzeitig die Indikation zur explorativen Laparoskopie bzw. Laparotomie gegeben.

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Abb. 10 Klinischer Algorithmus bei akuten Abdominalschmerzen. BB: Blutbild, CRP: C-reaktives Protein, CT: Computertomografie, EKG: Elektrokardiogramm.

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Kernaussagen
  • Das akute Abdomen stellt ein vielfältiges Krankheitsbild mit potenziell lebensbedrohlichen Ursachen dar.

  • Die Lokalisation der Schmerzen gibt einen wichtigen Hinweis auf mögliche Differenzialdiagnosen.

  • Bei unspezifischen Abdominalschmerzen sollten auch extraabdominelle Ursachen für die Beschwerden ausgeschlossen werden.

  • Das strukturierte diagnostische Vorgehen ist wichtig, um eine Verzögerung der Therapie bei Patienten in kritischem Zustand zu vermeiden.

  • Bei unklarer Situation besteht aus chirurgischer Sicht die Indikation zur zeitnahen Laparoskopie/Laparotomie, um nicht eine potenziell fatale Verzögerung der Diagnose und Therapie zu verursachen.

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen

Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Dr. med. Olga Radulova-Mauersberger, Dresden.


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Autorinnen/Autoren

Olga Radulova-Mauersberger

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Dr. med., 2008 Fachärztin für Chirurgie, 2009 Promotion an der Technischen Universität Dresden, 2009 Zusatzbezeichnung Notfallmedizin, 2012 – 2019 Ausbildung zur Fachärztin für Viszeralchirurgie und spezielle Viszeralchirurgie, 2013 Zusatzbezeichnung Proktologie. Seit 02/2019 Fachärztin für Chirurgie, Viszeralchirurgie und spezielle Viszeralchirurgie am Universitätsklinikum Dresden.

Jochen Hampe

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Prof. Dr. med., Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik I und Leiter des Fachbereichs Gastroenterologie, Universitätsklinikum Dresden.

Jürgen Weitz

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Prof. Dr. med., M.Sc. Medizinstudium an der Universität Heidelberg. Facharzt, Habilitation und Oberarzt an der Chirurgischen Uniklinik Heidelberg. 2001 – 2002 Fellowship Surgical Oncology am Memorial Sloan-Kettering Cancer Center, New York, USA. 2009 – 2012 Leitender Oberarzt der Chirurgischen Uniklinik Heidelberg. Seit 2012 Direktor der Klinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie des Uniklinikums Dresden. Geschäftsführender Direktor des NCT Dresden.

Stefan Sulk

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Dr. med., Medizinstudium und Promotion an der Technischen Universität Dresden. 2010 – 2019 Facharztausbildung Innere Medizin und Gastroenterologie. Seither Facharzt an der Medizinischen Klinik I der Universitätsklinik „Carl Gustav Carus“ Dresden.

Interessenkonflikt

Erklärung zu finanziellen Interessen
Forschungsförderung erhalten: nein; Honorar/geldwerten Vorteil für Referententätigkeit erhalten: nein; Bezahlter Berater/interner Schulungsreferent/Gehaltsempfänger: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an im Bereich der Medizin aktiven Firma: nein; Patent/Geschäftsanteile/Aktien (Autor/Partner, Ehepartner, Kinder) an zu Sponsoren dieser Fortbildung bzw. durch die Fortbildung in ihren Geschäftsinteressen berührten Firma: nein.
Erklärung zu nichtfinanziellen Interessen
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

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Korrespondenzadresse

Dr. med. Olga Radulova-Mauersberger
Klinik und Poliklinik für Viszeral-, Thorax- und Gefäßchirurgie
Haus 59, Universitätsklinik Carl Gustav Carus der TU Dresden
Fetscherstraße 74
01307 Dresden
Deutschland   

Publication History

Article published online:
07 September 2020

© 2020. Thieme. All rights reserved.

Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

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Abb. 1 Häufige Differenzialdiagnosen des akuten Abdomens nach Lokalisation.
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Abb. 2 In der CT zeigt sich im rechten Leberlappen eine ca. 12 cm große infizierte Leberzyste.
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Abb. 3 B-Bild-Sonografie mit Kontrastmittel-Darstellung (jeweils die rechte Teilabbildung). a Milzabszess durch humanpathogene Pilze. b Ausgeprägter Milzinfarkt.
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Abb. 4 Patient mit akuter nekrotisierender Pankreatitis nach Anlage eines Axios-Stents und einer Pigtail-Drainage.
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Abb. 5 Verdacht auf torquierten Dünndarm im Unterbauch mit Darmdilatation und Kalibersprung.
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Abb. 6 Gallensteinileus. a, b Mechanischer Ileus durch ein Gallenblasenkonkrement. Die Ursache ist eine Fistel zwischen Gallenblase und Duodenum infolge chronischer Cholezystitis.
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Abb. 7 Massiv dilatiertes Kolon (17 cm Durchmesser) bei Ogilvie-Syndrom (akute Kolon-Pseudoobstruktion bei Motilitätsstörung).
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Abb. 8 Akute mesenteriale Ischämie. a Akuter thrombotischer Verschluss der A. mesenterica superior (Pfeil). b Pneumatosis intestinalis (Pfeil). c Irreversible Darmischämie mit Gangrän.
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Abb. 9 Gedeckt perforiertes Aortenaneurysma.
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Abb. 10 Klinischer Algorithmus bei akuten Abdominalschmerzen. BB: Blutbild, CRP: C-reaktives Protein, CT: Computertomografie, EKG: Elektrokardiogramm.