Aktuelle Rheumatologie 2020; 45(03): 250-252
DOI: 10.1055/a-1149-8653
Originalarbeit

Morbus Jüngling – Ostitis cystoides multiplex

Morbus Juengling – ostitis cystoides multiplex
Ulrich llgner
1   Orthopädisch-unfallchirurgische Privatarztpraxis, Rheumaorthopädie,Orthopädische Privatpraxis Seintsch Illgner, Technische Orthopädie, Koblenz
› Institutsangaben
 

Zusammenfassung

Beim Morbus Jüngling handelt es sich eine seltene knöcherne Manifestation einer chronischen Sarkoidose im Bereich der Knochen. Es kommt zu einer multiplen Zystenbildungen mit erhöhter Frakturanfälligkeit der betroffenen Knochen abhängig von der Lokalisation der Zysten. In der Literatur existieren nur wenige systematische Publikationen zu diesem Thema. Eine kausale Therapie ist nicht etabliert, obwohl es Publikationen über den Benefit extrapulmonaler Manifestationen einer Sarkoidose unter bDMARD-Therapie gibt. Es wird die Kasuistik einer 83-jährigen Patientin geschildert, die im Rahmen einer schon 1966 diagnostizierten und behandelten Sarkoidose bei einem bis dato nicht diagnostizierten M. Jüngling eine pathologische Fraktur des Skaphoids erlitt.


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Abstract

Morbus Juengling is a rare manifestation of sarcoidosis in the bone. Multiple cysts appear with a higher risk of fractures depending on the localisation of the cysts. There are only a few systematic publications on this topic in the literature. A causal treatment has not been established even though there are publications on the benefit of bDMARD treatment in extrapulmonary manifestations of sarcoidosis. This article presents the case of an 83-year-old woman diagnosed with sarcoidosis as early as 1966, who sustained a pathological fracture of the scaphoid bone due to Morbus Juengling, which remained undiagnosed until that day.


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Es stellte sich eine zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung 83-jährige Patientin mit Schmerzen der linken Handwurzel und des rechten Daumens vor. Ein Trauma war nicht erinnerlich. Ferner klagte sie über Lumbalgien bei bekannter Bandscheibenprotrusion mit seit längerem persistierender Fußheberschwäche vor. 1966 sei eine Sarkoidose erstmals diagnostiziert und erfolgreich mit Cortison behandelt worden. Zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung befand sich die Patientin bereits in internistischer Behandlung auf Grund einer chronischen Sarkoidose, welche zu diesem Zeitpunkt mit 2mg Prednisolon und NSAR (Ibuprofen) als Dauertherapie behandelt wurde. Eine Skelettmanisfestation der Sarkoidose war bisher nicht diagnostiziert worden. Die Patientin berichtete, sie habe sich ca 6 Monate vorher auf einer Tischplatte abgestützt, dabei seien akute Schmerzen des linken Handgelenkes erstmalig aufgetreten und persistierten seitdem. Ein Bluterguss oder Gefühlsstörung sei nicht aufgetreten, auch sei keine diagnostische Abklärung oder spezifische Therapie durchgeführt worden, ferner sei keinerlei Besserung eingetreten, sodass nun dauerhafte Belastungsschmerzen bei Alltagstätigkeiten der linken Hand bestünden.

Im Rahmen der klinischen Untersuchung zeigten sich keine Gelenkschwellungen oder Arthritiden noch relevanten Deviationen der Langefinger, das Gaenslenzeichen war unauffällig, „kleiner“ und „großer“ Faustschluss konnten demonstriert werden, Durchblutung, Motorik und Sensibilität waren ebenfalls unauffällig. Es bestand ein deutlich ausgeprägter Druckschmerz über der linken Tabatière sowie ein positiver Grind-Test des rechten Daumensattelgelenkes. In der weiteren körperlichen Untersuchung zeigte sich eine bis zu dieser Untersuchung ebenfalls nicht bekannte periphere symmetrische Polyneuropathie der unteren Extremität mit pathologischem Stimmgabeltest 0/6 Vorfüße bds, 2/6 Malleoli bds, Verlust des Achillessehnenreflexes bds sowie die bekannte Fußheberschwäche links Kraftgrad 4+/5 links vs. rechts als Residuum der alten Bandscheibenprotrusion, die Zeichen nach Lasèque und Bragard waren unauffällig. An den Füßen lagen ansonsten keine weiteren relevanten Veränderungen vor.

