Subscribe to RSS
DOI: 10.1055/a-1150-2091
Wirkt sich die Qualität der Krankenhausreinigung auf nosokomiale Infektionen aus?
Oberflächen im Krankenhaus, v. a solche mit häufigem Handkontakt, stellen ein Reservoir für die Erregerübertragung dar. Dennoch gab es bislang kaum Daten zum Effekt einer qualitativ und quantitativ guten Krankenhausreinigung auf das tatsächliche Auftreten nosokomialer Infektionen. Mitchell et al. haben nun den Versuch unternommen, ein Maßnahmenbündel zu etablieren, um nosokomiale Infektionen in Krankenhäusern zu reduzieren.
#
Die sog. REACH-Studie wurde als multizentrische randomisierte Studie in 11 Akutkrankenhäusern in Australien angelegt. Teilnahmevoraussetzung war das Vorhandensein einer Intensivstation bzw. mindestens 200 stationäre Betten und ein etabliertes Infektionserfassungsprogramm. In den jeweils 20 – 50 Wochen andauernden Interventionsphasen wurde ein standardisiertes Maßnahmenbündel als multimodale Intervention eingeführt. Im Mittelpunkt standen dabei eine Optimierung des Umgangs mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln, der Arbeitsabläufe und Reinigungstechnik und ein regelmäßiges Training des Reinigungspersonals sowie eine Überprüfung der Durchführung der Flächenreinigung mittels Aufbringen eines Fluoreszenzmarkergels mit konsekutivem Feedback an die Mitarbeiter. Einen zentralen Stellenwert hatte die Schaffung und Aufrechterhaltung einer wechselseitigen Kommunikation zwischen Klinikleitung, Hauswirtschaftsleitung, Reinigungsdienst und Hygieneteams. Primärer Endpunkt war das Auftreten (Inzidenzraten) nosokomialer Bakteriämien mit Staphylococcus aureus, Infektionen durch Clostridioides difficile sowie von Infektionen durch vancomycinresistente Enterokokken. Der 2. Endpunkt bestand in der Effektivität der Reinigung häufig berührter Handkontaktflächen.
Ergebnisse
Die grobe Betrachtung der unadjustierten Prävalenzraten ergab für alle oben genannten Infektionen eine Reduktion gegenüber der Präinterventionsphase. Um vorbestehende Trends nicht fälschlicherweise als (echte) Änderungen von Infektionsraten zu interpretieren, wurden diese bereits in der Präinterventionsphase erfasst und in der Auswertung mit berücksichtigt. Dabei war lediglich für die Clostridioides-difficile-Infektionen ein unabhängiger und vor der Intervention schon bestehender Abwärtstrend festzustellen. Der sich in der Endanalyse ergebende Effekt der Intervention zeigte eine Reduktion der Infektionen mit VRE von 0,35 auf 0,22 pro 10 000 Krankenhausbetten (relatives Risiko 0,63, 95 %-Konfidenzintervall 0,41 – 0,97, p = 0,03). Bei den Staphylococcus-aureus-Bakteriämien wurde eine leichte Abnahme und bei den Infektionen durch Clostridioides difficile eine leichte Zunahme verzeichnet. Beide Trends erreichten jedoch keine statistische Signifikanz, ebenso wenig die leichte Abnahme der MRSA-Bakteriämien.
Der Anteil der korrekt gereinigten, häufig berührten Handkontaktflächen stieg sowohl in den Nasszellen als auch in der Bettplatzumgebung signifikant an: Odds Ratio 2,07 (95 %-Konfidenzintervall 1,83 – 2,34, p < 0,001), Nasszelle Odds Ratio 1,87 (95%-Konfidenzintervall 1,68 – 2,09, p < 0,0001). Anders ausgedrückt stieg der Prozentsatz der korrekt gereinigten, häufig berührten Handkontaktflächen von 55 % vor auf 76 % (75 – 78) nach der Intervention an. Parallel konnten keine wesentlichen Änderungen bei der Compliance mit den Basishygienemaßnahmen oder beim Einsatz von Antibiotika festgestellt werden. Infektionsausbrüche oder -häufungen, die ebenfalls einen verzerrenden Effekt verursachen könnten, wurden ebenfalls nicht festgestellt, ebenso wenig wurden die Screeningvorgaben während der Studienphase geändert.
