Schlüsselwörter
COVID-19 - Öffentliche Gesundheit - Psychische Belastungen - Resilienz
Key words
COVID-19 - Public health - Mental stress - Resilience
Bundeskanzlerin Angela Merkel bezeichnete die Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19)
als die größte Herausforderung seit dem Zweiten Weltkrieg. Am 11.
März 2020 erklärte die Weltgesundheitsorganisation (WHO) den
COVID-19-Ausbruch zur Pandemie, die mittlerweile mindestens 208
Länder/Regionen betrifft, wobei die Zahl der bestätigten
Infektionen bei mehr als 1 Million bzw. der Todesfälle bei über
60 000 liegt (Stand: 5. April 2020) [1]. Während der Ausbruch in Wuhan in der chinesischen Provinz
Hubei begann, ist mittlerweile der Großteil der bestätigten
Infektionen und Todesfälle außerhalb des Landes zu verzeichnen,
wobei sich hier Italien, Spanien und die USA als Epizentren herauskristallisieren.
COVID-19 wird durch ein neuartiges Coronavirus (SARS-CoV-2), ein umhülltes
einzelsträngiges RNA-Virus, verursacht, wobei nun insgesamt 7 humanpathogene
Coronaviren bekannt sind. Im Gegensatz zu anderen Coronaviren, die
hauptsächlich eine gewöhnliche Erkältung auslösen
wie z. B. 229E, OC43, NL63 und HKU1, ähnelt das SARS-CoV-2 dem
SARS-assoziierten Coronavirus (SARS-CoV) aus dem Jahr 2002 und dem MERS-assoziierten
Coronavirus (MERS-CoV) von 2012, die in einer akuten infektiösen
Lungenentzündung münden können. Ähnlich wie bei SARS
und MERS weisen bisherige Untersuchungen auf Fledermäuse als Ursprung von
SARS-CoV-2 hin (89–96% Nukleotididentität), das von einem
Zwischenwirt (vermutlich ein Pangolin – 91%
Nukleotididentität) auf den Menschen überging [2].
Die weltweit immer weiterwachsenden Infektionszahlen und die immensen
Herausforderungen mit denen Regierungen, Gesundheitssysteme und Menschen
konfrontiert sind, führen in der Bevölkerung zu erheblichen
Beeinträchtigungen der psychischen Gesundheit. Kognitive und emotionale
Stressreaktionen, die mit dem Ausbruch einer Infektionskrankheit einhergehen,
können dabei das ständige Grübeln über die eigene
Gesundheit und die Gesundheit von Familienangehörigen und Freunden, Angst
und Unruhe sowie das Gefühl von Einsamkeit oder Isolation umfassen. Dies
kann sich auch in körperlichen und Verhaltenssymptomen wie diffuser Schmerz,
Schlafstörungen, Alkohol- und Drogenkonsum sowie selbstverletzendem oder
suizidalem Verhalten niederschlagen. Insbesondere können Maßnahmen
zur Verlangsamung der Ausbreitung von COVID-19 wie soziale Distanzierung,
Ausgangssperren, Reiseverbote, Schließung von Unternehmen und
öffentlichen Einrichtungen sich stark auf das alltägliche
Zusammenleben, übliche Aktivitäten und Routinen der Menschen
auswirken. Besonders betroffen sind sensible Gruppen wie Gesundheitsdienstleister,
ältere Menschen mit chronischen Krankheiten, Kinder und Jugendliche sowie
Menschen mit psychischen Erkrankungen, bei denen ein höheres Risiko besteht
für die Entwicklung von Angststörungen, depressiven
Störungen und posttraumatischen Belastungsstörungen. Besonders
wichtig ist hier, dass bei Menschen mit chronischen und psychischen Krankheiten
sowie Frontarbeitern konkrete Maßnahmen ergriffen werden müssen, die
körperliche und psychische Belastungen verringern. In diesem Sinne ist es
unerlässlich, dass Menschen mit bestehenden Erkrankungen ihre Behandlungen
fortsetzen können, um das Auftreten neuer oder sich verschlechternder
Symptome zu verhindern oder dass Frontarbeiter, bei denen ein höheres
Infektionsrisiko besteht, hinreichende Unterstützung erhalten. Ergebnisse
früherer Untersuchungen haben gezeigt, dass Epidemien und v. a.
