Schlüsselwörter
COVID-19 - SARS-CoV-2 - COVID-19-assoziierte Pneumonie
Key words
COVID-19 - SARS-CoV-2 - COVID-19 associated pneumonia
Einleitung
Die aktuelle SARS-CoV-2-Pandemie stellt das Gesundheitssystem in Deutschland vor bis dato unbekannte Herausforderungen. Insbesondere ältere Bürger sowie Personen mit Komorbiditäten wie arterieller Hypertonie, Diabetes mellitus, kardiovaskulären Erkrankungen oder strukturellen Lungenerkrankungen zählen zu der sogenannten vulnerablen Bevölkerungsgruppe mit erhöhtem Risiko für schwere Krankheitsverläufe und daraus resultierender erhöhter Mortalität [1]. Mit Stand vom 09.04.2020 wurde in Deutschland bei bisher über 108 000 Personen SARS-CoV-2 nachgewiesen und mehr als 2100 verstarben bisher an der daraus resultierenden Erkrankung COVID-19 [2]. Eine schnelle und zuverlässige Diagnostik ist zur Erhebung der Fallzahlen und Einleitung möglicherweise erforderlicher Quarantänemaßnahmen zur Verhinderung einer weiteren Ausbreitung unerlässlich. Als Diagnostik der Wahl zur schnellen Identifikation von COVID-19-Fällen hat sich dabei die PCR-Analyse auf SARS-CoV-2 aus tiefen nasopharyngealen oder oropharyngealen Abstrichen etabliert [3]. Zwischenzeitlich mehren sich jedoch Hinweise auf Limitationen hinsichtlich der Sensitivität dieser Untersuchung [4]
[5].
Anamnese
Ein 46-jähriger rumänisch-stämmiger Bauarbeiter stellte sich mit Fieber und Husten in der Notaufnahme vor. Anamnestisch bestanden die Symptome bereits seit 7 Tagen. Zuvor war bereits eine Vorstellung beim niedergelassenen Allgemeinmediziner erfolgt und, bei Verdacht auf das Vorliegen einer Pneumonie, eine antibiotische Therapie mit Sultamicillin per os über 5 Tage eingeleitet worden. Dies führte jedoch zu keiner Verbesserung der bestehenden Symptomatik. Darüber hinaus berichtete der Patient, 2-mal beim Versuch aufzustehen synkopiert zu sein. Angina-pectoris-Beschwerden bestanden zu keinem Zeitpunkt. Stuhlgang und Miktion waren unauffällig. Die COVID-19-spezifische Anamnese ergab keine Hinweise auf einen Aufenthalt in einem Risikogebiet und keinen erinnerlichen Kontakt zu einem bestätigten COVID-19-Fall. An Vorerkrankungen waren eine koronare Eingefäßerkrankung mit Zustand nach ST-Hebungsinfarkt bei LAD-Verschluss im Jahr 2019 (Behandlung in Rumänien), eine Herzinsuffizienz im Stadium NYHA I mit einer Ejektionsfraktion von > 55 % sowie ein metabolisches Syndrom bei Präadipositas (BMI 29,5 kg/m²) bei arterieller Hypertonie, Dyslipidämie und Prädiabetes (HbA1c 6,3 %) bekannt. Die bisherige Dauermedikation umfasste Atorvastatin, Nebivolol, ASS, Ticagrelor, Indapamid und Candesartan. Der Patient lebte zum Zeitpunkt der Vorstellung bei Bekannten (Familie mit 2 Kindern) und war selbst nicht verheiratet. Es bestand ein Zustand nach Nikotinabusus (sistiert 2019), sonst waren keine Noxen anamnestizierbar.
