1 Einführung
Die seit Anfang des Jahres weltweit grassierende COVID-19-Pandemie hat in ihrer ersten
Erkrankungswelle die Gesundheitssysteme der meisten Länder unvorbereitet getroffen
und in vielfacher Hinsicht überfordert. Noch ist nicht endgültig abschätzbar, wie
hoch die Letalität der Erkrankung und der Anteil der dauerhaft gesundheitlich beeinträchtigten
Betroffenen ist. Es ist davon auszugehen, dass die Pandemie erst zum Stillstand kommt,
wenn die Mehrheit der Bevölkerung infiziert war (im Sinne einer Herdenimmunität) oder
weltweit ein wirksamer Impfstoff zur Verfügung steht.
Die in Deutschland vorhandenen stationären pneumologischen Reha-Kapazitäten bieten
in dieser Krise in mehrfacher Hinsicht Chancen, die medizinische Versorgung der Betroffenen
zu unterstützen und langfristig zu verbessern. Schon in der ersten Infektionswelle
hat sich gezeigt, dass regional teilweise ein erheblicher Verlegungsdruck der Akuthäuser
u. a. auch für noch schwer beeinträchtigte Patienten nach COVID-19 besteht. Um die
Versorgungskapazitäten im Akutbereich zu erweitern, wurden im Frühjahr 2020 bereits
in einigen Bundesländern pneumologische Reha-Kliniken kurzfristig zu Entlastungs-
bzw. Hilfskrankenhäusern ernannt, bei gleichzeitiger Sperrung bzw. Reduktion des normalen
Reha-Betriebs. Für die früh verlegten COVID-19-Patienten bedeutet das in der Praxis,
dass bei noch vorliegenden erheblichen Einschränkungen, die eine Entlassung nach Hause
oder in eine Anschlussheilbehandlung (AHB) nicht zulassen, in diesen als Entlastungskrankenhäusern
eingesetzten Reha-Kliniken verstärkt auch frührehabilitative Maßnahmen durchgeführt
werden konnten und auch mussten.
Auch die nach stationärer Behandlung gesundheitlich bereits wieder stabileren COVID-19-Patienten
zeigen vielfältige relevante körperliche und z. T. auch psychische Folgeerscheinungen
der Erkrankung [1], der damit verbundenen Komplikationen sowie der intensivmedizinischen Therapie.
Da die Lungenbeteiligung bei vielen Erkrankten im Vordergrund steht, fällt der pneumologischen
Rehabilitation bei der COVID-19-Rehabilitation eine wichtige Rolle zu. Für diese Betroffenen
braucht es ein nach dem Ausmaß der Krankheitsfolgen, der Aktivitätseinschränkungen
und der Teilhabestörungen differenziertes Stufenkonzept einer umfassenden multimodalen
und interdisziplinären pneumologischen Rehabilitation. Das Setting wird bis auf Weiteres
notwendigerweise überwiegend ein stationäres sein [2], zum einen aufgrund fehlender ambulanter Strukturen und zum anderen bzgl. der erforderlichen,
permanenten internistisch-pneumologischen Supervision aufgrund der Komplexität der
Krankheitsfolgen. Aber auch stationäre Rehabilitation kann derzeit nur unter erheblichen
Einschränkungen (deutlich reduzierte Patientenzahlen, personalintensive Betreuung,
hohe hygienische Aufwände durchgeführt werden.
