Schlüsselwörter
Morbus Juengling - Sarkoidose - Knochenmanifestation - Komplikation - Ostitis cystoides multiplex
Key words
Morbus Juengling - bone manifestation - complication - sarcoidosis - ostitis cystoides multiplex
Es stellte sich eine zum Zeitpunkt der ersten Untersuchung 83-jährige
Patientin mit Schmerzen der linken Handwurzel und des rechten Daumens vor. Ein
Trauma war nicht erinnerlich. Ferner klagte sie über Lumbalgien bei
bekannter Bandscheibenprotrusion mit seit längerem persistierender
Fußheberschwäche vor. 1966 sei eine Sarkoidose erstmals
diagnostiziert und erfolgreich mit Cortison behandelt worden. Zum Zeitpunkt der
ersten Untersuchung befand sich die Patientin bereits in internistischer Behandlung
auf Grund einer chronischen Sarkoidose, welche zu diesem Zeitpunkt mit 2mg
Prednisolon und NSAR (Ibuprofen) als Dauertherapie behandelt wurde. Eine
Skelettmanisfestation der Sarkoidose war bisher nicht diagnostiziert worden. Die
Patientin berichtete, sie habe sich ca 6 Monate vorher auf einer Tischplatte
abgestützt, dabei seien akute Schmerzen des linken Handgelenkes erstmalig
aufgetreten und persistierten seitdem. Ein Bluterguss oder
Gefühlsstörung sei nicht aufgetreten, auch sei keine diagnostische
Abklärung oder spezifische Therapie durchgeführt worden, ferner sei
keinerlei Besserung eingetreten, sodass nun dauerhafte Belastungsschmerzen bei
Alltagstätigkeiten der linken Hand bestünden.
Im Rahmen der klinischen Untersuchung zeigten sich keine Gelenkschwellungen oder
Arthritiden noch relevanten Deviationen der Langefinger, das Gaenslenzeichen war
unauffällig, „kleiner“ und „großer“ Faustschluss konnten demonstriert werden,
Durchblutung, Motorik und Sensibilität waren ebenfalls unauffällig. Es bestand ein
deutlich ausgeprägter Druckschmerz über der linken Tabatière sowie ein positiver
Grind-Test des rechten Daumensattelgelenkes. In der weiteren körperlichen
Untersuchung zeigte sich eine bis zu dieser Untersuchung ebenfalls nicht bekannte
periphere symmetrische Polyneuropathie der unteren Extremität mit pathologischem
Stimmgabeltest 0/6 Vorfüße bds, 2/6 Malleoli bds,
Verlust des Achillessehnenreflexes bds sowie die bekannte
Fußheberschwäche links Kraftgrad 4+/5 links vs.
rechts als Residuum der alten Bandscheibenprotrusion, die Zeichen nach Lasèque und
Bragard waren unauffällig. An den Füßen lagen ansonsten keine weiteren relevanten
Veränderungen vor.
In der Powerdoppler-Sonografie beider Hände zeigten sich weder ein Erguss noch eine
Synovialitis. In der Röntgenuntersuchung beider Hände in 2 Ebenen fielen multiple
Knochenzysten an verschiedenen Knochen der Handwurzel und Fingerphalangen (Os
Scaphoideum, Os Hamatum bds, Englied des Zeigefingers sowie eine
Scaphoid-Trapezium-Trapezoideum [STT-] Arthrose und eine veraltete Scaphoid-Fraktur
links mit bereits eingetretener Sklerosierung im Sinne einer Late-Union links
auf([Abb. 1a] und [b]).
Abb. 1 a und bRöntgen der linken Hand in 2 Ebenen mit
multipler Zystenbildung Os scaphoideum, Os hamatum und Endglied DII sowie
pathologischer Skaphoidfraktur mit Sklerosierungszeichen im Sinne einer
Late-Union.
In einer Computertomografie der linken Hand wurde die Fraktur mit Late-Union
verifiziert ([Abb. 2]).
Abb. 2 CT linke Hand mit deutlich sichtbarer Scaphoidfraktur mit
bereits eingetretener Sklerosierung und multipler Zystenbildung der
Handwurzelknochen.
Es erfolgte eine eingehende Aufklärung der Patientin über den M.
Jüngling als skeletale Manifestation der bekannten Sarkoidose sowie die
eingetretene pathologische Fraktur. Ein hinreichendes Trauma hatte nicht vorgelegen,
stattdessen lag eine pathologische Fraktur ausgelöst durch eine
Alltagsbewegung (Abstützung auf einer Tischplatte) vor. Aufgrund der
vorbestehenden Zyste an biomechanisch ungünstiger Stelle im Scaphoid war
dieses gebrochen. Zwischen dem Eintritt der pathologischen Fraktur und der
Diagnostik lagen mehrere Monate und es war bereits eine Sklerosierung der
Frakturenden im Sinne einer Late-Union eingetreten. Es lag grundsätzlich
eine Operationsindikation vor, insbesondere um das Eintreten einer Pseudarthrose mit
dem Risiko eines nachfolgenden progedienten Sinterns der Handwurzel zu verhindern
(scaphoid nonunion advanced collaps SNAC-Wrist). Dies wurde von der Patientin auf
Grund ihres fortgeschrittenen Lebensalters und der Begleiterkrankungen sowie
Bedenken vor der Operation und vor allem der Anästhesie nicht
gewünscht. Deshalb wurde eine Gipsruhigstellung der linken Hand mit
Daumeneinschluss in Rehbein-Düben-Stellung für 6 Wochen unter
regelmäßigen fachärztlichen Kontrollen durchgeführt.
