Hands on - Manuelle und Physikalische Therapien in der Tiermedizin 2020; 2(02): 7-13
DOI: 10.1055/a-1158-8912
Praxis
Unterwasserlaufband

Bewegungstherapie mit dem Unterwasserlaufband

Stefanie Süße
,
Reinhold Scharwey
,
Andreas Zohmann
 

Das Unterwasserlaufband – ob zum Training oder zum Einsatz in der Therapie – wird in der Tierphysiotherapie schon seit einiger Zeit mit Erfolg eingesetzt. Jedoch ist es hierbei nicht mit „Hund reinstellen und laufen lassen“ getan. Allgemeine Trainingsgrundsätze müssen ebenso beachtet werden wie das Vorgehen bei bestimmten Indikationen oder auch Kontraindikationen. Im Folgenden steht daher das „Gehen im Wasser“ als aktiv-assistive Krankengymnastik im Vordergrund. Starten wollen wir dabei mit einem kurzen Einblick in die spannende Geschichte der Hydrotherapie bei Mensch und Tier.


#
Zoom Image
Die Bewegung im Wasser kann aufgrund seiner besonderen Eigenschaften sowohl therapeutisch wirken als auch die Fitness erhalten oder steigern. Quelle: Kirsten Oborny, Thieme Gruppe

Von den Anfängen der Hydrotherapie

Der Einsatz des Wassers hat als Hydrotherapie (Verwendung reinen Wassers in verschiedenen Anwendungsformen und Aggregatzuständen) sowie als Balneotherapie (Bäderbehandlung mit Wasser unterschiedlicher thermischer, chemischer und/oder physikalischer Eigenschaften) beim Menschen eine lange und erfolgreiche Tradition. Schon in den Anfängen der Heilkunde weisen Hippokrates (460–377 v. Chr.) und seine Schüler auf die herausragende Bedeutung der Badetherapie in ihren Schriften über die medizinischen Behandlungsmethoden der damaligen Zeit hin. Interessanterweise wurde als wichtigstes Einsatzgebiet die Unfruchtbarkeit angegeben.

In der Veterinärmedizin war das Baden von Tieren schon früh als wirkungsvolle und wichtige therapeutische Maßnahme bekannt. Unbestätigten Angaben zufolge war das erste, in Baden-Baden – dem alten Aquae bzw. Aquae Aureliae – schon zur Zeit des römischen Kaisers Caracalla erbaute Thermalbad ein Thermalbad für Pferde (erst danach soll der Bau eines Bades für die Soldaten erfolgt sein). Im Jahre 1810 wurde in Baden-Baden ebenfalls wieder ein Pferdebad mit Thermalwasserzufluss erbaut. Diese staatliche (!) Einrichtung war mehr als 30 Jahre in Betrieb: Es war ein einstöckiger massiver Bau mit Satteldach und Entlüftungsschacht. In der Längsachse befand sich ein durchlaufendes längliches Badebecken. In den vier Eckräumen befanden sich drei Pferdestände und ein Schlafraum für den Wärter. An den Längsseiten führten zwei Türen zu „kleinen Behältern, worin dampfige Pferde und andere, welche an den Gliedern leiden, in den Wasserdampf gestellt werden können“.

In den „Aquis Mattiacis“ (Raum Wiesbaden zur römischen Besatzungszeit) badeten – so eine Überlieferung des Ansonius – die erkrankten Pferde römischer Soldaten Im 18. Jahrhundert existierte in Wiesbaden nicht nur ein normales „Rossbaad“, um 1800 wurde dort auch ein Thermalbad für Pferde eingerichtet: 36 Fuß lang und 15 Fuß breit für zwei Pferde gleichzeitig bei einer Badegebühr von 18 Kreuzern pro Pferd.

Hauptindikationen für die „Rosskur“: vornehmlich Rheuma, Lahmheiten, Gelenkaffektionen, chronische Sehnenscheidenentzündungen, Gallen-Mauke, Geschwüre und Ekzeme.

Eine umfangreiche historische Darstellung tiermedizinischer Hydrotherapie (speziell beim Pferd) findet sich in einer kürzlich erschienenen Dissertation (Holstege L, Hannover 2019).


