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DOI: 10.1055/a-1154-6944
Diabetes mellitus in der Anästhesie – optimale perioperative Blutzuckerkontrolle
Diabetes mellitus in Anaesthesia – Optimal Blood Sugar Control in the Perioperative Phase- Zusammenfassung
- Abstract
- Einleitung
- Diabetes mellitus
- Medikamentöse Therapien
- Präoperative Evaluation
- Intraoperative Insulinresistenz
- Blutzuckertherapie in der Anästhesieeinheit
- Hilfestellung für die intraoperative Insulintherapie
- Literatur
Zusammenfassung
Engleiste Blutzuckerspiegel können in der perioperativen Phase gefährlich werden für Patienten mit Diabetes – insbesondere, wenn der Blutzucker 250 mg/dl überschreitet oder der aktuelle HbA1c-Wert über 8,5 – 9% liegt. Dieser Beitrag bietet eine Hilfestellung im perioperativen Umgang mit Patienten mit Diabetes und zeigt praktische Handlungsempfehlungen für eine optimale Blutzuckerkontrolle durch orale Antidiabetika und Insulin.
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Abstract
Uncontrolled high blood sugar can be dangerous for diabetics throughout the perioperative period – in particular, when blood glucose levels exceed a threshold of 250 mg/dl or HbA1c levels are higher than 8.5 – 9%. In such cases, all elective surgery should be withheld to minimize the risk of severe complications. Due to their cardiovascular comorbidities, diabetics are commonly overrepresented in hospitals, tend to require inpatient care for an extended period of time, and suffer from higher mortality rates. In order to reduce negative outcomes, blood glucose levels should be targeted to 140 – 180 mg/dl on intensive care units or during surgery. Current literature suggests that non-critically ill diabetics should be treated with rapid-acting insulin analogues subcutaneously in operating theatres, whereas critically ill patients should receive continuous intravenous insulin infusions using a standardized protocol. In summary, this review can give a hand in dealing with diabetics during the perioperative period and offers guidance in controlling blood sugar levels with the help of oral antidiabetic drugs and insulin.
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Schlüsselwörter
Diabetes mellitus - Anästhesie - orale Antidiabetika - Insulinresistenz - kurzwirksame InsulinanalogaKey words
diabetes mellitus - anaesthesia - oral antidiabetic drugs - insulin resistance - rapid-acting insulin analoguesEinleitung
Trotz enormer Fortschritte in der Behandlung des Diabetes mellitus sind Patienten mit Diabetes aufgrund ihrer kardiovaskulären Komorbiditäten im stationären Patientenkollektiv überrepräsentiert [1]. Sie benötigen häufiger chirurgische Interventionen, haben im Vergleich zu Patienten ohne Diabetes längere Verweildauern und zeigen sogar höhere Mortalitätsraten [2], [3], [4]. Eine mangelhafte perioperative Blutzuckereinstellung ist mit einer Vielzahl von Komplikationen assoziiert: vermehrte Wundinfektionen, Pneumonien, Harnwegsinfektionen, aber auch Sepsis, akutes Nierenversagen, akutes Koronarsyndrom oder eine intensivmedizinische Behandlung [3], [5].
Das Risiko für schwerwiegende Komplikationen steigt bei einem perioperativen Blutzucker (BZ) von über 250 mg/dl auf das 10-Fache [1].
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Diabetes mellitus
Diabetes mellitus (DM) ist der Oberbegriff für eine Gruppe von Erkrankungen, die mit chronisch erhöhten Blutzuckerwerten einhergehen und auf einer Störung der Insulinsekretion und/oder Insulinwirkung beruhen [6].
Bei > 90% aller Patienten mit Diabetes mellitus steht eine zunehmende Insulinresistenz im Vordergrund des Krankheitsprozesses.
Dieses als Typ-2-DM definierte Syndrom tritt in unterschiedlicher Ausprägung auf. Es ist mit einem sekretorischen Defizit der pankreasspezifischen β-Zellen, deren allmählich fortschreitender Apoptose sowie weiteren hormonellen Dysregulationen verbunden [6]. Während in Deutschland derzeit etwa 6,9 Millionen Patienten mit dieser „Volkskrankheit“ leben, liegt die Dunkelziffer schätzungsweise bei 2 Millionen [7].
Dagegen leiden derzeit über 370 000 Patienten in Deutschland (ca. 5%) an einem Typ-1-DM [7]. Dieser wird primär durch eine autoimmunologisch vermittelte β-Zelldestruktion und einen damit verbundenen absoluten Insulinmangel ausgelöst [8].
Daneben können auch andere, seltene Diabetes-Sonderformen (Typ-3-DM) subsumiert werden, bei denen – ähnlich wie bei Typ-1-DM – häufig eine ununterbrochene Versorgung des Körpers mit Insulin notwendig ist. Hierzu zählen z. B. angeborene Defekte der β-Zell-Funktion oder jegliche mit einer endokrinen Insuffizienz einhergehende erworbene Arten von Pankreaserkrankungen (z. B. „ausgebrannte“ chronische Pankreatitiden).
Die besondere maternale und infantile Risikokonstellation einer gestörten Glukosetoleranz in der Schwangerschaft wird als Gestationsdiabetes oder auch Typ-4-DM beschrieben.
