Kategorisierung der Dringlichkeit in der Plastischen Chirurgie
Von einigen chirurgischen Fachgebieten gibt es Empfehlungen zur Abstufung von Notfalleingriffen bis hin zu Wahleingriffen. Auch in europäischen Ländern wird dies unterschiedliche gehandhabt. Die European Society for Plastic, Reconstructive and Aesthetic Surgery (ESPRAS) hat auf Ihrer Webseite einen Überblick über europäische Länder veröffentlicht (http://espras.org/news/COVID-19/) [22]. Für die Plastische Chirurgie haben wir an unserem Klinikum folgende Abstufung vorgenommen ([
Tab. 2
]).
Tab. 2 Bewertung der Dringlichkeit von operativen Eingriffen der Plastischen Chirurgie.
Notfälle
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1. Akute Verletzungen und Verbrennungen
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Dringliche Indikationen
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2. Weichteilinfektionen
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3. Maligne und ungeklärte Tumorerkrankungen
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4. Bereits anbehandelte Patienten mit mehrzeitigen Eingriffen
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5. plastische Deckungen offener Wunden und Defekte
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6. schmerzhafte, degenerative Erkrankungen
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Elektive Operationen
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7. nichtschmerzhafte degenerative Erkrankungen, Fehlbildungen und Metallentfernungen
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8. körperformende Eingriffe
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9. ästhetische Eingriffe
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Notfälle
Über alle chirurgischen Fachgesellschaften hinweg herrscht Einigkeit, dass die Notfallbehandlung durch die aktuellen Maßnahmen nicht betroffen sein darf [5]. Operative Kapazitäten zur zeitnahen Versorgung akuter neurovaskulärer Verletzungen, Verbrennungen sowie von schweren Weichteilinfektionen müssen daher in unverändertem Ausmaß vorhanden sein. Selbiges sollte auch für Eingriffe mit dringlicher Indikation gelten. Dies betrifft z. B. die Defektdeckung offener Frakturen, freiliegender Prothesen oder großer Weichteildefekte welche durch (sub-)akute Ursachen wie eine nekrotisierende Fasziitis, Sternumosteomyelitis oder Tumorresektionen entstanden sind. Auch wenn es hier z. T. möglich wäre, die definitive Versorgung durch eine Vakuumversiegelungstherapie um mehrere Wochen hinauszuzögern, würde verglichen mit einer zeitnahen Deckung sowohl ein erhöhtes Risiko für eine nosokomiale COVID19-Erkrankung als auch ein deutlicher Mehraufwand an Ressourcen resultieren.
Handchirurgische Notfälle
Die absolute Anzahl der handchirurgischen Notfälle, die innerhalb von 6 Stunden versorgt werden sollten, veränderte sich kaum im Bundesland Bayern. Initial war sogar ein Anstieg von Heimwerkerunfällen erwartet worden, wie es etwa in Nachbarländern beobachtet worden war [23], doch nachdem es in den großen Bundesländern wie Niedersachsen und Bayern zu einer Schließung der Baumärkte (zumindest in Niedersachsen für 2 Wochen und in Bayern für 4 Wochen) kam, konnte in diesem Zeitraum kein merkbarer Unterschied dieser Verletzungen auch an unserem Klinikum dokumentiert werden. Eine mögliche Erklärung für das Ausbleiben vieler schwerer Handverletzungen oder Amputationen könnte sein, dass ein Großteil dieser Verletzungen auf Arbeitsunfälle zurückzuführen ist, diese gefahrenträchtigen Tätigkeiten jedoch auf Grund von Kurzarbeit kaum noch ausgeübt wurden. Hinzu kommen Gastronomieschließungen. Den Rückgang von Sturz- und Knochenverletzungen kann man allerdings klar auf die Schließung jeglicher Freizeitanlagen, Sport- und Spielstätten bzw. ein generelles Verbot von Mannschafts- und Kontaktsportarten zurückführen.