Ein großer Teil der Reha-Kliniken sollte in der Lage sein, eine in vielen Fällen zu
erwartende belastungsabhängige Sauerstoffunterversorgung durch entsprechende Tests
zu erfassen und eine O2-Substitutionstherapie einzuleiten, um Zustand und Leistungsfähigkeit der Patienten
wieder zu verbessern. In einigen pneumologischen Reha-Kliniken findet sich zudem eine
ausreichende Expertise, um z. B. eine zum Zwecke des Weanings begonnene nicht invasive
Beatmung (NIV) fortzuführen und darüber eine Stabilisierung zu erzielen. Es wird genau
zu beachten sein, dass man rehabilitationsbedürftige Patienten in eine für sie geeignete,
von Pneumologen geleitete Institution überweist, die den zu lösenden klinischen Fragestellungen
gerecht werden kann. Dies wird oft nicht die nächstgelegene Klinik sein. Natürlich
werden dabei Langzeitbeatmete eine andere Nachsorgeintensität benötigen als Patienten,
die „nur“ unter akuter Dyspnoe mit Sauerstoffpflichtigkeit gelitten haben. Der deutlich
höhere Aufwand der Leistungserbringer muss zwingend in den Pflegesätzen abgebildet
werden, um ein qualitativ hochwertiges Therapieangebot sicherzustellen, das durch
die Einschränkungen der vergangenen Monate erheblich gefährdet ist.
2 Verlauf, Schweregrad sowie gesundheitliche Folgen von COVID-19
2 Verlauf, Schweregrad sowie gesundheitliche Folgen von COVID-19
Die bisherigen Bewertungen der Schwere, Letalität und des Verlaufs von COVID-19 stützen
sich auf Zahlen bei mittels PCR diagnostizierten Fällen und berücksichtigen weder
die nicht diagnostizierten noch die nicht im Meldesystem erfassten Fälle. Nach bisherigen
Schätzungen könnte die Zahl der tatsächlich Infizierten 3- bis über 10-fach höher
liegen. In Deutschland werden 8 bis 10 % der diagnostizierten Betroffenen stationär
behandelt, davon wiederum 8 % intensivmedizinisch [3]. Nach Zahlen der DIVI liegt der Anteil der beatmeten COVID-19-Patienten bei 64 %
der Intensivpatienten, bisher verstarben 27 % der intensivmedizinisch behandelten
COVID-19-Patienten (DIVI-Intensivregister-Report Stand 26. 05. 2020).
Für den Schweregrad von COVID-19 werden nach Robert-Koch-Institut unterschieden [4]:
-
Milde Verläufe: grippeähnliche Symptome (Husten, Fieber)
-
Moderate Verläufe: Pneumonie ohne Notwendigkeit der Hospitalisierung
-
Schwere Verläufe: hospitalisierte Fälle
-
Kritische Verläufe: intensivpflichtig und Todesfälle
Im internationalen Vergleich weichen die Einschätzungen der Krankheitsschwere zum
Teil erheblich voneinander ab, da sich Falldefinitionen und Bezugsgrößen für die Berechnung
des Anteils schwerer und kritischer Verläufe erheblich unterscheiden [5]. Auch die ersten größeren Fallserien aus China weisen große Unterschiede bei den
Zahlen zum Anteil der beatmeten und verstorbenen Patienten auf. In einem Vergleich
der ersten chinesischen Daten mit deutschen Pneumonie-Daten aus den Grippewellen 2015 – 2019
(ICOSARI-Sentinel) kommt das RKI zu dem Schluss, dass der Anteil beatmungspflichtiger
COVID-19-Patienten im Vergleich zu saisonalen Grippewellen deutlich höher liegt, diese
„eher jünger sein können, sehr viel länger beatmet werden müssen und nicht unbedingt
an Grunderkrankungen leiden“ [5].
COVID-19 führt bei hoch variablem Krankheitsverlauf neben den zumeist führenden Lungenveränderungen
zu zahlreichen weiteren Organschädigungen [6]. Das Schädigungsmuster kann u. a. neben der Lunge auch Herz, Nieren, Nervensystem,
Gefäßsystem, Muskulatur und Psyche betreffen [7]
[8]
[9]. Die längerfristigen Folgen und Einschränkungen sind bisher noch weitestgehend unbekannt.
