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DOI: 10.1055/a-1143-8186
Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM) – Ein Expertenstatement
Alpha-1 Antitrypsin Deficiency (AATD) – D-A-CH-Expert Statement- Hintergrund, Genetik
- Indikationen zur Testung
- Labordiagnostik des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
- Monitoring von Individuen und Patienten mit AATM
- Augmentationstherapie des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
- Literatur
Dieses Statement wurde erstellt, um einen Überblick über Diagnostik und Therapie des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels (AATM) zu erstellen. Die Erstellung des Dokuments wurde durch die Deutsche Gesellschaft für Pneumologie und die Deutsche Atemwegsliga initiiert. Es spiegelt die aktuelle Datenlage wider und bezieht sich auf die vorliegenden Leitlinien und Statements der internationalen und nationalen Fachgesellschaften. An der Erstellung sind deutsche, schweizerische und österreichische Alpha-1-Centren beteiligt.
Hintergrund, Genetik
Veränderungen des auf Chromosom 14 liegenden Serpina1-Gens (Serin-Protease-Inhibitor) können zum AATM führen. Die häufigste klinisch relevante Mutation (Pi*Z) wird durch einen singulären Nukleotid-Polymorphismus einer Base (single nucleotide polymorphism – SNP) verursacht (Glu342Lys) [1]. Durch eine Änderung der 3-dimensionalen Struktur des Proteins kann ein zweites Molekül (und fortfolgende) an der reaktiven Schleife andocken, sodass Polymere mit verminderter Enzymaktivität entstehen [2]. Dem gegenüber wird bei dysfunktionalen Varianten zwar AAT-Protein gebildet und sezerniert (sodass der Serumspiegel normal sein kann), das veränderte Protein weist aber eine verminderte inhibitorische Funktion gegenüber der neutrophilen Elastase (NE) auf (z. B. Pi*F [3]). Eine weitere Gruppe von Mutationen (Pi*Q0) führt zur Ausbildung eines Stoppcodons oder zu Veränderungen in der Promotorregion des Gens, sodass kein AAT produziert wird. Der Serumspiegel ist in homozygoten Fällen nicht messbar, was mit einem deutlich erhöhten Risiko für die Entwicklung einer Lungenerkrankung einhergeht.
Es gibt inzwischen mehr als 150 weitere beschriebene Mutationen des Gens, wobei aufgrund der niedrigen Fallzahl (häufig Erstbeschreibung) valide Aussagen über ein damit verbundenes Erkrankungsrisiko und den klinischen Verlauf nicht möglich sind. Da dysfunktionale Varianten eine sehr seltene Ausnahme darstellen, kann aber in den meisten Fällen aus dem Serumspiegel auf das Risiko einer Lungenerkrankung geschlossen werden.
Wie auch bei anderen seltenen Erkrankungen sind genaue Zahlen zur Epidemiologie schwer zu erheben. Innerhalb Europas ist die Z-Mutation im Norden am häufigsten (> 0.02), im Süden findet sich häufiger die S-Mutation [4] [5] [6]. Je nachdem, auf welche Berechnungen man sich stützt, geht man in Deutschland von 8000 – 20 000, in Europa von ca. 125 000 Pi*ZZ-Individuen aus [7].
Vergleicht man diese Zahlen mit den Zahlen der diagnostizierten AATM-Patienten, so wird klar, dass es sich um eine unterdiagnostizierte Erkrankung handelt. Der Zeitraum zwischen dem Auftreten der ersten Symptome und der finalen Diagnose liegt häufig zwischen 5 und 10 Jahren [8], sodass viele Patienten bei Diagnosestellung über 45 Jahre alt sind. Die wichtigste Ursache hierfür ist der relativ niedrige Bekanntheitsgrad der Erkrankung. Etwa 10 % der Pneumologen, 50 % der Internisten und 70 % der Allgemeinmediziner in Deutschland schätzen ihr Wissen über AATD als gering ein [9].