Diagnostik und Befunde
Klinisch präsentierte sich der Patient in einem präadipösen Ernährungszustand (BMI 29,5 kg/m²) und reduzierten Allgemeinzustand mit Fieber, Husten und Z. n. 2-maliger Synkope. Die in der Notaufnahme erhobenen Vitalparameter zeigten einen Hypertonus mit einem Blutdruck von 146/84 mmHg bei tachykardem Sinusrhythmus (Puls 102/min). Die Atemfrequenz war mit 24/min erhöht. Hierunter zeigte sich unter Raumluft eine periphere O2-Sättigung von 95 %. Auskultatorisch imponierten linksseitige Rasselgeräusche bei sonst unauffälliger körperlicher Untersuchung. Laborchemisch zeigten sich bei Aufnahme ([Tab. 1]) eine Erhöhung von pro-BNP, LDH und CRP sowie eine geringe Erhöhung der Transaminasen bei normwertigen Leukozytenzahlen und normwertigem Procalcitonin. Die PCR-Analyse des in der Notaufnahme entnommenen tiefen oropharyngealen Abstrichs (tiefer Rachenabstrich) ergab keinen Nachweis von SARS-CoV-2. Eine Multiplex-PCR auf andere atypische respiratorische Erreger (s. u.) aus einem zweiten tiefen Rachenabstrich war ebenfalls ohne Befund. Zur Synkopenabklärung erfolgte ein Langzeit-EKG ohne nennenswerte rhythmologische Ereignisse. Eine transthorakale Echokardiografie zeigte keine Auffälligkeiten bei visuell guter LV-Funktion (55 %) ohne regionale Wandbewegungsstörungen. Die konventionelle Röntgenaufnahme der Lunge zeigte bipulmonale laterale Verschattungen, verdächtig auf das Vorliegen einer atypischen Pneumonie ([Abb. 1]). Bei hochgradigem Verdacht auf eine COVID-19-assoziierte Pneumonie erfolgte nochmals ein tiefer Rachenabstrich auf SARS-CoV-2, der erneut negativ ausfiel. Es wurde die Indikation für eine Computertomografie des Thorax gestellt, die beidseitige, peripher betonte milchglasartige Verdichtungen ([Abb. 2]) und vermehrt sichtbare, am ehesten reaktiv-veränderte mediastinale Lymphknoten ergab. Das Bild wurde als vereinbar mit dem Vorliegen einer COVID-19-assoziierten Pneumonie interpretiert. Laborchemisch zeigte sich im Verlauf eine für COVID-19 typische Konstellation mit Erhöhung von CRP, IL-6, LDH, pro-BNP und Ferritin bei negativem Procalcitonin und normwertigen Leukozyten. Eine dritte Analyse auf SARS-CoV-2 aus einem tiefen Rachenabstrich erbrachte aber erneut keinen Virus-Nachweis, sodass eine Asservierung von Sputum und Stuhl erfolgte. Die Stuhlanalyse blieb negativ, im gewonnenen Sputum gelang jedoch letztendlich der Nachweis von SARS-CoV-2 ([Tab. 2]).
Tab. 1
Laborparameter bei Aufnahme und im Verlauf (pathologische Werte fett hervorgehoben).
Parameter
|
Einheit
|
Referenzbereich
|
Tag 0
|
Tag 5
|
Tag 8
|
Leukozyten
|
Tsd/µl
|
3,9–9,8
|
7,45
|
7,53
|
8,38
|
Lymphozyten
|
Tsd/µl
|
1,1–3,2
|
/
|
1,85
|
2,17
|
CRP
|
mg/l
|
< 5
|
38,4
|
34,7
|
5,9
|
Procalcitonin
|
ng/ml
|
< 0,05
|
< 0,05
|
< 0,05
|
< 0,05
|
IL-6
|
pg/ml
|
n/a
|
38,0
|
9,0
|
1,7
|
LDH
|
U/l
|
135–225
|
473
|
367
|
297
|
pro-BNP
|
pg/ml
|
< 125
|
405
|
418
|
228
|
Ferritin
|
|
30–400
|
/
|
1329
|
764
|
GOT
|
U/l
|
10–50
|
48
|
53
|
80
|
GPT
|
U/l
|
10–50
|
51
|
81
|
183
|
Hämoglobin
|
g/dl
|
13,5–17,6
|
15,4
|
14,7
|
14,2
|
Thrombozyten
|
Tsd/µ
|
146–328
|
227
|
410
|
426
|
Abb. 1 Konventionelles Lungenröntgen an Tag 2 mit bipulmonalen lateralen Verschattunge sowie Monitor-Fremdmaterial.
Abb. 2 CT-Thorax an Tag 3 mit deutlichen bipulmonalen lateral-betonten milchglasartigen Infiltraten.
