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DOI: 10.1055/a-1139-7230
Häufige Antibiotikaverschreibungen in der Ambulanz ohne belegte Indikationen
Unsachgemäße Verschreibungen von Antibiotika stellen ein erhebliches Problem für die öffentliche Gesundheit dar. Infolgedessen wird beispielsweise die Ausbreitung von Antibiotikaresistenzen gefördert. Eine Studie aus den USA hat nun für den ambulanten Sektor untersucht, wie häufig Antibiotika ohne dokumentierte Indikation verordnet werden und welche Faktoren dies begünstigen.
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Die Untersuchung basierte auf Daten der „National Ambulatory Medical Care Survey“ des Jahres 2015. Eingeschlossen waren Patienten mit mindestens 1 Antibiotikaverschreibung. Die Autoren analysierten insgesamt 28 332 ambulante Besuche (diese repräsentierten 990,8 Millionen Besuche innerhalb der gesamten Vereinigten Staaten). Es wurden jeweils Diagnosecodes für bakterielle Infektionen sowie Codes für Krankheiten, die häufig mit Antibiotikaverschreibungen einhergehen, identifiziert. Es erfolgte jeweils eine Bewertung, ob die Verschreibung auf Basis einer angemessenen, nicht angemessenen oder gar keiner Indikation zustande gekommen war. Zudem wurden Risikofaktoren für eine Antibiotikaverordnung ohne dokumentierte Indikation identifiziert.
Bei 13,2 % aller Ambulanzbesuche im Jahr 2015 erfolgte eine Verordnung von Antibiotika. Diese Verordnungen gingen in die Analyse ein. Pro Visite wurden im Durchschnitt 2,6 Diagnosecodes dokumentiert, für 17 % aller Visiten lag die maximale Anzahl von Diagnosecodes (5 Codes) vor. Bei 57 % aller Verordnungen existierte eine laut den Studienkriterien angemessene Indikation, bei 25 % der Verordnungen war diese hingegen nicht angemessen. 18 % aller Verschreibungen lag überhaupt keine belegte Indikation zugrunde – dies entsprach geschätzt 24 Millionen Verschreibungen. Die meisten Fälle mit fehlender Indikation standen mit nicht näher spezifiziertem Bluthochdruck (11 %), einem Diabetes mellitus ohne erwähnte Komplikationen (8 %) oder weiteren spezifischen Nachbehandlungen (7 %) in Zusammenhang. Eine Antibiotikaverordnung ohne dokumentierte Indikation war signifikant positiv assoziiert mit einem männlichen Geschlecht unter Erwachsenen, einer länger mit dem Leistungserbringer verbrachten Zeit sowie einer Behandlung durch einen nicht aus der Primärversorgung stammenden Spezialisten. Zudem bestand eine Tendenz in Richtung einer häufigeren Verordnung ohne Indikation im Zusammenhang mit chronischen Erkrankungen sowie einer Medicare- oder Medicaid-Versicherung. Zu den Antibiotika, die am häufigsten ohne dokumentierte Indikation verschrieben wurden, zählten Sulfonamide sowie Substanzen zur Behandlung von Harnwegsinfektionen.
Laut Studienergebnis werden in den USA im ambulanten Bereich häufig Antibiotika verordnet, ohne dass eine dokumentierte Indikation vorliegt. Die in der Studie identifizierten Faktoren, die mit solchen Verschreibungen in Zusammenhang stehen, können möglicherweise dabei helfen, Initiativen für eine verbesserte Dokumentation zu unterstützen, so die Autoren.
Dr. Frank Lichert, Weilburg
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Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
16. Juli 2020
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York