#

Zur Heilwirkung von Wasser

Wasser schafft als Schwimmbad, Thermalbad, Mineralbad, medizinisches Bad o. a. günstige Bedingungen für die Bewegungstherapie. Es wird genutzt bei Problemen des Bewegungsapparats, seien diese orthopädischer, neurologischer Natur oder nach Operationen; es ist aber auch sehr hilfreich bei Erkrankungen von Herz-Kreislauf oder Atemwegen sowie bei gynäkologischen Problemen. Die Bewegung im Wasser ist eine wichtige unterstützende Maßnahme oder sogar Mittel der Wahl im Rahmen vieler krankengymnastischer Behandlungen.

Hydrotherapie kann als thermische Reiztherapie bezeichnet werden und man versteht darunter im engeren Sinn die Nutzung von Wasser verschiedener Temperaturen (feuchte Wärmeanwendung oder als Kältetherapie) sowie als mechanisches Hilfsmittel (Güsse, Duschen, Unterwasserdruckstrahl). Im Rahmen der Elektrotherapie wird Wasser auch als Leitmedium für Reizströme (Interferenzstrom-Regulationstherapie, Stangerbad), therapeutischen Ultraschall (subaquale Beschallung) u. ä. verwendet.

Die Haut ist das Organ, das auf den ersten Blick für die hydrotherapeutische Wirkung in Betracht kommt. Als Hauptwirkungen am Organ Haut stellt man eine Vasodilatation (warmes Wasser) oder eine Vasokonstriktion (kaltes Wasser) fest. Eine Erwärmung der Haut führt jedoch nicht nur zu einer Gefäßweitstellung und damit verstärkten Durchblutung derselben in den betreffenden Dermatomen (Hautregionen), sondern auch zu einer verstärkten Durchblutung der segmental zugehörigen inneren Organe (Gesenius, 1936). Umgekehrt konnte aber auch festgestellt werden, dass die Applikation von Kälte an der Haut nicht nur durch Vasokonstriktion diese blass werden ließ, sondern sich ebenso die Blutgefäße des inneren Organs verengten – dies machte man sich übrigens im Übergang 19./20. Jahrhundert zur Diagnostik wie auch zur Therapie von Magenulzera zunutze (Ismar Boas, 1903).

Neben diesen Reaktionen an den Blutgefäßen kommt es auch zu einer Verbesserung der Erregbarkeit von Hautnerven und zu einer Änderung der sauerstoffgebundenen Prozesse in den Körpergeweben. Zusätzlich werden gefäßaktive Substanzen freigesetzt – durch kaltes Wasser Histamin, durch warmes Wasser Acetylcholin.

Zusätzlich zur Auftriebswirkung des Wassers (bis zu ca. 90 % scheinbarer bis realer Gewichtsverlust) bewirkt Wasser eine Verminderung des Muskeltonus sowie eine größere Beweglichkeit der Gelenke und der Gewebe.

In der Balneotherapie wird Wasser aus Heilquellen mit höherem Gehalt gelöster Stoffe (z. B. Kohlendioxid, Schwefelwasserstoff) sowohl äußerlich als auch innerlich angewandt. Die gelösten Stoffe müssen in einer Mindestkonzentration von 1g/kg enthalten sein. Unter diesen Begriff fallen auch Zusätze wie z. B. Torf als „Moorbäder“ oder Salz als „Solebäder“.

Während Moorbäder im veterinärmedizinischen Einsatz aus verständlichen Gründen eher nur speziellen Einrichtungen vorbehalten sein werden, ist der Zusatz von Salz unproblematisch. Dieses wirkt sich auch positiv bei Hautproblemen aus. Um jedoch einen balneotherapeutisch wirksamen Salzgehalt (mindestens 1,5 %ige Lösung) zu erreichen, müssen für eine normale Wannenfüllung etwa 5 kg Kochsalz verwendet werden (!)


#

Bewegungstherapie im Wasser

Speziell beim Hund kann schon der bloße Aufenthalt im Wasser als Hydrotherapie bezeichnet werden. Dabei spannt sich der Bogen von spielerisch motiviertem Hin- und Hergehen oder -laufen im Wasser bis hin zu normalem Stehen, Sitzen oder Liegen.

