Key words prostate - interventional procedures - benign prostate syndrome - lower urinary tract
symptoms - prostate artery embolization
Einleitung
Das benigne Prostatasyndrom (BPS) ist definiert als eine gutartige Vergrößerung der
Prostata, die mit einer Beeinträchtigung der Miktion einhergeht.
Die Beschwerdesymptomatik (Lower Urinary Tract Symptoms, LUTS) kann vorwiegend obstruktiv,
irritativ oder in einer Kombination bestehen. Typische obstruktive Symptome sind abgeschwächter
Harnstrahl, Anlaufschwäche zum Wasserlassen, erschwerte („Pressen“) und verlängerte
Miktion sowie Restharngefühl. Zu den irritativen Symptomen zählen starker „imperativer“
Harndrang und die Pollakisurie. Die Nykturie ist ein eher unspezifisches Symptom und
kann zahlreiche Ursachen bzw. Kofaktoren neben der gutartigen Prostatavergrößerung
haben (z. B. Durchschlafstörungen, Herzinsuffizienz etc.).
Abhängig von der Ausprägung der LUTS kann es zu einer erheblichen Beeinträchtigung
der Lebensqualität kommen. Die Drangsymptomatik kann jegliche Aktivität, bei der nicht
kurzfristig eine Toilette erreicht werden kann, wegen der Gefahr der Dranginkontinenz
unterbinden. Zunehmender Restharn begünstigt die Bildung von Blasensteinen und rezidivierenden
Infekten bis hin zum Harnverhalt und konsekutiven postrenalen Nierenversagen. Von
besonderer Schwere kann die durch Nykturie bedingte Reduktion der Schlafqualität und
-quantität sein. Entsprechend ist die Nykturie mit einer Frequenz von ≥ 2-mal/Nacht
ein häufiger Grund für Arztbesuche [1 ].
Aufgrund der Prävalenz von ca. 50 % in der Alterskohorte der 50-Jährigen (ca. 3 Millionen
Männer) und ca. 90 % in einem Lebensalter von mehr als 85 Jahren (ca. 500 000 Männer)
ist das BPS als Volkskrankheit einzuordnen [1 ]
[2 ]
[4 ]. In den Industrienationen ist in Anbetracht der demografischen Entwicklung eine
erhebliche Zunahme des BPS zu erwarten [14 ].
Die Behandlung besteht zu Beginn in einem konservativen Verhalten mit Abwarten und
Beobachten (watchful waiting). Bei leichten bis mittelschweren Symptomen steht die
medikamentöse Therapie im Vordergrund. Bei Unverträglichkeit oder unzureichendem medikamentösem
Therapieerfolg kommen abhängig von Begleiterkrankungen und dem Volumen der Prostata
unterschiedliche operative Verfahren zum Einsatz. Vuichoud et al. beschreiben in einer
epidemiologischen Kohortenstudie, dass 54,8 % der Patienten medikamentös therapiert,
35 % beobachtet und ca. 1,1 % operativ versorgt werden [1 ]. In Deutschland werden somit ca. 80 000 Patienten pro Jahr einer operativen Therapie
zugeführt [2 ].
Das häufigste und seit Jahrzehnten etablierte operative Verfahren ist die endoskopische
transurethrale Resektion der Prostata (TURP). Die TURP vermag in erster Linie die
obstruktiven Symptome schnell und effektiv zu therapieren. In erfahrenen Zentren sind
die Erfolgsraten sehr gut. Hauptkomplikationen sind dabei transfusionspflichtige perioperative
Blutungen, Blasenhalsstenosen sowie eine meist transiente Harninkontinenz. Zu den
Operationsfolgen gehört allerdings nahezu regelhaft eine retrograde Ejakulation (RE),
also dass der Samenerguss durch die bei der Resektion trichterförmig vom Colliculus
seminalis bis zum Blasenhals erweiterte prostatische Harnröhre in die Harnblase gelangt.
Die RE wird von sexuell aktiven Patienten allgemein als sehr störend empfunden. Derweil
die TUR auf Prostatae bis 80 ml Volumen beschränkt ist, stehen für größere Drüsen
neben der suprapubischen Prostataadenomektomie auch transurethrale Therapieoptionen
(u. a. Laser-Enukleation, Aqua Ablation) zur Verfügung [3 ]
[4 ]
[5 ]
[6 ]
[7 ].
Als endovaskuläres Verfahren steht seit einigen Jahren die radiologische minimalinvasive
Prostataarterienembolisation (PAE) zur Verfügung, welche in Lokalanästhesie ohne Vollnarkose
durchgeführt wird. In diesem Positionspapier soll die Methode der PAE nach aktueller
Datenlage dargestellt und diskutiert werden.
Prostataarterienembolisation
Prostataarterienembolisation
Die PAE wurde nach Erstbeschreibung des Verfahrens 1977 in der Zeitschrift „Der Urologe“
für die Therapie von Blutungen prostatischen Ursprungs eingesetzt [8 ]. Erste Berichte über eine erfolgreiche PAE bei LUTS und BPH folgten im Jahr 2000.
Somit kann dieses Jahr als Erstbeschreibung des neuen Therapiekonzepts gelten [9 ]. Danach wurde die PAE als endovaskuläre minimalinvasive Therapie des BPS weltweit
angewandt [10 ]. Vorteile des Verfahrens sind die hohe Patientenzufriedenheit und die erhaltene
Sexualfunktion. Ferner kann es ergänzend andere Therapien durch eine Volumenreduktion
unterstützen. So sind die Kombinationen von PAE und transurethralen Verfahren wie
Holmium-LASER-Enukleation (HoLEP) in erheblich vergrößerten Prostatae > 200 ml sowie
von PAE und TURP in Prostatae > 80 ml in multimorbiden Patienten erfolgreich geprüft
worden [11 ]
[12 ].
Die PAE stellt hohe Anforderungen an die Fähigkeiten des interventionellen Radiologen.
Sowohl die arterielle Gefäßanatomie des Beckens als auch die Technik der Embolisation
müssen dem interventionellen Radiologen aus praktischer Erfahrung sehr gut bekannt
sein. In Anlehnung an die Musterweiterbildungsordnung 2018 der Bundesärztekammer sollte
die Behandlung ausschließlich von Radiologinnen und Radiologen durchgeführt werden.
Aus Sicht der Deutschen Gesellschaft für Interventionsradiologie (DeGIR) wird für
die Durchführung der PAE eine spezielle Qualifikation in der Embolisationstherapie
(DeGIR Module B und D) empfohlen (https://www.degir.de/de-DE/5080/stufe-2/ ), um potenziell schwerwiegende Komplikationen einer Fehlembolisation zu vermeiden
und optimale Therapieerfolge zu erzielen. Moderne digitale Subtraktionsangiografie
(DSA)-Anlagen sind zur adäquaten Visualisierung der sehr feinen Gefäßanatomie mit
Diametern < 1 mm und Minimierung der Strahlenexposition eine Grundvoraussetzung. Die
C-Arm-CT-Angiografie bzw. Cone-beam -CT haben sich für die 3-dimensionale Darstellung der Beckenarterien und Beckenorgane
bewährt und ist sehr zu empfehlen. Jenseits der technischen Möglichkeiten sollte auch
praktische Erfahrung des Interventionalisten mit diesen komplexen Bildgebungstechniken
vorliegen.
