Tremorsyndrome
Essenzieller Tremor
Definition
Initial wurde der essenzielle Tremor (ET) als monosymptomatischer Aktionstremor meistens der Hände und ohne bekannte Ursache trotz ausführlicher Diagnostik definiert. Diese Definition umfasst allerdings auch andere ähnliche Tremorarten, die ebenso nur anamnestisch und klinisch beschrieben werden können ohne Beweis durch einen Biomarker. Aufgrund dieser Heterogenität und neuer Kenntnisse v. a. bezüglich begleitender neurologischer Symptome, unterschiedlicher Pathophysiologien und Ätiologien wird die initiale Definition infrage gestellt [5].
Epidemiologie
Der essenzielle Tremor ist die häufigste Tremorform. Aufgrund der inhomogenen epidemiologischen Datenlage durch Analysen vorwiegend bei älteren Patienten, aber auch durch Fehldiagnosen und unvollständig erhebbare anamnestische Informationen kann keine genaue Inzidenz und Prävalenz dargelegt werden. Eine Metanalyse solcher Studien ergab eine Gesamtprävalenz von 0,9 % bei einer Prävalenz von 4,6 % bei Patienten über 65 Jahren und steigend mit dem Alter [6]. Es wurde kein sicherer Unterschied in der Geschlechterverteilung oder in der Mortalität im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung festgestellt.
Klinische Merkmale
Patienten mit einem ET zeigen in den meisten Fällen einen Intentionstremor der Hände, der nicht selten leicht asymmetrisch oder asynchron ist. Die Frequenz liegt zwischen 4 und 11 Hz [2]. Viele Patienten haben auch eine Haltekomponente, wobei diese oft deutlich milder im Vergleich zur Intentionskomponente ist. Im Verlauf der Erkrankung kann auch eine Ruhekomponente der Hände hinzutreten. Klinisch kann der ET beim Vorhalteversuch der Hände sowie beim Finger-Nase-Versuch und beim Zeichnen der Archimedes-Spirale objektiviert werden. Eine Gangataxie kann bei Patienten mit ET beobachtet werden. Selten treten eine milde dystone Komponente des betroffenen Körperteils oder subklinische zerebelläre Defizite auf, eher im späteren Verlauf und bei schweren Tremorformen [5], [7].
Tab. 2
Klassifikation der Tremorsyndrome nach Achse 1 bzw. Achse 2 entsprechend der neuen Klassifikation der Task Force on Tremor of the International Parkinson and Movement Disorder Society [1].
Neue Klassifikation der Task Force on Tremor of the International Parkinson and Movement Disorder Society
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Achse 1
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Ruhe- oder Aktionstremor
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essenzieller Tremor (ET) und ET plus
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isolierter segmentaler Aktionstremor
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isolierter Ruhetremor
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verstärkter physiologischer Tremor
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fokaler Tremor
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Stimm-, Kopf-, Kinn-, Gesichtstremor (u. a. )
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essenzieller Gaumensegeltremor
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aufgaben- und positionsspezifischer Tremor
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Schreib-, Sport-, Musikertremor
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orthostatischer Tremor
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primärer orthostatischer Tremor
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pseudoorthostatischer Tremor
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Tremor mit zusätzlichen Symptomen
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dystoner Tremor
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Parkinson-assoziierter Tremor
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Intentionstremor
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Holmes-Tremor
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Myorhythmien
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symptomatischer Gaumensegeltremor
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andere Tremores
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funktioneller Tremor
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unklassifizierbarer Tremor
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Achse 2
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erworben
genetisch
idiopathisch
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neurodegenerative Erkrankungen inkl. Idiopathisches Parkinson-Syndrom
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chromosomale Anomalien
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Mitochondriopathien
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Infektions- und entzündliche Krankheiten
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metabolische und endokrinologische Erkrankungen
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Neuropathien und spinale Muskelatrophien
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medikamenten- und toxisch bedingte Erkrankungen
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Sonstige (Neoplasien, Paraneoplasien, Trauma, Vaskulopathien, Angst u. a.)
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Anamnestisch wird von vielen Patienten eine kurzzeitige Verbesserung durch Konsum von Alkohol berichtet. Die subjektive Beeinträchtigung korreliert nicht immer mit der objektiven Beeinträchtigung. Manche Patienten leben Jahrzehnte mit einem langsam progredienten Tremor der Hände, und erst im mittleren und späten Erwachsenenalter bei hochgradiger Ausprägung erfolgt eine Vorstellung beim Arzt. Im Verlauf werden eine langsam progrediente Verschlechterung und eine Ausbreitung auf andere Körperteile über die Hände hinaus beobachtet: Nacken- häufiger als Stimm- und Kinntremor, noch seltener Gesichts- oder Rumpftremor.
Der ET kann einen frühen Beginn in der Adoleszenz oder im frühen Erwachsenenalter bzw. einen späten Beginn im mittleren und späten Erwachsenenalter aufweisen. Bei Patienten mit Beginn im mittleren und späten Erwachsenenalter konnte eine raschere Progredienz der Symptome beobachtet werden.
Viele Patienten mit ET haben eine positive Familienanamnese, v. a. diejenigen mit einem Beginn im jungen Alter, wobei die Prozentzahlen stark variieren vorwiegend aufgrund der unvollständigen Familienanamnese – Familienangehörige mit einem subjektiv nicht relevanten Tremor der Hände werden häufig nicht als krank angesehen.
Nicht-motorische Auffälligkeiten bei Patienten mit ET wurden beschrieben. Eine Übersichtsarbeit zu diesem Thema nannte kognitive Defizite (eher leichter Ausprägung), depressive Symptome bis Persönlichkeitsveränderungen (vom defensiven Typ) und Schlafstörungen, Hör- und Riechstörungen [8]. Das zeitliche Verhältnis zu den motorischen Symptomen, die biologische Basis sowie die Kausalität und die Signifikanz dieser Charakteristika sind aktuell noch nicht ausreichend verstanden.
Pathophysiologie und Histopathologie
Der ET ist ein zentraler Tremor als Folge einer oszillatorischen Überaktivität spezifischer Neuronen: aus Ergebnissen von Tierversuchen sowie strukturellen und funktionellen Bildgebungsverfahren wird beim ET eine olivozerebelläre Dysfunktion im Sinne einer Störung des zerebello-thalamo-kortikalen Netzwerkes vermutet [3]. Im Gegensatz zu früheren Arbeiten wird aktuell nicht mehr von einem einzigen Oszillator ausgegangen, sondern von mehreren Neuronengruppen, die möglicherweise alternierend oszillieren im Sinne eines dynamischen Netzwerkes [9]. Das GABA-erge System soll in der Ätiologie des ET involviert sein [10]. Die Pathophysiologie der kognitiven Symptome ist nur limitiert verstanden, aktuell werden Dysfunktionen im Bereich des präfrontalen und parietalen Kortex vermutet [9].
Histopathologisch sind die Daten uneinheitlich und ergeben kein zielführendes Bild, so wurden Verlust und eine axonale Veränderung der Purkinje-Zellen im Kleinhirn und ein Zellverlust im Locus coeruleus beschrieben. Diese Befunde können allerdings nicht nur Ursache, sondern auch Folge im Sinne einer sekundären Schädigung nach einer langjährigen neuronalen oszillatorischen Aktivität sein [4], [9].
Ätiologie
Die familiäre Häufung weist auf eine hereditäre, möglicherweise autosomal-dominante Genese hin. Trotz vieler Studien zu sporadischen und familiären Fällen inkl. mono- und dizygoten Zwillingen, die mehrere relevante chromosomale Loci beschrieben haben, ist bisher kein ET-spezifisches Gen identifiziert worden ([Tab. 3], nach [7], [11]).
Tierexperimentell wurden Beta-Carboline als pathologische Umweltfaktoren für ET vermutet; als andere mögliche neurotoxische Substanzen wurden Blei, Mangan, Nikotin und Pestizide genannt bei insgesamt limitierter Datenlage [12].