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Indikationen zur Testung
Da es in Deutschland kein Neugeborenen-Screening für AATM gibt, müssen Patienten auf individueller, meist symptom-getriggerter Basis oder über „gezielte Screening-Programme“ detektiert werden. Letztere beziehen sich auf Patienten, deren bereits diagnostizierte Erkrankungen als Indikatoren für einen AATM gelten können (z. B. COPD, Emphysem …).
Im Sinne des Gendiagnostik-Gesetzes handelt es sich bei der Diagnostik von symptomatischen Patienten um „diagnostische genetische Untersuchungen“, im Gegensatz dazu sind Untersuchungen von symptomlosen, nicht erkrankten Personen als „prädiktive genetische Untersuchungen“ anzusehen. Die Unterscheidung ist bedeutsam, da eine genetische Beratung nach § 10 des GenDG bei einer diagnostischen Untersuchung angeboten werden soll, bei einer prädiktiven genetischen Untersuchung aber angeboten werden muss. Eine Beratung in diesem Sinne darf nur „durch Fachärztinnen oder Fachärzte für Humangenetik oder andere Ärztinnen oder Ärzte, die sich beim Erwerb einer Facharzt-, Schwerpunkt- oder Zusatzbezeichnung für genetische Untersuchungen im Rahmen ihres Fachgebietes qualifiziert haben, vorgenommen werden“.
In der gemeinsamen europäisch-amerikanischen Leitlinie zu AATM wurden bez. der zu testenden Personen klare Empfehlungen formuliert [10], welche in der aktuellen europäischen Leitlinie leider fehlen. Angelehnt an die „alte“ Leitlinie [10] sowie die Empfehlungen der Alpha-1-Foundation [11] sprechen wir folgende Empfehlungen aus (siehe [Tab. 1]).
Folgende Patientengruppen/Individuen sollen auf AATM getestet werden: Emphysem, COPD, Asthma mit nicht vollständig reversibler Atemwegsobstruktion, Bronchiektasen ungeklärter Ursache, Lebererkrankung unklarer Genese, Erwachsene mit nekrotisierender Pannikulitis, c-ANCA-positive (Anti-PR-3-positive) Vaskulitiden, Geschwister und Kinder von homozygoten AATM-Individuen.
In folgenden Patientengruppen/Individuen sollte die Möglichkeit einer Testung mit dem Patienten/Angehörigen besprochen werden: asymptomatische Personen mit persistierender obstruktiver Lungenfunktionsstörung, Eltern und entfernte Verwandte von homozygoten AATM-Individuen, Geschwister, Nachkommen, Eltern und entfernte Verwandte von heterozygoten AATM-Individuen, Personen mit positiver Familienanamnese bez. Leber- oder Lungenerkrankung, Personen mit Kinderwunsch und hohem Risiko für AATM-bedingte Erkrankungen.
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Labordiagnostik des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
Es gibt keine allgemeingültige Empfehlung bez. der Diagnostik von AATM, sodass sich die gängige Praxis in einzelnen Ländern und Laboren unterscheiden kann. Immer sollte aber eine Kombination verschiedener Methoden zur Anwendung kommen [12] [13] [14]. Die Bestimmung des AAT-Spiegels im infektfreien Intervall (AAT ist ein Akut-Phase-Protein) ist der am besten geeignete Screening-Test [15]. Die heute verwendeten Methoden umfassen weiterhin die Nephelometrie sowie die Latex-verstärkte Immunturbidimetrie. Dabei geht ein Grenzwert von ca. 1,1 g/l mit negativen prädiktiven Werten > 99,8 % einher [16] [17].
Als alternativer Screening-Test kann der sog. QuickScreen© als Point-of-Care-Test eingesetzt werden. Der Test arbeitet nach dem Prinzip des Lateral-Flow-Tests und prüft das Vorhandensein eines Z-AAT-Proteins. In einer Real-Life-Studie lag die Sensitivität des Tests zwischen 70 % und 75 %, sodass der Einsatz auf Patientenpopulationen mit niedriger Prä-Test-Wahrscheinlichkeit begrenzt sein sollte, da nur in dieser Population ein negatives Testergebnis ausreichend sicher ist (> 98 %) [18].