Tierhalter können dies auch zuhause in der eigenen Badewanne durchführen, es muss dafür aber unbedingt ein rutschfester Untergrund geschaffen werden (Wanneneinlage). Das Wasser soll bei akuten entzündlichen (geschlossenen, also ohne Hautläsionen einhergehenden) Prozessen eher kühl bis kalt sein. Bei chronischen Gelenkproblemen bewährt sich eine warme Wassertemperatur (handwarm). Vor allem bei den Warmwasseranwendungen sollte auf etwaige Herz-Kreislauf-Probleme geachtet werden.

Hilfreich

Das Wasser soll zum Tier kommen – also langsam vom Boden her ansteigen – und nicht das Tier ins Wasser steigen müssen. Vermeintliche Hydrophobiker unter Hunden (wie auch Katzen) haben weitaus weniger Probleme mit dem Wasser, wenn dessen Spiegel anfangs leicht die Pfoten umspült und dann langsam (!) ansteigt.

Die Bewegung im Wasser wird sowohl zur Therapie als auch zur Erhaltung bzw. Steigerung der Fitness genutzt.

Bei vielen orthopädischen und neurologischen Störungen stellt das Eigengewicht des Körpers ein Hindernis für die Erkennung und Behandlung von Erkrankungen, v. a. des Stütz- und Bewegungsapparats dar. Steht bei vielen orthopädischen Problemen die Gelenkbelastung im Vordergrund, so ist es bei Patienten mit Erkrankungen des Nervensystems vor allem die Einschränkung bis zum Verlust von Kraft und Stehfähigkeit, des Gleichgewichts, der Koordination. In solchen Fällen erweist sich der Wasserauftrieb als höchst hilfreich.

Während das freie Schwimmen die Fitness gesunder Hunde steigert, kann das Arbeiten im Wasser ohne Bodenkontakt unter Zuhilfenahme von Auftriebskörpern (z. B. Schwimmweste nach Bandscheibenoperationen) zu paddelähnlichen Bewegungen bis hin zum koordinierten Schwimmen führen. Dies trägt zur Wiedererlangung von Koordination und Beweglichkeit sowie zur Kräftigung der Muskulatur bei. (Dem Thema „Schwimmen“ als aktiv-assistive Bewegungstherapie ist in einer der nächsten Ausgaben der Hands on ein eigener Artikel gewidmet.)

Die Möglichkeit der kontrollierten Gehbewegung unter Nutzung des Wasserauftriebs auf dem Unterwasserlaufband (UWLB) bietet zusätzlich Vorteile in der Diagnostik, ist kräftigend und koordinationssteigernd.

Unterwasserlaufband

Im Rahmen der Prototyp-Entwicklung eines Unterwasserlaufbands brachten wir unsere Erfahrungen aus der Arbeit mit Hunden in den 1990er Jahren im freien Gewässer, auf dem Trockenlaufband sowie im Becken mit stehendem Wasser und unbewegter, aber höhenverstellbarer Bodenfläche ein. Daraus entstand ein stufenlos höhenverstellbares, intervallfrei von 0 km/h aufwärts zu beschleunigendes Laufband, das vom gehfähigen Tier auf dessen Pfotenniveau trocken betreten wird. Auf diesen Erkenntnissen basieren die heute handelsüblichen Unterwasserlaufbänder (Treadmills, Aquatrainer) für Kleintiere.

Zugang und Handling

In Bad Wildungen erfolgt der Zugang über eine schiefe Ebene [Abb. 1], die vom Großteil der Patienten unter entsprechender Motivation (Leckerchen, Spielzeug) problemlos bewältigt wird. Auch Systeme mit Hebebühnen (Scherenhubtische) werden genutzt. Kleinere Hunde sowie Katzen können auch hochgehoben werden.

Zoom Image
Abb. 1 Beispiel für einen „barrierefreien“ Zugang zum Unterwasserlaufband. Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen

Für nicht gehfähige, schwere Patienten kann ein individuell verstellbarer Tragesack mit schwenkbarem Flaschenzug zur Verbringung auf das Laufband unterstützen. Dies kann aber (da ungewohnt) zu nicht erwünschten Verspannungen führen, die dem eigentlichen Ziel der Wasser-Krankengymnastik entgegenwirken können.