Tab. 3
Genetische Faktoren des essenziellen Tremors (nach [7], [11]).
Locus
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Chromosom
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Gen
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Produkt
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ETM1
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3q13
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DRD3
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DRD3 („dopamine D3 receptor“)
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ETM2
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2p24
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HS1-BP3
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HS1-BP3 („heat-shock1-bidning protein 3“)
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ETM3
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6p23
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16p11.2
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FUS
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RNA-binding protein FUS („fused in sarcoma“)
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15q24.3
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LINGO1
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LINGO1 („leucine-rich repeat and immunoglobulin-like domain containing protein 1“)
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11p13
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SLC1A2 (solute carrier family 1 member 2)
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EAAT2(„excitatory amino acid transporter 2“)
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6p21.1
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TREM21
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TREM2 („Triggering receptor expressed on myeloid cells 2“)[
1
]
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2p13.1
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HTRA21
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HTRA2 („HtrA serine peptidase 2“)[
1
]
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1 Limitierte Datenlage.
Diagnosekriterien
Die diagnostischen Kriterien für den ET umfassen das folgende klinische Bild [1]:
-
isolierter Aktionstremor der oberen Extremitäten,
-
Verlauf über mindestens 3 Jahre,
-
eventuell zusätzliche Lokalisation (Kopf, Stimme, untere Extremitäten), aber kein isolierter Tremor einer anderen für ET untypischen Lokalisation,
-
Fehlen eines anderen neurologischen Symptoms.
Aufgrund der zunehmenden Evidenz zusätzlicher neurologischer Symptome zum „klassischen“ ET-Syndrom wurde nach Ausschluss einer anderen neurologischen Erkrankung ein ET-Plus-Syndrom beschrieben. Die Kriterien für den ET-Plus sind:
-
gleiche Kriterien wie für ET und
-
eventuell zusätzlicher Ruhetremor;
-
zusätzliche neurologische Symptome unklarer Signifikanz wie Gangataxie, kognitive Defizite, milde dystone Komponente (weniger ausgeprägt als beim dystonen Tremor);
-
fehlende positive Diagnose eines anderen Tremorsyndroms oder einer anderen neurologischen Erkrankung [1].
Zusatzuntersuchungen
Die apparativen Untersuchungen haben eine limitierte positive diagnostische Aussagekraft und sind v. a. in der Differenzialdiagnostik von großer Bedeutung. Elektrophysiologisch können zwar mittels Spektralanalyse die akzelerometrischen und elektromyografischen Eigenschaften des Tremors gemessen werden, aufgrund der Variabilität mit einem breiten Frequenzintervall ist allerdings eine Überlappung mit anderen Tremorformen vom gleichen Spektrum wahrscheinlich. Bei atypischem Verlauf oder Untersuchungsbefund sollte eine zerebrale MRT-Bildgebung erfolgen. Manchmal ist in der Anfangsphase eine Differenzierung zum Parkinson-Tremor schwierig, hierzu kann eine DaT-SPECT / FP-CIT-SPECT-Untersuchung hilfreich sein.
Bei jungen Patienten muss eine laborchemische Untersuchung auf Morbus Wilson erfolgen, bei Hinweisen auf eine internistische Erkrankung wie z. B. Hyperthyreose müssen die entsprechenden Untersuchungen eingeleitet werden.
Differenzialdiagnose
Die therapeutisch relevantesten Differenzialdiagnosen für den ET sind der verstärkte physiologische Tremor, der zerebelläre Tremor, der Parkinson-assoziierte Tremor und der dystone Tremor.
Im Gegensatz zum verstärkten physiologischen Tremor ist die Dauer des ET in der Regel länger vor der ersten ärztlichen Konsultation, die Lokalisation beschränkt sich nicht auf die Hände, es bestehen eine Alkoholsensitivität sowie häufig eine positive Familienanamnese. Zudem sollte differenzialdiagnostisch auf Zeichen einer den physiologischen Tremor verstärkenden anderen Erkrankung untersucht werden.
Der Parkinson-assoziierte Tremor ist im Vergleich zum ET zu Beginn einseitig bzw. (später im Erkrankungsverlauf) asymmetrisch, schneller progredient, vom Ruhetyp und ist begleitet von zusätzlichen motorischen Symptomen wie Hypo-/Bradykinese und Rigor. Im frühen Stadium eines idiopathischen Parkinson-Syndroms (PD, Parkinson’s Disease) kann die Differenzialdiagnose dennoch eine Herausforderung darstellen, sodass in diesen (seltenen) Fällen eine DaT-SPECT-Untersuchung bereits einen pathologischen Befund bei PD darstellen kann – nie aber bei ET auch im späten Stadium. Für DaT-SPECT ist eine Sensitivität für die Differenzierung zwischen PD und ET von 93 % sowie eine Spezifität von 100 % berichtet [13].
Zwischen ET und PD wurden klinische Ähnlichkeiten beobachtet, u. a. die Überlappung klinischer Symptome mit im Vordergrund stehendem Tremor, auch da der Parkinson-assoziierte Tremor nicht immer vom Ruhetyp ist. Zudem wurden kognitive Einschränkungen bei beiden Entitäten, eine höhere Prävalenz eines PD bei ET-Patienten sowie höhere familiäre Koinzidenz von PD und ET, diskrete striatale Dopamin-Transporter-Veränderung in der funktionellen Bildgebung und Nachweis von Lewy-Körperchen bei beiden Entitäten beobachtet [14]. Ein Phänotyp ET-PD bei Patienten mit gleichzeitigem Vorliegen eines essenziellen Tremors und einer v. a. tremordominanten PD wurde beschrieben, obwohl es aktuell nicht bekannt ist, ob eine der zwei Entitäten ein Risikofaktor für die andere ist oder ob beide klinische Präsentationen der gleichen Histopathologie entsprechen [15]. Insgesamt konnte bisher keine konkrete Assoziation zwischen PD und ET bestätigt werden.
Wenn der Tremor den Kopf primär oder von Beginn an betrifft, ist differenzialdiagnostisch an einen dystonen Tremor zu denken. (s. dort)
Obwohl auch beim ET diskrete zerebelläre Symptome beobachten wurden, stehen diese bei der Differenzialdiagnose eines zerebellären Syndroms mit Intentionstremor deutlich im Vordergrund. Zudem werden der Intentionstremor und die restlichen zerebellären Symptome bei einem zerebellären Syndrom durch Alkohol stärker im Gegensatz zu ET.
Therapie
Nicht alle Patienten, die sich mit einem ET beim Arzt vorstellen, benötigen oder wünschen eine Therapie. Die Therapieziele und -erwartungen sowohl des Patienten als auch des Arztes müssen klar definiert und verfolgt werden.
Die Entscheidung für eine Therapie muss nach der Diagnosestellung mit dem Patienten in Anbetracht der subjektiven und objektiven, körperlichen und sozialen Beeinträchtigung der Lebensqualität ausführlich besprochen werden. Manche Patienten sind erleichtert, dass eine schwere neurologische Erkrankung ausgeschlossen wurde. Häufig wird eine Therapie erst im späten Stadium der Erkrankung bei schwerer Ausprägung gewünscht und / oder notwendig.
Bei therapiebedürftigen Patienten kommen medikamentöse und operative Verfahren in Frage.
Medikamentöse Therapie:
Die medikamentöse Therapie der 1. Wahl beinhaltet die „klassischen“ Präparate Propranolol und Primidon, für die die Effizienz bewiesen wurde [16]. Bei jüngeren Patienten ist in erster Linie mit Betablockern zu beginnen, da die Nebenwirkungen oft geringer sind und die Dosis bis zu wirksamen Dosen erhöht werden kann – allerdings muss auch bei Propranolol das NW-Spektrum wie z. B. Impotentia coeundi beachtet werden, und es sollten kardiologische Basisdaten bekannt sein [16]. Wenn Propranolol nicht vertragen wird oder kontraindiziert ist, kann eventuell ein selektiver Betablocker, z. B. Metoprolol eingesetzt werden, da manche Patienten eine Besserung des Tremors bei geringeren Nebenwirkungen bemerken [16]. Bei älteren Patienten ist primär mit Primidon zu beginnen, da die Betablocker aufgrund von Bradykardien bei vergleichsweise niedrigeren Dosen schlechter toleriert werden, auch wenn bei diesen Patienten v. a. bei zusätzlicher Demenz die Nebenwirkungen im Sinne von Sedierung, Müdigkeit, Fatigue etwas stärker sein können [17].