In einer aktuellen Erhebung von Ducournau et al. wurden 47 Handchirurgen aus 34 Ländern weltweit befragt, inwieweit die COVID-19 Pandemie den Alltag des Handchirurgen verändert hat [8]. Der Fragebogen sollte die derzeitigen (Datenerfassung vom 23. bis 27. März) Maßnahmen hinsichtlich Veränderungen der einzelnen Handchirurgischen Kliniken abfragen. Interessanterweise gaben 11 % (5/47) an, keinerlei Veränderungen hinsichtlich OP-Planung durchgeführt zu haben; die Mehrheit von 83 % (39/47) gaben allerdings an, das Praktizieren der Situation und den länderspezifischen Vorgaben angepasst zu haben. Aus dieser praktizierenden Gruppe führten nur noch 5 Kollegen alle Operationen (unabhängig von der Dringlichkeit), die vor COVID-19-Ausbruch geplant wurden, auch durch, die anderen 34 Handchirurgen operierten lediglich Notfälle. Drei Chirurgen der Umfrage haben bereits innerhalb des o. g. Zeitraums das Operieren komplett eingestellt. Konsens gab es auch hinsichtlich der Op-Indikationen allgemein, hier wurde häufiger als üblich für ein konservatives Verfahren entschieden. Bezüglich des Sprechstundenaufkommens zeigte sich weltweit ein einheitliches Bild: 89 % der befragten Handchirurgen haben die Patientenkontakte auf ein Minimum reduziert. Die Autoren haben als Zusammenfassung folgen Empfehlungen publiziert:
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alle nicht relevanten Operationen sollten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden
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während einer Operation soll das gesamte Team sich an die aktuellen Maßnahmen des Hygienebeauftragen der Klinik halten
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alle Besprechungen sollten durch Videokonferenzen ersetzt werden
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auf den Stationen sollten strenge Hygienemaßnahmen eingehalten werden
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Sprechstundentermine sollten alle verschoben werden
Tumoroperationen
Inwieweit Tumoroperationen als prinzipiell planbare Operationen verschoben werden können, wird z. T. kontrovers diskutiert [5]. Das Argument, dass das Sterblichkeitsrisiko der Verschiebung eines Eingriffes nicht höher sein sollte als das einer schweren krankenhauspflichtigen COVID-19 Erkrankung, kann hier sicherlich nur bedingt gelten. Das Ausmaß und der Zeitrahmen der Progression der zugrundeliegenden Tumorerkrankung sind krankheitsspezifisch und können bei verzögerter Behandlung zu einer Erhöhung der krankheitsspezifischen Morbidität und Mortalität führen. Die Terminplanung einer Operation ist demnach oft zeitkritisch und unterscheidet sich hinsichtlich der Tumorentität und des Stadiums. Ein benigner Tumor oder ein kleines, langsam wachsendes Basalzellkarzinom der Gesichtshaut muss hier sicherlich anders als ein high-grade Weichgewebssarkom bewertet werden.
Die Entscheidung zeitnah zu operieren oder den Eingriff zu verschieben sollte daher individuell nach Risikoabwägung durch einen erfahrenen Facharzt getroffen werden. In Erwartung, dass in 1–2 Monaten deutlich günstigere Bedingungen vorliegen könnten, müssen diese Risikoabwägungen in kurzfristigen Abständen evaluiert werden. So kann ein Wechsel in der Risiko-Nutzen Betrachtung dazu führen, dass die Zeitplanung der Operation kurzfristig an die neuen Bedingungen angepasst werden kann. Jedoch sollte in Deutschland sicherlich ein Zustand vermieden werden, in dem die Mortalität durch derartige Krankheitsbilder sekundär höher ist als die durch eine COVID-19 Erkrankung.