In der Powerdoppler-Sonografie beider Hände zeigten sich weder ein Erguss noch eine Synovialitis. In der Röntgenuntersuchung beider Hände in 2 Ebenen fielen multiple Knochenzysten an verschiedenen Knochen der Handwurzel und Fingerphalangen (Os Scaphoideum, Os Hamatum bds, Englied des Zeigefingers sowie eine Scaphoid-Trapezium-Trapezoideum [STT-] Arthrose und eine veraltete Scaphoid-Fraktur links mit bereits eingetretener Sklerosierung im Sinne einer Late-Union links auf([Abb. 1a] und [b]).

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Abb. 1 a und bRöntgen der linken Hand in 2 Ebenen mit multipler Zystenbildung Os scaphoideum, Os hamatum und Endglied DII sowie pathologischer Skaphoidfraktur mit Sklerosierungszeichen im Sinne einer Late-Union.

In einer Computertomografie der linken Hand wurde die Fraktur mit Late-Union verifiziert ([Abb. 2]).

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Abb. 2 CT linke Hand mit deutlich sichtbarer Scaphoidfraktur mit bereits eingetretener Sklerosierung und multipler Zystenbildung der Handwurzelknochen.

Es erfolgte eine eingehende Aufklärung der Patientin über den M. Jüngling als skeletale Manifestation der bekannten Sarkoidose sowie die eingetretene pathologische Fraktur. Ein hinreichendes Trauma hatte nicht vorgelegen, stattdessen lag eine pathologische Fraktur ausgelöst durch eine Alltagsbewegung (Abstützung auf einer Tischplatte) vor. Aufgrund der vorbestehenden Zyste an biomechanisch ungünstiger Stelle im Scaphoid war dieses gebrochen. Zwischen dem Eintritt der pathologischen Fraktur und der Diagnostik lagen mehrere Monate und es war bereits eine Sklerosierung der Frakturenden im Sinne einer Late-Union eingetreten. Es lag grundsätzlich eine Operationsindikation vor, insbesondere um das Eintreten einer Pseudarthrose mit dem Risiko eines nachfolgenden progedienten Sinterns der Handwurzel zu verhindern (scaphoid nonunion advanced collaps SNAC-Wrist). Dies wurde von der Patientin auf Grund ihres fortgeschrittenen Lebensalters und der Begleiterkrankungen sowie Bedenken vor der Operation und vor allem der Anästhesie nicht gewünscht. Deshalb wurde eine Gipsruhigstellung der linken Hand mit Daumeneinschluss in Rehbein-Düben-Stellung für 6 Wochen unter regelmäßigen fachärztlichen Kontrollen durchgeführt. Ferner wurde die Dosis der NSAR (Ibuprofen) erhöht. Nach 6 Wochen war die linke Hand deutlich abgeschwollen und es bestanden keine Schmerzen mehr. An der Stellung der Frakturenden hatte sich keine Änderung ergeben, aber trotz nochmaliger Aufklärung wünscht die Patientin keine weitere Therapie oder operative Versorgung, da sie nun beschwerdefrei und damit zufrieden war.

Eine grundsätzliche Therapie des M. Jünglings ist derzeit nicht bekannt [1] [2] [3]. Allerdings wird in der neuesten Literatur über ein Ansprechen auf bDMARDs berichtet [4].

Die Sarkoidose wird bei der Patientin aktuell weiter mit Low-Dose-Cortison als Dauertherapie aktuell 2 mg Prednisolon behandelt. Unter dieser Therapie besteht derzeit keine klinische oder laborchemische Aktivität der Sarkoidose.