Vorbereitung
Grundsätzlich gilt, dass der Therapieerfolg essenziell von einer adäquaten Patientenauswahl
abhängt. Daher sind die kritische Analyse und Korrelation der Diagnostik mit der klinischen
Symptomatik und die Kenntnis der urologischen Therapieoptionen Voraussetzung für eine
korrekte Erfassung eines BPS sowie für die entsprechende Aufklärung. Beides sollte
im interdisziplinären, urologisch-radiologischen Kontext erfolgen, da LUTS ebenfalls
mit einer Vielzahl anderer Blasenentleerungs- oder -speicherstörungen vergesellschaftet
sein können.
Generell ist die Möglichkeit für eine PAE gegeben, wenn die Obstruktion des Blasenauslasses
durch eine vergrößerte Prostata verursacht wird. Durch eine ausführliche präinterventionelle
Anamnese und Diagnostik sollten anderweitige Ursachen, bei denen die PAE nicht indiziert
ist, ausgeschlossen werden.
Präinterventionelle Diagnostik
Für die präinterventionelle Diagnostik stehen verschiedene etablierte Fragebögen für
die subjektive Selbsteinschätzung der Beschwerdesymptomatik und Untersuchungsverfahren
zur standardisierten Erhebung objektiver Parameter zur Verfügung:
IPSS (International Prostata Symptoms Score) -Fragebogen zum Schweregrad der Symptomatik
(Symptomindex, 7 Fragen) und Frage zur Lebensqualität (QoL, Quality of Life)
IIEF (International Index of Erectile Function) -Fragebogen zur Sexualfunktion und
Erektionsfähigkeit
rektale Tastuntersuchung der Prostata und transrektaler Ultraschall (TRUS), u. a.
zur Volumenbestimmung
Bestimmung des PSA-Wertes (Prostata-spezifisches Antigen)
Uroflowmetrie mit Bestimmung der maximalen Harnflussrate (Qmax) und des Miktionsvolumens
(beurteilbar ab 15 ml Miktionsvolumen)
sonografische Restharnbestimmung
Die Ergebnisse dieser Tests korrelieren nur bedingt mit der Prostatavergrößerung,
Blasenauslassobstruktion (Bladder Outlet Obstruction, BOO) und LUTS [13 ]. Beispielsweise besteht zwischen Prostatavolumen, Kompressionsgrad der prostatischen
Harnröhre und BOO keine feste Korrelation. Sensitivität und Spezifität für BOO bei
einem Prostatavolumen > 4 cm3 liegen nur bei 49 % bzw. 32 % [14 ]. Ebenso besteht nur eine geringe Korrelation zwischen Restharnmenge und BOO. Zur
Erfassung der klinischen Beschwerden wird der IPSS herangezogen. Irritative Speichersymptome
wie häufiger und starker Harndrang sowie häufiges nächtliches Wasserlassen (Nykturie)
werden von den Patienten häufig als wesentlich belastender empfunden als Harnentleerungssymptome,
wie z. B. Harnstrahlabschwächung (verminderte maximale Harnflussrate, Qmax) [15 ]
[16 ]
[17 ]
[18 ].
Vor einer PAE sollte der PSA-Wert bestimmt werden. Im Falle einer pathologischen Erhöhung
sollte die weitere Abklärung zum Ausschluss eines Prostatakarzinoms erfolgen.
Schnittbildverfahren können bei der Evaluation des BPS wichtige Informationen beitragen.
Die multiparametrische MRT spielt hierbei eine zentrale Rolle zum Ausschluss eines
therapierelevanten Prostatakarzinom [19 ]. Darüber hinaus liefert die MRT genaue Informationen zur Größe, Seitendominanz,
intravesikalen Prostata-Protrusion (IPP), zum prostatischen Harnröhrenwinkel (Prostatic
Urethral Angle, PUA) oder zur Gewebedominanz (Adenom- oder Stroma-dominante Prostatavergrößerung)
([Abb. 1a ]). Vor einer PAE kann bei zu erwartenden atherosklerotischen Gefäßveränderungen eine
Evaluation der Gefäßanatomie durch eine MR- oder CT-Angiografie durchgeführt werden,
da eine Atherosklerose die PAE durch fehlenden endovaskulären Zugang erschweren oder
technisch unmöglich machen kann.
Abb. 1 Die 3-dimensionale maximale Intensitätsprojektions-Übersichtsangiografie ermöglicht
eine hervorragende Visualisierung der komplexen Anatomie der Prostataarterien und
erleichtert die Identifizierung von Varianten.
Die PAE als elektive endovaskuläre Therapie mit Verwendung von jodhaltigem Kontrastmittel
erfordert im Voraus die Abklärung von Nieren-, Schilddrüsen- und Gerinnungsfunktion
sowie der Einnahme von Metformin gemäß der ESUR-Leitlinie (http://www.esur.org/esur-guidelines/ ).
Patientenauswahl zur PAE
Die PAE bietet sich prinzipiell für Patienten mit einem Prostatavolumen (Pvol) > 30 ml
an, die nach mindestens halbjähriger erfolgloser medikamentöser Therapie oder Unverträglichkeit
letzterer weiterhin an einem mittelschweren bis schweren BPS leiden (IPSS ≥ 8, Lebensqualität
QoL ≥ 3 und Qmax ≤ 15 ml/s) [20 ]. Eine obere Grenze des Prostatavolumens existiert für die PAE nicht. Es gibt eine
Reihe von Konstellationen, bei denen eine PAE erwogen werden kann:
multimorbide Patienten mit Dauerkatheterversorgung,
Patienten mit hohem Narkose- bzw. Operationsrisiko, bspw. aufgrund kardiopulmonaler
Komorbiditäten oder einer Blutgerinnungsstörung bzw. Antikoagulation, sowie
Ablehnung einer operativen subvesikalen Desobstruktion, z. B. wegen des hohen Risikos
einer retrograden Ejakulation.
Grundsätzlich sind nichtobstruktive LUTS (z. B. neurogen bedingte hyper- oder hypoaktive
Blase, Blasenhalsdysfunktion, Detrusor-Sphinkter-Dyssynergie) und urethrale Strikturen
durch eine fachurologische Untersuchung auszuschließen.
Als absolute Kontraindikation für die PAE gilt derzeit das Vorliegen eines kurativ
therapierbaren, nicht blutenden Prostatakarzinoms, da bisher keine ausreichenden Daten
in diesem Kontext vorliegen [21 ]. Akute Infektionen wie Prostatitis oder Urethritis können nach PAE aggraviert werden
und sind weitere absolute Kontraindikationen für eine PAE.