Nach kurzer Gewöhnung und Belohnung wird die Bodenfläche (Laufband) mit dem Tier bis zum Erreichen der Wasseroberfläche abgesenkt. Die weitere Absenkung der Laufbandebene erfolgt so weit, bis das Tier bei einem Wasserstand auf etwa Brust-Bauchmitte – alle 4 Pfoten annähernd gleichmäßig belastend – einen leichten Schwebezustand erreicht. Auf diese Art ist es möglich, die psychische Hemmschwelle, in das Wasser zu müssen, zu entschärfen. Eine absolute Therapieverweigerung tritt bei spielerisch und positiv motivierender Anwendung nur sehr selten auf.

Kleiner Trick für Wasserscheue

Hunde und Katzen versuchen gelegentlich durch Anheben einer Extremität oder des Schwanzes über das Wasserniveau „noch etwas trocken zu bleiben“ und bewegen sich demzufolge auch nicht wie erwünscht. Dem kann leicht Abhilfe geschaffen werden, indem man die betreffende Extremität oder den Schwanz in das Wasser eintaucht. Als Folge „ergibt sich der Patient in sein Schicksal“ und wird – wie geplant – in den meisten Fällen mitarbeiten.


#

Diagnostik, Therapie und Training

Deklariertes therapeutisches Ziel ist es, anfänglich die Stabilität des Patienten zu trainieren. Im Wasser kann dies allein schon durch manuell erzeugte Bewegung des stehenden Wassers erfolgen: Das Tier wird durch den so provozierten Wellengang ein wenig aus dem Gleichgewicht gebracht und der Körper wird versuchen, dieses wiederherzustellen. Verstärkt wird die Provokation noch durch direkten Körperkontakt. Da dies ohne Veränderung der Patientenposition erfolgt, fällt dies in die Kategorie isometrisches Training und wird schon sehr früh postoperativ eingesetzt (in Abhängigkeit von Wundheilung und OP-Methode).

In diesem Stadium besteht nun die Möglichkeit, im Rahmen der Diagnostik die Fähigkeiten (oder Restfähigkeiten) des Gleichgewichts zu beurteilen.

Der vierbeinige Patient wird motiviert, sich im stehenden Wasser mit Bodenkontakt zu bewegen. Dann wird das Tier gegen die Laufrichtung des Bandes positioniert und das Unterwasserlaufband mit niedrigen Laufgeschwindigkeiten (0,4–1,2 km/h) in Gang gesetzt. Dies ist der Moment zu einer vorsichtigen (!) prognostischen Einschätzung der Rehabilitationsaussichten.

Empfehlenswert ist, den Patienten, ohne ihn am Brustgeschirr zu halten, mit niedrigster Geschwindigkeit langsam „nach hinten“ fahren zu lassen – der Großteil der Patienten wird nach Kontakt von Gesäß und Hinterbeinen mit der Rückwand bereits die ersten Schritte nach vorne (und in Richtung des Halters) setzen.

Nach Wiedererreichen der Stabilität folgt das Training der Mobilität mit dem Ziel einer Zunahme an Muskelkraft. Hier steht vor allem die Gangschulung mit bewegtem Laufband unter zusätzlich manuell geführter Bewegung der Patientenextremitäten (aktiv-assistiv) im Vordergrund.

Auch wenn das Training im stehenden Wasser in einer Wanne sowie der aktive Muskelaufbau durch Waten in einem Bach gegen die Strömung ähnlichen Erfolg bringen kann, ist dennoch im Rahmen einer korrekt durchgeführten Rehabilitation die kontrolliert geführte Bewegung nur mittels eines Laufbands möglich.

Neben dem Wiedergewinn des Gleichgewichts kann bei Training im Abstand von 2–3 Tagen eine deutliche Zunahme an Muskelumfang verzeichnet werden. Vor allem ist zu beobachten, dass der Großteil der Hunde im Wasser laufend die Hinterbeine aktiv etwas breitbeiniger vorwärts bewegen, was (wie beim Schlittschuhschritt des Eisschnell- oder Skilangläufers) zu einer Kräftigung der seitlichen Oberschenkelmuskulatur führt. Diese ist es, die vor allem auch bei Patienten mit Problemen des Hüftgelenks, z. B. bei Hüftgelenkdysplasie oder des Kniegelenks nach Verletzungen oder Operationen durch ihre Kräftigung zur Stabilität dieser Gelenke beiträgt [Abb. 2].