Empfohlen wird, diese Präparate abhängig von Nebenwirkungen einzeln und dann kombiniert einzusetzen, mit niedrigen Anfangsdosen und langsamer Aufdosierung.
Bei relevanten Nebenwirkungen oder fehlender Wirkung kommen als Alternative Medikamente der 2. Wahl wie Topiramat (Off-Label Use) und Gabapentin (Off-Label Use) sowie Reservemedikamente wie Zonisamid (Off-Label Use), Clonazepam (Off-Label Use) und Clozapin (Off-Label Use) in Frage.
Eine Metaanalyse für Topiramat zeigte eine signifikante Besserung der Behinderung durch den Tremor bei Nebenwirkungen wie Parästhesien, Gewichtsreduktion und Gedächtnisstörung [18]. Im Falle von Zonisamid wurde kein sicherer Effekt auf den Tremor registriert bei Nebenwirkungen im Sinne von Kopfschmerzen, Übelkeit, Fatigue, Müdigkeit und Diarrhöe, die bei Kontrollen nicht beobachtet wurden [19].
Weitere Medikamente wurden für die Indikation ET untersucht. So wurde in einer Cochrane-Analyse für Alprazolam eine Effizienz im Vergleich zu Placebo gesehen, allerdings wurden Nebenwirkungen mit Sedierung bei 75 % der behandelten Patienten registriert [20]. Eine Analyse für Pregabalin ergab keine signifikante Reduktion des Tremors [21]. Diese Reviews beinhalteten Studien mit kleinen Patientengruppen, kurzen Followup-Intervallen und / oder hohen Bias-Risiken, sodass die Evidenz stark limitiert ist.
Botulinumtoxin-Injektion:
Bei unzureichender Behandlung mit oralen Präparaten kann in ausgewählten Fällen die Option einer Therapie mit Botulinumtoxin-Injektion erwogen werden [17]. Diese kann für den Kopftremor angewendet werden, wobei die Response meist geringer ist im Vergleich zur Dystonie. Die Botulinumtoxin-Behandlung des Stimmtremors ist aufgrund der geringeren Erfolgsrate und der Nebenwirkungen limitiert, ebenso die Behandlung des Tremors der Hände aufgrund potenziell induzierter Schwäche der Hände.
Auch wenn beim essenziellen Tremor eine Alkoholsensibilität besteht, darf ein verstärkter Alkoholkonsum nicht im therapeutischen Ansatz ausgenutzt werden.
Neuromodulation:
Bei medikamentös nicht beeinflussbaren und schweren ET-Fällen sind die interventionellen Neuromodulationsverfahren eine effiziente Therapieoption. Die Indikation ist nach ausführlicher Risiko-Nutzen-Abwägung in Abhängigkeit von der objektiven und subjektiven Beeinträchtigung der Lebensqualität des Patienten sowie der Begleiterkrankungen zu stellen.
Im Vordergrund steht die operative hochfrequente Tiefe Hirnstimulation (DBS, „deep brain stimulation“) des VIM (Nucleus ventralis intermedius) des Thalamus, in aller Regel bilateral. Im Verlauf wird eine langsame Verschlechterung der Tremorsymptomatik trotz DBS dokumentiert, die eher dem natürlichen Verlauf des ET entspricht als einer Toleranz auf die DBS.
Im Vergleich zur medikamentösen Therapie setzt die DBS einen höheren Aufwand sowie ein Therapieteam mit spezifischer Expertise für die Programmierung voraus. Neben operativ-bedingten Komplikationen (intraparenchymale Blutungen und Infektionen in den ersten postoperativen Monaten) sind die häufigsten stimulationsbedingten (und somit reversiblen) Nebenwirkungen Parästhesien, Dysarthrie, Ataxie, Schwindel [17], [22], [23].
Der MRT-gestützte fokussierte Ultraschall (MRgFUS) im Thalamus ist ein ablatives Verfahren, das aktuell vielversprechend erscheint. Dabei wird eine durch MRTNavigation gezielte Applikation von Ultraschall auf den geplanten Zielort im Thalamus durchgeführt und somit eine Thermokoagulation (65-85 °C) des Zielgewebes erreicht. Es wurde bereits ein signifikanter positiver Effekt auf den Tremor der Hände registriert. Der Effekt ist irreversibel, kann aber im Verlauf beim Fortschreiten der Krankheit durch Wiederholung des Eingriffs adjustiert werden.
Wie bei der DBS kann die Ziellokalisation beim wachen Patienten während der Intervention bestimmt werden [24]. Die Nebenwirkungen (z. B. Parästhesien / Gefühlsstörungen, Gangstörung, Dysarthrie, Dysmetrie, kontralaterale Hemiparese) sind der DBS ähnlich, aber wie die Effekte irreversibel, wobei in der bisherigen Erfahrung keine vergleichbaren schweren perioperativen Komplikationen auftraten [24], [25].
Verstärkter physiologischer Tremor und medikamenten-/drogeninduzierter Tremor
Ein physiologischer Tremor der Hände besteht bei allen Personen und ist in den meisten Fällen visuell nicht bemerkbar. Er ist primär peripherer Genese im Sinne einer Oszillation der Muskeln abhängig von ihren mechanischen Eigenschaften, wobei ein Teil der Fälle eine zentrale Komponente aufweist [26]. Die Frequenz liegt bei ca. 7-12 Hz.
Der verstärkte physiologische Tremor hat die gleichen Charakteristika wie der physiologische Tremor, aber eine höhere Amplitude. Er ist normalerweise ein Haltetremor, wobei auch eine Intentions- und seltener eine Ruhekomponente gefunden wurden. Im Vergleich zu ET wird häufig eine niedrigere Amplitude und eine höhere Frequenz beobachtet, wobei eine Überlappung dieser Parameter besteht. Er betrifft normalerweise die Hände, seltener die Stimme, aber nicht den Kopf. Weitere neurologische Symptome werden nicht beobachtet.
Eine Verstärkung des physiologischen Tremors kommt bei Aufregung sowie bei bestimmten Medikamenten und internistischen Erkrankungen vor, die diagnostisch abgeklärt werden sollen. Viele Medikamente können einen bilateralen Aktionstremor der Hände induzieren, der wahrscheinlich einer Unterform des verstärkten physiologischen Tremors entspricht, seltener findet sich auch ein Ruhetremor der Hände. Mögliche Ursachen sind in [Tab. 4] zusammengefasst.
Tab. 4
Mögliche Ursachen des verstärkten physiologischen Tremors
Kategorie
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Beispiele
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internistische Pathologien
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Elektrolytstörungen:
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Hyponatriämie
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Hypokalzämie
-
Hypomagnesiämie
Metabolische Störungen:
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Medikamente [27]
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Antiarrhythmika (Amiodaron, Procainamid)
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Kalziumantagonisten (Nifedipin)
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Sympathikomimetika (Salbutamol)
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Methylxanthine (Coffein, Theophyllin)
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Antiinfektiva (Vidarabin)
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Chemotherapeutika (Tamoxifen, Cytarabin)
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Immunsuppressiva (Tacrolimus, Ciclosporin)
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Antiepileptika (Valproat)
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Neuroleptika (Haloperidol, Melperon)
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Antidepressiva (Trizyklika, SSRIs, Lithium)
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Metoclopramid, Cimetidin
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Hormone (Thyreoxin, Calcitonin)
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Drogen
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toxische Substanzen
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Emotionaler Stress, Schlafentzug, Erschöpfung
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exzessiver Alkohol- und Nikotinabusus
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Drogen-/Alkoholentzug
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60-jährige Patientin wurde aufgrund eines seit ca. 2 Jahren bestehenden Tremors der Hände mit Verdacht auf idiopathisches Parkinson-Syndrom vorgestellt. Klinisch zeigt sich ein vorwiegend Haltetremor mit Ruhe- und Intentionskomponente ohne sonstige motorische Auffälligkeiten bei einer leichtgradigen Polyneuropathie der Beine. Anamnestisch lässt sich eruieren, dass bei einer langjährigen rezidivierenden depressiven Störung vor etwa 2 Jahre die vorbestehende Medikation mit Clomipramin um Lithium ergänzt wurde. Laborchemisch ergaben sich keine anderen Ursachen für den Tremor.