Morbus Jüngling – Ostitis cystoides multiplex

Der M. Jüngling ist eine seltene skeletale Manifestation einer Sarkoidose, die durch multiple Zystenbildung insbesondere im Bereich der Hände gekennzeichnet ist und bei ca 10 % der Patienten mit Sarkoidose vorkommt. [1] [2] Es entstehen granulomatöse Veränderungen der betroffenen Organe, die Ätiologie der Sarkoidose und des M. Jüngling ist weiter unklar[2]. Zystische oder „zystoide“ Schädigungen des Knochens, da es sich nicht um echte Zysten sondern zystenartige Hohlräume durch Granulombildung handelt, wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von verschiedenen Autoren im Rahmen der Syphilis, der Tuberculose und der Sarkoidose beschrieben, von Schaumann 1918 histologisch gesichert und mit dem Namen Jüngling verknüpft [3]. Diese Knochenveränderungen wurden von Fleischner 1924 an Knochen von Händen und Füßen beschrieben [3]. Jüngling hatte die ersten Veröffentlichungen ohne Hautmanifestation der Sarkoidose publiziert, während Fleischner zyostoide Knochenveränderungen bei Hautmanifestationen einer Sarkoidose beschrieben hat [3]. Die Frage, ob diese zystischen Knochenveränderungen mit oder ohne Hautmanifestation der Sarkoidose auftreten, wird kontrovers diskutiert. In einem Artikel von Baltzer et al. von 1970 wurden keine Knochenveränderungen im Bereich der Füße sondern nur im Bereich der Hände ohne Zusammenhang zu einer Hautmanifestation einer Sarkoidose und ohne signifikante Häufung im Vergleich zur Kontrollgruppe gefunden [4].Schon 1918 zeigte Schaumann, dass auch die Sehnenscheiden betroffen sein können [3]. Es sind auch Fälle von Knochenbeteiligungen an anderen Stellen als Händen und Füßen beschrieben worden. [5] [6]. In einer akutellen Publikation wird eine Verbesserung und Regression der knöchernen zystischen Läsionen bei einer Patientin mit Sarkoidose und axialem Knochenbefall der Wirbelsäule sowie des Schädelknochens unter Therapie mit Infliximab beschrieben [7]. Bereits 2008 hatten Judson et al. den Benefit von Infliximab in der Therapie der extrapulmonalen Sarkoidose in einer prospektiven Studie veröffentlicht[8]. Die Patientin erhielt bei der Vorstellung bereits Cortison als Low-Dose-Therapie mit zum diesem Zeitpunkt 2 mg pro Tag. Sie wurde aufgeklärt, dass auch eine Low-Dose-Therapie insbesondere osteologische Risiken und Gefahren besitzt speziell im Hinblick auf die Entwicklung einer Osteoporose. Dies sollte immer bedacht, klar mit dem Patienten besprochen und aufgeklärt werden. Ferner sollte eine Kontrolle und ggf. Substitution mit ausreichend Calcium und Vitamin D sowie gegebenenfalls eine Osteodensiometrie analog zu den aktuellen Leitlinien erfolgen. Alle Patienten unserer Praxis werden über den Nutzen und die Bedeutung einer regelmäßigen sportlichen Betätigung und Gymnastik aufgeklärt.

Fazit

Der M. Jüngling ist eine seltene skelettal Manifestation einer Sarkoidose, die durch multiple Zystenbildung der Knochen gekennzeichnet ist. Je nach Lokalisation kann eine erhöhte Frakturgefahr mit Folgekomplikationen bestehen. Eine kausale Therapie des M. Jüngling ist nicht bekannt, obwohl Studien über den Benefit unter einer bDMARD Therapie existieren. Dies sollte in weiteren Studien genauer untersucht werden. Bei Beschwerden im Bereich der Knochen und Gelenke insbesondere der Hände sollte eine Röntgenbildgebung und in unklaren Fällen eine MRT- oder CT-Diagnostik erfolgen, um (pathologische) Frakturen auch ohne vorangegangenes Trauma nicht zu übersehen.