Ferner wurde die Dosis der NSAR (Ibuprofen) erhöht. Nach 6 Wochen war die
linke Hand deutlich abgeschwollen und es bestanden keine Schmerzen mehr. An der
Stellung der Frakturenden hatte sich keine Änderung ergeben, aber trotz
nochmaliger Aufklärung wünscht die Patientin keine weitere Therapie
oder operative Versorgung, da sie nun beschwerdefrei und damit zufrieden war.
Eine grundsätzliche Therapie des M. Jünglings ist derzeit nicht
bekannt [1]
[2]
[3]. Allerdings wird in der neuesten Literatur
über ein Ansprechen auf bDMARDs berichtet [4].
Die Sarkoidose wird bei der Patientin aktuell weiter mit Low-Dose-Cortison als
Dauertherapie aktuell 2 mg Prednisolon behandelt. Unter dieser Therapie
besteht derzeit keine klinische oder laborchemische Aktivität der
Sarkoidose.
Morbus Jüngling – Ostitis cystoides multiplex
Der M. Jüngling ist eine seltene skeletale Manifestation einer Sarkoidose, die durch
multiple Zystenbildung insbesondere im Bereich der Hände gekennzeichnet ist und bei
ca 10 % der Patienten mit Sarkoidose vorkommt. [1]
[2] Es entstehen granulomatöse Veränderungen
der betroffenen Organe, die Ätiologie der Sarkoidose und des M. Jüngling ist weiter
unklar[2]. Zystische oder „zystoide“
Schädigungen des Knochens, da es sich nicht um echte Zysten sondern zystenartige
Hohlräume durch Granulombildung handelt, wurden Anfang des 20. Jahrhunderts von
verschiedenen Autoren im Rahmen der Syphilis, der Tuberculose und der Sarkoidose
beschrieben, von Schaumann 1918 histologisch gesichert und mit dem Namen Jüngling
verknüpft [3]. Diese Knochenveränderungen
wurden von Fleischner 1924 an Knochen von Händen und Füßen beschrieben [3]. Jüngling hatte die ersten
Veröffentlichungen ohne Hautmanifestation der Sarkoidose publiziert, während
Fleischner zyostoide Knochenveränderungen bei Hautmanifestationen einer Sarkoidose
beschrieben hat [3]. Die Frage, ob diese
zystischen Knochenveränderungen mit oder ohne Hautmanifestation der Sarkoidose
auftreten, wird kontrovers diskutiert. In einem Artikel von Baltzer et al. von 1970
wurden keine Knochenveränderungen im Bereich der Füße sondern nur im Bereich der
Hände ohne Zusammenhang zu einer Hautmanifestation einer Sarkoidose und ohne
signifikante Häufung im Vergleich zur Kontrollgruppe gefunden [4].Schon 1918 zeigte Schaumann, dass auch die
Sehnenscheiden betroffen sein können [3]. Es
sind auch Fälle von Knochenbeteiligungen an anderen Stellen als Händen und Füßen
beschrieben worden. [5]
[6]. In einer akutellen Publikation wird eine
Verbesserung und Regression der knöchernen zystischen Läsionen bei einer Patientin
mit Sarkoidose und axialem Knochenbefall der Wirbelsäule sowie des Schädelknochens
unter Therapie mit Infliximab beschrieben [7].
Bereits 2008 hatten Judson et al. den Benefit von Infliximab in der Therapie der
extrapulmonalen Sarkoidose in einer prospektiven Studie veröffentlicht[8]. Die Patientin erhielt bei der Vorstellung
bereits Cortison als Low-Dose-Therapie mit zum diesem Zeitpunkt 2 mg pro Tag. Sie
wurde aufgeklärt, dass auch eine Low-Dose-Therapie insbesondere osteologische
Risiken und Gefahren besitzt speziell im Hinblick auf die Entwicklung einer
Osteoporose. Dies sollte immer bedacht, klar mit dem Patienten besprochen und
aufgeklärt werden. Ferner sollte eine Kontrolle und ggf. Substitution mit
ausreichend Calcium und Vitamin D sowie gegebenenfalls eine Osteodensiometrie analog
zu den aktuellen Leitlinien erfolgen. Alle Patienten unserer Praxis werden über den
Nutzen und die Bedeutung einer regelmäßigen sportlichen Betätigung und Gymnastik
aufgeklärt.
Der M. Jüngling ist eine seltene skelettal Manifestation einer
Sarkoidose, die durch multiple Zystenbildung der Knochen
gekennzeichnet ist. Je nach Lokalisation kann eine erhöhte
Frakturgefahr mit Folgekomplikationen bestehen. Eine
kausale Therapie des M. Jüngling ist nicht bekannt, obwohl
Studien über den Benefit unter einer bDMARD Therapie existieren.
Dies sollte in weiteren Studien genauer untersucht
werden. Bei Beschwerden im Bereich der Knochen und
Gelenke insbesondere der Hände sollte eine Röntgenbildgebung
und in unklaren Fällen eine MRT- oder CT-Diagnostik
erfolgen, um (pathologische) Frakturen auch ohne vorangegangenes
Trauma nicht zu übersehen.