Es ist primär von einem Lithium-induzierten Tremor auszugehen. Eine Umstellung wurde empfohlen.
Hinweise sind
-
der zeitliche Zusammenhang mit Beginn der Medikation,
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ein positives Dosis-Effekt-Verhältnis,
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eine Reduktion des Tremors nach Absetzen der Medikation sowie
-
die fehlende Progression [27].
Die Pathophysiologie ist nicht klar. Eine zentrale Wirkung wird vermutet, allerdings konnte die Lokalisation des zentralen Oszillators bisher nicht identifiziert werden [28].
Therapie
Nach der Ursachenfindung kann die spezifische Behandlung eingeleitet werden bzw. es können die auslösenden Medikamente, Drogen oder toxischen Substanzen abgesetzt werden. Eine Reversibilität des Tremors ist möglich. Bei persistierendem Tremor können je nach ursächlichem Medikament z. B. Clonazepam, Propranolol, Primidon, Tetrabenazin, Trihexyphenidyl (bei postneuroleptischem Tremor) eingesetzt werden.
Wenn der Tremor nur bei Aufregung auftritt, können Benzodiazepine oder Betablocker bedarfsweise angesetzt werden, wobei in manchen Fällen die Aufklärung des Patienten für eine Anpassung des Verhaltens und somit Verbesserung des Tremors ausreicht.
Orthostatischer Tremor
Definition und Epidemiologie
Der orthostatische Tremor (OT) ist ein seltener hochfrequenter Aktionstremor der unteren Extremitäten, der nach dem 40. Lebensjahr und nur im Stehen, nicht jedoch beim Laufen, im Liegen oder Sitzen auftritt [29]. Die meisten Fälle sind sporadisch, Frauen sind etwas häufiger betroffen [30].
Klinische Beschreibung
Die Patienten schildern häufig keinen Tremor, sondern eine „Unsicherheit“ im Stehen, die beim Herumlaufen, Hinsetzen oder Hinlegen sistiert. Nahezu ein Viertel der betroffenen Patienten berichten über Stürze [30]. Die hohe subjektive Beeinträchtigung korreliert nicht mit dem objektiven Untersuchungsbefund, der inspektorisch häufig gar keine Auffälligkeiten zeigt, da der Tremor eine hohe Frequenz und niedrige Amplitude aufweist [29]. Die Palpation und sogar Auskultation („distant helicopter“) der Oberschenkelmuskulatur kann die Oszillation der Muskeln feststellen [29]. Der Verlauf ist langsam progredient. Bei älteren Patienten kann eine begleitende Gangunsicherheit auftreten. Im Gegensatz zu ET wird keine Besserung unter Alkohol berichtet.
Ätiologie und Pathophysiologie
Ursächlich werden ein zentraler Oszillator im Hirnstamm vermutet sowie möglicherweise aufgrund einer seltenen Assoziation mit Parkinsonismus ein dopaminerges Defizit. Eine Verbindung zu dem ET wurde ohne Nachweis einer Assoziation untersucht bei unterschiedlichen klinischen und apparativen Eigenschaften sowie wirksamen Therapieoptionen [30].
Zusatzdiagnostik
Die Anamnese ist hinweisend für einen OT, die klinische Untersuchung nur selten. Die Diagnose kann aber mittels Oberflächen-EMG bestätigt werden, die eine pathognomonische hohe Frequenz von 13-18 Hz zeigt. Nur bei Diagnoseunsicherheit oder Begleitsymptomen ist eine erweiterte Diagnostik (z. B. zerebrale oder spinale Bildgebung, Labordiagnostik) indiziert [29].
Therapie
Die Therapie des OT ist sehr schwierig, und die Erfolgsraten sind niedrig. Aufgrund der Seltenheit der Erkrankung sind wenige Daten bezüglich Ätiopathologie und Therapie vorhanden. Als Medikament der 1.Wahl kann Gabapentin eingesetzt werden, alternativ Clonazepam, Primidon oder Levodopa. Effizienzdaten von weiteren Therapieoptionen wie Betablocker oder Antikonvulsiva sowie Tiefenhirnstimulation sind limitiert [30].
80-jähriger Patient wird vorgestellt aufgrund einer seit 15 Jahren bestehenden progredienten Stand- und Gangunsicherheit. Bereits vorher wurde der Patient aufgrund lumbaler Bandscheibenvorfälle operativ versorgt, ohne Zunahme der Reiz- oder Schmerzsymptomatik. Der Patient berichtet, dass die Unsicherheit initial nur im Stehen aufgetreten war mit einem subjektiven unangenehmen Gefühl eines Zitterns der Beine, das beim Laufen nicht vorhanden war. Er sei nicht gestürzt.
Vor ca. 4 Jahren habe er eine deutliche Zunahme der Gangunsicherheit bemerkt und sich ärztlich vorgestellt, wobei eine leichte Polyneuropathie der Beine festgestellt wurde. Es wurde keine Sensibilitätsstörung angegeben. Klinisch zeigte sich eine Stand- und Gangataxie mit einer fortgeschrittenen Polyneuropathie der Beine distal betont.
Anamnestisch und klinisch kann von einem orthostatischen Tremor der Beine ausgegangen werden, mit einer seit 4 Jahren bestehenden raschen Verschlechterung aufgrund einer zusätzlichen fortschreitenden Polyneuropathie.
Aufgaben- und positionsspezifischer Tremor
Dieser Aktionstremor entsteht bei Durchführung einer spezifischen Tätigkeit, obwohl selten auch ein Vorkommen in meist deutlich geringerer Ausprägung bei anderen ähnlichen Tätigkeiten beobachtet werden kann.
Die häufigste Form ist der Schreibtremor. Er kann während der spezifischen Bewegung auftreten, aber auch bereits beim Einnehmen der für die Bewegung notwendigen Haltung.
Die Anamnese und die neurologische Untersuchung sind normalerweise ausreichend für die Diagnosestellung. Selten ist eine EMG-Untersuchung oder eine zerebrale Bildgebung zur Ausschlussdiagnostik notwendig [31].
Pathophysiologisch wurden kortikale Mechanismen diskutiert, die Kenntnisse diesbezüglich sind sehr eingeschränkt [31].
Aufgrund eines ähnlichen Frequenzintervalls (4-9 Hz), der vereinzelt positiven Familienanamnese und der Responsivität auf Alkohol wurde diese Art Tremor mit dem essenziellen Tremor assoziiert, allerdings konnte eine Zugehörigkeit des Schreibtremors zum ET-Spektrum nicht bestätigt werden. Elektromyografisch wurde eine Koaktivierung antagonistischer Muskeln mit einer milden dystonen Komponente festgestellt. Auch wenn diese dystone Komponente im Vergleich zum Tremor stark unterrepräsentiert ist – im Gegensatz zur Schreibdystonie, bei der die dystone Komponente im Vordergrund steht –, wird eine Assoziation zwischen diesen zwei Entitäten diskutiert [31], [32].