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Medikamentöse Therapien
Während Patienten mit Typ-1-DM kontinuierlich mit Insulinen versorgt werden müssen, steht bei Typ-2-DM am Anfang der medikamentösen Behandlung vor allem die Einnahme von oralen Antidiabetika ([Tab. 1]).
Klasse |
Beispiel |
Wirkmechanismus |
Hypoglykämierisiko |
---|---|---|---|
* Inkretine (Glucagon-like Peptide-1 und gastroinhibitorisches Peptid) sind Enterohormone, die nach kohlenhydratreichen Mahlzeiten ausgeschüttet werden und die Insulinsekretion an den β-Zellen steigern. DPP-4: Dipeptidylpeptidase 4, GLP-1: Glucagon-like Peptide-1, SGLT-2: Sodium-dependent Glucose Transporter 2 im proximalen Nierentubulus |
|||
Biguanide |
Metformin |
|
↓ |
α-Glucosidase-Hemmer |
Acarbose |
|
|
DPP-4-Inhibitoren |
Sitagliptin |
|
|
Glitazone |
Pioglitazon |
|
|
GLP-1-Analoga (s. c.) |
Liraglutid |
|
|
SGLT-2-Inhibitoren |
Empagliflozin |
|
|
Sulfonylharnstoffe |
Glimepirid |
|
↑ |
Sulfonylharnstoff-Analoga |
Repaglinid |
|
Um das physiologische Sekretionsverhalten der pankreatischen β-Zellen immer genauer nachahmen zu können, wurden im Laufe der Zeit unterschiedliche Insulinarten primär mit der Intention einer subkutanen Anwendung entwickelt [8]. Hierfür kommen die ganz verschiedenartigen Insuline ([Tab. 2]) im Rahmen von mehreren Therapiestrategien zur Anwendung.
Klasse |
Anschlagszeit |
Wirkmaximum |
Wirkdauer |
Aussehen |
---|---|---|---|---|
h: Stunde(n), min: Minuten, NPH: Neutral-Protamin-Hagedorn |
||||
kurzwirksame Insulinanaloga: |
||||
|
< 15 min |
ca. 1 h |
3 – 4 h |
klar |
Normalinsulin (früher Altinsulin) |
30 – 60 min |
ca. 3 h |
ca. 5 h |
klar |
Verzögerungsinsuline: |
||||
|
1 – 2 h |
4 – 10 h |
ca. 14 h |
trüb |
Mischinsuline: |
||||
|
30 min |
2 – 8 h |
> 14 h |
trüb |
langwirksame Insulinanaloga: |
||||
|
1 – 3 h |
flach |
|
klar |
Neben Normalinsulin dürfen auch kurzwirksame Insulinanaloga i. v. appliziert werden [10], [15], [16]. Laut den jeweiligen Fachinformationen besitzen sie in Deutschland ausnahmslos die Zulassung zur i. v. Anwendung. Hierbei verhalten sich Insulin aspart, glulisin und lispro trotz molekular veränderter Primärstruktur sowohl pharmakokinetisch als auch pharmakodynamisch identisch zu intravenösem Normalinsulin: Sie provozieren denselben blutzuckersenkenden Effekt [10], [15].
Die verschiedenen pharmakokinetischen Eigenschaften der Insuline beruhen auf unterschiedlichen molekularen Stabilitätszuständen und somit ultrastrukturell auf ihrer Neigung, aus Hexamer-Aggregaten Monomere zu bilden [8]. Als Monomere können einzelne Insulinmoleküle nach subkutaner Anwendung resorbiert werden, zu den entsprechenden Zielgeweben gelangen und ihren Effekt am membranständigen Insulinrezeptor auslösen [8]. Injiziert man Normalinsulin i. v., zerfallen die gewöhnlich um ein Zinkion organisierten Insulin-Hexamere augenblicklich zu Monomeren und sind biologisch aktiv [8]. Dabei entwickelt intravenöses Insulin bei einer Serumhalbwertszeit von nur wenigen Minuten sein Wirkmaximum nach ca. 15 – 30 min und bleibt lediglich für weniger als eine Stunde aktiv [11], [12], [13], [14].
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Präoperative Evaluation
Bei der Prämedikationsvisite sollen chronische mikro- und makrovaskuläre diabetische Folgeschäden objektiviert werden, z. B. mittels Gefäßstatus, EKG, Urinstatus und Blutwerten: hier insbesondere Nüchtern-BZ, HbA1c, Kreatinin-Clearance, Harnstoff, Elektrolyte und Triglyzeride. Daneben sollte der Fokus der Anamnese auch auf drohenden anästhesiologischen Herausforderungen liegen [2]. Hierzu zählen z. B.
-
eine autonome Neuropathie des Magens (erhöhtes Aspirationsrisiko bei HbA1c > 9%),
-
eine autonome Dysfunktion der Herz-Kreislauf-Funktion (z. B. Frequenzstarre oder pathologischer Schellong-Test) oder
-
mögliche Intubationsprobleme bei zervikalen Gelenkveränderungen (diabetisches „stiff joint syndrome“) [2].
Eine klare Typisierung der Diabetesform (z. B. Typ 1 vs. Typ 2) mit kritischer Überprüfung des Therapieschemas (z. B. intensivierte vs. konventionelle Insulintherapie) sollte u. a. auf dem Narkoseprotokoll vermerkt werden.