Nach einem positiven Screening-Test bedarf es weiterer Bestätigungsteste: Üblicherweise schließt sich hier eine PCR an, mithilfe derer man die häufigsten Defizienzallele (Pi*S und Pi*Z, ggf. weiter nachweisen kann. Alternativ wird eine isoelektrische Fokussierung durchgeführt, bei welcher Proteine nach ihrer Ladung getrennt werden. Eine Sequenzierung der kodierenden Exone des Serpina1-Gens ist denjenigen Fällen vorbehalten, bei welchen der Serumspiegel niedrig ist und dieser Befund nicht durch die PCR oder die IEF erklärt werden kann [13]. Ob eine darüber hinaus gehende Sequenzierung auch der Introne des Serpina1 vorteilhaft ist, kann derzeit noch nicht sicher entschieden werden.
Der beschriebene Ablauf ([Abb. 1]) entspricht den aktualisierten europäischen AATM-Leitlinien [19]. Da die Diagnosestellung weitreichende Folgen für den Patienten und sein Umfeld haben kann, schließen wir uns der Empfehlung der europäischen Leitlinien an, dass zur finalen Diagnose des AATM immer die Kombination zweier unabhängiger Methoden (DNA-Ebene, Proteinebene) verwendet werden soll.
Als Screening-Test auf AATM sollte im infektfreien Intervall der AAT-Serumspiegel bestimmt werden. Ein Wert ≥ 1,1 g/l schließt einen klinisch relevanten AATM mit sehr hoher Sicherheit aus.
Bei positivem Screening-Test werden weitere Tests zur Bestätigung des Resultates benötigt. Die finale Diagnose ist immer eine Kombination mehrerer Testverfahren, die sich auf unterschiedliche biologische Ebenen (DNA-Ebene und Proteinebene) beziehen.
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Monitoring von Individuen und Patienten mit AATM
Die ideale Frequenz, asymptomatische Individuen mit bekanntem AATM-Mangel im Hinblick auf eine Progression der Lungenerkrankung zu monitoren, ist bislang nicht systematisch untersucht. Betrachtet man den natürlichen Verlauf der Erkrankung, so spielt sicherlich das Zigarettenrauchen eine wichtige Rolle. Für Nichtraucher mit schwerem AATM-Mangel ist das Risiko, bis zum 40. Lebensjahr ein Lungenemphysem zu entwickeln, gering (5 – 8 %). Bei Rauchern beträgt die Prävalenz zu diesem Zeitpunkt bereits 67 % [20]. Jenseits des 40. Lebensjahrs ist der Verlauf der Lungenfunktion weit weniger klar. Eine vergleichsweise normale Lebenserwartung ist bei schwerem AATM-Mangel dennoch möglich [21], insbesondere bei asymptomatischen Nichtrauchern [22], auch wenn 65 % der Betroffenen im Laufe des Lebens radiologische Emphysemzeichen entwickeln [23]. Der jährliche FEV1-Verlust korreliert eng mit der Raucheranamnese der Betroffenen. Zu erwarten ist ein durchschnittlicher Verlust von 41 – 70 ml/Jahr [24]. Bei aktiven Rauchern wurde in Einzelfällen ein Verlust von bis zu 317 ml/Jahr beobachtet [25]. Die Lungenfunktion ist damit aktuell noch eine der wichtigsten prospektiven Determinanten bei der Betrachtung der Sterblichkeit [26]. In den letzten Jahren hat sich der Verlust von Lungendichte, gemessen mittels Computertomografie (Densitometrie), als diesbezüglich noch sensitiverer Parameter herauskristallisiert [27]. Daher ist davon auszugehen, dass die Bedeutung des Thorax-CTs mit hoher Wahrscheinlichkeit in Zukunft zunehmen wird. Vorerst ist die CT-Densitometrie allerdings noch wissenschaftlichen Fragenstellungen vorbehalten. FEV1 und DLCO sind laut einer aktuellen Umfrage nach wie vor die am meisten angewandten Messparameter zur Verlaufsbeurteilung der AATM-Erkrankung [28].