Therapie
Die pharmakologische Therapie beinhaltet Propranolol, Primidon oder Anticholinergika. Eine positive Wirkung haben vielmehr Trainingsmaßnahmen und spezielle Hilfsmittel gezeigt. Injektionen mit Botulinumtoxin sind in vielen Fällen hilfreich. Dabei werden klinisch und elektromyografisch die Zielmuskeln ausgewählt; die Injektion erfolgt unter EMG-Kontrolle. In einer kleinen Serie konnte eine signifikante Besserung des Schreibtremors nach Injektion mit Botulinumtoxin A bestätigt werden [33]. Die Tiefe Hirnstimulation bleibt für einzelne therapierefraktäre Fälle vorbehalten.
Zerebellärer Tremor
Dieser Tremor ist zumeist ein Intentionstremor, manchmal mit einer Halte- oder sogar Ruhekomponente, und ist ein Teil des zerebellären Syndroms. Er betrifft vor allem die Hände, hat eine Frequenz von ca. 2-5 Hz und kann manche Patienten erheblich beeinträchtigen.
Pathophysiologisch wird kein zentraler Oszillator, sondern eine Dysregulation der Vorwärts- und Rückkopplungsmechanismen im Kleinhirn angenommen. In der Folge kommt es zu überschießenden Bewegungen und Gegenbewegungen, die zu spät korrigiert werden und somit eine rhythmische Aktivität verursachen [3]. Ätiologisch finden sich vaskuläre, traumatische oder entzündliche (Multiple Sklerose) Läsionen, akut- und chronisch-toxische Effekte von Alkohol und neurodegenerative Erkrankungen wie die hereditären Ataxien (z. B. manche spinozerebelläre Atrophien) [34].
Die Zusatzdiagnostik im Sinne einer Bildgebung des Neurokraniums zur Beurteilung des Kleinhirns sowie die akzelerometrische Analyse zur Unterscheidung zwischen Ataxie und Tremor soll die Diagnose stärken.
Therapie
Die Therapieversuche mit Medikamenten (Propranolol, Clonazepam, Carbamazepin, Topiramat) oder Gewichtsauflagen auf die betroffenen Extremitäten sind häufig erfolglos bzw. führen zu einer raschen Anpassung. Die Tiefe Hirnstimulation des VIM ist in ausgewählten Fällen indiziert, in denen der Tremor objektiv die Hauptkomponente des zerebellären Syndroms ist, da nur dieser darauf anspricht bei einer möglichen Verschlechterung der Ataxie. Die Erfolgsrate und -dauer sind allerdings stark begrenzt [35].
Dystoner Tremor, Dystonie-assoziierter Tremor
Der dystone Tremor tritt in der gleichen Körperregion wie eine dystone Bewegungsstörung auf. Der Dystonie-assoziierte Tremor ist der Tremor, der in einem anderen Körperteil als die Dystonie auftritt. Beide können alle Alterskategorien betreffen.
Einige Studien schätzten die Prävalenz bei Erwachsenen mit Dystonie bei ca. 20 % ein [36]. Er ist meist ein Halte- und kinetischer Tremor, wobei selten eine Ruhekomponente beobachtet werden kann. Die Frequenz beträgt normalerweise 4-7 Hz. Der dystone Tremor ist nicht immer „klassisch“ rhythmisch und oszillatorisch und kann durch ein „geste antagonistique“ unterdrückt werden (z. B. Halten der Hand am Kinn beim dystonen Nackentremor). Eine EMG während der Durchführung der „geste antagonistique“ bestätigt die Sistierung des Tremors [37].
Häufig ist eine Differenzierung zum essenziellen Tremor notwendig. Dabei helfen die o. g. Eigenschaften und die Diskrepanz zwischen einen ausgeprägten Tremor und einer nur geringen dystonen Komponente beim ET. Zudem wird am Beispiel des dystonen Nackentremors beobachtet, dass der essenzielle Kopftremor in liegender (Ruhe-)Position des Kopfes deutlich besser wird, im Gegensatz zum dystonen Nackentremor in der gleichen Position. Weitere Zeichen wie abnorme Kopfhaltung und Hypertrophie der entsprechenden Muskeln sprechen für einen dystonen Tremor.
Bei milder dystoner und Tremorkomponente kann der dystone Tremor mit einem Parkinson-Syndrom verwechselt werden. Hier kann eine DaT-SPECT-Untersuchung hilfreich sein, die im Falle des dystonen Tremors keine pathologischen Befunde erbringt.
Therapie
Pathophysiologisch wird ein gleicher Ursprung in den Stammganglien wie der für die Dystonie vermutet [36]. Daher ist die Therapie ähnlich wie bei der Dystonie.
Anticholinergika wie Trihexyphenidyl benötigen eine langsame Aufdosierung aufgrund häufiger Nebenwirkungen, haben aber eine gute Wirkung auf die Dystonie und auf den Tremor. Ebenso kann der GABA-Agonist Baclofen eingesetzt werden. Weitere Präparate wie Benzodiazepine (z. B. Clonazepam), Betablocker, Primidon können wirksam sein. Bei einem Tremor assoziiert mit Levodopa-responsiver Dystonie ist Levodopa häufig ebenfalls hilfreich gegen den Tremor. Auch die Therapie mit Botulinumtoxin kann in der Behandlung des dystonen Tremors eingesetzt werden. Aufgrund der induzierten Muskelschwäche wird sie vielmehr beim dystonen Nackentremor als beim Händetremor eingesetzt.
Bei schweren Fällen ist eine Tiefe Hirnstimulation wie bei der Dystonie im Globus pallidus internus möglich. Bei schwerem Tremor im Vergleich zur Dystonie kann eine zusätzliche Stimulation des VIM erwogen werden, muss aber aufgrund der möglichen Verschlechterung der Dystonie mit Vorsicht erwogen werden.
Eine 23-jährige Patientin stellt sich vor aufgrund eines Zitterns des linken Armes. Initial habe sie dies mit der psychischen Belastung bei der Arbeit assoziiert, bei der sie beide Hände benutzt, sodass sie die Arbeitsstelle wechselte. Zwischen den Arbeitsstellen merkte sie eine leichte Besserung. Der Tremor verschlechterte sich wieder kurz nach Beginn der neuen Arbeit. Initial wurde vom Hausarzt eine psychogene Genese vermutet.
Ein MRT des Schädels war unauffällig. Klinisch zeigten sich ein Hochstand der linken Schulter mit einer Tonuserhöhung sowie ein Haltetremor des linken Armes, wobei eine minimale Tremorkomponente auch im Bereich des rechten Armes zu sehen war. Es bestanden keine weiteren neurologischen Defizite. Die Familienanamnese war negativ.
Hier ist von einem dystonen Tremor auszugehen.
Tremor beim idiopathischen Parkinson-Syndrom
Der Tremor ist eines der motorischen Hauptsymptome des idiopathischen Parkinson-Syndroms (IPS), tritt aber nur bei etwa der Hälfte der IPS-Betroffenen auf. Die Epidemiologie entspricht der des IPS.
Der Parkinson-Tremor korreliert schlechter als die anderen Symptome mit dem nigrostriatalen dopaminergen Defizit in der funktionellen Bildgebung und kann nur eingeschränkt mit dem Modell der direkten und indirekten motorischen Basalganglienschleife erklärt werden. Pathophysiologisch sprechen die bisherigen Studienergebnisse neben einem dopaminergen Defizit der Substantia nigra pars compacta für eine Dysregulation des bei ET auch beschriebenen oszillatorischen Netzwerkes Kleinhirn-Basalganglien-Thalamus-Kortex. Unterschiedliche Modelle wurden vorgeschlagen, die aber die Tremorcharakteristika nur eingeschränkt erklären (s. Infobox). Die Rolle des Kleinhirns beim IPS ist weniger klar verstanden [38].