Tab. 2
Verlauf der virologischen Untersuchungen.
Tag
|
Testmaterial
|
Untersuchung auf
|
Ergebnis
|
0
|
Rachenabstrich
|
Influenza A (inklusive H1N1) + B, RSV, humanes Metapneumovirus (HMPV), humanes Bocavirus, Parainfluenzavirus 1–4, Coronaviren HKU, NL63, 229E und OC43, Rhinoviren, Entero-/Parechoviren, Adenoviren. Mycoplasma pneumoniae, Legionella pneumophila, Bordetella pertussis.
|
negativ
|
0
|
Rachenabstrich
|
SARS-CoV-2-PCR
|
negativ
|
2
|
Rachenabstrich
|
SARS-CoV-2-PCR
|
negativ
|
3
|
Rachenabstrich
|
SARS-CoV-2-PCR
|
negativ
|
6
|
Stuhl
|
SARS-CoV-2-PCR
|
negativ
|
6
|
Sputum
|
SARS-CoV-2-PCR
|
positiv
|
Klinischer Verlauf
Es erfolgte die stationäre Aufnahme zur Synkopen-Abklärung und Infektbehandlung bei hochgradigem Verdacht auf COVID-19-assoziierte Pneumonie sowie erhöhtem Risiko für einen schweren Erkrankungsverlauf bei Vorliegen von entsprechenden Vorerkrankungen. Bei Verdacht auf das Vorliegen einer möglichen bakteriellen Superinfektion erfolgte eine intravenöse antibiotische Therapie mit Ampicillin/Sulbactam, die dann bei fehlendem Erregernachweis und persistierend negativem Procalcitonin nach 3 Tagen beendet wurde. Unter Raumluft zeigten sich eine stabile Atemfrequenz und O2-Sättigung. Bei klinisch, laborchemisch und radiologisch persistierendem hochgradigem Verdacht auf COVID-19-assoziierte Pneumonie wurde der Patient trotz initial mehrfach negativen Untersuchungsergebnissen auf SARS-CoV-2 weiterhin isoliert. Unter supportiven Maßnahmen zeigte sich im Verlauf des stationären Aufenthalts eine Verbesserung des Allgemeinzustands mit Rückgang von Fieber und Husten, weshalb nach Bestätigung der Diagnose COVID-19 mittels Nachweises von SARS-CoV-2 im Sputum keine antivirale Therapie eingeleitet wurde. Die Synkopen-Abklärung ergab keine Hinweise auf eine kardiale Ursache. In der Zusammenschau der Befunde ist am ehesten von einer Infekt-getriggerten orthostatischen Genese auszugehen. Nach Rücksprache mit dem örtlichen Gesundheitsamt konnte der Patient 8 Tage nach der stationären Aufnahme und 17 Tage nach Symptombeginn bei negativen Rachenabstrichen (und nur gering anzunehmender Infektiosität) ohne weitere Isolationsmaßnahmen nach Hause entlassen werden ([Abb. 3]). Die im Verlauf ansteigenden Transaminasen wurden als hepatische Begleitreaktion im Rahmen der aktuellen Erkrankung gewertet und werden ambulant im Verlauf kontrolliert.
Abb. 3 Verlauf der klinischen Symptomatik und Diagnostik.
Diskussion
Aufgrund der typischen klinischen Beschwerdesymptomatik in Kombination mit den für COVID-19 typischen Laborbefunden bestand in der hier aufgeführten Kasuistik früh der hochgradige Verdacht auf eine COVID-19-assoziierte Pneumonie. Die ergänzenden radiologischen Befunde, sowohl im konventionellen Lungenröntgen, noch mehr jedoch die COVID-19-typischen Veränderung in der nachgeschalteten CT-Untersuchung der Lunge, untermauerten die Verdachtsdiagnose. Trotz des hochsuggestiven Vorliegens von COVID-19 gelang jedoch keine Erregersicherung aus den als Goldstandard etablierten diagnostischen Untersuchungen (tiefer nasopharyngealer oder oropharyngealer Abstrich). Erst die Analyse von tieferen Atemwegssekreten (im vorliegenden Fall Sputum) erbrachte den Virusnachweis und sicherte letztlich die Diagnose. Die Einleitung der antibiotischen Therapie mit Ampicillin/Sulbactam erfolgte zunächst unter dem Verdacht einer möglichen bakteriellen Superinfektion. Aufgrund des klinisch stabilen Zustands des Patienten und des bereits bei Aufnahme negativen Procalcitonins wäre jedoch ein zuwartendes Prozedere hinsichtlich einer antibiotischen Therapie ebenfalls gerechtfertigt gewesen. Auf einen individuellen Heilversuch durch potenziell auf SARS-CoV-2 antiviral-wirksame Substanzen (Hydroxychloroquin, Ritonavir/Lopinavir u. a.) wurde nach Diagnosesicherung bei deutlich gebessertem Allgemeinzustand verzichtet. Der Einsatz dieser Substanzen sollte im Rahmen eines individuellen Heilversuchs aufgrund der noch unzureichenden Datenlage im Einzelfall jeweils kritisch evaluiert werden und präferiert innerhalb klinischer Studien erfolgen.