-
Typ des Diabetes mellitus
-
Dauer der Erkrankung
-
aktuelles Therapieregime
-
Insulin-Gesamttagesdosis
-
aktueller HbA1c-Wert
-
Nüchtern-BZ am Morgen der OP
HbA1c-Wert
Laut aktuellen Empfehlungen sollte immer ein aktueller HbA1c-Wert bei Patienten mit DM bestimmt werden. Dies gilt auch für Patienten mit DM-Risikofaktoren oder einer innerklinischen Hyperglykämie von > 140 mg/dl präoperativ [5], [17]. Abgesehen von einer aufschlussreichen Zusatzinformation liefert der HbA1c-Wert als Maß für die generelle Blutzuckereinstellung des Patienten klare Implikationen für die perioperative Situation:
Denn bei hohen HbA1c-Werten sind sämtliche immunkompetenten Zellen gleichermaßen glykiert und der Patient ist somit faktisch immunsupprimiert [2]. Zusätzliche hohe Blutzuckerwerte können per se die Funktion von neutrophilen Granulozyten beeinträchtigen, die Produktion von schädlichen reaktiven Sauerstoffspezies triggern und prokoagulatorische Zustände hervorrufen [5], [19].
Demgegenüber sollte auch bei HbA1c-Werten < 5% bei Patienten mit Diabetes eine elektive Operation verschoben werden, wenn ein Verdacht auf rezidivierende Hypoglykämien bei medikamentöser Übertherapie besteht [1].
Herr M., ein 65-jähriger Patient mit Typ-2-Diabetes (173 cm, 92 kg), stellt sich in der Prämedikationsambulanz zu einem Aufklärungsgespräch für einen rechtsseitigen Kniegelenkersatz vor. Dieser ist als primäre Implantation einer Totalendoprothese geplant. Laut Operateur soll in Blutleere über insgesamt 120 min operiert werden. Das intensivierte Therapieregime des Patienten beinhaltet: 1000 mg Metformin morgens und abends sowie die morgendliche Gabe von 24 IE Insulin glargin und die an Mahlzeiten gebundene Verwendung von insgesamt 26 IE Insulin lispro. Die Erstdiagnose des DM wurde vor 7 Jahren gestellt. Die für den Patienten vorliegenden Laborwerte sind bis auf den HbA1c-Wert von 7,9% unauffällig.
Im Gespräch mit Herrn M. ergeben sich keine Hinweise für mikro- und makrovaskuläre Folgeerkrankungen seines DM. Es bestehen eine mit einer Zweifachkombination eingestellte arterielle Hypertonie und eine stammbetonte Adipositas (BMI 31,1 kg/m2). Daneben sind nur gelegentliche Refluxbeschwerden nach einer fetthaltigen Mahlzeit zu eruieren. Herr M. scheint seiner Konstitution nach gut belastbar zu sein und verneint neben Ruhedyspnoe auch jegliche Angina-pectoris-Symptomatik. Die körperliche Untersuchung bleibt unauffällig. Das EKG zeigt einen normofrequenten Sinusrhythmus (72/min) und einen beginnenden Linkslagetyp ohne Erregungsrückbildungsstörungen.
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Präoperative Verordnungen
Für eine optimale perioperative Stoffwechselkontrolle ist es essenziell,
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präoperative Verordnungen von Insulinen gemäß aktuellen Empfehlungen ([Tab. 3]) unmissverständlich auf dem Narkoseprotokoll festzuhalten und
Insuline |
Vortag morgens |
Vortag abends |
OP-Tag morgens |
---|---|---|---|
1 prandiale Insuline (Mahlzeiteninsuline) oder die schnellwirksamen Komponenten der Mischinsuline sollten mit Beginn einer Nahrungskarenz pausiert werden. 2 Bei einer morgendlichen Gabe von 20 IE Actraphane 30 (30% Normalinsulin → [6 IE] und 70% NPH-Insulin → [14 IE]) sollten 50% des NPH-Insulins (= 7 IE) bei einem präoperativen Nüchtern-BZ > 120 mg/dl als reines NPH-Insulin gegeben werden. BZ: Blutzucker, NPH: Neutral-Protamin-Hagedorn |
|||
kurzwirksame Insulinanaloga1 Normalinsulin1 |
normale Dosis |
normale Dosis |
Pause |
NPH-Insulin |
normale Dosis |
75% |
50%, falls Nüchtern-BZ präoperativ > 120 mg/dl, ansonsten Pause |
Mischinsuline1 |
normale Dosis |
75% |
50% der Verzögerungskomponente als NPH-Insulin2, falls Nüchtern-BZ präoperativ > 120 mg/dl, ansonsten Pause |
langwirksame Insulinanaloga |
normale Dosis |
75% |
75% |
-
diese dem Patienten sowie dem behandelnden Team zu erklären.
Für Patienten mit einem absoluten Insulinmangel (DM Typ 1 und Typ 3) gilt zudem: Es ist besonders darauf zu achten, dass eine ununterbrochene Versorgung mit Insulinen über den gesamten perioperativen Zeitraum gewährleistet ist. Insbesondere hier empfehlen wir bei Unklarheiten die Rücksprache mit Diabetologen.