Pathophysiologische Modelle des Parkinson-Tremors
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Modell 1 – der Thalamus als Schrittmacher
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Modell 2 – der Thalamus als Filter der in den Basalganglien generierten Oszillationen
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Modell 3 – der Komplex STN-GPe als Schrittmacher
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Modell 4 – der Verlust der „Segregation“ der im Normalfall nicht korrelierenden Aktivität der pallidalen Neuronen
(nach [38])
Es werden 3 Tremortypen unterschieden [2], [38] ([Tab. 5]).
Klinisch ist der klassische Parkinson-Tremor in Ruhe zu untersuchen, also entweder mit den Händen auf dem Schoß hängend oder auch im Liegen mit den Händen abgelegt oder beim Laufen mit den Armen entspannt an der Seite des Körpers hängend. Im Falle des Parkinson-Tremors sind die anderen motorischen Symptome eines IPS im Sinne der UK Brain Bank-Kriterien vorhanden und müssen in die klinische Differenzialdiagnose eingebunden werden. Am häufigsten ist eine Abgrenzung zum essenziellen Tremor notwendig (s. dort).
Therapie
Die Therapie mit Levodopa und Dopaminagonisten bei IPS wirkt auch auf den Tremor und wird bei tremordominanten Formen eingesetzt [39]. Gegebenenfalls kann in Risiko-Nutzen-Abwägung eine Therapie mit Clozapin (cave Agranulozytose) oder Anticholinergika (cave Verschlechterung kognitiver Defizite und andere anticholinerge Symptome!) initiiert werden. In manchen Fällen, bei ausgeprägtem und hochfrequentem Haltetremor im Sinne des PD-assoziierten Tremors vom Typ II und III, seltener als Zusatzkomponente des Typ-I-Tremors, können wie beim ET Propranolol und Primidon als Monotherapie bzw. als Add-on-Therapie wirksam sein.
Bei schweren therapierefraktären Fällen sind die operativen Verfahren eine gute Option. Die Tiefe Hirnstimulation beim IPS wird bevorzugt im Nucleus subthalamicus (STN, „subthalamic nucleus“), da diese Lokalisation die besten Ergebnisse auf alle Hauptsymptome einschließlich Tremor zeigt [23].
Tab. 5
Typen des Tremors beim idiopathischen Parkinson-Syndrom.
Einteilung
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Kennzeichen
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Typ I klassischer Parkinsonassoziierter Tremor
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Ruhetremor (selten zusätzlich Aktionstremor)
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4-6 Hz
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Beginn einseitig
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„Pillen-rollender“ Charakter
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Verstärkung bei konzentrationsbedürftigen kognitiven Tätigkeiten (z. B. Rechnen)
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sistiert zunächst beim Vorhalten der Hände, tritt nach kurzer Zeit wieder auf („re-emergent“)
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Typ II
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Typ III
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Holmes-Tremor
Der Holmes-Tremor ist eine sehr seltene Tremorform, die gleichzeitig eine Ruhe-, Intentions- und Haltekomponente aufweist sowie eine niedrige und häufig irreguläre Frequenz (2-4,5 Hz). Er tritt mit einer zeitlichen Latenz (bis Jahre) nach einer Läsion im Hirnstamm, Mittelhirn oder Thalamus auf, wenn die zerebellothalamischen und die nigrostriatalen Bahnen betroffen sind, und entspricht funktionell einer Funktionsstörung im Mollaret-Dreieck (unterer Olivenkern, Nucleus ruber, Nucleus dentatus) [2], [40].
Der Holmes-Tremor ist vorwiegend unilateral, kann aber je nach Läsion auch bilateral sein. Häufig besteht aufgrund einer hohen Amplitude und der Betroffenheit proximaler Segmente eine relevante körperliche Beeinträchtigung. Da es sich um einen symptomatischen Tremor handelt, mit Ursprung im Hirnstamm oder Thalamus, sind normalerweise zusätzliche neurologische Symptome vorhanden (wie Hemiparese, Sensibilitätsstörung, Ataxie, Dystonie) [41]. Die Differenzierung zum zerebellären Tremor erfolgt aufgrund der beim Holmes-Tremor bestehenden Ruhekomponente und noch niedrigeren Frequenz.
Für die Bestätigung der Diagnose und Differenzialdiagnostik ist eine zerebrale Bildgebung des Schädels zum Nachweis einer ursächlichen Läsion notwendig. Am häufigsten sind vaskuläre und traumatische Läsionen ursächlich, allerdings können demyelinisierende, neoplastische, infektiöse und metabolisch bedingte Läsionen den Holmes-Tremor auslösen. Begleitender Befund in der MRT-Bildgebung ist häufig das Bild einer hypertrophen olivären Degeneration der unteren Olive. Das Alter bei Beginn variiert je nach Ätiologie [41].
Therapie
Therapeutisch wurden Effekte von Dopaminagonisten, Levodopa, Anticholinergika, Clozapin und Benzodiazepinen (Clonazepam) dokumentiert. Andere Medikamente wie Levetiracetam und Injektionen mit Botulinumtoxin zeigten nur in Einzelfällen zufriedenstellende Ergebnisse. Einige Fälle mit erfolgreicher Thalamotomie oder Stimulation des VIM oder anderer Strukturen der Basalganglien (STN, GPi) wurden veröffentlicht [41].
Der thalamische Tremor ist auch ein läsioneller Tremor mit Ursprung im Thalamus, optional mit sensorischem Defizit und dystonem Bewegungsmuster, der als Teil des Holmes-Tremors oder möglicherweise eigenständige Entität diskutiert wird.
Neuropathie-assoziierter Tremor
Manche Neuropathien sind von einem kinetischen oder posturalen Tremor, dem Neuropathie-assoziierten Tremor, begleitet. Hinweise sind der Beginn des Tremors in zeitlichem Zusammenhang mit der Neuropathie und die klinischen Symptome der Neuropathie. Der Tremor tritt in dem von der Neuropathie betroffenen Körperteil auf und hat eine Frequenz von 4-11 Hz. Die häufigsten ursächlichen Neuropathien sind die inflammatorischen Neuropathien wie bei IgM-Paraproteinämie, Guillan-Barré-Syndrom und CIDP (chronische inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie), aber auch die hereditären demyelinisierenden Neuropathien bei Kindern. Somit richtet sich die Diagnostik an die Ursachenfindung der Neuropathie, die neurophysiologische Messungen, laborchemische und eventuell bildgebende Verfahren beinhaltet.
Diese Art Tremor kann in allen Alterskategorien vorkommen, daher ist die Prävalenz sehr variabel. Allerdings entwickelt nur ein Teil der Patienten einen Tremor, und die Korrelation zwischen den Eigenschaften der Neuropathie und des Tremors ist noch nicht vollständig geklärt. Trotz Assoziation mit der Neuropathie kommen nicht nur periphere, sondern auch zentrale pathophysiologische Mechanismen in der Entstehung des Tremors in Betracht, z. B. eine gestörte Rückkopplung der peripheren Strukturen an einem zentralen Oszillator wie dem Kleinhirn [3], [42].
Therapie
Therapeutisch ist in erster Linie die Behandlung der Ursache der zugrunde liegenden Neuropathie soweit möglich anzustreben, auch wenn Berichte von inflammatorischen Neuropathien eher niedrige Erfolgsraten belegen. Symptomatisch kann eine Therapie mit Pregabalin oder Propranolol, Primidon, Clonazepam eingesetzt werden. Seltener ist eine Injektion mit Botulinumtoxin oder Tiefenhirnstimulation indiziert oder wirksam.
Gaumensegeltremor
Der Gaumensegeltremor entspricht einer rhythmischen, eher unilateralen Oszillation des Gaumensegels mit einer niedrigen Frequenz von 1-5 Hz. Es bestehen zwei Formen des Gaumensegeltremors.