Rekonstruktive Mikrochirurgie
In der Rekonstruktiven Chirurgie existieren eine Vielzahl an Indikationen, welche sich von der zeitlichen Dringlichkeit zwischen den oben genannten dringlichen sowie rein elektiven Fällen einordnen lassen. Hierzu gehören z. B. periphere Nervenverletzungen, bei denen ein zeitnaher Eingriff im Hinblick auf eine schnellstmögliche Reinnervation sinnvoll ist [9]. Eine vergleichbare Dringlichkeit gilt für Indikationen, welche bei zu langem Abwarten zu einer deutlichen Verschlechterung des Befundes führen können, wie kraniale Implantate ante perforationem oder chronische Wunden mit Verschlechterungstendenz und die Lebensqualität stark beeinträchtigende schmerzhafte degenerative Veränderungen. Hier ist ein Aufschieben des Eingriffes um wenige Wochen in den meisten Fällen ohne bleibende Nachteile möglich. Gleiches gilt etwa auch für komplexe mikrochirurgische Eingriffe, die bei Verzögerung eine Neuplanung mit Wiederholdung z. B. der Diagnostik erfordern würden. Patienten, die diese Eingriffe benötigen, sollten dennoch regelmäßig im Sinne einer Nutzen-Risiko Abwägung evaluiert werden, ob die Durchführung der Operation bei Ausweitung der Kapazitäten zeitnah möglich und sinnvoll ist.
Patienten, bei denen durch einen verzögerten Eingriff kein zu erwartender bleibender Nachteil resultiert und die nur unter geringen Einschränkungen leiden, sind als elektiv einzuordnen und sollten daher in der aktuellen Ausnahmesituation nicht operiert werden, da sowohl Ressourcen gebunden werden, die für die Versorgung von COVID-19 Erkrankten benötigt werden, aber auch die Patienten unnötigen Risiken ausgesetzt werden. Hierzu zählen z. B. postbariatrische Eingriffe, Mammareduktionen, sekundäre Eingriffe zur Narbenkorrektur oder Lappenausdünnung, geschlechtsangleichende Operationen, Eigenfett-Transplantationen zum Ausgleich von Volumendefiziten, sowie sämtliche ästhetische Eingriffe.
Rekonstruktive Brustchirurgie
Als Entscheidungshilfe bei der zeitlichen Planung von Brustrekonstruktionen hat die American Society of Plastic Surgeons eine Stellungnahme veröffentlicht [10]. Bei der Einordnung der Dringlichkeit sollte hier insbesondere zwischen primären Brustrekonstruktionen und rekonstruktiven Eingriffen im Rahmen der Tumorentfernung sowie sekundären, als elektiv anzusehenden Eingriffen, unterschieden werden. Sekundäre Brustrekonstruktionen, Zweiteingriffe wie Expanderexplantationen mit Durchführung der definitiven Rekonstruktion sowie Anpassungseingriffe der Form und Symmetrie zur Brustwiederherstellung werden meist als elektive Operationen klassifiziert. Bei primären Brustrekonstruktionen handelt es sich um einen Tumor und daher ist eine gewisse Dringlichkeit klar gegeben und wird daher in Abhängigkeit von der lokalen Situation entschieden werden. Neben der Verwendung zusätzlicher Operationskapazitäten im Anschluss an die Tumorresektion muss allerdings auch bedacht werden, dass ein verlängerter stationärer Aufenthalt und die ambulante Nachbehandlung, z. B. durch das wiederholte Füllen eines Expanders oder die Punktion eines Seroms, zur Bindung zusätzlicher Ressourcen führen kann.
Auch die Durchführung von Rekonstruktionen sollte von Fall zu Fall anhand von Faktoren wie der Komplexität der Rekonstruktion, der Wahrscheinlichkeit des Auftretens von Komplikationen, individuellen Risikofaktoren (Alter und Komorbiditäten), Operationsdauer etc. kritisch evaluiert werden. Von diesen Einschränkungen weitestgehend unberührt bleibt eine notwendige Defektrekonstruktion der Thoraxwand, welche ebenfalls den dringlichen Eingriffen zugeordnet wird.