Patienten mit Typ-1- und Typ-3-DM sind im Krankenhaus gefährdet, Nüchternzustände ohne basale Versorgung mit langwirksamen Insulinen überdauern zu müssen und somit nach 8 h Insulinkarenz eine ketoazidotische Stoffwechsellage auszubilden [2].
Weitere Probleme können bei Patienten mit einer Hypoglykämieneigung auftreten, bei denen der Anteil eines langwirksamen Insulins/Analogons an ihrer Insulin-Gesamttagesdosis unangebracht hoch ist (> 60%): Hier empfiehlt sich eine deutliche Dosisreduktion (50 – 75%) des langwirksamen Insulins/Analogons speziell bei Mangelernährung, Kachexie, Niereninsuffizienz und/oder Leberfunktionsstörungen am Abend und Morgen vor der OP [18]. Auch muss die Handhabung oraler Antidiabetika stets individuell abgewogen werden, insbesondere bei dem fest in der Diabetestherapie etablierten Metformin und den immer häufiger verordneten SGLT-2-Inhibitoren. Während manche Expertengruppen die Weitergabe von Metformin [1], [4], [19] oder SGLT-2-Inhibitoren [1], [4] bei kleineren ambulanten Operationen am OP-Tag befürworten, empfehlen wir die in [Tab. 4] dargestellte Vorgehensweise.
Klasse |
Beispiel |
Vortag |
OP-Tag |
Besonderheiten |
---|---|---|---|---|
1 Metformin sollte bereits am Vortag der OP pausiert werden bei: eGFR < 45 ml/min, intravenöser Kontrastmittelgabe, einer reduzierten postoperativen Nahrungsaufnahme, großen operativen Maßnahmen mit extensiven Volumenverschiebungen oder einem erwartet hohen Blutverlust. 2 Verordnung am Vortag der OP nur bei Nahrungseinnahme. 3 Am Vortag der OP pausieren; bei langen Nüchternheitsphasen (> 24 h), Pankreas-Chirurgie und Patienten mit anamnestischen Pankreaserkrankungen großzügigeres Absetzen (bis 48 h vor OP). |
||||
Biguanide1 |
Metformin |
Gabe |
Pause |
Fachinformation empfiehlt ein Absetzen 48 h vor OP; |
α-Glucosidase-Hemmer |
Acarbose |
Gabe |
Pause |
|
GLP-1-Analoga (s. c.)2 |
Liraglutid |
Gabe |
Pause |
|
SGLT-2-Inhibitoren3 |
Empagliflozin |
Pause |
Pause |
euglykämische diabetische Ketoazidose möglich |
Sulfonylharnstoffe2 |
Glimepirid |
Gabe |
Pause |
|
Sulfonylharnstoff-Analoga2 |
Repaglinid |
Gabe |
Pause |
|
Glitazone |
Pioglitazon |
Gabe |
Gabe bei kleiner OP, Pause bei großer OP |
|
DPP-4-Inhibitoren |
Sitagliptin |
Gabe |
Gabe |
Im Anschluss an die OP sollten alle oralen Antidiabetika mit Beginn der Nahrungsaufnahme wieder eingenommen werden. Die einzige Ausnahme bildet hier Metformin: Metformin sollte erst 24 h nach größeren operativen Eingriffen bei stabilisierter Nierenfunktion erneut verordnet werden [20]. Dagegen darf Metformin nach kleineren Operationen, die nicht mit dem Risiko einer Nierenschädigung einhergehen, ebenfalls mit Beginn der Nahrungsaufnahme wieder angesetzt werden [20].
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Intraoperative Insulinresistenz
Der Körper reagiert auf jegliche Art von Trauma uniform mit einer neuroendokrinen Stressantwort – das Ausmaß dieser Reaktion hängt aber unmittelbar mit der Größe der operativen Verletzung zusammen [11].
Hier sind vor allem Cortisol, Wachstumshormon, Glukagon und Katecholamine zu nennen. Eine Abnahme der endogenen Insulinsekretion spielt in diesem Zusammenhang ebenfalls eine Rolle [11], [12]. In der Summe werden durch die katabole Stoffwechsellage die Glukoneogenese, Proteolyse, Lipolyse und Ketogenese begünstigt und damit akut intraoperativ die Insulinempfindlichkeit herabgesetzt [1], [11]. Lange präoperative Nüchternheitszeiten (> 12 h) reduzieren die periphere Insulinwirkung zusätzlich [2].
Regionalanästhesie, insbesondere neuroaxiale Verfahren, können die durch den chirurgischen Reiz provozierte sympathoadrenerge Gegenreaktion blockieren und so zum Teil eine Blutzuckerentgleisung verhindern [1], [5], [11], [19]. Darüber hinaus sollten Regionalanästhesieverfahren ohnehin aufgrund möglicher postoperativer Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme bevorzugt bei Patienten mit DM angewendet werden. Auch so wird eine frühzeitige Wiedereinnahme der gewohnten antidiabetischen Medikation gewährleistet [2].