Komponenten des Maßnahmenbündels:
-
individuelle Schulungen der Reinigungsteams mit regelmäßigen Wiederholungen
-
klare Festlegung von Zuständigkeitsbereichen und Definition von Arbeitsabläufen
-
besonderes Augenmerk auf die häufig berührten Handkontaktflächen, die von den nordamerikanischen Centers for Disease Control and Prevention definiert wurden: Bettgitter, Nachttische von Patienten, Oberflächen und Knöpfe, Griffe von Patientenschränken, Türknäufe, Oberflächen in den Nasszellen
-
Sicherstellung eines korrekten Umgangs mit Reinigungs- und Desinfektionsmitteln
-
Einsatz von einfach zu verwendenden Desinfektionstüchern für medizinische Geräte
-
Überprüfung der Reinigungsmaßnahmen durch Anbringen von Fluoreszenzmarkergel
-
Feedback der Ergebnisse krankenhausweit
-
Förderung eines modernen Teamgedankens und einer offenen Fehlerkultur mit Vermittlung der Bedeutung der Tätigkeiten an alle Beteiligten
-
regelmäßige Kommunikation zwischen Reinigungsdienst und Stationsleitungen
Diese pragmatische Multicenter-Studie zeigte, dass das zugrunde gelegte multimodale Maßnahmenbündel sowohl die Effektivität der Reinigung verbesserte als auch zu einer Reduktion von Infektionen mit vancomycinresistenten Enterokokken führen konnte. Allerdings konnte keine signifikante Änderung bei der Inzidenz von Bakteriämien mit Staphylococcus aureus oder Infektionen durch Clostridioides difficile belegt werden. Es blieb eine kleine, jedoch statistisch nicht signifikante Reduktion bei Betrachtung der kombinierten Infektionsrate.
Alles in allem zeigen die Ergebnisse, dass eine qualitativ gute Krankenhausreinigung nicht nur für die Außenwirkung, sondern auch für die Patientensicherheit in Bezug auf nosokomiale Infektionen wichtig ist.
Was war vorher schon bekannt?
Häufig berührte Handkontaktflächen wie Bettgitter, Klingelknöpfe für Patienten, Türklinken und Ähnliches können ein Reservoir für Erreger, ob multiresistent oder nicht, aus der Bakterienflora des Patienten darstellen. Davon ausgehend können die Erreger wiederum über unzureichend desinfizierte Hände weitergetragen werden. Dafür sprechen Studienergebnisse, dass Patienten, die in einem Zimmer untergebracht werden, in denen zuvor ein Patient mit einem z. B. multiresistenten Erreger lag, wiederum selbst ein erhöhtes Risiko einer nachfolgenden Kolonisierung und damit auch Infektion mit diesem haben können. Daraus kann geschlossen werden, dass die in manchen Kliniken übliche (nicht optimale) Reinigungs- und Desinfektionspraxis unabhängig von der Basishygiene durch das Personal das Risiko für die Akquisition von krankenhaushygienisch problematischen Erregern erhöhen kann.
Was trägt die Studie an Neuem bei?
Das erste Mal konnte ein direkter Effekt von Qualitätsverbesserungen bei der Krankenhausreinigung und Flächendesinfektion auf die Inzidenz von nosokomialen Infektionen (nicht Kolonisationen!) gezeigt werden. Nicht zuletzt konnte dieses Maßnahmenbündel flexibel auf ganz unterschiedliche Krankenhäuser zugeschnitten werden und kam ohne spezielle technische Maßnahmen wie Verneblung von Desinfektionsmitteln oder ultraviolette Bestrahlungen aus. Offenbar können vancomycinresistente Enterokokken aufgrund ihrer hohen Umweltresistenz als ein Surrogatparameter stellvertretend für andere Erreger beobachtet werden, um einen potenziellen Benefit verbesserter Reinigungs-und Desinfektionsmaßnahmen einzuschätzen. Eine Reduktion der Übertragung von vancomycinresistenten Enterokokken besitzt nicht nur eine Bedeutung für den jeweilig betroffenen Patienten, sondern insgesamt für das „Ökosystem Krankenhaus“ im Hinblick auf Resistenzentwicklungen. Das Schwierige dabei ist, dass es dabei keine durchschlagende Einzelmaßnahme gibt, sondern eine erfolgreiche Risikoreduktion nur durch die erfolgreiche Kombination einer optimierten Basishygiene mit einer sachgerechten Flächenhygiene erreicht werden kann.
CDC Centers for Disease Control and Prevention
REACH Research Effective Approaches to Cleaning in Hospitals


Deutsches Beratungszentrum für Hygiene, Freiburg
Literatur
[1] Siegel JD, Jackson M et al; Healthcare Infection Control Practices Advisory Committee. 2007 Guideline for Isolation Precautions: Preventing Transmission of Infectious Agents in Healthcare Settings. Im Internet: https://www.cdc.gov/infectioncontrol/guidelines/isolation/index.html; Stand: 25.10.2019
Interessenkonflikt
Der Autor ist ärztlicher Leiter und Mitgesellschafter des Deutschen Beratungszentrums für Hygiene (BZH GmbH).
#
#
Publication History
Article published online:
15 October 2020
© 2020. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany


Deutsches Beratungszentrum für Hygiene, Freiburg