Zoom Image
Abb. 2 Breitbeiniges Ausschreiten der Hintergliedmaßen bei der Arbeit im Wasser. Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen
Motivieren – aber richtig

Die Motivation des Patienten, nach vorne zu gehen, wird mit Erfolg durch ein von vorne angebotenes Leckerchen oder Spielzeug unterstützt. Dabei ist zu beachten, dass dies nicht – wie sehr häufig beobachtet, von vorne oben und/oder seitlich (wo der Besitzer in den meisten Fällen steht) geschieht. Der Patient wird dadurch gezwungen, den Kopf schräg zur Seite und/oder nach oben zu halten, was zu Verspannungen, aber auch zu abnormem Bewegungsablauf führen kann.

Tipp: Leckerchen an der Stirnseite des Unterwasserlaufbands auf Schnauzenhöhe mittig anbieten oder aber ein Target mittig an der Frontwand anbringen und bei Berührung desselben klickern.


#

Indikationen

Die Trainingsansätze müssen je nach Erkrankungsbild und Zustand des Patienten unterschiedlich angepasst und ggf. ergänzt werden.

Geriatrische Patienten profitieren oft schon bei gleichmäßigem Laufen in gemäßigtem Tempo vom Einsatz des Unterwasserlaufbands. Denn der Wasserauftrieb und die dadurch reduzierte Haltearbeit der Muskeln, Sehnen und Bänder gegen die Schwerkraft ermöglicht ihnen ein schmerzarmes und deutlich effektiveres Durchbewegen der arthrotisch veränderten Gelenke [Abb. 3], [Abb. 4].

Zoom Image
Abb. 3 Verstärkte Flexion und Extension gegen den Wasserwiderstand. Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen
Zoom Image
Abb. 4 Unterstützung der Protraktion des linken Hinterbeins durch dezent-taktilen Reiz im Bereich der Ischiocruralmuskulatur. Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen

Die Temperatur und der hydrostatische Druck des Wassers wirken, bei entsprechend stabiler Kreislaufsituation dieser Patientengruppe, belebend. Der individuelle Trainingsplan kann durch isometrische Übungen oder auch durch den Einsatz der Musterorientierten Bewegungsinduktion (MOBI) im Stand ergänzt werden [Abb. 5], [Abb. 6]. Der Auftrieb des Wassers stellt dabei eine günstige Hilfestellung für Tier und Therapeut dar.

Zoom Image
Abb. 5 Manuelle Unterstützung der Extension, Abduktion und Pronation aus dem Knie heraus (MOBI) – v. a. genutzt bei Einschränkung der Aktivität und Mobilität dieses Gelenks. Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen
Zoom Image
Abb. 6 Aktiv-assistives Üben der Flexion-Abduktion-Supination aus der hier dargestellten Position Extension-Adduktion-Pronation mit Initialstretch (MOBI). Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen
Passgang?

Beginnt der Patient das wassergestützte Training im Kreuzgang und ändert nach gewisser Zeit das Gangbild zum Passgang, so hat spätestens dann eine Pause zu erfolgen (ca. 1–2 Minuten). Die Erfahrung zeigt, dass dieser Gangwechsel ein Zeichen von Ermüdung ist.

Erfolgt die Bewegung von Anfang an im Pass, erübrigt sich dieser Hinweis und es gilt, andere Anzeichen etwaiger Ermüdung zu beachten (vermehrtes Zurücktreiben lassen, beginnendes Ignorieren von motivierendem Leckerchen oder Spielzeug, sinkendes Interesse an der Umgebung, am Besitzer usw.)

Nach längeren postoperativen Phasen der Bewegungseinschränkung mit Abbau der konditionellen Verfassung werden die Einheiten bei mäßigem Tempo schrittweise etwas länger durchgeführt (z. B. 20–30 Minuten).