Eine primäre operative Therapie wird bei der Kombination einer BPS und gleichzeitigem
Vorliegen von Blasensteinen durchgeführt. Patienten mit großen Harnblasendivertikeln
oder neurogenen Blasenentleerungsstörungen sollte eine PAE nicht empfohlen werden.
Von der PAE profitieren insbesondere:
Patienten mit einem mittleren IPSS (18–25) [22 ],
Patienten < 65 Jahre [22 ],
Patienten mit einem akuten Harnverhalt [22 ]
[23 ],
Patienten mit Prostatae größer als 80 ml [24 ]
[25 ] und
Patienten mit Adenom-dominanten BPS [26 ].
Im klinischen Alltag sind häufig besonders 3 Vorteile im Vergleich zu den Standardverfahren
entscheidend für die Wahl einer PAE:
Durchführung der PAE
Prozedurale Bildgebung
Für die Evaluation der Gefäßanatomie sind unterschiedliche Strategien möglich:
Durchführung einer präinterventionellen CT,
Durchführung einer Übersichts-Cone-Beam-CT, die mit einer Katheterposition oberhalb
der Aortenbifurkation angefertigt wird,
Durchführung von selektiven Cone-Beam-CT, die mit einer Katheterposition in der jeweiligen
A. iliaca interna angefertigt wird, oder
Anfertigung von DSA-Serien.
Die DSA stellt die periprozedurale Standardbildgebung im Rahmen der PAE dar. Ergänzend
kann eine 3D-Bildgebung mittels Cone-Beam-CT erfolgen. Während die 3-dimensionale
Gefäßdarstellung insbesondere zur Gefäßidentifikation und endovaskulären Navigation
eingesetzt wird, kann bei kombinierter Darstellung von Gefäßanatomie und Weichteilen
eine Abbildung des Embolisationsgebietes erfolgen.
Die bildgestützte Positionierung des Mikrokatheters erfolgt entweder rein fluoroskopisch
anhand von konventionellen, ggf. angulierten DSA-Serien oder unter Zuhilfenahme von
Navigationstechniken auf der Basis einer 3D-Bildgebung. Durch geeignete Softwareapplikationen
kann die Prostataarterie (semi)automatisch in ihrem Verlauf detektiert und als grafische
Repräsentation oder als Gefäßrendering der Fluoroskopie überlagert werden ([Abb. 2 ]) und so die Strahlenexposition des Patienten reduzieren. Die Cone-Beam-CT erlaubt,
ähnlich zu einer Computertomografie, auch die Darstellung der Weichteile und deren
Perfusion. Da im Rahmen der PAE insbesondere Fehlembolisationen benachbarter Gefäßterritorien
und Organe relevante Komplikationen darstellen, erhöht diese Bildinformation wesentlich
die Patientensicherheit. Die exakte Organzuordnung aus der antizipierten Embolisationsposition
ist in der Projektionsangiografie limitiert. Die computertomografische Darstellung
mittels Cone-Beam-CT nach superselektiver Kontrastmittelgabe in der Parenchymphase
erlaubt die Simulation der Embolisation und kann somit eine spätere Fehlembolisation
sicherer ausschließen als andere Techniken ([Abb. 3a, b ]). Diese Darstellung erfordert eine langsame Kontrastmittelgabe mit geringer Flussrate
(z. B. 3 ml Kontrastmittel, 0,1–0,2 ml/s Flussrate, Cone-Beam-CT am Ende der Injektion),
um einen Kontrastmittelreflux zu verhindern und somit korrekte Perfusionsbilder zu
liefern. Andererseits führen ein zu geringer Kontrastmittelfluss und eine falsch gewählte
Injektionsverzögerung schnell zu nicht aussagefähigen Bildern mit unnötiger Strahlenexposition.
Diese Komplexität der 3D-Technik erfordert zwingend eine ausreichende praktische Erfahrung
der Interventionalisten, um die Patientensicherheit in puncto Strahlenschutz und Komplikationsrate
zu optimieren.
Abb. 2 a Die präinterventionelle Magnetresonanztomografie (MRT) liefert wichtige Informationen
über die Größe, die Konfiguration und die Morphologie der zu therapierenden Prostata.
Die MRT ist auch geeignet, um Kontraindikationen für eine PAE, wie z. B. Prostatakarzinome
oder Pathologien der Harnblase, auszuschließen. b Im postinterventionellen MRT kann die Devaskularisation der Prostata gut beurteilt
werden und interventionsassoziierte Komplikationen können ausgeschlossen werden.
Abb. 3 a Die Cone-Beam-Computertomografie (CBCT) mit Kontrastmittelapplikation über den Katheter
in der geplanten Embolisationsposition ermöglicht die prätherapeutische Simulation
und bestätigt eine optimale Position des Mikrokatheters für die selektive Embolisation.
Durch Ausschluss von Kontrastierung außerhalb der Zielregion wird die Sicherheit der
Therapie erhöht. b Die fluoroskopische Kontrolle während der Embolisation dient der Therapiesteuerung
und ist entscheidend für die Bestimmung des Endpunktes der Intervention.
Während die Cone-Beam-CT vor der Embolisation primäre Kollateralen außerhalb der Zielregion
detektiert, dient die Kontrolle während der Embolisation dazu, sekundäre Kollateralen,
die sich durch die geänderte Hämodynamik während der Embolisation eröffnen, rechtzeitig
zu identifizieren [27 ]. Da bei der Parenchymdarstellung in der Regel nur ein begrenzter Bereich des Beckens
dargestellt werden muss, ist die kollimierte Cone-Beam-CT sowohl im Hinblick auf die
Strahlenexposition als auch die Bildqualität der nicht eingeblendeten Cone-Beam-CT
vorzuziehen [28 ]. Bei Verfügbarkeit eines kombinierten Angiografie-CT-Hybrid-Systems kann die Parenchymdarstellung
auch mittels CT erfolgen.
Periinterventionelles Management
Periinterventionell wird eine einmalige Antibiotikaprophylaxe (z. B. Cefazolin 2 g
i. v.) empfohlen [29 ]. Ferner ist ein Blasenkatheter (BK) vorteilhaft, da dieser während der Intervention
als Orientierungspunkt genutzt werden kann und nach der Intervention wegen des Harnverhalt-Risikos
zunächst verbleibt. Er kann längere Eingriffe für den Patienten erträglicher machen,
indem er einen ungehinderten Urinfluss ermöglicht. Durch eine nicht kontrastmittelgefüllte
Harnblase kann die Strahlenexposition vermindert und die Bildqualität verbessert werden.
Intraprozedural ist eine Antikoagulation mit bis zu 5000 IE Heparin zu erwägen. Da
die PAE periprozedural in der Regel schmerzlos wahrgenommen wird, kann sie in Lokalanästhesie
ohne Analgosedierung durchgeführt werden.