Als Alternative zur primären autologen Brustrekonstruktion sei hier nochmal auf die Möglichkeit einer zweizeitigen delayed-immediate Rekonstruktion hingewiesen, welche bei der primären Tumorresektion durch die Expandereinlage nur zu gering verlängerten Operationszeiten führt, jedoch im zweiten Rekonstruktionsschritt weiterhin eine autologe Rekonstruktion unter Erhalt der Brusthaut ermöglicht. Zudem hat als Leitlinie die American Society of Plastic Surgeons Empfehlungen zum Umgang mit Brustrekonstruktionen während der COVID-19 Pandemie veröffentlicht [10].
Ästhetische Chirurgie
Ästhetische Operationen sind medizinisch nicht-notwendig, damit maximal elektive Eingriffe und sollen an deutschen Krankenhäuern seit Beginn der SARS-Cov-2 Pandemien auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden. Ziel ist es hierbei Kapazitäten zu schaffen bzw. nicht zu gefährden. In Anbetracht der derzeitigen Gesetzeslage wie in Bayern sowie ethischer Aspekte, scheint es vorrangig die einzig vertretbare Möglichkeit zu sein, diese Art von Eingriffen zu verschieben. Die Auswirkungen des Ausfalls von ästhetischen Eingriffen müssen hierbei von verschiedenen Seiten betrachtet werden: Ästhetische Eingriffe sind vorranging Selbstzahlerleistungen, sowohl im Bereich der niedergelassenen Plastischen Chirurgie als auch an Universitätskliniken und Lehrkrankenhäusern. Somit entsteht bei Ausfall ästhetischer Eingriffe ein erhebliches wirtschaftliches Defizit, besonders im niedergelassenen Bereich. Um ein Minimum der Patientenversorgung im Bereich der Ästhetischen Chirurgie zu gewährleisten, besteht natürlich weiter die Möglichkeit Patientenberatung in Form von Telemedizin anzubieten. Voraussichtlich ist aber auch nach einer Aufhebung der Einschränkung von elektiven Eingriffen mit weitgehenden Folgen im Bereich der Ästhetischen Chirurgie zu rechnen. Aufgrund der finanziellen Einschränkungen in Folge der Maßnahmen der COVID-19 Pandemie sind viele Privatpersonen durch Kurzarbeit oder gar Arbeitsplatzverlust bedroht und werden ästhetische Eingriffe auch in den nächsten Monaten deutlich weniger in Anspruch nehmen.
Operationen bei COVID-19 Patienten und ungeklärter Infektionssituation
Lediglich bei Notfällen wird man die Entscheidung treffen, eine Operation bei einem nachgewiesenen COVID-19 Patienten durchzuführen. Bei allen anderen COVID-19 Patienten wird die Behandlung der Infektion Priorität haben. Obwohl dies eher eine Ausnahmesituation sein wird, sollen die generellen Maßnahmen zusammengefasst werden:
Ein Patient, bei dem eine COVID-19 Infektion vermutet wird, sollte bis zum gegenteiligen Beweis als infiziert behandelt werden.
Der Algorithmus zur präoperativen Abklärung auf COVID-19 bei dringlichen Operationen an unserem Klinikum empfiehlt primär eine telefonische Abklärung von Atemwegssymptomen vor der stationären Aufnahme. Ist diese unauffällig wird ein COVID-19 Test bei stationärer Aufnahme durchgeführt ([
Abb. 1a
]). Zeigt sich die medizinische Indikation zur notfallmäßigen chirurgischen Intervention, greift ein zweiter Algorithmus ([
Abb. 1b
]).
Abb. 1 a Algorithmus zur präoperativen Abklärung auf COVID19 bei dringlichen Operationen des Krisenstabs unseres Klinikums.
b Algorithmus zur präoperativen Abklärung auf COVID19 bei Notfalloperationen Der Krisenstab des Klinikums wird demnächst auf der Webseite auch weitere erarbeitete Flussdiagramme zum Download für andere Kliniken zur Verfügung stellen.