Häufiger ist die symptomatische Form, die nach Läsionen des Hirnstamms oder des Zerebellums, sehr selten im Rahmen einer Neurodegeneration (Neuroferritinopathie, „syndrome of progressive ataxia and palatal tremor“) [1] auftritt. Sie geht mit einer Pseudohypertrophie (im Verlauf einer Atrophie) der unteren Olive einher, die wahrscheinlich infolge einer neuronalen Disinhibition zustande kommt, wie sie auch beim Holmes-Tremor beobachtet wird. Somit wird ein zentraler Oszillator in der Olive postuliert. In diesem Fall ist der M. levator veli palatini betroffen, aber es finden sich manchmal ein Haltetremor der Extremitäten oder ein Pendelnystagmus mit Oszillopsien.
Aufgrund der Ätiologie stehen häufig die zusätzlichen neurologischen Symptome, bedingt durch die Läsion des Hirnstamms oder des Kleinhirns, im Vordergrund [4], [43]. Die klinische Diagnose kann durch pathologische bildmorphologische Befunde v. a. des Hirnstamms unterstützt werden.
Seltener findet sich ein essenzieller (idiopathischer) Gaumensegeltremor, der nur den M. tensor veli palatini betrifft. Klinisch bemerken der Patient und der Untersucher ein ipsilaterales, synchrones, rhythmisches, klickendes Ohrgeräusch [43].
Therapie
Der Gaumensegeltremor selbst bereitet kaum Beschwerden, eher sind die Begleitsymptome behandlungsbedürftig.
Für den symptomatischen Gaumensegeltremor kann gegen die Oszillopsie und den Extremitätentremor Clonazepam oder Trihexyphenidyl eingesetzt werden. Manchmal ist eine retrobulbäre Injektion mit Botulinumtoxin sinnvoll. Beim essenziellen Gaumensegeltremor ist die EMG-gestützte Botulinumtoxin-Injektion zwar wirksam, aber mit möglichen relevanten Nebenwirkungen verbunden, sodass in diesem Fall auch medikamentös mit Trihexyphenidyl, Phenytoin, Carbamazepin behandelt werden kann.
Funktioneller Tremor
Der funktionelle Tremor ist die häufigste psychogene Bewegungsstörung. Er kann viele Tremorformen imitieren und ist am häufigsten ein Aktionstremor im Sinne eines Halte- oder Intentionstremors, kann aber auch eine Ruhekomponente haben oder verschiedene Tremorarten kombinieren.
Der Beginn ist anamnestisch abrupt, die Amplitude und die Frequenz können zeitlich variieren, eine Synchronizität des Tremors bei Befall mehrerer Körperregionen ist typisch. Manche Patienten berichten einen inkonsequenten, fluktuierenden Tremor. Klinisch besteht eine Kokontraktion antagonistischer Muskeln. Weitere Charakteristika dieser Art Tremor, die die klinische Abgrenzung zu organischen Tremores ermöglichen, sind in der Übersicht beschrieben [44].
Klinische Charakteristika des funktionellen Tremors
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Ablenkbarkeit:Tremorreduktion oder -sistieren während der Durchführung einer mentalen oder motorischen Aufgabe, die einen hohen Grad an Aufmerksamkeit und Konzentration verlangt
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Entrainment:Tremorreduktion oder -sistieren in der hauptsächlich betroffenen Hand, wenn mit der weniger betroffenen Hand ein anderer Rhythmus als mit der hauptsächlich betroffenen Hand geklopft wird
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Suggestibilität:Änderung der Tremoramplitude oder -frequenz in Abhängigkeit von der Situation
(nach [44])
Eine Diagnostik inkl. zerebraler / spinaler Bildgebung und Labordiagnostik sind notwendig, um andere Tremorarten auszuschließen. Apparative Untersuchungen zur Stellung einer positiven Diagnose sind limitiert untersucht. Elektrophysiologisch kann die Frequenz gemessen werden, allerdings ist diese aufgrund des breiten Frequenzintervalls selten hilfreich. Vielmehr kann die Änderung der Frequenz und Amplitude unter Gewichtsbelastung mit einer beschriebenen paradoxen Zunahme der Amplitude die Diagnose eines funktionellen Tremors wahrscheinlicher machen [45].
Therapie
Therapeutisch stehen die Psychotherapie und evtl. medikamentöse Therapie psychiatrischer Komorbiditäten kombiniert mit Physiotherapie aktuell zur Verfügung.
Tremor beim fragilen X-assoziierten Tremor / Ataxie-Syndrom (FXTAS)
FXTAS ist ein neurodegeneratives Syndrom charakterisiert durch die Leitsymptome Tremor und zerebelläre Ataxie. FXTAS entsteht aufgrund einer Prämutation oder einer vollständigen Mutation im FMR1-Gen (fragile X mental retardation 1), wobei die Penetration inkomplett ist [46]. Die klinische Symptomatik beginnt im späten Erwachsenenalter und betrifft aufgrund des Erbmodus vorwiegend Männer. Der Tremor ist primär ein Intentionstremor, es wurden aber auch Ruhe-, Halte- und Aktionstremores beschrieben. Die zerebelläre Symptomatik beinhaltet vorwiegend eine Stand- und Gangataxie sowie eine Dysmetrie und eine Dysarthrie [47].
Die Leitsymptome können von Parkinsonismus, peripherer Neuropathie, autonomer sowie kognitiver Einschränkung (z. B. exekutive Dysfunktion) begleitet werden. Bildmorphologische MRT-Veränderungen sind eine globale Hirnatrophie und eine Leukenzephalopathie inkl. des Pedunculus cerebellaris medius als sog. MCP-Zeichen. Die diagnostischen Kriterien beinhalten eine Prämutation im FMR1-Allel mit mindestens einer der folgenden Eigenschaften:
Therapie
Aktuell besteht keine etablierte ätiologische oder symptomatische Therapie. Für den Tremor können Betablocker und Primidon eingesetzt werden bzw. für die weiteren Symptome SSRI, Acetylcholinesterasehemmer oder Levodopa oder Dopaminagonisten [46], [48].
Tremor bei Morbus Wilson
Der Tremor ist eines der vielen möglichen neurologischen Symptome, die beim Morbus Wilson, einer autosomal-rezessiven Erkrankung des Kupferstoffwechsels mit konsekutiver Akkumulation des Kupfers, auftreten können, kommt hierbei aber selten isoliert vor. Unter anderem können Dysarthrie, Dysphagie, Ataxie, Parkinsonismus, Dystonie, Choreoathetose sowie kognitive und psychiatrische Auffälligkeiten auftreten [49], [50]. Der Tremor kann ein Ruhe- oder Haltetremor sein [51], wobei die oberen Extremitäten am meisten betroffen sind und alle Tremorarten beschrieben wurden.
Insgesamt ist der Phänotyp sehr variabel, weswegen die klinische Diagnose erschwert ist, allerdings muss sie bei jungen Patienten mit Bewegungsstörungen immer differenzialdiagnostisch geprüft werden. Laborchemisch sind Coeruloplasmin und Kupfer im Serum und 24-h-Urin sowie die Leberwerte zu untersuchen. MR-morphologisch sind T2-Hyperintensitäten im Bereich der Stammganglien in vielen Fällen darstellbar. Der Kayser-Fleischer-Kornealring in der Spaltlampenuntersuchung ist pathognomonisch für die Erkrankung.
Therapie
Therapeutisch sind Zink, D-Penicillamin, Trientine oder Tetrathiomolybdat sowie eine kupferarme Diät anzuwenden [52].
Tremor bei genetischen Dystonien
Das Symptom Tremor kommt auch bei genetischen Dystoniesyndromen vor. Bei der DYT24 (ANO3-Gen) kann ein Armtremor als begleitender Tremor einer zervikalen Dystonie auftreten, wobei bei dieser Erkrankung auch eine kraniale und laryngeale Dystonie beobachtet wurden [53]. Bei der DYT25 (GNAL-Gen) ist eine fokale oder segmentale Dystonie mit einem Tremor, in manchen Fällen sogar nur ein Tremor klinisch untersuchbar [54]. Bei der autosomal-rezessiven DYT27 (COL6A3-Gen) ist ein Tremor der oberen Extremitäten beschrieben [55]. Manche Dystonien gehen mit einem Myoklonus einher (DYT11, DYT15, DYT26), der von einem Tremor abgegrenzt werden muss.