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Interessenkonflikt

Der Autor gibt an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

  • Literatur

  • 1 Droste U, Frenssen E. Pararheumatische Erkrankungen in Hettenkofer Rheumatologie. Thieme; 4. Auflage 2001: 233-234
  • 2 Boecker W, Denk H, Ph Heitz. U. Sarkoidose in Boecker, Denk, Heitz. Pathologie: Urban und Schwarzenberg München, Wien, Baltimore; 1996: 1015-1016
  • 3 Behrend H Die Gelenk-, Knochen- und Muskelmanifestation der Sarkoidose in G.L. Bach et al Rheumatologie B. Springer Verlag; Heidelberg: 1984
  • 4 Baltzer G, Behrend H, Behrend T. et al. Zur Häufigkeit zystischer Knochenveränderungen (Ostitis cystoides multiplex Jüngling) bei der Sarkoidose. Dtsch med. Wochenzeitschrift 1970; 95: 1926-1929
  • 5 Bargagli E, Olivieri C, Penza F. et al. Rare localizations of bone sarcoidosis: two case reports and review of the literature. Rheumatol Int 2011; 31: 1503-1506
  • 6 Arch Bronconeumol. 2020; Jan 2 pii: S0300-2896(19)30597-6, doi: 10.1016/j.arbres.2019.11.022 [Epub ahead of print]
  • 7 Lopes Machado A, Jacinto N, Teixeira Passos D et al. Sarcoidosis Presenting With Multiple Bone Lesions and Its Regression With Infliximab. [Article in English, Spanish] Arch Bro. nconeumol 2020; pii: S0300-2896(19)30597-6. doi: 10.1016/j.arbres.2019.11.022 [Epub ahead of print]
  • 8 Judson MA, Baughman RP, Costabel U. Efficacy of infliximab in extrapulmonary sarcoidosis: results from a randomised trial. Eur Respir J 2008; 6: 1189-1196

Korrespondenzadresse

Dr. Ulrich Illgner
Orthopädische Privatpraxis Seintsch Illgner
Orthopädisch-unfallchirurgische Privatarztpraxis,
Rheumaorthopädie, Technische Orthopädie
Hohenzollernstraße 64
56068 Koblenz
Telefon: +49 261 988630   
Fax: +49 261 9886311   

Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
28. April 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

  • Literatur

  • 1 Droste U, Frenssen E. Pararheumatische Erkrankungen in Hettenkofer Rheumatologie. Thieme; 4. Auflage 2001: 233-234
  • 2 Boecker W, Denk H, Ph Heitz. U. Sarkoidose in Boecker, Denk, Heitz. Pathologie: Urban und Schwarzenberg München, Wien, Baltimore; 1996: 1015-1016
  • 3 Behrend H Die Gelenk-, Knochen- und Muskelmanifestation der Sarkoidose in G.L. Bach et al Rheumatologie B. Springer Verlag; Heidelberg: 1984
  • 4 Baltzer G, Behrend H, Behrend T. et al. Zur Häufigkeit zystischer Knochenveränderungen (Ostitis cystoides multiplex Jüngling) bei der Sarkoidose. Dtsch med. Wochenzeitschrift 1970; 95: 1926-1929
  • 5 Bargagli E, Olivieri C, Penza F. et al. Rare localizations of bone sarcoidosis: two case reports and review of the literature. Rheumatol Int 2011; 31: 1503-1506
  • 6 Arch Bronconeumol. 2020; Jan 2 pii: S0300-2896(19)30597-6, doi: 10.1016/j.arbres.2019.11.022 [Epub ahead of print]
  • 7 Lopes Machado A, Jacinto N, Teixeira Passos D et al. Sarcoidosis Presenting With Multiple Bone Lesions and Its Regression With Infliximab. [Article in English, Spanish] Arch Bro. nconeumol 2020; pii: S0300-2896(19)30597-6. doi: 10.1016/j.arbres.2019.11.022 [Epub ahead of print]
  • 8 Judson MA, Baughman RP, Costabel U. Efficacy of infliximab in extrapulmonary sarcoidosis: results from a randomised trial. Eur Respir J 2008; 6: 1189-1196

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Abb. 1 a und bRöntgen der linken Hand in 2 Ebenen mit multipler Zystenbildung Os scaphoideum, Os hamatum und Endglied DII sowie pathologischer Skaphoidfraktur mit Sklerosierungszeichen im Sinne einer Late-Union.
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Abb. 2 CT linke Hand mit deutlich sichtbarer Scaphoidfraktur mit bereits eingetretener Sklerosierung und multipler Zystenbildung der Handwurzelknochen.