Stellt sich heraus, dass ein Patient COVID-19 positiv ist, wird derzeit empfohlen, dass alle an der Operation beteiligten Personen unabdingbar die Handhabung mit angepasstem PPE (Personal Protection Equipment) – bestehend aus FFP2 oder FFP3 Masken, Augenschutz, Handschuhen, Isolationskitteln und Schutzkappen – verstehen und durchführen zu können [11]. Eine Allokation designierter COVID-19 Operationssäle sollte nach den derzeitigen Erkenntnissen generell an jedem Klinikum stattfinden, um notfallmäßig COVID-19 positive Patienten separat versorgen zu können und das Infektionsrisiko für Patienten und Personal zu minimieren [11], [12]. Der Patiententransport in den COVID-19 Operationssaal muss so kurz wie möglich gehalten werden. Direkte Wege sollen die Infektion mit Personal und Patienten minimieren. Nicht-intubierte Patienten tragen während des Transports ebenfalls PPE. Eine Standardisierung des Transportes wird jedem Krankenhaus dringlich angeraten.
Bei der Operation selbst sollte demnach ein Minimum an notwendigem Personal eingesetzt werden, um die potenzielle Exposition möglichst gering zu halten. Ein spezieller COVID-19 Operationsdienstplan, der designierte Operateure ausschließlich für Operationen an COVID-19 Patienten in einem Schichtsystem abdeckt, wird empfohlen. Zu einer lückenlosen Dokumentation, welche Mitarbeiter an einer COVID-19 Operation teilgenommen haben, wird geraten. Bezüglich der Dokumentation sollte möglichst viel elektronisch erfasst werden, um eine Kontamination von physischen Akten zu vermeiden. Unterdruck im OP und eine hohe Frequenz der Luftumwälzung (≥ 25 Umwälzungen/Stunde) werden angestrebt, um die Viruslast möglichst gering zu halten. Auch das benötigte OP-Instrumentarium sollte auf ein Minimum reduziert werden und dies bereits vor der Operation mit dem anwesenden Personal abgesprochen werden. FFP3 Masken sollten von allen Anwesenden während der Operation getragen werden, da es bei Prozeduren wie trachealer Intubation, Tracheostomien, Reanimationen, Bronchoskopien und manueller Ventilation zu vermehrter Ansteckung mit COVID-19 kommen kann. Da auch eine konjunktivale Transmission in Betracht gezogen werden muss, sollten die Augen während der kompletten Operation durch Schutzbrillen geschützt werden. An dieser Stelle sollte ebenfalls darauf hingewiesen werden, dass die Benutzung von Lupenbrillen oder einem Mikroskop gut bedacht sein mag, da es konsekutiv zu geringerem Schutz für die Augen kommt. Die British Association of Plastic Surgeons (BAPRAS) empfiehlt zudem, die Benutzung des monopolaren Stroms wegen einer möglichen Aerosolbildung, soweit möglich zu unterlassen, und eine Nutzung des bipolaren Stroms zur Blutstillung zu minimieren. Gleiches gilt für die Nutzung des Dermatoms. Das sterile Abwaschen und die sterile Abdeckung des Patienten sollten wie gewohnt erfolgen [13]. Lediglich doppelte Handschuhe sollten zu jederzeit vom Operateur und dem anwesenden Personal getragen werden. Nach Beendigung der Operation sollte der Patient während der Ausleitung im Operationssaal verbleiben und nicht in einen Aufwachraum verlegt werden. Die Schutzkleidung und Einwegprodukte sollten in einem designierten Abwurfbehälter, der klar markiert ist, entsorgt werden. Wiederverwendbare Materialien müssen unabdingbar desinfiziert werden. Zudem sollte eine möglichst lange Pause zwischen zwei COVID-19 Operationen im gleichen Operationssaal liegen, um die Viruslast in der Luft zusätzlich niedrig zu halten [6].