Dies wird analog in den Empfehlungen der Fachgesellschaften für Patienten mit bekanntem AATM-Mangel zum Ausdruck gebracht [11] [29] [30]. Als wichtigster und v. a. am besten validierter Verlaufsparameter wird auch hier die Lungenfunktion, insbesondere die Einsekundenkapazität (FEV1), angegeben. Asymptomatische Patienten mit normaler Lungenfunktion (FEV1 > 80 % Soll) sollen jeweils in Intervallen von 6 – 12 Monaten einer Spirometrie zugeführt werden. Für Nichtraucher ist dies spätestens ab dem 40. Lebensjahr angezeigt, Raucher bzw. Ex-Raucher können bereits früher von einem signifikanten Funktionsverlust betroffen sein. Ziel ist die zeitnahe Erkennung derartiger Abweichungen, um rechtzeitig mit spezifischen Therapiemaßnahmen oder – nach Indikation – einer Augmentationstherapie beginnen zu können. Patienten, bei denen bereits eine COPD bekannt ist oder die schon eine Augmentationstherapie erhalten, werden entsprechend den allgemein gültigen Empfehlungen zur Behandlung der COPD versorgt [30] [31].
Asymptomatische Patienten mit normaler Lungenfunktion (FEV1 > 80 % Soll) sollen jeweils in Intervallen von 6 – 12 Monaten einer Lungenfunktionsprüfung zugeführt werden. Für Nichtraucher ist dies spätestens ab dem 40. Lebensjahr angezeigt, Raucher bzw. Ex-Raucher können bereits früher von einem signifikanten Funktionsverlust betroffen sein. Symptomatische Patienten oder Patienten mit einer Einschränkung der Lungenfunktion sollen, je nach Ausprägung der Erkrankung, häufiger untersucht werden (z. B. alle 3 – 6 Monate). Regelmäßige Messungen der Hyperinflation und der Diffusion (Bodyplethysmografie) können hilfreich sein, um die Progression der Erkrankung besser zu verstehen.
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Augmentationstherapie des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels
Die Herausforderungen für klinische Studien zur Augmentationstherapie bei einer seltenen Erkrankung wie dem AATM bestehen zum einen in der geringen Anzahl der zur Verfügung stehenden Patienten und zum anderen in einem sehr langsamen Krankheitsverlauf, bei dem sich Änderungen durch eine Intervention nur über einen sehr langen Zeitraum signifikant bemerkbar machen und dadurch Studien mit sehr langen Beobachtungszeiträumen erfordern. Diese Limitationen können erklären, warum viele Studien zur Augmentationstherapie keine signifikanten positiven Ergebnisse bez. gängiger klinischer Endpunkte wie FEV1- und DLCO-Verlust, gesundheitsbezogener Lebensqualität (St. George’s Respiratory Questionnaire [SGRQ]), Exazerbationsfrequenz und Mortalität liefern. Mit der computertomografisch erhobenen Densitometrie (CT-Densitometrie), die als Maß für den Lungenparenchymverlust dient, konnte ein signifikanter Effekt für die Augmentationstherapie nachgewiesen werden. Grundlage für die Densitometrie zur Erfassung der Lungendichte war die EXACTLE-Studie. In dieser Studie wurden 77 Probanden mit einem schweren AATM 2 Jahre lang (mit einer optionalen Verlängerung um 6 Monate) mit wöchentlichen AAT-Infusionen mit 60 mg/kg oder Placebo behandelt [32]. Der primäre Zielparameter, die Verminderung der Progressionsrate des Emphysems, bestimmt durch die jährliche CT-Lungendichte, wurde zwar unter Augmentation erreicht, folgende sekundäre Endpunkte jedoch nicht: Senkung von Exazerbationen (lediglich bei schweren Exazerbationen, die zu Krankenhauseinweisungen führten), Verlangsamung des DLCO-Verlustes oder eine Verbesserung der gesundheitsbezogenen Lebensqualität.
