Transfusionsmedizin 2020; 10(03): 132-133
DOI: 10.1055/a-1193-5730
Aktuell referiert

SARS-CoV-2: Virusreplikation im oberen Respirationstrakt

Wölfel R. et al.
Virological assessment of hospitalized patients with COVID-19.

Nature 2020;
581: 465 -469
 

    In Zusammenhang mit der Notwendigkeit weiterer Informationsgewinnung zu Virusreplikation, -immunität und -infektiosität von SARS-CoV-2 in verschiedenen Bereichen des Körpers berichten Wölfel et al. über 9 detaillierte Virusanalysen bei an COVID-19 erkrankten Patienten, welche unter anderem den Nachweis aktiver Virusreplikation im Bereich des oberen Respirationstraktes erbringen. Die Infektion erfolgte jeweils durch engen Kontakt zu einem Indexfall.


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    Die Diagnose wurde durch eine RT-PCR von Mund- oder Nasenabstrichen bestätigt. Diese wurden während des stationären Aufenthalts bei allen Patienten wiederholt abgenommen. Zwischen Abstrichen aus dem Mund oder aus der Nase ließen sich keine Unterschiede in Viruslast oder Detektionsrate ausmachen. Die ersten Abstriche erfolgten an Tag 1 des Auftretens klinischer Symptome. Alle entnommenen Abstriche von Tag 1 bis Tag 5 waren positiv. Die durchschnittliche Virus-RNA-Last war 6,76 × 105 Kopien/Tupfer bis Tag 5. Die maximale Menge waren 7,11 × 108 Kopien/Tupfer. Die Abstriche, welche nach Tag 5 gemacht wurden, wiesen eine durchschnittliche Viruslast von 3,44 × 105 Kopien/Tupfer auf sowie eine Detektionsrate von 39,93%. Der letzte positiv getestete Abstrich war an Tag 28 nach Symptombeginn entnommen worden. Die durchschnittliche Viruslast im Sputum war 7,00 × 106 Kopien/ml mit einem Maximum bei 2,35 × 109 Kopien/ml. Keine der 27 Urin- oder 31 Serumproben konnten auf RNA von SARS-CoV-2 positiv getestet werden. Der klinische Krankheitsverlauf war jeweils mild.

    Zum weiteren Verständnis der Infektiosität wurden Virusisolate zu mehreren Zeitpunkten aus den klinischen Proben entnommen. Während in der 1. Krankheitswoche reichlich Virus aus zahlreichen Proben isoliert werden konnte (16,66% der Abstriche und 83,33% der Sputumproben), konnten nach Tag 8 trotz weiterhin hoher Viruslast keine Isolate mehr gewonnen werden. Eine Virusisolation aus Stuhlproben gelang zu keinem Zeitpunkt, unabhängig von viraler RNA-Konzentration. Aus Proben, welche < 106 Kopien/ml oder Kopien/Abstrich enthielten, ließ sich jeweils ebenso kein Virusisolat gewinnen.

    Eine hohe Viruslast und eine erfolgreiche Virusisolation bei früh im Krankheitsverlauf gewonnenen Rachenabstrichen legen eine potenzielle Virusreplikation im Bereich des oberen Respirationstraktes nahe, so die Autoren. Während der Studiendauer wurden von allen Patienten vollständige Virusgenome sequenziert. Der Nachweis viraler subgenomischer mRNA und separater Genotypen in Rachenabstrichen und Sputumproben unterstreicht die unabhängige Virusreplikation im Rachen. Vier von 9 Patienten berichteten über einen Verlust von Geschmacks- und Geruchssinn. Dieser Verlust wurde als stärker und länger anhaltend als bei üblichen Erkältungskrankheiten beschrieben und weist ebenso auf eine Infektion im Bereich der oberen Atemwege hin.

    Eine Serokonversion trat nach 7 Tagen bei 50% und nach 14 Tagen bei allen Patienten auf, wurde aber nicht gefolgt von einem schnellen Abfall der Viruslast. Alle Patienten wiesen neutralisierende Antikörper auf, deren Titer keine enge Korrelation mit den klinischen Verläufen zeigten. Ergebnisse des differenzialrekombinanten Immunofluoreszenz-Assays wiesen bei mehreren Patienten auf eine Kreuzreaktivität/Kreuzstimulation gegenüber 4 endemischen humanen Coronaviren hin.

    Zusammenfassend zeigt SARS-CoV-2 eine effizientere Transmission als SARS-CoV, indem ein aktives pharyngeales virales Shedding (Freisetzung der Viren aus der Wirtszelle nach erfolgreicher Replikation) zu einem Zeitpunkt besteht, an dem die Symptome noch mild sind und einer typischen Infektion des oberen Respirationstraktes gleichen. Nach Fortschreiten der Erkrankung ähnelt COVID-19 SARS in Bezug auf eine Replikation in den tiefen Atemwegen. Die Kombination von sehr hohen Konzentrationen von Virus-RNA und der vereinzelte Nachweis von Zellen im Stuhl, welche subgenomische mRNA enthalten, weisen auf eine aktive Replikation auch im Gastrointestinaltrakt hin.

    Fazit

    COVID-19 kann als milde Erkrankung des oberen Respirationstraktes auftreten. Die Bestätigung einer aktiven Virusreplikation im oberen Respirationstrakt hat Auswirkungen auf die Eindämmung von COVID-19. Zukünftige Studien, welche auch schwer erkrankte Patienten beinhalten, sollten die prognostische Bedeutung einer Zunahme der Viruslast nach Ende der 1. Krankheitswoche untersuchen, welche möglicherweise eine Verschlechterung der Symptome anzeigt, so die Autoren.


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    Dr. Birgit Gappa, Penzberg


    Publication History

    Article published online:
    25 August 2020

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