Niedergelassene
Besonders betroffen von der von Bundesgesundheitsminister Spahn erlassenen Regelung, grundsätzlich alle planbaren Aufnahmen, Operationen und Eingriffe in allen Krankenhäusern ab Montag, den 16.03.2020 auf unbestimmte Zeit zu verschieben, sind niedergelassene Plastische Chirurgen. Der Anteil elektiver Operationen ist im niedergelassenen Bereich deutlich höher als in städtischen oder universitären Häusern mit oftmals vorhandener Maximalversorgung. Einerseits kommt es somit zu einer massiven Aufschiebung elektiver Eingriffe, welche jedoch auch häufig von einem hohen Leidensdruck geprägt sind, und das Gesundheitssystem nach der Pandemie vor Probleme stellen könnten. Andererseits kommt es konsekutiv durch abgesagte Sprechstundentermine, Konsultationen und minimal-invasive, wie auch chirurgische Eingriffe zu massiven finanziellen Einbußen für niedergelassene Plastische Chirurgen.
Die American Society of Plastic Surgeons (ASPS) rät in ihren Empfehlungen für niedergelassene Kollegen, durch verschiedene Maßnahmen die Liquidität für die nächsten 2 bis 3 Monate möglichst aufrecht zu erhalten. Einerseits wird eine Einsparung von Kosten durch Reduzierung von überflüssigen Ausgaben in Marketing angeraten, andererseits eine genaue Prüfung der laufenden Kosten empfohlen. Absprachen mit Vermietern, Banken und auch Materiallieferanten (z. B. Implantat-Hersteller) oder Medizintechnikfirmen, um gegebenenfalls Zahlungsziele bei Verbindlichkeiten aufzuschieben, werden empfohlen. Gleichzeitig sollte man sich auf die Zeit nach der Pandemie vorbereiten. So wird angeraten, sich nach der Pandemie auf kleinere und minimal-invasive Prozeduren zu fokussieren, da vorherige Krisen gezeigt haben, dass sich der Bedarf chirurgischer Interventionen oftmals deutlich langsamer erholt [15]. In den sozialen Medien ist zudem ein starker Anstieg des Angebots, aber auch der Nachfrage von „Webinaren“ zu verzeichnen [14], [15].
Nicht nur für den niedergelassenen Plastischen Chirurgen selbst kann die COVID-19 Krise existenziell bedrohlich werden, sondern auch für die oftmals zahlreichen Angestellten einer Praxis oder privaten Klinik. Bedauerlicherweise liegt seitens des Bundesgesundheitsministeriums bis dato keine Zusage vor, einen finanziellen Schutzschirm jenseits der § 108 SGB V Kliniken zu spannen. Der Spitzenverband der Fachärzte Deutschland äußerte am 16. April seinen Unmut über die momentane Situation, einerseits massiv im Versorgungsauftrag beschnitten zu werden und anderseits keine adäquate Unterstützung durch das Bundesgesundheitsministerium zu erhalten [16].
Die American Society for Surgey of the Hand (ASSH) hat Empfehlungen für niedergelassene Kollegen ausgesprochen: Eine präzise Kontrolle der laufenden Kosten wird ebenso angeraten. Weiterhin sollte die Möglichkeit Mitarbeiter in Kurzarbeit zu schicken und staatliche Förderung zu beantragen geprüft werden, um Personalkosten bei gesicherter minimierter Auslastung zu senken. Um einen kompletten Umsatzeinbruch zu verhindern wird ebenfalls die Verwendung von Telemedizin empfohlen [14].
Wirtschaftliche Erlösbetrachtung an Kliniken
Eine relevante Frage für Abteilungen innerhalb eines Klinikums wird die wirtschaftliche Betrachtung im jährlichen Budgetgespräch sein. Es stellt sich die Frage, wie sich die Leistungseinbußen innerhalb der COVID-19 Krise auf die Verhandlungen für das Folgejahr auswirken werden. Die wichtigsten Ergebnisse aus Abteilungsperspektive sind sicherlich die Anpassungen der Personalstärke und verfügbaren Ressourcen wie vor allem der Betten und OP-Kapazitäten. Diese Anpassungen stellen die Vorbereitungen für das folgende Jahr da und sollten daher nicht auf den Zahlen des Jahres 2020, das ja hoffentlich als Ausnahmejahr gelten wird, basieren. Da die tatsächliche Berücksichtigung der Minderleistung durch die Corona-Pandemie nur sehr schwer zu kalkulieren ist, sollte erwogen werden, für die Kalkulation der nächsten Jahresabschluss-/Budgetgespräche die Zahlen des Vorjahres 2019 heranzuziehen, da Anpassungen basierend auf den Ergebnissen des Ausnahmejahres nicht bewertbar sein werden.