Die folgenden klinischen Studien wurden bereits im ERS-Positionspapier 2017 zur Therapie des Alpha-1-Antitrypsin-Mangels aufgeführt und kommentiert [29]. Meta-Analysen zur Augmentationstherapie liegen sowohl zu dem klinischen Endpunkt „FEV1-Verlust“ als auch zum „Verlust der Lungendichte“ vor:
In einer Meta-Analyse von 2009 wurden alle bis dato vorliegenden kontrollierten Studien zur Augmentationstherapie (einschließlich nicht randomisierter Studien) mit dem klinischen Endpunkt „FEV1-Verlust“ zusammengefasst [33]. Hier zeigte sich ein um 23 % geringerer FEV1-Verlust (absolute Differenz 13,4 ml/Jahr) als bei den Probanden ohne Augmentation. In einer weiteren Meta-Analyse von Stockley et al. wurden 2 vom Design her sehr ähnliche Studien mit einer mittleren Beobachtungsdauer von 2,5 Jahren und dem klinischen Endpunkt „Lungendichteverlust“ zusammengefasst. Hier zeigte die Augmentationstherapie einen signifikanten Nutzen hinsichtlich des Lungendichteverlustes in der CT-Densitometrie [34]. Die ausschließlich auf randomisiert-kontrollierte Studien sich stützende Cochrane-Analyse von Gøtzsche et al. [35] bestätigte zwar ebenfalls einen geringeren Verlust der Lungendichte bei augmentierten Probanden in der CT-Densitometrie, fand jedoch widersprüchlich hierzu einen leicht größeren Verlust der FEV1 bei AAT-augmentierten Patienten im Vergleich zu den Placebo-Behandelten. Diese Diskrepanz zwischen FEV1-Verlust und Lungendichteverlust ließen für Gøtzsche et al. Zweifel an der Methode der Densitometrie zum Nachweis der Wirksamkeit einer Augmentationstherapie aufkommen [35].
In dem ERS-Positionspapier zur AAT-Augmentationstherapie von 2017 wurden bereits ausführlich die folgenden Studien erwähnt [29]. Seitdem sind nach Literaturrecherche keine weiteren Studien publiziert worden (aktueller Stand November 2019): Insgesamt liegen 8 randomisiert-kontrollierte Studien mit insgesamt 315 Patienten zur intravenösen Augmentation vor. In 3 Studien wurde mit einem Placebo verglichen [32] [36] [37] [38] und in 5 gegen eine neuere AAT-Augmentationstherapie [39] [40] [41] [42] [43]. In der ersten randomisiert-kontrollierten Studie wurden 58 rauchfreie Patienten mit dem Genotyp Pi*ZZ mit mittelschwerem bis schwerem Emphysem, die mindestens 3 Jahre lang mit einer AAT-Infusion von 250 mg/kg alle 4 Wochen behandelt wurden, mit Placebo verglichen. Lediglich in der Lungendichte-Messung mittels CT konnte ein signifikanter Effekt der Augmentationstherapie nachgewiesen werden, nicht jedoch bez. einer Verlangsamung des Verlustes von FEV1 und DLCO [36]. Darüber hinaus gab es 6 Beobachtungsstudien, in denen eine Kontrollgruppe [44] [45] [46] [47] [48] [49] zum größten Teil Daten aus Registern bewertete, und 11 unkontrollierte Beobachtungsstudien [21] [50] [51] [52] [53] [54] [55] [56] [57] [58] [59], die sich mit Pharmakokinetik, Sicherheit oder neuartigen Ergebnissen befassten.