Sondierung
Üblicherweise wird für die PAE ein inguinaler Zugang mittels 4F- oder 5F-Schleusen
gewählt; transbrachiale, -radiale und -axilläre Zugänge sind grundsätzlich möglich
[30 ]. Insbesondere der transbrachiale Zugang bietet Vorteile bei der Sondierung der Beckengefäße
und wird von den Patienten sehr gut angenommen. Bei großen Patienten kann die limitierte
Länge der Katheter zu Schwierigkeiten führen [31 ]. Wird ein inguinaler Zugang gewählt, so kann es je nach Anatomie in Einzelfällen,
z. B. wenn das Cross-Over-Manöver anatomisch problematisch ist oder die Katheterlage
instabil ist, notwendig sein, auch die kontralaterale Leiste zu punktieren. Als Diagnostikkatheter
können unterschiedliche Konfigurationen, z. B. SHK-, RIM-, Robertson etc., verwendet
werden. In Koaxialtechnik wird dann die Arteria prostatica der entsprechenden Seite
mithilfe eines Mikrokatheters sondiert. Bei Gefäßspasmen empfiehlt sich die i. a.-Gabe
eines Vasodilatators (z. B. Nitroglycerin 0,2 mg i. a. Einzeldosis). Für die PAE ist
es essenziell, den Mikrokatheter in eine superselektive Position in der A. prostatica
vorzuführen. Kollateralgefäße zur Harnblase, zum Penis, zum Rektum etc. müssen unbedingt
geschont werden. Dies kann durch eine Katheterposition distal des Abgangs dieser Arterien
oder durch eine proximale Schutzembolisation der genannten Arterien mittels Mikrometallspiralen
erfolgen. Wenn möglich, sollte auch die Embolisation der Samenblasen vermieden werden.
Embolisationstechnik
Sobald die selektive Mikrokatheterposition sichergestellt ist, erfolgt die Embolisation
der A. prostatica mit permanenten Embolisationspartikeln einer Größe von 50–500 µm
[32 ]
[33 ]. Hierbei können sowohl Polyvinylalkohol-Partikel (100–300 µm sind üblich) als auch
kalibrierte Mikrosphären (300–500 µm sind üblich) eingesetzt werden [22 ]. Nach erfolgreicher Embolisation einer Seite der Prostata wird schließlich der Vorgang
auf der kontralateralen Seite wiederholt.
Bezüglich der optimalen Partikelgröße gibt es jedoch derzeit keine allgemeine Empfehlung.
Die Effektivität der Embolisation scheint sowohl mit kleinen als auch großen Partikeln
gleichwertig zu sein [34 ]. Allerdings ergeben sich Hinweise, dass bei Verwendung von kleineren Partikeln (100–300 µm)
etwas häufiger unerwünschte Ereignisse auftreten [35 ]. Dies ist in erster Linie durch eine tiefere Penetration der kleineren Partikel
zu erklären, die wohl eine stärkere ischämische und dementsprechend auch eine größere
nekrotische Wirkung nach sich ziehen. Möglicherweise können jedoch auf diese Weise
Rezidive bedingt durch eine Revaskularisation besser vermieden werden. Ziel der Embolisation
ist das Erreichen einer Flussstase in der Prostataarterie in der Angiografie. Um eine
möglichst komplette Embolisation der Prostataarterien zu erzielen, kann u. a. die
sogenannte PEr-FecTED-Technik („Proximal Embolization First, Then Embolize Distal“)
in Erwägung gezogen werden [36 ]. Bei diesem Verfahren werden die Partikel zunächst flussgesteuert aus einem proximalen
Segment der Prostataarterie injiziert. Anschließend, nachdem eine gewisse Flussverlangsamung
eingetreten ist, wird der Mikrokatheter in die intraprostatischen Gefäßsegmente vorgeführt,
um dann aus einer „Wedge-Position“ mit der Injektion der Partikel fortzufahren. Es
wird beschrieben, dass mit dieser Technik 30–50 % mehr Embolisationspartikel eingebracht
werden können [37 ].
Um eine möglichst sichere und effektive Behandlung zu ermöglichen, sind derzeit einzelne
Spezialkatheter in der Erprobung. So soll z. B. ein Mikrokatheter mit einem Okklusionsballon
an der Spitze das Risiko eines Refluxes von Partikeln während der Injektion vermeiden.
Die Okklusion mit dem Ballon soll zudem den Effekt haben, dass distal des Ballons
der Druck absinkt, wodurch eine Flussumkehr in den weiter distal gelegenen (unerwünschten)
Kollateralen erzeugt wird, was wiederum die Gefahr einer ungezielten Embolisation
senkt. Ein anderer Mikrokatheter weist an der Katheterspitze feine Schlitze auf, durch
die nur Kontrastmittel, nicht aber Partikel passieren können. Dadurch sollen während
der Injektion Turbulenzen um die Katheterspitze erzeugt werden, die einen Reflux von
Partikeln verhindern. Aufgrund der sehr limitierten Erfahrung mit den Spezialkathetern
kann hier keine abschließende Empfehlung abgegeben werden [38 ].
Nachsorge
Nach Entfernung des Interventionsmaterials und der Schleuse kann die Punktionsstelle
mittels manueller Kompression über 10–15 Minuten und konsekutiver Anlage eines Druckverbandes
versorgt werden. Nach transfemoralem Zugang ist eine strenge Bettruhe für 4–6 Stunden
empfehlenswert. Der Einsatz von Verschlusssystemen kann die notwendige Zeit der Bettruhe
ggf. reduzieren. Der BK kann prinzipiell am Folgetag entfernt werden. Lediglich bei
präinterventionellem Harnverhalt soll erst nach 14 Tagen ein Auslassversuch unternommen
werden [23 ]. Postinterventionell wird eine antiphlogistische Therapie (z. B. Ibuprofen 400 mg
p. o. 1–1-1 ggf. kombiniert mit einem Protonpumpenhemmer, z. B. Pantoprazol 20 mg
p. o. 1–0-0) für 10 Tage empfohlen. Eine zusätzliche Schmerzmedikation ist in der
Regel nicht notwendig. Die Nachsorge sollte bei allen Patienten durch einen erfahrenen
Urologen, idealerweise im Team mit einem interventionellen Radiologen erfolgen. Insbesondere
die prozedurspezifischen Probleme können vom interventionellen Radiologen besser erkannt
werden. Dabei sollten im Verlauf Komplikationen wie Harnverhalte, Entzündungen oder
ggf. auch Fehlembolisation frühzeitig identifiziert und wenn möglich therapiert werden.
Ist eine postinterventionelle Bildgebung notwendig, so sollte sie bei einem Radiologen
erfolgen, der Erfahrung mit PAE-Patienten hat.
Nebenwirkungen und Komplikationen
Unmittelbar nach dem Eingriff, der prinzipiell schmerzfrei ist, sowie in den ersten
postinterventionellen Tagen kann es zu temporären dysfunktionalen Störungen im Sinne
eines geringgradigen Postembolisationssyndroms (9,4–10,4 %) kommen [29 ]. Diese temporären Beschwerden (Urodynie, Hämaturie, ggf. auch krampfartige Unterbauchschmerzen)
lassen sich in der Regel durch Antiphlogistika bzw. nichtsteroidale Antirheumatika
(NSAR) wie bspw. Ibuprofen (z. B. 400–600 mg 2–3-mal tgl. p. o. kombiniert mit einem
Protonenpumpenhemmer, z. B. Pantoprazol 20 mg p. o. 1–0-0) effektiv kontrollieren.