Frau Dr. B., die Narkoseärztin, klärt Herrn M. ausführlich über die sich auch auf den Blutzucker auswirkenden Vorteile einer Regionalanästhesie auf. Danach entscheiden sich Frau Dr. B. und Herr M. für eine Intubationsnarkose in Kombination mit einer peripheren Regionalanästhesie. Diese soll einen distalen N.-ischiadicus-Block und einen N.-saphenus-Schmerzkatheter beinhalten. Auf dem Narkoseprotokoll vermerkt Frau Dr. B. folgende für den DM geltende präoperative Anordnungen: Herr M. darf bei geringem Blutungsrisiko Metformin bis zum Vorabend der OP einnehmen. Am OP-Tag selbst wird Metformin pausiert. Für die vom Patienten angewendeten Insuline ergeben sich bei normaler Nahrungsaufnahme am Vortag keine Veränderungen. Am Morgen der OP soll Herr M. 75% (von 24 IE = 18 IE) seiner morgendlichen Insulin-glargin-Dosis erhalten. Die Anwendung von Insulin lispro verbietet sich bei Nüchternheit am OP-Morgen. Darüber hinaus erbittet Frau Dr. B. die präoperative Nüchternblutzucker-Bestimmung.
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Blutzuckertherapie in der Anästhesieeinheit
Bereits vor 10 Jahren plädierte die US-amerikanische „Society for Ambulatory Anesthesia“ für eine routinemäßige subkutane Anwendung von kurzwirksamen Insulinanaloga bei nicht kritisch kranken Patienten im OP [13]. Wir befürworten deshalb – auch um Verwechslungen zwischen den verschiedenen Insulinen vorzubeugen – die alleinige Verwendung von kurzwirksamen Insulinanaloga in deutschen Anästhesieeinheiten.
Kurzwirksame Insulinanaloga
Subkutan applizierte kurzwirksame Insulinanaloga besitzen für das operative Setting günstigere pharmakologische Eigenschaften als das bis heute in deutschen OP-Sälen gängige Normalinsulin [13].
Grund hierfür sind deutlich schnellere Resorptionsraten (rascherer Wirkungseintritt) und eine kürzere Wirkungsdauer der kurzwirksamen Insulinanaloga bei subkutaner Anwendung. Darüber hinaus spielt die gewählte Injektionsstelle – im Vergleich zu Normalinsulin – für die Resorptionsgeschwindigkeit eine weniger wichtige Rolle [8]. Neben der Vorderseite der Oberschenkel und dem Oberarm beschreiben die jeweiligen Fachinformationen auch den Schulterbezirk (Insulin aspart) und das Gesäß (Insulin lispro und Insulin aspart) als geeignete subkutane Injektionsorte. Trotzdem sollten kurzwirksame Insulinanaloga im Allgemeinen bevorzugt in das subkutane Fettgewebe des Abdomens appliziert werden [8]. Dabei verebbt das Hypoglykämierisiko bereits nach ca. 1,5 h, wohingegen dieses Risiko bei Normalinsulin 3 – 4 h nach der letzten subkutanen Gabe noch besteht [13]. Auch im Zusammenhang mit der intraoperativ auftretenden Insulinresistenz gibt es klare Hinweise für ein vorteilhaftes Nutzen-Risiko-Verhältnis:
Kurzwirksame Insulinanaloga erreichen nach subkutaner Resorption Plasmakonzentrationen, die am ehesten postprandialen Spiegeln bei normaler Pankreasfunktion gleichen. Dagegen generieren i. v. Insulinbolusgaben unverhältnismäßig hohe Wirkspiegel [21].
Dies birgt für eine vorliegende Insulinresistenz eine bedeutende Gefahr: Insuline entfalten ihre physiologische Wirkung, die Aufnahme von Glukose und Kalium in die Zelle, ultrastrukturell über voneinander unabhängige Mechanismen [22], [23]. Das bedeutet, dass sich eine intraoperativ akut auftretende Insulinresistenz auf den zellulären Glukosetransport beschränken könnte; im Gegensatz dazu bleibt die Kaliumaufnahme der Zellen unbeeinflusst [22], [23].
Die Hypokaliämie-Gefahr ist bei i. v. Insulinbolusgabe besonders ausgeprägt [24]. Daher sollten nach i. v. Insulingabe Kalium- und Blutzucker immer zeitgleich – nach ca. 15 – 30 min (maximaler Wirkeffekt) – mittels Blutgasanalyse bestimmt werden.
Allerdings sollten bei nicht kritisch kranken Patienten ohnehin – auch laut aktuelleren Empfehlungen [5], [19] – nur noch kurzwirksame Insulinanaloga subkutan eingesetzt werden. Dies gilt insbesondere für Operationen, die kürzer als 4 h dauern und mit keiner hämodynamischen Instabilität, großen Volumenverschiebungen oder einer Mikrozirkulationsstörung assoziiert sind. Hierbei sollten, falls nötig, repetitive Insulingaben nur mit einem Abstand von mindestens 2 h erfolgen, um eine Akkumulation und Hypoglykämien zu verhindern [5], [18], [19]. Aufgrund der günstigeren Pharmakokinetik genügt dann eine Blutzuckerbestimmung mithilfe gewöhnlicher „Point-of-Care-Blutzuckermessgeräte“. Diese sollte immer nach ca. 1 h – entsprechend dem zu erwartenden maximalen Wirkeffekt – erfolgen. Bei plötzlich auftretender Blutung, Verschlechterung der Hämodynamik oder anderen unabsehbaren intraoperativen Komplikationen empfehlen wir, die Blutzucker-Behandlungsstrategie zu wechseln. Dies beinhaltet dann wie bei kritisch Kranken i. v. Insulingaben und Kalium- und Blutzuckerbestimmungen per Blutgasanalyse (BGA).
