Pneumologie 2020; 74(05): 259
DOI: 10.1055/a-1140-2941
Leserbrief

Kommentar zu S. Meinrenken. COPD-Diagnose: FEV1:FVC-Grenzwert bestätigt sich in großen Studien. Pneumologie 2020; 74: 10

W. Windisch
,
C.-P. Criée
 

In der Pneumologie Heft 1, Januar 2020, wird die Studie von Bhatt SP et al. [1] in der Rubrik Pneumo-Fokus referiert. Wir können uns der Schlussfolgerung von Frau Dr. Meinrenken nicht anschließen, dass der Grenzwert der FEV1/FVC-Ratio von 0,7 gegenüber anderen Grenzwerten durch diese Studie zur Diagnose einer relevanten COPD gestützt wird. Die Gründe sind wie folgt:

  1. Es handelt sich bei den 24 207 ausgewerteten Protokollen um Teilnehmer aus 4 unterschiedlichen Kohorten. Lediglich bei 26 % (FEV1/FVC < 0,7) bzw. 15 % (FEV1:FVC < lower limit of normal/LLN) der Teilnehmer lag die für die Diagnose einer COPD zwingend notwendige spirometrische Obstruktion vor. Dabei waren wegen fehlender Reversibilitätstestungen asthmatische Patienten nicht ausgeschlossen [1].

  2. Die Kriterien für das Vorliegen einer relevanten COPD waren respiratorische Ereignisse, die zur Hospitalisierung oder Mortalität in einer im Mittel 15-jährigen Beobachtungszeit führten (incidence density rate IDR) und wenn die Diagnose COPD kodiert war. 43 % der respiratorischen Ereignisse betrafen Patienten mit einem FEV1:FVC-Quotienten von > 0,7 (10 % sogar mit > 0,8), sodass die Diagnose COPD falsch kodiert war [1].

  3. Die COPD ist hinsichtlich der Patienten-relevanten Bedingungen vor allen Dingen durch chronische Symptome (vorzugsweise Luftnot) und Einschränkungen der Lebensqualität gekennzeichnet. Nur ein kleinerer Teil der Patienten hat Exazerbationen – ca. 26 % in der DACCORD-Population (N = 5924) im Verlauf von 6 Monaten vor Studieneinschluss, wobei die Hospitalisierungsrate hier bei unter 5 % lag [2]. Eine Behandlung der COPD erfolgt vorzugsweise zur Kontrolle von Symptomen. Eine Definition der COPD anhand von Grenzwerten für den FEV1:FVC-Quotienten allein auf der Basis von Hospitalisierungs- und Mortalitätsraten trägt somit der primären klinischen Präsentation der Patienten keinesfalls Rechnung.

Natürlich ist es methodisch nicht gerechtfertigt, an einem Kollektiv mit maximal 26 % COPD-Patienten und 43 % fälschlich auf eine COPD zurückgeführten Ereignissen einen spirometrischen Grenzwert für eine COPD zu entwickeln.

Patienten mit chronischen Atemwegssymptomen entwickeln auch ohne spirometrische Obstruktion entsprechende respiratorische Ereignisse [3]. Dies dürfte der Grund für die klinische Überschätzung der COPD in 30 – 60 % in Kohortenstudien sein [4] [5]. Andererseits werden aber auch für die COPD typische Funktionsstörungen der Überblähung und Diffusion international nicht zur COPD-Diagnose verwendet [6].

Ein unbestreitbares Ergebnis der vorliegenden Studie ist aber, dass bei den Patienten mit COPD der Grenzwert FEV1:FVC < LLN einen weitaus schlechteren Verlauf der Erkrankung prognostiziert als der Grenzwert < 0,7 (IDR 35,0 vs. 17,5).


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Interessenkonflikt

W. Windisch und C.-P. Criée haben Vortragshonorare von Firmen der Pharmaindustrie erhalten, die Medikamente zur Behandlung obstruktiver Atemwegserkrankungen vertreiben.


Korrespondenzadresse

Prof. Dr. Wolfram Windisch
Lungenklinik Merheim, Kliniken der Stadt Köln gGmbH, Universität Witten/Herdecke
Ostmerheimer Straße 200
51109 Köln

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
11. Mai 2020

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