Eine zusätzliche Schmerzmedikation ist in der Regel nicht notwendig. Da Schmerzen
nach der PAE durch Spasmen mitbedingt sein können, kann eine Kombination aus Spasmolyse
(Parasympatholytikum, z. B. Trospiumchlorid (Spasmex® ) 2-mal 20 mg oral) und Analgesie (Analgetikum, z. B. Metamizol 1–2 g i. v., nach
Bedarf großzügig mit einem schwachwirksamen Opioid wie Tramadol, z. B. 50–100 mg langsam
i. v. intensiviert) durchgeführt werden. Bei starken Schmerzen, die generell sehr
selten auftreten (< 0,01 %), ist das Opioid Piritramid (z. B. 7,5–15 mg langsam i. v.)
geeignet [39 ]. Harnwegsinfekte, meist durch den einliegenden BK induziert, können gelegentlich
auftreten (0,1–1 %) und sollten frühzeitig mit einem Breitbandantibiotikum gegen gramnegative
Bakterien, wie bspw. Cephalosporine der dritten Generation, therapiert werden.
Eine transiente Hämaturie oder Hämatospermie, vermutlich infolge akzidenteller Embolisation
der Samenbläschen oder der Harnblasenhinterwand, ist in der Regel selbstlimitierend
[40 ]
[41 ]. Je nach Ausmaß der Prostataischämie kann es in den Tagen und Wochen nach der PAE
zur Trübung des Urins durch Abgang von nekrotischem Gewebe kommen. Dies kann unter
Umständen zu einer temporären Katheterokklusion führen. Bei Teilnekrose des Mittellappens
ist ein ventilartig bedingter Harnverhalt möglich. Das Auftreten eines transienten
Harnverhalts kurz nach PAE wird in der Literatur mit bis zu 10 % beschrieben [40 ]
[41 ]. Bei Patienten, die ohne BK embolisiert worden sind, wurde über eine höhere Rate
von postinterventionellen Harnverhalten berichtet [23 ].
Die Rate an mittelschweren und schweren Komplikationen ist insgesamt selten. Rektale
Blutungen, Hautdiskoloration und -ulzera im Bereich des Perineums oder Penis sowie
persistierende pelvine Schmerzen weisen auf eine Fehlembolisation hin.
Vor Entlassung oder im kurzfristigen Verlauf kann eine kontrastmittelverstärkte Sonografie
oder MRT zur Dokumentation des Embolisationserfolgs angefertigt werden. Nachsorgeuntersuchungen
(IPSS, IIEF, Uroflowmetrie (Qmax), Restharn, bei besonderem Interesse Pvol, IPP, PUA)
sind nach 1–3 Monaten, 6 Monaten und 12 Monaten sinnvoll. Nach 12 Monaten sind morphologische
Veränderungen nicht mehr zu erwarten, sodass die klinisch-urologische Nachsorge ausreicht.
Als bildgebende Kontrolle ist in der Regel eine Sonografie ausreichend. Der Erfolg
der PAE stellt sich abhängig vom Prostatavolumen mit einer Verzögerung von wenigen
Wochen bis Monaten ein. Die klinische Symptomatik kann sich bis zu einem halben Jahr
nach PAE noch verbessern. Daher sollte eine bereits vorbestehende medikamentöse BPS-Therapie
parallel weitergeführt werden und kann dann entsprechend 1–2 Monate nach PAE abgesetzt
werden.
Andere therapeutische Verfahren für die Behandlung des BPS
Andere therapeutische Verfahren für die Behandlung des BPS
Medikamentöse Therapie
Für die medikamentöse Behandlung der LUTS, die in der Regel die Erstlinientherapie
darstellt, stehen bei BOO (bladder outlet obstruction) seit mehr als 20 Jahren vor
allem selektive α-Blocker, 5-α-Reduktasehemmer (5-α-RI) und neuerdings auch Phosphodiesterase-5-Hemmer
zur Verfügung [13 ]. Bei OAB-Symptomatik (overactive bladder) können Anticholinergika sowie auch der
β3-Adrenozeptor-Agonist Mirabegron eingesetzt werden. Der Markt bietet Kombinationspräparate
der o. g. Medikamente (je nach Hauptmerkmal der LUTS α-Blocker kombiniert mit 5-α-RI
oder mit Anticholinergika).
α-Blocker, wie z. B. Tamsulosin, sind rasch wirksam und verbessern den IPSS um durchschnittlich
6 Punkte, was einem Netto-Nutzen von 1,8 Punkten gegenüber Placebo entspricht (IPSS-Reduktion
um 4,2 Punkte); außerdem nimmt die maximale Harnflussrate zu [31 ]. Prinzipiell sind α-Blocker in ihrer Wirksamkeit limitiert bei stärker „abgeknickten“
intraprostatischen Harnröhren [32 ]. 5-α-RI führen zu einer „Schrumpfung“ der Prostata; dementsprechend zeigt sich eine
Verbesserung gegenüber Placebo nur bei Drüsen > 40 ml und nach mindestens 6–12 Monaten.
Nach 2 bis 4 Jahren findet sich eine IPSS-Verbesserung um 30 %, eine Reduktion des
Prostatavolumens um 18–28 % und eine Qmax-Verbesserung um 1,5–2,0 ml/s. Das Risiko
eines Harnverhalts wird durch 5-α-RI im Vergleich zu Placebo um 57 % gesenkt [33 ]. Phosphodiesterase-5 (PDE-5) -Inhibitoren verbessern den IPSS um 22–37 % und den
Qmax um 0–2,4 ml/s; Langzeitdaten stehen aus.
Mehrere randomisierte Studien zeigen Vorteile für die Kombination aus α-Blocker und
5-α-RI sowohl gegenüber Placebo als auch gegenüber einer Monotherapie, vor allem im
Hinblick auf eine „Progression“ der BPH. So konnte z. B. in der CombaT-Studie für
die gebräuchliche Kombination aus Tamsulosin und Dutasterid eine relative Risikoreduktion
für einen Harnverhalt um 68 %, eine operative BPH-Therapie um 71 % und eine Symptomverschlechterung
um 41 % nach 4 Jahren nachgewiesen werden [42 ]
[43 ].
Typische und für viele Männer belastende Nebenwirkungen der medikamentösen Behandlung
der LUTS sind u. a.:
Müdigkeit, orthostatische Dysregulationen, retrograde und anderweitig abnorme Ejakulationen,
Floppy-iris-Syndrom (IFIS), erhöhtes Demenzrisiko wird diskutiert [35 ]
[36 ] (α-Blocker),
verminderte Libido, Impotenz, Erektionsstörungen, selten Ejakulationsstörungen und
Gynäkomastie in 1–2 % der Patienten (5-α-RI) sowie
Kopfschmerzen, Dyspepsie, Rückenschmerzen und Myalgie sowie Nasenatmungsbehinderung
(PDE-5-Inhibitoren) [44 ].