Nach der SARS-1-Pandemie 2002/2003 wurden bei Infizierten nachhaltige Beeinträchtigungen
von Lungenfunktion, von Muskelkraft, Schmerzen, Erschöpfungssyndrom, Depressionen,
Angstzustände, berufliche Probleme und verminderte Lebensqualität nachgewiesen [10]
[11]. Im Rahmen der SARS-1-Epidemie durchgeführte computertomografische Untersuchungen
des Thorax zeigten bei 62 % der Patienten, dass in der Bildgebung retikuläre fibrotische
Veränderungen („patchy fibrosis“) nachweisbar waren [12]. Die Lungenfunktionsuntersuchungen zeigten bei 20 % der SARS-1-Fälle ein restriktives
Muster. Weiter wurde beschrieben, dass ein hoher Anteil der Patienten in der Rehabilitationsphase
eine deutliche Leistungseinschränkung aufwies. 41 % hatten eine verminderte maximale
Sauerstoffaufnahme. Auch im 6-Minuten-Gehtest zeigten 75 % der untersuchten Patienten
eine Verminderung der Gehstrecke um 2 Standardabweichungen.
Bei der aktuellen COVID-Infektion wird zudem spekuliert, dass auch eine deutliche
Beeinträchtigung der Atemmuskulatur auftreten kann [13]. Insgesamt kommt es nach den bisherigen Verlaufsbeobachtungen von COVID-19 neben
der führenden Lungenmanifestation häufig zu kardialen, thromboembolischen [14], nephrologischen und neurologischen Problemen mit daraus resultierenden Krankheitsfolgen,
die in der Rehabilitation zu berücksichtigen sind.
Aktuell existieren keine Studien, welche die Langzeitfolgen für die gesundheitsbezogene
Lebensqualität und das psychische Befinden als Folge von COVID-19 untersuchen. Es
lassen sich aber einige Schlussfolgerungen aus Untersuchungen anderer Patientengruppen
ableiten. Erfahrungen mit SARS-1- und MERS-Überlebenden zeigen, dass ca. 1/3 der Patienten
ein halbes Jahr nach überstandener Erkrankung unter PTBS-Symptomen, Depressivität
und Angststörungen leidet [15]. Vergleichbare psychische Folgeerscheinungen sind auch für Patienten mit ARDS und
Langzeitbeatmung, die aus anderen Gründen erfolgte, dokumentiert [16]. Weitere häufige Folgeerscheinungen nach Langzeitbeatmung bei ARDS sind Critical
Illness Polyneuropathie und -Myopathie (CIP und CIM), die zu Problemen bei der Beatmungsentwöhnung
und Mobilisation und auch zu längerfristigen Beeinträchtigungen der Lebensqualität
durch Schmerzen, andere Missempfindungen, körperliche Schwäche, autonome Dysfunktionen
(Schluckstörungen, Inkontinenz) sowie psychische und kognitive Folgeerscheinungen
führen können.
3 Indikation für eine pneumologische Rehabilitation bei COVID-19
3 Indikation für eine pneumologische Rehabilitation bei COVID-19
Bisher gibt es aufgrund der kurzen Pandemiedauer wenig gesicherte Erkenntnisse zu
Häufigkeit und Schweregrad der Folgen von COVID-19. Erste Einschätzungen dazu stützen
sich auf Beobachtungen der frühen Phase der Pandemie v. a. in China und Italien sowie
aus Erfahrungen bei SARS-1, MERS oder anderen Patientengruppen, die z. B. wegen einer
Sepsis mit ARDS länger beatmet werden mussten [2].
Bei den intensivmedizinisch betreuten Patienten, die zu einem größeren Anteil invasiv
beatmet werden müssen mit einer durchschnittlichen Beatmungsdauer von über 2 Wochen,
besteht grundsätzlich eine Indikation zur Durchführung einer Anschlussrehabilitation/Anschlussheilbehandlung
(AR/AHB).