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Hilfestellung für die intraoperative Insulintherapie
Einen perioperativen Blutzuckerspiegel von < 180 mg/dl empfahl die Deutsche Diabetes Gesellschaft im Jahr 2017 [2]. Diesen bestätigte erneut die „American Diabetes Association“ im Jahr 2020 als Obergrenze [17]. Bei Überschreiten dieses Wertes sollte eine subkutane Insulintherapie – möglichst schon präoperativ – bei nicht kritisch kranken Patienten initiiert werden.
Für kritisch kranke Patienten, die Insulin kontinuierlich i. v. erhalten, empfehlen wir – in Anlehnung an das aktualisierte „Yale-Protokoll“ [25] und das Konsensus-Schreiben der „American Association of Clinical Endocrinologists & American Diabetes Association“ [26] – Blutzuckerzielwerte von 125 – 180 mg/dl. Damit sollen in Verbindung mit unserem Insulin-Anpassungsschema ([Tab. 5]) Blutzuckerwerte erreicht werden, die am unteren Ende des allgemein gültigen Blutzuckerziels von 140 – 180 mg/dl liegen. Dies könnte laut Konsensus-Schreiben möglicherweise vorteilhaft sein [26].
aktueller BZ (mg/dl) |
BZ im Vergleich zum vorherigen BZ gestiegen |
BZ im Vergleich zum vorherigen BZ um < 30 mg/dl gefallen |
BZ im Vergleich zum vorherigen BZ um > 30 mg/dl gefallen |
---|---|---|---|
BZ: Blutzucker, h: Stunde, IE: Internationale Einheit(en), min: Minuten |
|||
> 210 |
↑ Laufrate um 2 IE/h |
↑ Laufrate um 2 IE/h |
keine Veränderung |
181 – 210 |
↑ Laufrate um 1 IE/h |
↑ Laufrate um 1 IE/h |
keine Veränderung |
141 – 180 |
keine Veränderung |
keine Veränderung |
↓ Laufrate um 0,5 IE/h |
125 – 140 |
keine Veränderung |
↓ Laufrate um 0,5 IE/h |
↓ Laufrate um 1 IE/h |
100 – 124 |
keine Veränderung |
↓ Laufrate um 1 IE/h |
Insulinzufuhr stoppen, Therapie fortsetzen: siehe Schema nächste Zeile |
75 – 99 |
|
||
50 – 74 |
|
||
< 50 |
|
Blutzuckertherapie bei nicht kritisch Kranken
Es gibt konstitutionsbedingte Prädiktoren, die auf eine erhöhte Insulinsensitivität hinweisen, wie z. B. Alter > 70 Jahre, GFR < 45 ml/min oder Insulin-Naivität. Andererseits lassen bestimmte Faktoren auf eine gewisse Insulinresistenz schließen: BMI > 35 kg/m2, Insulin-Gesamttagesdosis > 80 IE oder Einnahme von Steroiden äquivalent zu > 20 mg Prednison [19]. Für eine zielgerichtete intraoperative Insulintherapie sollte stets der patienteneigene Korrekturfaktor mithilfe der von Dr. Paul Davidson (MD in Atlanta, Georgia) konzipierten „1500-Regel“ berechnet werden [13] (s. [„Praxis – 1500-Regel“]).
1500 ∕ (Insulin - Gesamttagesdosis) = Korrekturfaktor
Der patienteneigene Korrekturfaktor beschreibt denjenigen Wert in mg/dl, um den aller Voraussicht nach eine subkutan applizierte Einheit Insulin den Blutzucker senkt [13].
Für alle Patienten, deren Insulin-Gesamttagesdosis bei < 40 IE liegt, schlagen wir die Anwendung der „1500-Regel“ mit einer angenommenen Gesamttagesdosis von 40 IE vor. Denn dies entspricht ungefähr dem Insulin-Tagesbedarf einer Person ohne Diabetes [6].
Wir empfehlen das Verdünnen des kurzwirksamen Insulinanalogons aus einer Durchstechflasche (100 IE/ml) direkt in einer 1-ml-Insulinspritze: Aufziehen von 10 IE Insulin (0,1 ml) zusammen mit 0,9 ml 0,9%iger Natriumchloridlösung (Gesamtvolumen 1 ml), sodass nun 0,1 ml der hergestellten Lösung 1 IE Insulin enthält.
Vom Gebrauch weiterer Einmalspritzen bei der Herstellung von Insulinverdünnungen raten wir ab. Hintergrund hierfür ist die Neigung von Insulinen, an Kunststoffoberflächen zu adsorbieren und dadurch an Bioaktivität zu verlieren [9], [16]. Ferner sollten auch neue Perfusionsleitungen von Insulinperfusoren, mit denen Insulin kontinuierlich i. v. verabreicht wird, aufgrund dieses Adsorptionsverhaltens vor Anwendung am Patienten gespült werden [16]. Während für amerikanische Infusionssysteme (100 Inch lange Perfusionsleitungen) Studien ein Verwurfvolumen von 20 ml ohne weitere Inkubationszeit befürworten [27], [28], bleibt das optimale Vorgehen für Perfusorsysteme unschlüssig [16]. Dennoch erscheint ein Verwurf von 10 – 20 ml der Insulinlösung direkt vor der Anwendung am Patienten aus unserer Sicht sinnvoll.