Die zuletzt erfolgte große randomisiert-kontrollierte Studie war die RAPID-Studie, die 180 Patienten mit einem AATM und einer FEV1 von 35 – 70 % des Solls einschloss [37] [38]. Die Patienten erhielten hier entweder 2 Jahre lang wöchentliche AAT-Infusionen mit 60 mg/kg oder Placebo. Zusätzlich bestand eine 2-jährige Open-Label-Verlängerung für einige Teilnehmer [38]. Diese Studie war die erste, die einen Behandlungseffekt auf die jährliche Abnahmerate der Lungendichte, gemessen durch CT, nachweisen konnte. Sekundäre Endpunkte waren: Exazerbationsrate, FEV1-Verlust, Lebensqualität und DLCO. Der Hauptbefund war eine verringerte Rate an Abnahme der Lungendichte bei den behandelten Patienten. Dieser Behandlungseffekt war statistisch signifikant, wenn die Quantifizierung mittels CT-Bildgebung bei vollständiger Inspiration (TLC) erfolgte. Wie bereits in früheren randomisiert-kontrollierten Studien konnten jedoch auch hier keine signifikanten Verbesserungen in den sekundären Endpunkten wie Lungenfunktion, Lebensqualität und Exazerbationsrate bei Augmentierten beschrieben werden [38]. In einem ergänzenden Bericht zu der Studie wurde auch die Verringerung des zirkulierenden Desmosins detailliert beschrieben, was auf einen Effekt der Verstärkung auf den Abbau des Körperelastins hinweist [60]. Das Cross-over-Design der RAPID-Studie (in der Open-Label-Extention wurden Patienten, die zuvor im Placebo-Arm waren, mit Verum behandelt) ermöglichte die Aussage, dass ein bereits eingetretener Verlust an Lungendichte nicht mehr reversibel ist: Patienten, die in den ersten 24 Monaten Placebo erhalten hatten, zeigten trotz Umstellung auf das Verum-Präparat eine insgesamt geringere Lungendichte als Patienten, die bereits 24 Monate mit dem Verum-Präparat vorbehandelt wurden [37]. Hiervon ausgehend stellt sich nun die Frage, ab welchem FEV1-Wert mit einer Augmentation begonnen werden sollte. Registerarbeiten zeigen aber auch, dass nicht alle Menschen mit einem Genotyp Pi*ZZ eine schwere Lungenerkrankung mit Lungenemphysem entwickeln, insbesondere wenn diese Nie-Raucher sind und keiner intensiven Schadstoffexposition ausgesetzt waren [61]. Da bisher kontrollierte Studien, die eine Früh-Augmentation bei Patienten mit einer FEV1 > 65 % prospektiv untersuchen, fehlen, kann zu einer Früh-Augmentation keine Aussage getroffen werden. Auf dem Evidenz-Niveau der Expertenmeinung ist jedoch eine Augmentationstherapie bei Patienten mit einem schnellen FEV1-Verlust von mehr als 50 ml/Jahr auch bei einer FEV1 > 65 % des Solls in Erwägung zu ziehen. Die GOLD-Empfehlungen formulieren dies allgemeiner: Hier ist von einer kontinuierlich rasch voranschreitenden Erkrankung die Rede. In die Entscheidungsfindung auf individueller Basis sollen auch die Kosten der Therapie und die fehlende Datenlage mit einbezogen werden.
Eine Augmentation gilt in den meisten Studien, in denen dies berichtet wird, als sicher. Die Nebenwirkungsraten waren in EXACTLE [32] und RAPID [37] zwischen behandelten und Placebo-Gruppen ähnlich [29].
Der Effekt der Augmentation auf die Exazerbationsfrequenz der AATM-Lungenerkrankung ist weiterhin ungewiss, mit inkonsistenten Effekten in denjenigen RCTs, die sie berichteten [32] [37], und reduzierten Raten in einer retrospektiven Beobachtungsstudie [49].