Dabei können mindestens 3 Aufnahmearten unterschieden werden:
-
AHB als Direktverlegung aus dem Akutkrankenhaus
-
AHB nach vorübergehender häuslicher Entlassung
-
Rehabilitation nach Wochen oder Monaten der akuten COVID-19-Phase
Die AHB bedeutet bei frühzeitiger Verlegung, dass die Betroffenen intensive pflegerische
und therapeutische Unterstützung benötigen. Der Verlauf kann noch komplikationsbehaftet
sein mit der Notwendigkeit einer Rückverlegung in den Akutbereich. Intensivmedizinisch
betreute COVID-19-Patienten weisen bei Entlassung sehr häufig noch Restinfiltrate
und/oder möglicherweise bleibende fibrosierende/interstitielle Veränderungen mit Störungen
des Gasaustausches auf. Eine engmaschige Verlaufsbeobachtung mittels Funktionsdiagnostik
und Bildgebung dieser Veränderungen insbesondere unter dem Aspekt der daraus resultierenden
funktionellen Einschränkungen ist erforderlich.
Teilweise besteht nach überstandener Erkrankung eine ausgeprägte respiratorische Insuffizienz
mit Notwendigkeit einer Sauerstofftherapie und/oder nicht invasiver Beatmung (NIV),
insbesondere bei schon vorbestehenden pulmonalen Erkrankungen.
COVID-19 hat zudem eine hohe Inzidenz extrapulmonaler Komplikationen, v. a. kardialer
und thromboembolischer Ereignisse. Dies unterstreicht noch einmal die Notwendigkeit
eines stationären Reha-Settings unter permanenter ärztlicher Supervision.
Bei den langen Beatmungszeiten von im Mittel 16 Tagen muss mit weiteren Komplikationen
gerechnet werden: Critical Illness-Polyneuropathie und -Myopathie, Dysphagie, zu versorgende
Dekubiti mit Wundheilungsstörungen, Nachweis multiresistenter Keime sowie kognitive
und psychische Folgen. Dies erfordert den multimodalen Ansatz der stationären Reha
unter Einbezug aller therapeutischer Berufsgruppen (Pflege, Physiotherapie, Sporttherapeuten,
Psychotherapeuten, Sozialarbeiter, Ernährungsberater und Ergotherapeuten). Neben den
allgemeinen Kriterien einer Reha-Fähigkeit (u. a. nicht gegeben bei Pflegegrad 3 oder
4) müssen die in [Tab. 1] aufgeführten Kriterien gewährleistet sein. Bei schweren Verlaufsformen sollte vor
Verlegung eine telefonische Rücksprache zwischen zuweisendem Akutkrankenhaus und der
Rehabilitationsklinik erfolgen.
Tab. 1
Kriterien für Reha-Fähigkeit nach überstandener COVID-19 (in Anlehnung an Empfehlungen
von Carda et al. [17] und des Robert-Koch-Instituts [Stand: 25. 05. 2020]).
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Die COVID-19 bedingte Akutsymptomatik sollte vor Verlegung mindestens 2 Tage abgeklungen
sein.
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Die respiratorische[1] und Kreislauf-Situation[2] sollten so stabil sein, dass Rückverlegungen in den Akutbereich nicht absehbar sind.
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Es sollten keine Direktverlegungen aus dem Intensivbereich in die Reha erfolgen.
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Um sicherzustellen, dass keine Infektiosität mehr besteht, sollte die PCR (die im
Akutkrankenhaus zu erfolgen hat) in 2 zeitgleich durchgeführten Abstrichen (oropharyngeal
und nasopharyngeal) ein negatives Testergebnis liefern. Das konkrete diagnostische
Vorgehen sollte nach den aktuellen RKI-Kriterien ausgerichtet werden.
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1 ausreichende Oxygenierung (PaO2 ≥ 60 mmHg in Ruhe), ggf. unter O2-Zufuhr, keine persistierende (während COVID-19 neu aufgetretene) ventilatorische
Insuffizienz
2 keine dekompensierte Herzinsuffizienz
4 Strukturelle Anforderungen an die Rehabilitation
4 Strukturelle Anforderungen an die Rehabilitation
Bei der Behandlung von Patienten nach überstandener COVID-19-Akutphase mit negativer
PCR sind nachfolgende Aspekte zu den Anforderungen an die Rehabilitationseinrichtung
zu bedenken.