Pandemien den wahrgenommenen Stress in der Gesamtbevölkerung signifikant
erhöhen und dass die Verfügbarkeit politischer und
gesellschaftlicher Bewältigungsmöglichkeiten invers mit der
Häufigkeit von Epi-/Pandemieereignissen assoziiert ist [3]. Darüber hinaus hat der Ausbruch des
Ebola-Virus aus dem Jahr 2014 gezeigt, dass angstbedingte Verhaltensweisen eine
wichtige Rolle für den weiteren Verlauf einer Epidemie spielen
können [4]. Hierbei wurde gezeigt,
dass maladaptive Verhaltensweisen bedingt durch erhöhte psychische
Belastungen und Ängste die Implementierung von Behandlungsstrategien und
-maßnahmen beeinträchtigen und zu einer stärkeren
Ausbreitung beitragen. Die Autoren schlussfolgerten, dass zukünftige
Maßnahmen, die darauf abzielen die Ausbreitung von Epidemien zu verhindern,
das Auftreten und die Aufrechterhaltung von angstbedingten und maladaptiven
Verhaltensweisen mitberücksichtigen sollten, um Resilienz zu fördern
und Schaden abzuwenden. Demzufolge haben China und andere Länder
psychologische Kriseninterventionen eingeführt, um die psychischen
Belastungen in der Bevölkerung zu reduzieren und die
Widerstandsfähigkeit gegenüber solchen Krisen zu erhöhen
[5]. Ein wichtiger Bestandteil solcher
Maßnahmen sollte, unabhängig von der exakten Gestaltung, die
Akzeptanz und Normalisierung von Ängsten und negativen Emotionen darstellen,
da akuter psychischer Stress bei Konfrontation mit einem Ereignis solchen
Ausmaßes eine normale Reaktion ist. So konnte im Rahmen des Ausbruchs des
Zika-Virus ermittelt werden, dass die Verdrängung und Unterdrückung
von Ängsten einen Teufelskreis auslösen kann, wobei der Einsatz von
Verdrängung die Intensität der Angstreaktionen erhöhen kann
[6]. Da die überintensive
Beschäftigung mit beunruhigenden Medieninhalten sowie mit Fehlinformationen
in sozialen Medien gepaart mit der teilweise mangelnden Kompetenz der
Allgemeinbevölkerung gesundheitsbezogene Information adäquat zu
bewerten bedeutsame Angstquellen darstellen, ist es überaus wichtig,
zuverlässige, akkurate und verständliche Informationen
bereitzustellen, um der Angst entgegenzuwirken. Im Allgemeinen sollten
stressreduzierende Interventionen auf die Aufrechterhaltung von sozialen Kontakten,
Verringerung von Stigmatisierung und Diskriminierung im Zusammenhang mit der
Epidemie, Aufrechterhaltung von Normalität und eines gesunden Lebensstils
sowie Nutzung von psychosozialen Unterstützungssystemen über
telefonische und internetbasierte Beratungssysteme fokussieren [5].
Psychische Belastungen in der Bevölkerung als Reaktion auf einen
unvorhersehbaren Verlauf im Rahmen einer Epidemie führen
möglicherweise nicht nur zu einer Zunahme von angstbedingten
Verhaltensweisen, Symptomen und Störungen, sondern schränken auch
unmittelbar die gesamtgesellschaftlichen Fähigkeiten für einen
adäquaten Umgang mit Epidemien ein, wodurch Infektionsraten und
Todesfälle weiter steigen. Daher sind Maßnahmen notwendig, wie auch
von der WHO und anderen Gesundheitsorganisationen empfohlen, die sich spezifisch mit
den negativen Auswirkungen im Hinblick auf die psychische Gesundheit in der
Bevölkerung befassen, insbesondere bei sensiblen Gruppen wie Frontarbeitern.
Diese Aspekte sollten in die nationalen Leitlinien und Empfehlungen integriert
werden mit dem Ziel die Resilienz der Bevölkerung zu stärken und um
die Ausbreitung der COVID-19-Pandemie zu stoppen [7].