Insgesamt weisen die eingesetzten Medikamente aber ein günstiges Nebenwirkungsprofil
auf, wobei die Nebenwirkungsrate bei Kombinationstherapie signifikant erhöht ist [43 ].
Operative Therapie
Unter den operativen Therapien der LUTS haben sich traditionell desobstruierende Techniken
etabliert, die das Adenomgewebe entweder partiell oder vollständig entfernen. Grundsätzlich
sind Verfahren der Resektion, der Vaporisation und der Enukleation zu unterscheiden.
Dabei ist die TUR seit vielen Jahren als Goldstandard etabliert und Effektivität bzw.
Sicherheit im Vergleich zu anderen Verfahren durch randomisierte Studien gut belegt.
Aufgrund der komplexen Pathophysiologie existiert in Anbetracht der inzwischen zahlreichen
Therapiealternativen kein universeller Therapiealgorithmus, der ein Verfahren bevorzugt.
Es wird empfohlen, die Behandlung an den Patientenwunsch, die führende Pathologie
und die Komorbiditäten anzupassen.
Trotz der technischen Fortschritte der letzten Jahre sind operative Verfahren immer
noch mit einer relevanten perioperativen Gesamtmorbidität behaftet. Dazu gehören 2–2,9 %
Bluttransfusionen, TUR-Syndrom (0,8 %), Harnverhalt (4,5 %) und Blasentamponaden (4,9 %)
sowie Harnwegsinfekte (4,1 %). Zu den langfristigen Komplikationen zählen erektile
Dysfunktion (6,5 %), Harnröhrenstrikturen (3,8 %) und Harninkontinenz (2,2 %) [44 ]
[45 ]
[46 ]
[47 ]. Obwohl operative Verfahren nach wie vor als Goldstandard gelten und als endgültige
Lösungen gedacht sind, beträgt die Reoperationsrate (re-TUR-P, Urethrotomie, Blasenhalsinzision
wegen Sklerose) nach 1, 5 und 8 Jahren 5,8, 12,3 und 14,7 % [45 ]. Als Operationsfolge kommt es bei ca. 65 % der Patienten zu einer retrograden Ejakulation.
Irritative Symptome können sich im Gefolge einer operativen Therapie zunächst verschlechtern,
am ehesten bedingt durch die Wunde im Bereich der Prostataloge. Der Abheilungsprozess
dauert hier Monate, sodass eine Besserung irritativer Symptome erst im langfristigen
Verlauf erwartet werden kann, was von den Patienten oftmals als belastend empfunden
wird [48 ]
[49 ]. Bei informierten Patienten hat sich eine kritische Haltung gegenüber operativen
Eingriffen entwickelt [45 ]
[47 ]. Seitens der Urologie besteht deshalb eine starke Motivation, komplikationsärmere
Verfahren mit zumindest gleichwertigem Outcome und geringeren Nebenwirkungen zu etablieren.
Die aktuelle Aufmerksamkeit gegenüber den minimalinvasiver Verfahren (Minimal Invasive
Surgical Therapy, MIST) ergibt sich aus den Limitationen der bislang etablierten Therapien,
u. a. aus der begrenzten Effektivität der medikamentösen Therapie sowie dem Nebenwirkungspotenzial
operativer Verfahren [2 ]
[50 ]. MIST können in intraprostatische Injektionen (PRX302, NX-1207), mechanische Verfahren
(Urolift® , iTIND® ) und ablative Techniken (Rezüm® , AquaBeam® ) unterteilt werden. Der komplette Erhalt der sexuellen Funktion, inklusive einer
ungestörten antegraden Ejakulation, ist ein besonderes Anliegen vieler Männer. MIST-Ansätze
weisen aktuell zwar ein geringeres Nebenwirkungsprofil als der operative Goldstandard
TURP auf, die meisten Verfahren sind der TURP hinsichtlich ihrer Effektivität allerdings
noch deutlich unterlegen [45 ]
[46 ]. Es ist urologische Expertenmeinung, dass seit Jahrzehnten existierende Paradigmen
hinsichtlich Therapiealgorithmen („One fits all“; 80 % aller LUTS-Patienten werden
initial mit α-Blockern behandelt; Indikationen für ablative Therapien werden ohne
Kenntnis oder Berücksichtigung einer BOO gestellt) überholt sind und es eines Umdenkens
zugunsten differenzierter Therapiestrategien bedarf, um die Ergebnisse und die Patientenzufriedenheit
zu verbessern [13 ].
Die endovaskuläre PAE, die sich zeitgleich zu den neueren transurethralen MIST-Ansätzen
seit dem Jahr 2000 entwickelt hat, ist unter Berücksichtigung der obengenannten Vorteile
eine alternative Therapieoption [9 ]. Voraussetzung für die korrekte Positionierung der PAE innerhalb des therapeutischen
Algorithmus ist ein offener Umgang mit der PAE. Da die PAE von interventionellen Radiologen
auf Zuweisung von Urologen durchgeführt wird, ist die enge interdisziplinäre Zusammenarbeit
für eine sinnvolle Indikationsstellung vor großer Bedeutung.
Studienlage
Der erste Fallbericht über eine erfolgreiche PAE bei LUTS und BPH im Jahr 2000 hat
dazu geführt, dass von Gao et al. bereits sehr früh eine monozentrische randomisiert-kontrollierte
Studie (RCT) zum Vergleich der PAE gegen die als Goldstandard geltende TURP durchgeführt
worden ist [51 ]. Die 2014 in Radiology veröffentlichten Studiendaten zeigten bei insgesamt 6 gemessenen
urologischen Funktionsparametern in beiden Gruppen einen vergleichbaren Grad an Besserung
nach 12 und 24 Monaten. Allerdings waren sowohl die Komplikationen als auch die geringgradigen
und schweren Nebenwirkungen in der PAE-Gruppe signifikant höher als in der TURP-Gruppe.
In Bezug auf die in dieser RCT berichteten erhöhten peri- und postprozeduralen Komplikationsraten
der PAE muss jedoch berücksichtigt werden, dass im Rekrutierungszeitraum von 2007
bis 2012 die Methode sicherlich technisch noch nicht ausgereift war. Zu einer breiten
klinischen Etablierung der PAE haben der Fallbericht von Carnevale et al. aus dem
Jahr 2009 [10 ] und eine prospektive Fallserie von Pisco et al. aus dem Jahr 2011 beigetragen [52 ]. Inzwischen sind insgesamt 3 RCTs veröffentlicht worden, die die PAE mit der „klassischen“
TURP vergleichen [48 ]
[51 ]
[53 ]. Bei allen 3 RCTs handelt es sich um monozentrische Studien mit einer nur begrenzten
Patientenanzahl. Die Ergebnisse dieser 3 RCTs, einer britischen Registerstudie und
einer prospektiven Fall-Kontroll-Studie, ausgewertet mit der „Propensity Score Matching“-Methode
(UK-ROPE trial), sind in einer aktuellen Metaanalyse von Zumstein et al. aus dem Jahr
2018 zusammengefasst worden [54 ]
[55 ]
[56 ]. Hier zeigt sich nach aktueller Studienlage, dass der Einfluss auf den Schweregrad
von LUTS, gemessen mit dem IPSS-Fragebogen, bei der PAE im Vergleich zum chirurgischen
Standardverfahren signifikant geringer ist (mediane Differenz 3,8 Punkte; 95 %-Konfidenzintervall
(KI) 2,77–4,83; p > 0,001). Auch hinsichtlich der funktionellen Parameter war die
PAE dem chirurgischen Verfahren in der Metaanalyse unterlegen.