Zum Aufbau der Muskulatur kann das Laufen auf dem Unterwasserlaufband in kürzeren Einheiten bei höherem Tempo empfohlen werden. Bevor mit den Tempophasen gearbeitet wird, sollte der Patient sich bei gemäßigtem Tempo über einige Minuten „warmlaufen“. Danach wird das Tempo über eine Zeiteinheit gesteigert (z. B. 1 Minute), um danach wieder gedrosselt zu werden auf langsames Gehen. Diese Tempophasen sollten sich abwechselnd mit Regenerationspausen wiederholen. Das Ziel ist die Aktivierung der „Startermuskulatur“ – speziell der Glutealmuskulatur und der „ham strings“ (Abb. 2). Alternativ zu den Tempophasen kann auch eine Gegenstromanlage genutzt werden.

Die Rückenmarksanatomie von Hund und Katze lässt auch bei massiveren Rückenmarksschädigungen (im Gegensatz zum Menschen) keine sofortige Prognosestellung zu, sondern hält immer noch die Möglichkeit der Entwicklung eines „spinal walkings“ („Rückenmark-Laufen“) offen. Daher bietet die Bewegung im Wasser eine gute Aussicht, dem Patienten u. U. eine wieder vierbeinige Zukunft zu ermöglichen. Daraus ergeben sich aber für die Bewegungstherapie beim Kleintier im Wasser wichtige Konsequenzen:

  • Nicht aufgeben: Auch bei den folgenden Aussagen oder Situationen nicht sofort aufgeben! „Der Patient kann nichts“ (keine Reaktion der Beine im Wasser), „hat Angst im Wasser“ (panisch wirkende Reaktionen mit Rumpf und Vorderbeinen), „will nicht kooperieren“ (stumpfer Blick, keine Reaktion auf Leckerchen und/oder Besitzer), – „hat keinen Sinn …“

  • Nicht überfordern: Der (v. a. tetraplegische) Patient kann in Panik geraten, wenn seine Vorderbeine keine Stützkraft oder aber sogar die Halsmuskulatur keine Haltekraft mehr besitzen. Deshalb von Anfang an auf eine Kopf-Hals-Unterstützung achten. Denn gab es einmal den Schock des „Ertrinken könnens“, dann wird es sehr schwierig, das Tier wieder zur Teilnahme zu bewegen.

  • Regelmäßig: Vor allem der neurologische Patient speziell muss „geärgert“ werden. Man muss dran bleiben und es immer wieder im Wasser versuchen, und zwar nicht nur jedes dritte oder vierte Mal, sondern bei jeder Sitzung. Aber – nehmen Sie ihm die Angst.

Arbeit im Wasser ist aktiv-assistive Krankengymnastik

Deshalb gilt auch hier die Regel: Keine Krankengymnastik ohne Massage! In der Rehabilitation speziell ist es unabdingbar, den Patienten vor der Krankengymnastik anzumassieren sowie die Gelenke zu mobilisieren. Nur dann wird der Patient auch den gewünschten Behandlungserfolg erbringen können.


#

Was muss man noch beachten?

  • Die Wassertemperatur bei allen Trainingsvarianten sollte beachtet und optimiert werden. Die Leistungsbereitschaft ist bei eher kühleren Temperaturen höher!

  • Bei kreislauflabilen Patienten sollte die Wirkung des hydrostatischen Druckes nicht unterschätzt werden. Diese Patienten sollten besonders langsam mit kurzen Unterbrechungen abgesenkt und auch schrittweise wieder aus dem Wasser herausgeholt werden.

  • Trächtigkeit stellt für das Unterwasserlaufband keine Kontraindikation dar. Es dürfen jedoch keine höheren Geschwindigkeiten bei Füllung bis Mitte Brust-Bauchlinie gefordert werden. Hier besteht Überanstrengungsgefahr durch zu starke Bauchmuskeltätigkeit.

Kontraindikationen

  • Offene Wunden (Infektionsgefahr)

  • Hautinfektionen (Infektionsgefahr)

  • Läufige Hündinnen (Infektionsgefahr)

  • Ansteckende Erkrankungen (Infektionsgefahr)

  • Fieber (pathologisch erhöhte Stoffwechselaktivität)

  • Ängstliche Hunde mit Sehbehinderung, in der Regel ältere Tiere, sind aufgrund ihrer Verunsicherung vielleicht nicht mehr für das Unterwasserlaufband geeignet.