4.1 Diagnostisches Assessment
4.1.1 Komplette pneumologische Funktionsdiagnostik
Um das Ausmaß der pulmonalen Funktionseinschränkung zu erfassen, sind folgende Untersuchungen
notwendig: Bodyplethysmografie, Messung der Diffusionskapazität (DLCO), Messung der
O2-Sättigung und Blutgasanalyse zur Diagnostik des Gasaustauschs und der ventilatorischen
Funktion (ggf. Kapnometrie und/oder Polygrafie bei Komorbiditäten (wie z. B. COPD,
OHS, OSAS) zum Ausschluss einer Hyperkapnie).
4.1.2 Internistische Diagnostik
Aufgrund der internistischen Komorbiditäten muss die Möglichkeit zur notfallmäßigen
Labordiagnostik gegeben sein (z. B. POC für CRP, pro-BNP, D-Dimere, Troponin, Kreatinin,
Elektrolyte, Hb). Röntgen der Thoraxorgane, Farbdoppler-Echokardiografie, Sonografie
und Gefäßduplex-Untersuchungen sollten aufgrund kardiovaskulärer und thromboembolischer
Komplikationen vor Ort möglich sein.
4.1.3 Kardiologische Untersuchungen
Die meisten schweren COVID-19-Verläufe sind auf eine Pneumonie mit akuter respiratorischer
Insuffizienz zurückzuführen. COVID-19-Patienten haben nach der akuten Phase der Krankheit
ein hohes Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und eine dadurch bedingte erhöhte
Mortalität – vergleichbar dem Risiko von COPD-Exazerbationen und/oder ambulant erworbenen
Pneumonien [18]. Deshalb sollte initial, vor Verlegung oder zum Reha-Beginn, ein Herzecho zur Beurteilung
der linksventrikulären Pumpfunktion und Abklärung einer pulmonalen Hypertonie durchgeführt
werden.
4.1.4 Körperliche Leistungstestung
Um den IST-Zustand bei Reha-Beginn, aber auch die Effizienz der Reha als Intervention
zu evaluieren, wird die Durchführung eines 6-Minuten-Gehtests empfohlen [19]. Bei gleichzeitiger Blutgasanalyse kann zudem das Ausmaß einer noch fortbestehenden
Hypoxämie während der Belastung untersucht werden. Vor und beim 6-Minuten-Gehtest
kann die Atemnot unter Belastung mit der modifizierten Borg-Skala (0 – 10 Punkte)
standardisiert erfasst werden. Fakultativ können weitere einfache Belastungstests
wie z. B. der 1-Minuten-Sit-to-Stand-Test oder isometrische Maximalkrafttests durchgeführt
werden [20]. Wenn der Patient bereits mobilisiert ist und keine schwere Hypoxämie besteht, empfiehlt
sich ggf. die Durchführung einer Spiroergometrie, um das Ausmaß der noch bestehenden
pulmonalen, kardialen oder muskulär bedingten Leistungseinschränkung bestimmen und
die Therapie der Betroffenen besonders unter Trainingsgesichtspunkten optimieren zu
können.
4.1.5 Diagnostik der gesundheitsbezogenen Lebensqualität und psychischen Begleitsymptomatik
Die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Patienten sollte im Verlauf erfragt werden.
Dafür stehen verschiedene Fragebögen zur Verfügung. Im Folgenden ist eine Auswahl
dargestellt.
-
Beim SF-12-Fragebogen zum Gesundheitszustand handelt es sich um eine Kurzform des Short-Form-36-Gesundheitsfragebogens (SF-36).
Der SF-12 setzt sich aus 12 Items zusammen und erlaubt eine Erfassung der psychischen
und körperlichen Lebensqualität der Betroffenen [21].
-
Anhand der EuroQoL-5 Dimensionen (EQ-5 D) [22] lässt sich die Lebensqualität auf 5 Dimensionen erfassen: Mobilität, Selbstversorgung,
Allgemeine Tätigkeiten, Schmerz/körperliche Beschwerden und Angst/Niedergeschlagenheit.
