Pneumologie 2020; 74(08): 486-487
DOI: 10.1055/a-1147-3080
Pneumo-Fokus

Orale Steroide bei Asthma: Wie viel wird verordnet?

Tran TN. et al.
Oral Corticosteroid Prescription Patterns for Asthma in France, Germany, Italy, and the United Kingdom.

Eur Resp J 2020; PMID: 32165402.
DOI: 10.1183/13993003.02363-2019.
 

    In europäischen Ländern leiden rund 6 – 11 % der Menschen an Asthma (Frankreich, Italien und Deutschland); in Großbritannien liegt die Prävalenz sogar bei 11 – 18 %. Aufgrund der unerwünschten Wirkungen der oralen Steroide und der Verfügbarkeit von Biologika raten Experten zunehmend zur Vorsicht bei der Verordnung oraler Steroide bei Asthma. Wie die Verordnungszahlen in der Praxis aussehen, werteten die Autoren dieser Studie aus.


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    Die Therapie mit oralen Kortikosteroiden (OCS) geht einher mit akuten Komplikationen, wie gehäuften Infektionen, und chronischen Problemen, wie kardiovaskulären und metabolischen Erkrankungen. In jüngster Zeit ließ sich eine Dosis-Wirkungs-Beziehung in Bezug auf die Nebenwirkungen nachweisen; manche systemischen Komplikationen werden dabei ab einer kumulativen Dosis von 0,5 bis maximal 1 g signifikant häufiger. Während die Global Initiative for Asthma (GINA) bis vor kurzem noch eine Add-on-Therapie mit OCS bei unkontrollierbarem Asthma unter der höchsten Dosis inhalativer Steroide empfahl, wurden diese Richtlinien nun geändert: OCS als add-on sollen nun sehr vorsichtig eingesetzt werden.

    Obwohl nun zunehmend mehr Daten zu den Risiken der OCS bekannt werden, gibt es kaum Daten zu Verordnungszahlen in Europa. Diese Lücke wollten die Autoren schließen, um damit auch eine Umsetzung der neuen Empfehlungen in der Praxis zu erleichtern. In die Studie gingen retrospektiv die Zahlen aus medizinischen Datenbanken zwischen Juli 2011 und Februar 2018 aus Italien, Frankreich, Großbritannien und Deutschland ein. Die Autoren achteten bei der Erhebung sorgfältig darauf, für die ambulante Versorgung repräsentative Daten auswerten zu können, die auch Angaben zur genauen Diagnose sowie Dosierung und Verordnungszeitraum der Medikamente umfassten. Für Großbritannien standen z. B. Daten von etwa 5 % der Bevölkerung zur Verfügung. Auch die für die Analyse berücksichtigten Ärzte waren repräsentativ in Bezug auf Alter, Geschlecht und Region, da diese Faktoren die Verordnungspraxis beeinflussen.

    In die Studie gingen Patienten mit Asthma ≥ 12 Jahre mit mindestens einem verordneten Medikament (Nicht-OCS) innerhalb von 6 Monaten nach Diagnosestellung ein. Zudem sollten von den Patienten Daten für einen Zeitraum von mindestens 6 Monate vor Beginn und 90 Tage nach Beendigung der Studie vorliegen. Die Teilnehmer wurden in Bezug auf Prednisonäquivalente in 3 Gruppen eingeteilt: hohe Dosis OCS, mittlere Dosis und ohne OCS-Verordnung. Als hoher Gebrauch von OCS wurde eine Verordnung von ≥ 450 mg Prednisonäquivalent innerhalb von 90 Tagen (also täglich ≥ 5 mg) definiert.

    Von den analysierten 702 685 Asthmatikern nahmen 14 – 44 % OCS; 6 – 9 % nutzten OCS in hoher Dosis zu irgendeinem Zeitpunkt im Follow-up (33 – 55 Monate). Geschätzt war in allen Ländern jedes Jahr 3 % der Patienten eine hohe OCS-Dosis verordnet worden; diese Patienten nahmen OCS in einer durchschnittlichen Dosis von 1,3 – 2,2 mg/Tag ein. Wer über längere Zeit die Indikation für eine hohe OCS-Dosis erfüllte, erhielt im Allgemeinen mindestens 2 Jahre lang eine Dosierung mit 5,5 – 7,5 mg Prednisonäquivalent täglich. Auch einige Patienten mit leichtgradigem Asthma nahmen OCS in hoher Dosis ein.

    Fazit

    Jedes Jahr erhalten etwa 3 % der Asthma-Patienten in Europa OCS in hoher Dosis. Diese Zahl blieb seit 2012 unverändert, obwohl in jüngerer Zeit steroidsparende Therapien eingeführt wurden. Die tägliche Menge von ≥ 5 mg Prednisonäquivalent (also eine hohe Dosis) erhöht insbesondere bei langfristiger Gabe das Risiko für unerwünschte Wirkungen deutlich. Für alle untersuchten Länder konstatieren die Autoren ein suboptimales Management bei Asthma bronchiale, dessen Ursachen genauer geklärt werden sollten.

    Dr. med. Susanne Meinrenken, Bremen


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    Publication History

    Article published online:
    21 August 2020

    © Georg Thieme Verlag KG
    Stuttgart · New York