  • Epileptiker könnten durch Wasserspiegelungen und -reflexe in einen Status epilepticus gelangen.

  • Manche Erkrankungen können (relative) Kontraindikationen für das Unterwasserlaufband darstellen (z. B. die Erkrankung der Sehne des M. biceps brachii bei stärkerer UWLB-Geschwindigkeit = verstärkte Bizepsaktivität gegen den Wasserwiderstand).

Take home

Das Unterwasserlaufband stellt ein höchst wertvolles Mittel in der Physiotherapie dar. Seine Nutzung ist jedoch nur dann vertretbar sinnvoll, wenn entsprechend anatomisch-pathophysiologische Kenntnisse bestehen und das Tier auf dem Laufband nicht allein gelassen wird.

Für eine sinnvolle Physiotherapie mit dem Unterwasserlaufband muss man währenddessen beim Patienten bleiben, ihn beobachten, mit ihm an seinen Defiziten arbeiten und auch den Besitzern entsprechende Anweisungen geben, wie diese danach in Eigenarbeit an ihrem Tier zu arbeiten haben.


#
#
#
#

Autoren

Zoom Image

Stefanie Süße


Tierärztin und Dozentin für Physikalische Medizin und Physiotherapie beim Kleintier im Vierbeiner Reha-Zentrum in Bad Wildungen; Spezialgebiete: Physikalische Medizin und Physiotherapie beim Kleintier, Traditionelle Chinesische Medizin, Goldimplantation und Osteopathie beim Hund; ssuesse@vierbeinerrehazentrum.de

Zoom Image

Reinhold Scharwey


examinierter Masseur, Bademeister und Humanphysiotherapeut; Tierphysiotherapeut (Bad Wildungen); Spezialgebiete: Manuelle Lymphdrainage, neurophysiologische Behandlungverfahren, Elektrotherapie und Interferenzstrom-Regulationstherapie (IFR); seit 2004 Dozent für Physikalische Medizin und Physiotherapie beim Kleintier im Vierbeiner Reha-Zentrum in Bad Wildungen

Zoom Image

Andreas Zohmann


Dr. med. vet., Leitender Tierarzt des Vierbeiner-Reha-Zentrums; Fachlicher Leiter der Privaten Akademie für erweiterte Tiermedizin in Bad Wildungen (D); Tierarzt in der Praxisgemeinschaft für Ganzheitliche Veterinärmedizin Vet & Physio in Oberalm bei Salzburg (A); FTA (A) für Akupunktur und Neuraltherapie, ZB (D): Physikalische Medizin und Physiotherapie sowie Akupunktur; www.vierbeiner-rehazentrum.de; info@vierbeiner-rehazentrum.de; vetundphysio.net

Publication History

Article published online:
24 June 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York

Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Zoom Image
Die Bewegung im Wasser kann aufgrund seiner besonderen Eigenschaften sowohl therapeutisch wirken als auch die Fitness erhalten oder steigern. Quelle: Kirsten Oborny, Thieme Gruppe
Zoom Image
Abb. 1 Beispiel für einen „barrierefreien“ Zugang zum Unterwasserlaufband. Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen
Zoom Image
Abb. 2 Breitbeiniges Ausschreiten der Hintergliedmaßen bei der Arbeit im Wasser. Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen
Zoom Image
Abb. 3 Verstärkte Flexion und Extension gegen den Wasserwiderstand. Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen
Zoom Image
Abb. 4 Unterstützung der Protraktion des linken Hinterbeins durch dezent-taktilen Reiz im Bereich der Ischiocruralmuskulatur. Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen
Zoom Image
Abb. 5 Manuelle Unterstützung der Extension, Abduktion und Pronation aus dem Knie heraus (MOBI) – v. a. genutzt bei Einschränkung der Aktivität und Mobilität dieses Gelenks. Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen
Zoom Image
Abb. 6 Aktiv-assistives Üben der Flexion-Abduktion-Supination aus der hier dargestellten Position Extension-Adduktion-Pronation mit Initialstretch (MOBI). Quelle: Vierbeiner Reha-Zentrum, Bad Wildungen