Telemedizin und Videosprechstunde
Die Telemedizin hat im Rahmen der COVID-19-Pandemie einen regelrechten Boom erlebt. Aus Angst vor einer Infektion mit dem Corona-Virus im Krankenhaus, im Wartezimmer, aber auch im direkten Kontakt zum Arzt- oder Pflegepersonal, bleiben viele Patienten den Kliniken und Praxen fern. Um auf die verstärkte Nachfrage nach digitaler und telemedizinischer Patientenversorgung zu reagieren, werden vermehrt Videosprechstunden angeboten. Dazu sind im Markt zahlreiche Anbieter verfügbar. Diese müssen Datenschutzauflagen einhalten und eine verschlüsselte Videoübertragung gewährleisten. Die Anbieter werden schließlich entsprechend zertifiziert. Eine aktuelle Übersicht über zertifizierte Videodienstanbieter bietet die KBV unter: https://www.kbv.de/media/sp/Liste_zertifizierte_Videodienstanbieter.pdf. In Deutschland ist die Fernbehandlung und Telemedizin ein sehr junges Feld. Erst 2018 wurde auf dem 121. Deutschen Ärztetag das bisher geltende berufsrechtliche Verbot der Fernbehandlung gelockert [17]. Während fortan bereits eine langsame Inanspruchnahme der Angebote erfolgte, berichten Telemedizinplattformen in den vergangenen Tagen von Wachstumsraten über 1.000 % [18].
Während es Ärzten bislang lediglich erlaubt war bis zu 20 % ihrer Patienten online zu beraten, ist diese Obergrenze kürzlich durch den Spitzenverband der gesetzlichen Krankenversicherung und die KBV aufgehoben worden. Problematisch ist allerdings, dass in einigen Fällen die Vergütung von Privat- und Kassenpatienten nicht vollständig geklärt zu sein scheint.
Unzweifelhaft werden durch die Corona-Pandemie somit auch im positiven Sinne einige strukturelle Probleme der Umsetzung der Digitalisierung der deutschen Gesundheitssysteme rasant weiterentwickelt. In einer internationalen Vergleichsstudie der Bertelsmann Stiftung (11/2018) rangierte Deutschland auf Rang 16 von 17 untersuchten Ländern [19].
Während die Telemedizin auch in Zukunft eine gute Ergänzung in der Patientenversorgung darstellen wird, führt aus Sicht der Autoren langfristig, insbesondere in der Plastischen Chirurgie, jedoch weiterhin kein Weg an einer klinischen Untersuchung und dem persönlichen Kontakt mit dem Patienten vorbei. Gerade unser Fachbereich lebt von der „Face-to-Face“-Behandlung, der haptischen Untersuchung und dem persönlichen Dialog mit dem Patienten in räumlicher Nähe.
Aus- und Weiterbildung, Lehre an Universitätskliniken
Durch den erheblichen Rückgang von Operationen durch den Wegfall von Elektivoperationen und den Rückgang von Notfalloperationen ist bei einem derzeit nicht absehbaren Ende der Corona-Krise auch von Auswirkungen auf die Weiterbildung in der Chirurgie insgesamt, aber natürlich auch in den Fachgebieten Plastische Chirurgie sowie in der Zusatzweiterbildung Handchirurgie auszugehen. Hinzu kommt, dass an vielen Kliniken, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa [22], Ärzte in der Weiterbildung zum Plastischen Chirurgen derzeit in anderen Bereichen, wie auf COVID-19-Intensivstationen oder Allgemeinstationen zum Einsatz kommen. Die Weiterbildungszeit könnte sich wegen der fehlenden Operationszahlen so um 6, vielleicht sogar um 12 Monate verlängern. Dies sollte möglichst nicht zu Lasten der Ärzte in der Weiterbildung gehen.