Im zweiten Teil des Fragebogens besteht zudem die Möglichkeit, die globale Lebensqualität
anhand einer visuellen Analogskala [VAS] (von 0 = schlechtester bis 100 = bester vorstellbarer
subjektiver Gesundheitszustand) einzuschätzen.
Studien an vergleichbaren Patientengruppen haben zudem gezeigt, dass für die Wiederherstellung
des Funktionsniveaus nicht alleine medizinische, sondern auch psychische Faktoren
(Depressivität, allgemeine Angst und speziell posttraumatische Belastungsstörung)
zentral sein können. Aus diesem Grund sollte ein routinemäßiges Screening bez. psychischer
Komorbiditäten (z. B. Angst, Depressivität) erfolgen. Im deutschsprachigen Raum existieren
einige Fragebögen, die ein ökonomisches Screening erlauben:
Der Patient Health Questionnaire (PHQ-D) [23] ist eine Fragebogenbatterie zur Erfassung häufiger psychischer Störungen (bspw.
Depressivität: PHQ-9, Angst: GAD-7). Zielgruppe ist die Allgemeinbevölkerung. Der
PHQ-D ermöglicht neben einer Erfassung der Grundsymptomatik auch eine valide Erstellung
klinischer Verdachtsdiagnosen. Eine Ultrakurzform dieses Fragebogens liegt in Form der PHQ-4 vor. Er umfasst die ersten beiden Fragen (Kernsymptome) des Depressionsmoduls des
PHQ-D (PHQ-2) und die ersten beiden Fragen des Moduls zur Erfassung der generalisierten
Ängstlichkeit (GAD-2) und eignet sich daher besonders gut für ein routinemäßiges Screening.
Bei substanziellen Einschränkungen der Lebensqualität und des psychischen Befindens
sollte eine weitergehende Diagnostik erfolgen. Um tatsächlich eine valide psychische
Diagnose zu stellen, ist die Anwendung eines strukturierten Interviews auf Basis der
aktuellen Klassifikationssysteme (ICD/DSM) erforderlich, bspw. das strukturierte klinische
Interview für DSM-5®-Klinische Version [24] oder das diagnostische Interview bei psychischen Störungen (DIPS) [25].
4.2 Hygiene-Konzept
Für die Behandlung von und den Umgang mit COVID-19-Patienten gelten die Empfehlungen
des Robert-Koch-Instituts zu „Prävention und Management in Einrichtungen des Gesundheitswesens“
(www.rki.de). Nach derzeitiger Einschätzung ist davon auszugehen, dass aufgrund des zeitlichen
Vorlaufs – Auftreten der Komplikationen ca. 1 Woche nach Erkrankungsbeginn und darauffolgende
meist mehrwöchige intensivmedizinische Behandlung – zum Zeitpunkt der Verlegung in
die Rehabilitation ausreichende Immunität und keine Ansteckungsgefahr bestehen. Die
in manchen Fällen in der PCR noch nachzuweisende Virus-RNA darf nicht gleichgesetzt
werden mit einer infektiösen Viruslast und dadurch irrtümlicherweise zu einer fortdauernden
Isolation der z. T. schwer traumatisierten Patienten führen.
In einer aktuellen Untersuchung des Korea Centers for Disease Control & Prevention
an 285 COVID-19-Patienten, die in der PCR nach negativen Abstrichen erneut positiv
waren, fand sich kein Hinweis für eine fortbestehende Infektiosität [26]. Die vorbestehenden Maßnahmen (Isolation der erneut positiven COVID-19-Patienten
und Quarantäne für Kontaktpersonen) wurden daraufhin aufgehoben.
