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DOI: 10.1055/a-1152-3469
Renin-Angiotensin-System (RAS) und COVID-19 – Zur Verordnung von RAS-Blockern
Renin-Angiotensin-System (RAS) and COVID-19 – On The Prescription of RAS BlockersAbstract
Twenty years ago, an enzyme homologous to the previously known angiotensin-converting enzyme (ACE) was identified, and subsequently named ACE2. In the renin-angiotensin system (RAS), ACE2 has counter-regulatory functions against the classical effector peptide angiotensin II, for example in blood pressure regulation and cardiovascular remodeling. However, ACE2 provides an initially unexpected interesting link between virology and cardiovascular medicine. That is, ACE2 represents the binding receptor for the cellular uptake of SARS-CoV and SARS-CoV-2 viruses. Thus, ACE2 is relevant for COVID-19. In this context, it was suspected that therapy with RAS blockers might promote transmission and complications of COVID-19 by upregulation of ACE2 expression. The aim of this short review is, to describe the link between the RAS, particularly ACE2, and COVID-19. Based on our analysis and evaluation of the available findings, we justify our conclusion: important drugs such as ACE inhibitors and angiotensin receptor blockers should continue to be prescribed according to guidelines to stable patients in the context of the COVID-19 pandemic.
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In der Forschung zur SARS-Epidemie (2003) ergab sich schon damals unerwartet eine neue Verbindung zwischen Virologie und Herz-Kreislauf-Medizin – eine Erkenntnis, die wieder aktuell geworden ist. Denn inzwischen ist bekannt, dass ACE2 auch den Bindungsrezeptor für das neue Virus der COVID-19-Infektion, SARS-CoV-2, darstellt. Sind Medikamente wie ACEI und ARB nun riskant? Der Beitrag erläutert die Zusammenhänge und die Relevanz für den Praktiker.
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Schlüsselwörter
Lungenschädigung - Hypertonieprävalenz - Infektiosität - zelluläre Serinprotease - BindungsrezeptorKey words
lung damage - prevalence of hypertension - infectivity - cellular serine protease - binding receptorEinleitung
Das Renin-Angiotensin-System (RAS) ist eines der wichtigsten blutdruckregulierenden Systeme mit mehreren Effektoren, den Angiotensin-Peptiden. Diese werden durch das Enzym Renin vom hochmolekularen Protein Angiotensinogen abgespalten und dann u. a. durch Angiotensin-Converting Enzyme (ACE) aktiviert. Das klassische ACE spaltet vom Dekapeptid Angiotensin I (Ang 1–10) das Angiotensin II (Ang 1–8) ab. Angiotensin II erhöht den Blutdruck durch Bindung an den Angiotensin-Typ-1-Rezeptor (AT1R) und nachfolgende Vasokonstriktion.
Angiotensin-Converting Enzyme 2 (ACE2)
Vor 20 Jahren wurde ein weiteres zum ACE homologes Enzym identifiziert [1] und daraufhin als ACE2 bezeichnet. Sowohl ACE2 als auch das klassische ACE liegen einerseits als sehr stark membrangebundene Enzyme in der Lunge und vielen anderen Organen vor [2] [3]. Andererseits können aus den jeweiligen membrangebundenen Formen durch Spaltung kleinere lösliche Enzyme gebildet werden. Diese löslichen Formen von ACE und ACE2 zirkulieren in Körperflüssigkeiten und im Blutplasma.
Zunächst hatte sich im Wesentlichen die Grundlagenwissenschaft mit dem ACE2 beschäftigt – die klinische Bedeutung von ACE2 wurde als gering erachtet, weil es eine nur untergeordnete Rolle in der klassischen Kaskade des RAS zu spielen schien ([Abb. 1]).
Dieser Unterschied resultiert aus wichtigen strukturellen Verschiedenheiten von ACE und ACE2, die das jeweilige aktive Zentrum des Enzyms betreffen und zugleich auch die unterschiedliche Funktion erklären.