Auch die Ausbildung von Medizinstudenten wurde entsprechend der Auswirkungen der Epidemie auf die Krankenversorgung angepasst. An vielen Universitäten ist der Lehrbetrieb bis auf weiteres eingestellt. Aus der vom Bundestag erlassenen Verordnung zur „Abweichung von der Approbationsordnung für Ärzte bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ (30. März 2020) [20], geht hervor, dass Medizinstudierende bei der Bekämpfung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite das Fachpersonal in Kliniken und Praxen unterstützen sollen. Aufgrund der epidemischen Lage von nationaler Tragweite wurde der Zweite Abschnitt der Ärztlichen Prüfung abgesagt. Somit leisten die Studierenden das – in einer Ausnahmeregelung festgelegte – vorzeitige Praktische Jahr ab und absolvieren den Zweiten sowie Dritten Abschnitt der Ärztlichen Prüfung erst nach dem Praktischen Jahr. Vorlesungen werden wie an unserem Klinikum digitalisiert und entweder als Videokonferenz bzw. Webinar abgehalten oder aufgezeichnet und digital abrufbar zur Verfügung gestellt. Weiterhin wird den Universitäten die Möglichkeit eröffnet, die Dauer der Ausbildungsabschnitte sowie den Fachbereich des Wahltertials, im Praktischen Jahr zu flexibilisieren. So können die Studierenden bestmöglich in der Gesundheitsversorgung eingesetzt werden und dem Bedarf in der Gesundheitsversorgung angepasst werden.
Aufgrund der derzeitigen COVID-19-Pandemie werden weiterhin weltweit Großveranstaltungen wie etwa der Deutsche Chirurgen Kongress (DCK) in Berlin abgesagt oder wie die Tagung der FESSH in Basel auf September verschoben. Am 18.03.2020 verlautete das Robert Koch-Institut eine Empfehlung für Großveranstaltungen. Dabei wird bezugnehmend auf den Entschluss der Bundesregierung empfohlen, Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern zu verschieben oder abzusagen, um eine Ausbreitung des SARS-Cov-2 zu vermeiden. Großveranstaltungen dieser Art werden nach dem derzeitigen Stand nun bis Ende August ausfallen. Die Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) vom 24.09.2020–26.09.2020 in Frankfurt wird nach aktuellem Stand soweit möglich stattfinden.
„Plastische Chirurgen helfen“
Als Plastische Chirurgen tragen wir als Ärzte eine Verantwortung, uns an der Bewältigung der Krise zu beteiligen. Dies kann unterschiedliche Maßnahmen beinhalten und geht von der Bereitstellung von Ressourcen wie OP-Kapazitäten, der Einsparung von Schutzmitteln wie OP-Masken durch Streichung von elektiven Operationen, der Bereitstellung von Beatmungsgeräten bis hin zur persönlichen Unterstützung der ärztlichen Behandlung von COVID-19-Patienten. Als Plastische Chirurgen haben wir alle eine intensivmedizinische Weiterbildung von mindestens 6 Monaten hinter uns. An vielen Kliniken, wie auch an der Klinik der Autoren, sind daher Ärzte der Plastischen Chirurgie auf den Intensivstationen eingesetzt, um Patienten mit COVID-19 zu behandeln. Die Deutsche Gesellschaft der Plastischen, Rekonstruktiven und Ästhetischen Chirurgen (DGPRÄC) hat diese Aktionen unter dem Stichwort „Plastische Chirurgen helfen“ gebündelt. Gleichzeitig werden auf der Webseite im Mitgliederbereich der DGPRÄC unter dem Stichwort „COVID-19“ auch aktuelle Informationen gesammelt und bereitgestellt.