Die Therapiemöglichkeiten der Tremorsyndrome fasst [Tab. 6] zusammen.
Tab. 6
Medikamentöse und operative Therapiemöglichkeiten der Tremorsyndrome.
Substanz / Maßnahme
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Dosis bzw. Lokalisation
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Indikation
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Wichtige Nebenwirkungen (NW)1
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1.Wahl
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Alternative
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Propranolol
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30-320 mg/d
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ET
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zerebellärer Tremor, Neuropathie-assoziierter Tremor, dystoner Tremor, verstärkter physiologischer Tremor, aufgabenspezifischer Tremor, orthostatischer Tremor, funktioneller Tremor, Parkinson-assoziierter Tremor
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Hypotonie, Bradykardie, AV-Block, Bronchospasmen, gastrointestinale Beschwerden, Müdigkeit, Depression, Impotenz
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Primidon
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62,5-500 mg/d
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ET
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orthostatischer Tremor, Neuropathieassoziierter Tremor, dystoner Tremor, aufgabenspezifischer Tremor, verstärkter physiologischer Tremor, Parkinson-assoziierter Tremor
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Schwindel, Doppelbilder, Sedierung, Müdigkeit, Depression, Ataxie, megaloblastäre Anämie, Exanthem, Osteoporose
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Topiramat
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50-400 mg/d
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ET, zerebellärer Tremor
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Müdigkeit, Apathie, kognitive Beeinträchtigung, Depression, Psychose, Dysarthrie, Schwindel, Parästhesien, Myopie, Engwinkelglaukom, Mundtrockenheit, Anorexie, Gewichtsabnahme, Leberwerterhöhung, Nephrolithiasis, Hautausschlag
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Gabapentin
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1200-3600 mg/d
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orthostatischer Tremor
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ET
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Müdigkeit, Benommenheit, Schwindel, Dysarthrie, Kopfschmerzen, Myoklonien, Übelkeit, Obstipation, Gewichtszunahme
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Clonazepam
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2-6 mg/d
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orthostatischer Tremor, zerebellärer Tremor, dystoner Tremor, Holmes-Tremor, Neuropathie-assoziierter Tremor, Gaumensegeltremor, verstärkter physiologischer Tremor, ET
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Müdigkeit, Benommenheit, Reizbarkeit, kognitive Beeinträchtigung, verminderter Muskeltonus, Ataxie
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Clozapin
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100-600 mg/d
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Holmes-Tremor, Parkinson-assoziierter Tremor, ET
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Agranulozytose, Sedierung, Kopfschmerzen, Tachykardie, Hypertonie, trockener Mund, Obstipation, Leberwerterhöhung
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Levodopa
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100-1000 mg/d
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Parkinson-assoziierter Tremor, Levodopa-responsive Dystonie
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orthostatischer Tremor, Holmes-Tremor
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Schlafstörung, Müdigkeit, Unruhe, Ängstlichkeit, Aggressivität, Halluzinationen, Hypomanie, Impulskontrollstörungen, Wirkungsfluktuationen, Dyskinesien, Dystonien, Übelkeit, orthostatische Dysregulation, Schwitzen, Inkontinenz, Arrhythmien, Tachykardien, Vitamin-B12-Mangel
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Dopaminagonisten
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s. einzelne Präparate
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Parkinson-assoziierter Tremor
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Holmes-Tremor
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s. Levodopa
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Tetrabenazin
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50-75 (200) mg / d
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postneuroleptischer Tremor
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Müdigkeit, Benommenheit, Angstgefühl, Unruhe, Schlaflosigkeit, Aggressivität, Parkinson-Symptome
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Trihexyphenydil
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6-16 mg/d
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dystoner Tremor
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Holmes-Tremor, Gaumensegeltremor, postneuroleptischer Tremor, aufgabenspezifischer Tremor, Parkinson-assoziierter Tremor
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Müdigkeit, Benommenheit, Schwindel, Ataxie, Dyskinesien, Obstipation, Harnverhalt, Akkomodationsstörung, Mundtrockenheit
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Baclofen
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10-120 mg/d
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dystoner Tremor
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Sedierung Benommenheit, Depression, Euphorie, Halluzinationen, Konzentrationsstörungen, Schwindel, Muskelschwäche, Muskelschmerzen, Parästhesien, Blasenentleerungsstörung, Atemdepression, gastrointestinale Beschwerden, Hypotonie
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Pregabalin
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150-600 mg/d
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Neuropathieassoziierter Tremor
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ET
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Müdigkeit, Benommenheit, Schwindel, Ataxie, Kopfschmerzen, Tremor, Ödeme, Gewichtszunahme
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Carbamazepin
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600-1200 mg/d
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zerebellärer Tremor, Gaumensegeltremor
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Sedierung, Schwindel, Doppelbilder, Übelkeit, Appetitlosigkeit, Hepatopathie, Herzrhythmusstörungen, SIADH
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Levetiracetam
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750-3500 mg/d
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Holmes-Tremor
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Müdigkeit, Schwindel, Reizbarkeit, psychotische Symptome, Kopfschmerzen, Schwindel, gastrointestinale Beschwerden
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Botulinumtoxin
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MU („mouse-units“) je nach Zielmuskel
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dystoner Tremor, Gaumensegeltremor, ET, Holmes-Tremor, Neuropathie-assoziierter Tremor, aufgabenspezifischer Tremor
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Hämatome, Allergie, Infektion, (unerwünschte) Paresen, Atrophie, systemische Ausbreitung
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DBS
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VIM
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ET, orthostatischer Tremor, zerebellärer Tremor, dystoner Tremor, Holmes-Tremor, Neuropathie-assoziierter Tremor, Parkinson-assoziierter Tremor, aufgabenspezifischer Tremor
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s. Text
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DBS
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STN
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Parkinson-assoziierter Tremor, Holmes-Tremor
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s. Text
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DBS
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GPi
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dystoner Tremor, Holmes-Tremor, Parkinson-assoziierter Tremor
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s. Text
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MRgFUS
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ET
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s. Text
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Abkürzungen:DBS = Deep Brain StimulationET = essenzieller TremorGPi = Globus pallidus internusMRgFUS = MRT-gestützter fokussierter UltraschallSTN = Nucleus subthalamicusVIM = Nucleus ventralis intermedius1Hier kann jeweils nur ein Teil der beschriebenen Nebenwirkungen genannt werden.
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Tremorsyndrome sind ätiologisch und klinisch heterogen.
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Ein strukturiertes Vorgehen zur Diagnosestellung wird empfohlen, dabei sind die detaillierte Anamnese und die klinische Untersuchung entscheidend.
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2018 wurden neue Diagnosekriterien von der International Parkinson and Movement Disorder Society (MDS) veröffentlicht, die auf Achse 1 die anamnestischen und klinischen Daten bzw. auf Achse 2 die Ätiologie umfassen.
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Es empfiehlt sich, den Tremor primär nach den Aktivierungsbedingungen zu definieren.
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Apparative Zusatzuntersuchungen (Bildgebung, Elektrophysiologie, Labordiagnostik) können zur Differenzialdiagnose zwischen den Tremortypen beitragen.
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Für die Therapie kommen primär Medikamente inkl. Botulinumtoxin-Injektionen infrage, bei immer mehr Formen des Tremors ist die Tiefe Hirnstimulation eine wirksame Option.
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen
Wissenschaftlich verantwortlich gemäß Zertifizierungsbestimmungen für diesen Beitrag ist Prof. Dr. med. Jan Kassubek, Ulm.
Zitierweise für diesen Artikel
Fortschritte der Neurologie · Psychiatrie 2020; 88(11): 794–814 Dieser Beitrag ist eine aktualisierte Version des Artikels: Bârlescu LA, Kassubek J. Diagnostik und Therapie von Tremorsyndromen. Neurologie up2date 2020; 3(01): 63-84