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DOI: 10.1055/a-1158-6579
Antibiotika in der Schwangerschaft: Erhöhen Makrolide das Fehlbildungsrisiko?
Makrolide, beispielsweise Erythromycin, Clarithromycin und Azithromycin, zählen zu den am häufigsten während der Schwangerschaft verordneten Antibiotika. Mittlerweile mehren sich jedoch die Anzeichen dafür, dass diese Wirkstoffgruppe Fehlgeburten begünstigt. Ob dies auch für kongenitale Malformationen, die Zerebralparese sowie weitere entwicklungsneurologische Erkrankungen gilt, untersuchten nun britische Forscher im Rahmen einer Querschnittstudie.
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Die Wissenschaftler vom University College London identifizierten mithilfe einer nationalen Datenbank der Primärversorgung (UK Clinical Practice Research Datalink) 8632 Kinder der Geburtenjahrgänge 1990–2016, deren Mütter während der Schwangerschaft (ab Gestationswoche 4 bis zur Entbindung) eine Makrolid-Monotherapie erhalten hatten. Weitere 95 973 Kinder, die in utero gegenüber einer Penicillin-Monotherapie exponiert waren, dienten als Vergleichskollektiv. Ferner schlossen die Forscher 2 Negativkontrollen in die Analyse ein: 82 314 Kinder, deren Mütter 50–10 Wochen vor der Schwangerschaft mit Makroliden (n=11 874) bzw. Penicillin (n=70 440) behandelt worden waren, sowie 53 735 Geschwister der in utero antibiotikaexponierten Kinder. Kinder mit Chromosomenanomalien sowie Kinder, deren Mütter während der Schwangerschaft ein bekanntes Teratogen eingenommen hatten, gingen nicht in die Auswertung ein. Als Studienendpunkte definierten die Wissenschaftler das Risiko für angeborene Major-Fehlbildungen allgemein bzw. für spezifische Systemfehlbildungen (Nervensystem, Herz-Kreislauf-System, Gastrointestinaltrakt, Genitale, Harnwege) sowie das Risiko für entwicklungsneurologische Auffälligkeiten. Hierzu zählten die Zerebralparese, Epilepsien, die Aufmerksamkeits-/Hyperaktivitätsstörung sowie Autismus-Spektrum-Störungen. Bei ihrer Analyse berücksichtigten die Forscher das Zeitfenster der Antibiotikaexposition: Im 1. (Gestationswoche 4–13), im 2. und 3. (Gestationswoche 14 bis zur Geburt) bzw. in jeglichem Trimenon.
Ergebnisse
Die Prävalenz von Major-Fehlbildungen nach Makrolideinnahme im 1. bzw. im 2. bis 3. Trimenon betrug 27,7 bzw. 19,5 pro 1000 Lebendgeburten, nach Penicillineinnahme dagegen nur 17,7 bzw. 17,3 pro 1000 Lebendgeburten. Dies entsprach einer Risikozunahme bei Makrolidexposition im 1. Trimenon im Vergleich zu Penicillin um 55% (adjustierte Risk Ratio 1,55; 95%-KI 1,19–2,03). Hierbei dominierten die kardiovaskulären Malformationen (10,6 vs. 6,6 pro 1000 Lebendgeburten; adjustierte Risk Ratio 1,62; 95%-KI 1,05–2,51). Eine Makrolideinnahme im 2. bis 3. Trimenon erhöhte das Risiko für Major-Fehlbildungen dagegen nicht wesentlich. Die Makrolidexposition in jeglichem Trimenon prädisponierte hingegen für genitale Fehlbildungen (adjustierte Risk Ratio 1,58; 95% KI 1,14–2,19). Meist handelte es sich hierbei um Hypospadien. Die Analyse der einzelnen Makrolide ergab: Erythromycin im 1. Trimenon ging im Vergleich zur Penicillineinnahme mit einem signifikant erhöhten Risiko für Major-Malformationen einher (adjustierte Risk Ratio 1,50; 95%-KI 1,13–1,99). Bezüglich der weiteren systemspezifischen Fehlbildungen sowie bezüglich der entwicklungsneurologischen Krankheitsbilder beobachteten die Forscher keinen statistisch signifikanten Zusammenhang mit der Makrolidexposition.
Im Vergleich zu Penicillin begünstigt eine Makrolideinnahme im 1. Trimenon möglicherweise Major-Fehlbildungen, insbesondere kardiovaskuläre Anomalien, so die Autoren. Über die gesamte Schwangerschaft hinweg scheint zudem das Risiko für Genitalfehlbildungen zu steigen. Sie warnen: Makrolide sollten in der Schwangerschaft mit Vorsicht eingesetzt werden. Bis diesbezüglich weitere wissenschaftliche Ergebnisse vorliegen, empfehlen sie, nach Möglichkeit auf alternative Antibiotika auszuweichen.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell
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Publication History
Article published online:
17 June 2020
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York