Die Konsistenz der Studiendaten in Bezug auf die Abnahme der CT-Dichte und die Tatsache, dass die CT-Dichte in Querschnitts- und Längsschnittstudien nachgewiesen wurde, stehen in gutem Zusammenhang mit anderen klinischen Ergebnissen wie Mortalität und Lebensqualität [62] [63]. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass die Abnahme der CT-Dichte auch mit der Mortalität zusammenhängt [64], was darauf hinweist, dass die Ergebnisse kontrolliert-randomisierter Studien in Bezug auf die Abnahme der CT-Dichte mit den längeren Beobachtungsarbeiten übereinstimmen, die auf einen Mortalitätsvorteil hindeuten [29] [44].
In den meisten Therapiestudien wurde das seit der Erstbeschreibung der Augmentationstherapie von Wewers et al. in den 1980er-Jahren verwendete Dosierungsschema 60 mg/kg 1-mal wöchentlich untersucht [29] [50]. Inwiefern höhere Dosierungen und somit auch höhere AAT-Serumspiegel zu besseren Ergebnissen führen, ist derzeit Gegenstand der Forschung [65].
In Übereinstimmung mit internationalen Leitlinien und dem letzten deutschen Expertenstatement von 2014 können wir die Empfehlungen bez. der Indikation zum Start einer Augmentationstherapie wie folgt formulieren [11] [66]:
Für die Augmentationstherapie kommen nur Patienten in Betracht, bei denen ein homozygoter oder komplex-heterozygoter, schwerer AATM mit einem Serumspiegel unter 0,5 g/l bzw. 11 µmol/l sowie eine AATM-assoziierte COPD vorliegt. Vor Einleitung der Therapie sollte sichergestellt werden, dass der Patient nicht mehr raucht.
Die Patienten sollen eine Lungenfunktionseinschränkung mit einem Tiffeneau-Wert von < 0,7 und einen postbronchodilatatorischen FEV1-Wert von ≤ 65 % Soll aufweisen. Die Messung sollte in einem infektfreien Intervall unter optimierter medikamentöser Dauertherapie erfolgen.
Eine Augmentation kann auch bei einem postbronchodilatatorischen FEV1-Wert von über 65 % Soll begonnen werden, wenn ein ausgeprägter Abfall des FEV1 von über 50 ml/Jahr vorliegt [30]. Dieser Abfall ist mit wiederholten Messungen zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu dokumentieren, um die bei der Lungenfunktion zwangsläufig vorhandene Messungenauigkeit als Ursache der Änderung der Messwerte auszuschließen.
Bei Patienten mit schwerem AATM und schwerer Funktionseinschränkung (FEV1 < 30 % Soll) kann die Neueinstellung auf die Augmentationstherapie nicht generell empfohlen werden, über eine laufende Therapie sollte im Einzelfall entschieden werden.
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Interessenkonflikt
T. Greulich erhielt Kongressunterstützung durch AstraZenca, Boehringer-Ingelheim, Chiesi, CSL-Behring, Grifols, GSK, Mundopharma, Novartis sowie Forschungsunterstützung durch CSL-Behring und Grifols. C. Clarenbach erhielt Honorare für Beratertätigkeit von Roche, Novartis, Boehringer, GSK, Astra Zeneca, Sanofi, Vifor und Mundipharma. D. Skowasch erhielt Honorare für Beratertätigkeiten/Vorträge und Kongressteilnahmeunterstützung von Grifols. R. Bals berichtet über persönliche Zahlung (advisory boards) von AstraZeneca, Boehringer Ingelheim, GlaxoSmithKline, Grifols, Novartis und CSL Behring. Forschung von Prof. Bals wird unterstützt von: Bundesministerium für Bildung und Forschungskompetenznetzwerk (BMBF) Asthma und COPD (ASCONET), Sander Stiftung, Schwiete Stiftung, Boehringer Ingelheim, Novartis und Mukoviszidose e. V. A. R. Koczulla: Vorträge, Advisory Board für CSL und Grifols, Forschungsunterstützung von Grifols und CSL.
S. Fähndrich, W. Gleiber, H. Hautmann, R. Heine, M. Idzko, K. Schmidt-Scherzer und R. Wiewrodt geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Artikel online veröffentlicht:
03. Juni 2020
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
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