Die UK-ROPE-Registerstudie berichtete anhand von 315 Patienten, welche entweder eine
PAE oder eine TURP erhalten hatten, dass bei der PAE nur minimale peri- und postinterventionelle
Komplikationen auftreten und die PAE somit eine nutzbringende therapeutische Option
zwischen oraler Medikation (z. B. 5-Alpha-Reduktasehemmer) und Operation darstellt
[56 ].
Die allgemeine Effektivität und Sicherheit der PAE ist in prospektiven und retrospektiven
Anwendungsbeobachtungen insbesondere aus Zentren, die dieses Verfahren inzwischen
in der klinischen Routine anbieten, mittlerweile umfänglich beschrieben worden [57 ]
[58 ]
[59 ]
[60 ]
[61 ]
[62 ]. In einem aktuellen systematischen Review mit Metaanalyse von Malling et al. ist
die Wirksamkeit und Sicherheit der PAE anhand von kumulativ 1254 Patienten aus 13
Studien zusammengefasst und analysiert worden [63 ]. Es konnte gezeigt werden, dass sich der IPSS nach 12 Monaten post PAE um durchschnittlich
67 % deutlich verringert hat; die Verbesserung der Symptomatik betrug im Median 16,2
Punkte (95 %-KI 18,3–14,0); in gleicher Weise hat sich auch die Lebensqualität um
3 Punkte verbessert (95 %-KI -3,7--2,3). Major-Komplikationen sind insgesamt äußerst
selten. Auch bezüglich der funktionellen Parameter wie Prostatavolumen (PV), Restharn
und maximale Harnflussrate (Qmax) zeigte sich eine statistisch signifikante Verbesserung
im Vergleich zum Ausgangswert vor PAE. Diese funktionelle Verbesserung ist mit bis
zu 3 Jahren Nachbeobachtungszeit dokumentiert. Langzeitergebnisse über 6 Jahre liegen
bisher nur aus einer retrospektiven Beobachtungsstudie von Pisco et al. vor [64 ]. Von insgesamt 630 konsekutiv nachverfolgten Patienten ist bisher bei einem kleinen
Teilkollektiv von 36 Männern ein klinischer Erfolg der PAE von 76,3 % (95 %-KI 68,6 %-82,4 %)
nach 6 Jahren berichtet worden. Der klinische Erfolg war hier definiert als eine Verbesserung
der LUTS-Symptomatik (IPSS ≤ 15 Punkte und min. 25 % Erniedrigung im Vergleich zum
Ausgangswert vor PAE) und eine Verbesserung der Lebensqualität (QoL-Score ≤ 3 Punkte
oder eine Verminderung um 1 Punktwert zum Ausgangswert) ohne zusätzliche Medikation
oder chirurgische Intervention zur Behandlung der BPH.
Im deutschsprachigen Raum existiert bereits ein erster HTA (Health Technology Assessment)
-Bericht aus Österreich [65 ]. In diesem Bericht aus dem Jahr 2017 wurde die Evidenzlage zur Abschätzung der Sicherheit
und Wirksamkeit der PAE noch als niedrig bewertet. Darüber hinaus wird konstatiert,
dass die verfügbaren RCTs über widersprüchliche Ergebnisse hinsichtlich der Wirksamkeitsendpunkte
und unerwünschter Ereignisse berichten. Es wurde festgehalten, dass bei der PAE in
allen Studien eine geringe Rate schwerwiegender Nebenwirkungen, wie z. B. Blasenwandischämien,
berichtetet worden ist. Die vorliegende Evidenz reicht aktuell noch nicht aus zu belegen,
dass die PAE bei Patienten mit mäßigen bis schweren LUTS eine gleiche Wirksamkeit
wie die TURP oder offene Adenomektomie aufweist. Im HTA-Bericht wird eine Neubewertung
des PAE-Verfahrens vorgeschlagen sobald die Datenlage sich verbessert hat und insbesondere
Ergebnisse aus weiteren RCTs vorliegen
Die bisher publizierten Metaanalysen und Vergleiche zwischen der PAE und TURP weisen
verschiedene strukturelle Defizite auf, die der inkonsistenten Datenlage geschuldet
sind. Das führt dazu, dass Daten mit sehr unterschiedlichen Techniken der PAE zusammengeführt
werden. Die Prostataarchitektur findet oft wenig Beachtung, wobei es durchaus als
relevant betrachtet wird, wie Patienten mit und ohne Mittellappen der Prostata auf
verschiedene Therapien ansprechen. Die LUTS-Symptome werden oft als Gesamtwert des
IPSS angegeben ohne Unterteilung in Speicherungs- und Entleerungssymptome (IPSS-SS
und -VS). Es ist jedoch hinreichend belegt, dass die einzelnen Symptome des unteren
Harntraktes hinsichtlich der Beeinträchtigung des Wohlbefindens nicht gleichwertig
sind. In einer Rangordnung der Symptomatik sind der Harndrang und die Nykturie, beides
irritative Speichersymptome, die klar klinisch führenden Symptome. Der schwache Harnstrahl
belegt in dieser Rangordnung den letzten Platz [15 ]. Wertet man nur den Gesamtscore IPSS aus, so kann man keine Rückschlüsse ziehen
ob für den Patienten relevante (Drang und Nykturie) oder eher irrelevante (Qmax) Parameter
verbessert worden sind.
Neuere urologische Studien haben die Therapiepräferenzen der betroffenen Männer evaluiert
und liefern ein differenziertes Bild: die Nykturie wird in großen Kohortenstudien
als belastender empfunden als die Beschwerden tagsüber [16 ]
[17 ]
[18 ]. Unter BPS leidende Männer sind bereit, die höchsten Therapiekosten für die Behandlung
des Harndrangs und der Nykturie zu investieren. Interessant ist, dass die Männer Therapiekosten
in derselben Höhe sonst nur für den Erektions- und Ejakulationserhalt in Kauf nehmen
[66 ]. Minimalinvasive operative Verfahren der BPS wurden teilweise entwickelt, um die
Sexualfunktion möglichst zu erhalten (z. B. Urolift® , Rezüm® , AquaBeam® ). Analog zu der PAE haben diese Verfahren, mit Ausnahme der Aquaablation, einen geringeren
desobstruktiven Effekt als die Resektion [45 ]
[46 ]
[67 ]
[68 ].