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ACE ist eine Dipeptidyl-Carboxypeptidase und das wichtigste Enzym für die Konversion des Dekapeptids Angiotensin I (Ang I): durch Abspaltung von 2 Aminosäuren entsteht das vasokonstriktorisch wirkende Oktapeptid Ang II.
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ACE2 hingegen ist eine Mono-Carboxypeptidase, die am Ende von Peptiden nur 1 Aminosäure abspaltet und aus Ang II ein anderes Peptid mit nur 7 Aminosäuren (Ang 1–7) bildet. Außerdem kann ACE2 auch 1 Aminosäure aus Ang I abspalten und damit Ang 1–9 bilden.
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Blutdruckkontrolle und weitere Effekte
Ang II/AT1R-Achse
Die klassische Achse in der RAS-Kaskade, die entscheidend ist für Blutdruckkontrolle und Aldosteronsekretion, betrifft den Signalweg von Ang II zum AT1R [4]. Diese Ang II/AT1R-Achse hat nicht nur im Herz-Kreislauf-System, sondern zusätzlich in der Lunge und anderen Organen auf Gewebeebene [2] Relevanz: neben der Vasokonstriktion ist sie verantwortlich für schädigende Wirkungen durch Induktion von prooxidativen, proinflammatorischen und profibrotischen Veränderungen. Letztere spielen eine Rolle beim kardiovaskulären Remodeling in Herz, Gefäßen und Nieren [5].
Neben dieser schädigenden Achse hat das RAS zumindest 2 weitere gegenregulatorische (schützende) Arme:
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Ein Arm betrifft den Signalweg über den Angiotensin-Typ-2-Rezeptor (AT2R), der ebenfalls hauptsächlich durch Ang II, aber zusätzlich auch über Ang 1–9 aktiviert wird.
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Der andere, noch nicht so lange bekannte Arm betrifft den Mas-Rezeptor (MasR) -Signalweg, der hauptsächlich durch Ang 1–7 induziert wird [3]. An dieser Stelle hat das ACE2 eine Schlüsselposition als hauptverantwortliches Enzym für die Ang-1–7-Bildung.
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ACE2/Ang 1–7/MasR-Achse
Die ACE2/Ang 1–7/MasR-Achse vermittelt neben Vasodilatation antioxidative, antiinflammatorische und antifibrotische Schutzfunktionen. ACE2 wird u. a. in den Epithelzellen des oberen und unteren Respirationstrakts sowie in den Alveolarepithelien Typ II gebildet [5]. In mehreren tierexperimentellen Studien konnten eindrucksvoll schützende Effekte der ACE2/Ang 1–7/MasR-Achse zum Beispiel im Rahmen der Lungenschädigung bei Sepsis nachgewiesen werden [5] [6]. Im Gegensatz dazu fördert die Aktivierung der Ang II/AT1R-Achse die Lungenschädigung – dementsprechend schützt die Behandlung mit ACEI oder AT1R-Antagonisten (Angiotensin-Rezeptorblocker, ARB) die Lunge [6].
Diese aus tierexperimentellen Studien abgeleitete Hypothese über einen protektiven Effekt der RAS-Blocker bei Infektionen der Lunge scheint sich in der klinischen Anwendung zu bestätigen. Eine Analyse der publizierten Studien bei Patienten mit Pneumonie ergab: Der Einsatz von RAS-Blockern ist mit einer geringeren Inzidenz von Lungenentzündungen und einem verbesserten klinischen Outcome einschließlich bei Viruspneumonien verbunden [5].
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Neue Perspektive auf ACE2 durch SARS – Coronaviren
Die Sichtweise auf ACE2 erfuhr im Jahr 2003 eine eindrucksvolle Erweiterung: ACE2 wurde nämlich als Rezeptor für die Bindung von Coronaviren (SARS-CoV) entdeckt, die für das Severe Acute Respiratory Syndrome (SARS) verantwortlich sind [8]. Damit ergab sich über ACE2 und RAS eine unerwartete neue Verbindung zwischen Virologie und Herz-Kreislauf-Medizin. Diese Erkenntnis trat jedoch nach dem Ende der SARS-Epidemie [9] wieder in den Hintergrund und gewinnt nun im Kontext der COVID-19-Pandemie erneut sehr stark an Bedeutung aufgrund der Verbindung zwischen ACE2 und SARS-CoV-2.