Der präoperative Blutzuckerwert von Herrn M. liegt am OP-Morgen bei 230 mg/dl. Die Narkoseärztin, Frau Dr. B., entscheidet sich für folgendes Therapieregime: Bei einer Insulin-Gesamttagesdosis von 50 IE (24 IE Insulin glargin + 26 IE Insulin lispro) würde laut der „1500-Regel“ 1 Einheit Insulin den Blutzucker um 30 mg/dl senken (1500/50 = 30). Daher spritzt Frau Dr. B. – bei einem Blutzuckerzielwert von 140 mg/dl – Herrn M. 3 IE kurzwirksames Insulinanalogon bereits im Einleitungsraum in das subkutane Fettgewebe des Abdomens (1. Rechnung: 230 mg/dl – 140 mg/dl = 90 mg/dl; 2. Rechnung: 90/30 = 3 IE). Nach 60 min kontrolliert Frau Dr. B. den Blutzucker mithilfe eines gewöhnlichen Blutzuckermessgeräts. Dieser liegt nun bei 153 mg/dl und damit im Zielbereich. Ohne Zwischenfälle beendet der Operateur nach insgesamt 110 min den operativen Eingriff. Herr M. kann ohne Weiteres extubiert werden und ist sofort orientiert und ansprechbar. Vor Verlegung aus dem Aufwachraum kontrolliert der Anästhesiepfleger erneut den Blutzuckerwert. Dieser liegt nun bei 155 mg/dl – nach wie vor im Zielbereich.
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Blutzuckertherapie bei kritisch Kranken
Kurzwirksame Insulinanaloga haben die Zulassung für die i. v. Anwendungsform sowie – im Vergleich zu Normalinsulin – einen identischen intravenösen Wirkeffekt [15]. Daher ist der Einsatz von kurzwirksamen Insulinanaloga aus unserer Sicht auch bei kritisch kranken Patienten mit großen chirurgischen Eingriffen gerechtfertigt. Hierunter fallen alle Operationen, die mit einer Mikrozirkulationsstörung, deutlichen Temperaturschwankungen, großem Blutverlust, großen Volumenverschiebungen oder einer Therapie mit Vasopressoren verbunden sind [5], [19].
Eine kontinuierliche i. v. Zufuhr von kurzwirksamem Insulinanalogon sollte mithilfe eines Glukose-Insulin-Perfusors unter regelmäßiger BGA-Kontrolle und ggf. Kaliumsubstitution im Rahmen eines standardisierten Schemas eingesetzt werden [1], [5], [11], [16], [19]. Dieses Vorgehen ist besonders bei Patienten mit Typ-1- und Typ-3-DM, die im absoluten Insulinmangel leben und sich einem großen chirurgischen Eingriff unterziehen, anzuwenden. Bei allen anderen kritisch kranken Patienten mit Diabetes können auch i. v. Bolusgaben von kurzwirksamen Insulinanaloga bei kürzeren Eingriffen in Erwägung gezogen werden. Hierbei gilt es, die kurze Wirkdauer (< 1 h) und die verstärkte kaliumsenkende Wirkung des Bolusinsulins zu berücksichtigen. Daher sollte stets eine kontinuierliche i. v. Insulintherapie angestrebt werden [5], [13], [16], [17], [19], [26].
Insulin glulisin ist laut Fachinformation als einziges kurzwirksames Insulinanalogon inkompatibel mit 5%igen Glukoselösungen. Alle anderen kurzwirksamen Analoga dürfen laut den jeweiligen Fachinformationen neben der allgemein zulässigen Verdünnung mit 0,9%iger Natriumchloridlösung auch mit einer 5%igen Glukoselösung verdünnt werden. Sie bleiben dann unabhängig vom Verdünnungsmedium für mindestens 24 h stabil.
Unser Insulin-Infusion-Protokoll (s. [„Praxis – Insulin-Infusion-Protokoll“], modifiziert nach [2], [4], [11], [19], [25]) ist neben der Anwendung im OP auch für eine Blutzuckertherapie bei kritisch kranken Erwachsenen auf Intensivstationen geeignet. Keine Anwendung finden soll unser Protokoll dagegen bei hyperosmolarem Koma, diabetischer Ketoazidose, Blutzuckerwerten von > 500 mg/dl oder bei Patienten, die auf Intensivstationen Nahrung oral aufnehmen.