Eine aktuelle Studie aus St. Gallen soll wegen der eingehenden Analyse der Daten exemplarisch
hervorgehoben werden. In dieser randomisierten Nichtunterlegenheitsstudie von Abt
und Kollegen wurden die Symptome des unteren Harntraktes einzeln in Bezug auf Nichtunterlegenheit
der PAE gegenüber TURP ausgewertet. Hier zeigte sich keine signifikante Überlegenheit
bzgl. der Primärvariable IPSS sowie der subjektiven Sekundärvariablen (u. a. Nykturie,
erektiler Funktionsindex), während die funktionellen Parameter 12 Wochen nach TURP
günstiger, die Nebenwirkungen aber nach PAE geringer und weniger ausgeprägt waren
[48 ]
[49 ]. Für zukünftige, aussagekräftige Studien ist somit ein differenzierter Umgang mit
den Symptomen des unteren Harntraktes erforderlich.
Inwiefern sich die PAE auch mit anderen urologisch-operativen Verfahren, wie z. B.
der Thulium-Laser-Enukleation (THuLEP), der transurethralen Nadelablation (TUNA),
der transurethralen Mikrowellentherapie (TUMT) oder der GreenLight-Laser-Vaporisation,
messen lassen muss, bleibt fraglich [69 ]
[70 ]
[71 ].
Wirtschaftlichkeit der PAE
Wirtschaftlichkeit der PAE
Die PAE wird seit dem Jahr 2000 durchgeführt und ist im stationären Bereich zum Zeitpunkt
der Veröffentlichung dieses Positionspapiers im deutschen Diagnosis-Related-Groups
(G-DRG)-System für Patienten der gesetzlichen Krankenversicherungen abgebildet:
Unter der ICD-10-GM Hauptdiagnose „Prostatahyperplasie“ (N40) kann die PAE verschlüsselt
werden (International Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems;
German Modification). Für die PAE liegt noch keine spezifische diagnosebezogene G-DRG-Fallgruppierung
vor, sie kann allerdings in der DRG M06Z eingruppiert werden. Hierbei handelt es sich
um „andere OR-Prozeduren an den männlichen Geschlechtsorganen oder Stanzbiopsie an
der Prostata“. OR-Prozeduren sind definiert als signifikante Eingriffe. Für das Kalenderjahr
2019 beträgt das Relativgewicht für die DRG M06Z 0,882. Unter Zugrundelegung des Bundesbasisfallwertes
(BBFW) für 2019 (3544,97 €) beläuft sich der Erlös einer Behandlung in der DRG M06Z
somit auf 3126,66 €, variiert jedoch gemäß der verschiedenen Landesbasisfallwerte
(LBFW) von Bundesland zu Bundesland. Zur Erlangung des vollen Erlöses ist die untere
Grenzverweildauer (uGVD) zu beachten, die aktuell für die PAE bei einem Belegungstag,
d. h. 2 Nächten, liegt und häufig beanstandet wird. Wird die uGVD unterschritten,
ist der Eingriff nicht mehr kostendeckend. Dies liegt daran, dass bei der Durchführung
der PAE in einem stationären Setting eine Kostenkalkulation zugrunde liegt, die Personalkosten,
Materialkosten und den sogenannten Overhead zur Kalkulation der nicht prozedurbezogenen
Aufwendungen umfasst. Dabei ist im Rahmen der Personalkosten zu berücksichtigen, dass
zum einen bereits Personalkosten im Rahmen der vorstationären Untersuchungen und Aufklärung
anfallen, und zum anderen die Prozedurdauer stark variieren kann. Sowohl bei der Dauer
der Prozedur, aber auch bei der Sicherheit ist eine hohe Expertise des interventionell
tätigen Radiologen gefordert. Dies findet bei der Vergütung der PAE für stationäre
Patienten bisher keine Berücksichtigung. Daher sollte der PAE zeitnah eine eigene
DRG zugeschrieben werden, um damit das Verfahren so abzubilden, dass dieses wirtschaftlich
kostendeckend durchgeführt werden könnte.
Bei der Abschätzung der Wirtschaftlichkeit der PAE für eine Klinik ist neben einer
Kostenrechnung auch die Prüfquote des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK)
bei der Behandlung der gutartigen Vergrößerung der Prostata zu berücksichtigen. Aktuelle
Einwände des MDK setzen vor allem bei der Verweildauer an. Für die Argumentation ist
es wichtig zu betonen, dass die Patienten zur PAE im Schnitt älter sind und dass bei
der PAE ein komplettes parenchymatöses Organ embolisiert wird. Dies begründet eine
gute Vorbereitung und eine engmaschige postinterventionelle Betreuung, um Komplikationen
wie einen akuten Harnverhalt (ca. 8 %) frühzeitig erkennen zu können und ein gutes
Gesamtergebnis zu sichern. Bei Nichtanerkennung der unteren Grenzverweildauer (uGVD)
im Krankenhaus ist mit relevanten Abschlägen auf die DRG zu rechnen.
Zusammenfassung
Die endovaskuläre PAE ist für die Behandlung des BPS im Vergleich zur TURP eine Therapiealternative
mit vergleichbarer Symptomverbesserung, aber gemessen an Harnfluss und Restharn geringerer
subvesikaler Desobstruktion. Sie wurde vom britischen National Institute for Health
and Care Excellence (NICE) erst vor kurzem als Therapieoption zur Behandlung der BPS
empfohlen [54 ]
[56 ]
[72 ]
[73 ]. Die PAE ist aus der Sicht der Patienten eine minimalinvasive, wenig belastende
und die Sexualfunktion erhaltende Therapie des BPS, die gegebenenfalls später notwendige
chirurgische Therapien nicht negativ beeinflusst und in Lokalanästhesie durchgeführt
wird. Aus Perspektive des interventionellen Radiologen handelt es sich um ein technisch
anspruchsvolles Verfahren, dessen Komplexität hohe Anforderungen an die anatomischen
Kenntnisse, die technische Fertigkeiten und die Geräteausstattung stellt. Umfassende
Erfahrungen des interventionellen Radiologen in der Embolisationstherapie sind erforderlich.
Die Bildsteuerung mittels einer hochauflösenden Angiografie-Anlage kombiniert mit
der Möglichkeit der C-Arm-CT sind vorteilhaft und als notwendiger Sicherheitsstandard
für die Durchführung der PAE zu fordern. Wie die PAE die urologischen Therapien am
sinnvollsten ergänzt, müssen weitere vergleichende randomisierte Head-to-Head -Studien zeigen. Die PAE hat bei den individualisierten minimalinvasiven Konzepten
zur BPS-Therapie ihren Stellenwert [25 ]. Für die optimale Versorgung der mittels PAE behandelten Patienten ist die enge
interdisziplinäre Zusammenarbeit zwischen Urologen und Radiologen erforderlich.