Dies beruht zunächst auf dem Nachweis, dass ACE2 auch den Bindungsrezeptor für das neue Virus der COVID-19-Infektion, SARS-CoV-2, darstellt [10].
Dementsprechend können alle Zellen, die ACE2 und zugleich die zelluläre Serinprotease TMPRSS2 als weiteren notwendigen Kofaktor auf ihrer Zelloberfläche produzieren, potenziell SARS-CoV-2 aufnehmen und replizieren. Dieser Zusammenhang hat seit Beginn der COVID-19-Pandemie zahlreiche Kommentare und Spekulationen in Fachjournalen, Presse und Social Media provoziert. Es wurde befürchtet, dass Medikamente wie ACEI und ARB möglicherweise das Risiko für eine Infektion und den Krankheitsverlauf mit COVID-19 erhöhen [5] [11].
Obwohl, wie bereits erwähnt, ACEI keine hemmende Wirkung auf ACE2 ausüben können, gibt es im RAS zahlreiche Interaktionen und Rückkopplungsschleifen zwischen den Einzelkomponenten [4]. Am bekanntesten ist die negative Rückkopplung zwischen Ang II auf die Reninsekretion über AT1R, was die hohen Reninspiegel unter Therapie mit ACEI und ARB erklärt. Ein möglicher Zusammenhang zwischen ACE2 und RAS-Blockern ergibt sich vorwiegend aus tierexperimentellen Befunden.
Tierexperimentelle Befunde zeigten eine Heraufregulation von ACE2 in kardiovaskulären Organen nach der Behandlung mit RAS-Blockern, v. a. nach Gabe von ARB [5].
Was aber wäre, wenn das auch auf den Menschen zuträfe? Dann
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könnte man von einer erhöhten Infektiosität durch eine verstärkte Aufnahme von SARS-CoV-2 unter der Therapie mit RAS-Blockern und einem damit verbundenen ungünstigen Einfluss auf COVID-19 ausgehen [5].
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hätte ein solcher Zusammenhang klinisch relevante Implikationen, weil RAS-Blocker als Basis einer leitliniengerechten Behandlung der arteriellen Hypertonie und auch anderer kardiovaskulären Erkrankungen wie Herzinsuffizienz mit reduzierter Ejektionsfraktion empfohlen werden.
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wäre vor allem vor dem Hintergrund der hohen Prävalenz der arteriellen Hypertonie sowie ihrer Begleiterkrankungen die Gesamtpopulation und insbesondere die ältere Bevölkerung gefährdet [12].
So war der Grund für den hohen Anteil der Hypertoniker an den initial berichteten komplizierten Verläufen der COVID-19-Patienten (einschließlich der Verstorbenen in China und Italien) mit hoher Wahrscheinlichkeit das hohe mittlere Alter mit der korrespondierenden hohen Hypertonieprävalenz in der älteren Bevölkerung [5] [13].
Empfehlung
Eine umfassende Beurteilung der komplexen Interaktionen im RAS und deren Modulation durch RAS-Blocker sowie deren Beziehung zur Pathogenese der COVID-19-Infektion zeigt: Befürchtungen eines erhöhten Risikos durch RAS-Blocker im Rahmen von COVID-19 sind nach heutigem Kenntnisstand nicht begründet [5] [11] [13]. Diese Einschätzung wurde in der Zwischenzeit in zahlreichen Stellungnahmen von internationalen und nationalen Fachgesellschaften (ESH, DHL) ebenfalls untermauert [14] [15].