Blutzucker-Zielkorridor für kritisch kranke Erwachsene: 125 – 180 mg/dl
-
Insulinperfusorspritze mit 50 ml einer 5%igen Glukoselösung und 50 IE eines kompatiblen kurzwirksamen Insulinanalogons befüllen (1 IE/ml)
-
neue Perfusionsleitungen vor Anwendung am Patienten mit 10 – 20 ml Verwurfvolumen „flushen“
-
Hyperglykämie > 180 mg/dl:
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initialer i. v. Bolus und i. v. Laufrate über die erste Stunde errechnen sich aus: initialer Blutzuckerwert (mg/dl) ÷ 100
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Beispiel: BZ = 283 mg/dl ÷ 100 = 2,8 IE als i. v. Bolus und 2,8 IE/h = 2,8 ml/h als initiale i. v. Laufrate
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Patient mit Typ-1-Diabetes:
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bei BZ < 125 mg/dl: kein initialer Bolus und 0,5 IE/h i. v. Laufrate über die 1. Stunde
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bei BZ von 125 – 180 mg/dl: kein initialer Bolus und 1 IE/h i. v. Laufrate über die 1. Stunde
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Anpassung der initialen Laufrate nach [Tab. 5]
Die 1. Blutzuckerkontrolle sollte 15 – 30 min nach dem initialen Bolus erfolgen; danach stündlich, bis 3 aufeinanderfolgende Werte im Zielkorridor liegen. Zweistündliche Intervalle sind so lange einzuhalten, bis der Blutzucker für mehr als 12 h im Zielbereich verweilt. Danach können vierstündliche Abstände zwischen Blutzuckermessungen erwogen werden. Eine Rückkehr zu stündlichen Messungen sollte bei Veränderung des klinischen Zustandes, der Insulindosis oder einer Anpassung der Nahrungszufuhr erfolgen. Bei Beginn und Ende einer Nierenersatztherapie oder einer Gabe von Cortison oder auch (Nor-)Adrenalin sollte ebenfalls stündlich der Blutzucker kontrolliert werden. Grundsätzlich sollten Blutzuckermessung immer in Kombination mit einer Bestimmung des Kaliumwerts per BGA durchgeführt werden. Hierbei sollte der Kaliumwert zwischen 4 und 4,5 mmol/l liegen.
Bei lebensbedrohlichen Hyperkaliämien kommen Insuline i. v. als Notfalltherapie in Verbindung mit höherprozentigen Glukoselösungen zum Einsatz. Kurzwirksame Insulinanaloga dürfen laut Fachinformation nicht mit diesen Glukoselösungen gemischt werden. Wir empfehlen im Notfall deshalb die getrennte i. v. Bolusgabe von beispielsweise 10 IE kurzwirksamem Insulinanalogon und 40 g Glukose.
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Fazit
Beim Umgang mit Antidiabetika gilt es zu beachten, dass eine gute interdisziplinäre prä- und postoperative Kommunikation maßgeblich für eine hohe Patientensicherheit ist. Dabei bietet die kurze Verweildauer des diabetologischen Patienten in der anästhesiologischen Obhut die Chance, durch eine Optimierung des Blutzuckers den postoperativen Verlauf positiv zu beeinflussen.
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Patienten mit Diabetes sind aufgrund ihrer kardiovaskulären Komorbiditäten im stationären Patientenkollektiv überrepräsentiert. Sie haben im Vergleich zu Patienten ohne Diabetes längere Verweildauern sowie höhere Mortalitätsraten.
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Elektive Operationen sollten weder bei einem HbA1c-Wert von > 8,5 – 9% noch bei einem Spontanblutzucker von > 250 mg/dl durchgeführt werden.
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Der Blutzucker sollte im Allgemeinen in der perioperativen Phase und auf Intensivstationen zwischen 140 und 180 mg/dl liegen.
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Eine akute intraoperative Insulinresistenz wird durch antiinsulinär wirkende Hormone – vor allem durch Cortisol, Wachstumshormon, Glukagon und Katecholamine – ausgelöst. Sie kann bei jeglicher Art eines operativen Traumas auftreten.
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Die Gefahr einer Hypokaliämie ist bei i. v. Bolusgabe von Insulinen infolge der hierbei auftretenden deutlich erhöhten Blutplasmakonzentrationen ausgeprägt.
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Kurzwirksame Insulinanaloga besitzen – laut den jeweiligen Fachinformationen – ausnahmslos in Deutschland die Zulassung zur i. v. Anwendung. Sie verhalten sich bei i. v. Gabe sowohl pharmakokinetisch als auch pharmakodynamisch identisch zu i. v. Normalinsulin: Sie provozieren denselben blutzuckersenkenden Effekt.
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Subkutan applizierte kurzwirksame Insulinanaloga besitzen für das operative Setting günstigere pharmakologische Eigenschaften als das bis heute in deutschen OP-Sälen gängige Normalinsulin. Sie sollten bei nicht kritisch kranken Patienten zur Blutzuckertherapie im OP eingesetzt werden.
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Bei kritisch kranken Patienten sollte eine kontinuierliche i. v. Zufuhr von kurzwirksamem Insulinanalogon mithilfe eines Glukose-Insulin-Perfusors im Rahmen eines standardisierten Schemas erfolgen.
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Tobias Hüppe
Dr. med. D.E.S.A., Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie, Intensivmedizin und Schmerztherapie am Universitätsklinikum des Saarlandes, Homburg. 2001 – 2007 Medizinstudium an der WWU Münster. 2008 – 2013 Facharztausbildung Anästhesiologie am Universitätsklinikum Freiburg, Marienhospital Gelsenkirchen und Klinikum Lünen St.-Marien-Hospital. Forschungsschwerpunkt: Spurenanalytik in der Ausatemluft.
Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt vorliegt.
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Literatur
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Publication History
Article published online:
19 February 2021
© 2021. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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