Der vorliegende Fall unterstreicht die Limitationen der PCR-Analyse aus tiefen Rachenabstrichen hinsichtlich der Sensitivität trotz klinisch starkem Verdacht auf eine COVID-19-assoziierte Pneumonie. Aus der bisher gewonnenen klinischen Erfahrung scheint insbesondere die Kombination aus klinischer Symptomatik, laborchemischen Parametern (Erhöhung von CRP, IL-6, LDH, proBNP, Ferritin, D-Dimere bei gleichzeitig normwertigem oder nur mäßig erhöhtem Procalcitonin und normwertige bis erniedrigte Leukozyten mit häufig begleitender Lymphozytopenie) sowie den für eine COVID-19-assoziierte Pneumonie klassischen radiologischen Befunden eine hohe prädiktive Aussagekraft zu besitzen. Die hohe Sensitivität der CT-Untersuchung im Vergleich zur PCR-Analyse konnte bereits in ersten Studien nachgewiesen werden [6]
[7]
[8]. Ergänzend hierzu sollte jedoch erwähnt werden, dass die meisten Studien diesbezüglich in Hochprävalenzgebieten mit hoher zeitlicher Infektionsrate durchgeführt wurden. In Regionen mit niedrigerer Prävalenz ist der prädiktive Wert der Computertomografie und damit deren Stellenwert als diagnostisches Kriterium niedriger einzuschätzen. Dies spiegelt sich auch in den Empfehlungen der radiologischen Fachgesellschaften wider, welche die Computertomografie weiterhin lediglich zur Ergänzung der Diagnostik empfehlen [9]
[10]. Im vorliegenden Fall erfolgte die Testung bei besserer Patienten-Compliance stets aus tiefen oropharyngealen Abstrichen. Eine mögliche höhere Sensitivität nasopharyngealer Abstriche wird diskutiert, jedoch ist die Studienlage hierzu uneinheitlich [5]
[11]. Aufgrund der geringen Invasivität und der einfachen Durchführung ist die PCR-Analyse aus tiefen Rachen- oder Nasenabstrichen weiterhin die diagnostische Testmethode der ersten Wahl, insbesondere im Rahmen von Screening-Untersuchungen. Im Fall wiederholter negativer Testergebnisse aus diesen Proben sollte jedoch bei weiter bestehendem klinischem Verdacht auf COVID-19, insbesondere bei Nachweis von typischen radiologischen Befunden, die Analyse anderer Biomaterialen wie Stuhl oder tiefe Atemwegssekrete (Sputum, bronchoalveoläre Lavage, Trachealsekret) erfolgen.
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Schnelle und zuverlässige Testmethoden sind angesichts der aktuellen Pandemie-Lage unerlässlich.
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PCR-Analysen auf SARS-CoV-2 aus tiefen nasopharyngealen und oropharyngealen Abstrichen sind aktuell der Goldstandard zur Diagnose von COVID-19.
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Typische pathologische Befunde in CT-Untersuchungen der Lunge haben eine hohe Sensitivität.
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Zur Diagnosesicherung sollten bei wiederholt negativen Testergebnissen aus Rachenabstrichen und klinischem Verdacht auf COVID-19 Untersuchungen aus anderen Materialien (Sputum, BAL, Trachealsekret, Stuhl) erfolgen.