Begründung der Empfehlung
Entscheidend ist, dass nach einer systematischen Auswertung der bislang publizierten Befunde eine Heraufregulation des ACE2-Proteins im Gewebe nicht konsistent zu belegen ist. Dies trifft erst recht auf den Menschen zu, wo bislang keine signifikante Beeinflussung von ACE2-Protein durch RAS-Blocker im Respirationstrakt als dem entscheidenden Zielorgan für COVID-19 nachweisbar ist [5]. Auf der anderen Seite wurde ein günstiger protektiver Einfluss von RAS-Blockern auf Lungenschädigungen in experimentellen Studien und auf klinisch relevante Endpunkte bei Patienten mit Pneumonie beschrieben [5] [11] [13].
Vor diesem Hintergrund soll eine leitliniengerechte Anwendung von ACEI und ARB bei stabilen Patienten mit Hypertonie oder anderen Erkrankungen (z. B. Herzinsuffizienz, chronische Nierenerkrankung, Diabetes) wegen der Bedenken während einer COVID-19-Pandemie nicht abgesetzt oder zurückgehalten werden [16]. Davon ausgenommen sind selbstverständlich schwerkranke COVID-19-Patienten mit kompliziertem Verlauf und arterieller Hypotonie, Kreislaufinstabilität, kardialer Schädigung und Herzinsuffizienz oder akuter Nierenschädigung mit schwerer Niereninsuffizienz. In diesen Situationen können eine individuelle Anpassung bzw. das kurzfristige Absetzen einer blutdrucksenkenden Therapie einschließlich der RAS-Blocker und eine leitliniengerechte intensivmedizinische Therapie geboten sein [5].
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Ausgangspunkt der hier diskutierten Problematik ist der Nachweis, dass ACE2 auch den Bindungsrezeptor für das neue Virus der COVID-19-Infektion, SARS-CoV-2, darstellt.
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Eine Beeinflussung der Infektiosität von SARS-CoV-2, dem Erreger von COVID-19, durch RAS-Blocker aufgrund einer Aktivierung von ACE2 ist derzeit wissenschaftlich nicht belegt.
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Der klinische Einsatz der RAS-Blocker ACEI und ARB soll im Kontext der COVID-19-Pandemie bei stabilen Patienten nach heutigem Kenntnisstand unverändert leitliniengerecht erfolgen.
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Fachgesellschaften wie die ESH und die DHL befürworten diese Empfehlung.
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Klinische Erfahrungen bei der Behandlung von COVID-19-Patienten sollten international zusammengeführt werden, v. a. in Bezug auf Komorbiditäten wie arterielle Hypertonie und entsprechende Begleittherapien.
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Prof. Dr. med. Detlev Ganten
Präsident des World Health Summit. Er arbeitet wissenschaftlich auf den Gebieten der Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Genomforschung, Molekulare Genetik, Evolutionäre Medizin und Globale Gesundheit. Er war Gründungsdirektor des Max-Delbrück-Centrums für Molekulare Medizin (MDC) Berlin-Buch, Präsident der Helmholtz-Gemeinschaft Deutscher Forschungszentren (HGF), Mitglied im Nationalen Ethikrat und Vorstandsvorsitzender der Charité-Universitätsmedizin Berlin.
Prof. Dr. med. Franz H. Messerli
Senior Consultant, Universitätsspital Bern, Klinik für Kardiologie, emeritierter Professor für Medizin an der Icahn School of Medicine am Mount Sinai Health Medical Center und Gastprofessor an der Jagiellonen-Universität in Krakau, Polen. Er ist unter anderem Preisträger des Alberto Zanchetti Life Achievement Awards der European Society of Hypertension und Experte für hypertensive Herz-Kreislauf-Erkrankungen und präventive Kardiologie.
Interessenkonflikt
Reinhold Kreutz hat Honorare für Vortragstätigkeit, Beratertätigkeit oder Unterstützung für Forschung erhalten von Bayer Pharma, Berlin-Chemie Menarini, Daiichi Sankyo, Ferrer, Sanofi, Servier außerhalb der aktuellen Arbeit.
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Literatur
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Korrespondenzadresse
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
22. April 2020
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
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Literatur
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