Bei hygienischen Komplikationen durch den Intensivaufenthalt (MRSA, MRGN, VRE) sollte
dies nicht zum Ausschluss von notwendigen stationären Reha-Maßnahmen führen, sondern
es sollten geeignete Hygiene-Konzepte in einzelnen Einrichtungen, die die baulichen
und personellen Voraussetzungen dafür mitbringen, erarbeitet werden. Es muss eine
auf den einzelnen Patienten und die Rehabilitationseinrichtung bezogene Einschätzung
des hygienischen Risikos erfolgen, zum einen um den Patienten mit überstandener COVID-19
nicht u. U. unbegründeten Isolationsmaßnahmen auszusetzen. Gleichzeitig muss für Mitarbeiter
mit engem Patientenkontakt (bes. Pflege und Physiotherapie) und für Mitpatienten gewährleistet
sein, dass es nicht zu einer Übertragung von Krankenhauskeimen kommen kann.
Die Reha-Klinik sollte bei den übrigen anreisenden Patienten durch rechtzeitige Information,
Befragung/PCR-Screening und ggf. vorübergehende Isolation sicherstellen, dass es zu
keinem COVID-19-Infektionsfall unter den Patienten kommt. Maßnahmen der Infektionsverhütung
bei den Mitarbeitern sollten je nach Pandemie-Situation mit den vor Ort zuständigen
Gesundheitsbehörden abgestimmt werden. Die deutsche Rentenversicherung hat eine Handlungshilfe
erstellt, in der die aktuellen Aspekte beschrieben sind, die bei der Wiederaufnahme
medizinischer Rehabilitation zu berücksichtigen sind (www.deutsche-rentenversicherung.de). Zudem sollte ein Plan für ein strukturiertes Vorgehen zur Kontaktverfolgung im
Fall einer frischen COVID-19-Infektion bei Patienten vorliegen.
4.3 Personelle und räumliche Voraussetzungen
Die pneumologische Reha-Fachabteilung muss durch einen pneumologischen Facharzt (inkl.
pneumologischem Vertreter) geleitet werden. Bei Betreuung von beatmungspflichtigen
(post-)COVID-19-Patienten mit nicht invasiver Beatmung sollten AtmungstherapeutInnen
oder Personal mit vergleichbarer Qualifikation involviert sein. Der Personalschlüssel
insbesondere für Pflege und Therapie muss sich an den Maßstäben für eine pneumologische
Früh-Rehabilitation orientieren. Die Stellenschlüssel der DRV für pneumologische Rehabilitation
sind hierfür nicht ausreichend.
5 Empfehlungen zur Rehabilitation bei COVID-19
5 Empfehlungen zur Rehabilitation bei COVID-19
5.1 Pneumologische Frührehabilitation im Akutkrankenhaus bei COVID-19-Patienten
Rehabilitative Behandlungsansätze sollten bereits auf der Intensivstation und in der
Weaningphase zum Einsatz kommen. Bei Patienten mit Intensivaufenthalt kommt es zu
ausgeprägter Muskelatrophie und -dysfunktion [27]. Dazu tragen auch Medikamente wie Kortikosteroide bei, deren Anwendung bei COVID
diskutiert wird [28]. Die Critical Illness Polyneuropathie stellt ebenso eine wichtige Herausforderung
dar. Vor diesem Hintergrund sollten Patienten frühzeitig rehabilitiert werden, um
Muskelverlust und Funktionsverlust zu minimieren. Erste Maßnahmen, deren Wirksamkeit
belegt ist, sind geplante Sedierungspausen während der Beatmung mit frühzeitiger Bewegung
[29] und neuromuskuläre Elektrostimulation einzelner Muskelgruppen [30]. Die Studie von Bailey und Kollegen [31], in der eine hohe Zahl von Trainingsaktivierungen bei über 100 Intensivpatienten
durchgeführt wurde, zeigt, dass Sitzen im Stuhl, Sitzen im Bett und Laufen bei den
Patienten möglich ist und dass es im Rahmen der sehr frühen Rehabilitation kaum problematische
unerwünschte Nebenwirkungen gab. Blutdruckanstiege von ≥ 200 mmHg bzw. -abfälle < 80 mmHg
systolisch, Desaturierung < 80 % sowie Sturzereignisse wurden bei weniger als 1 %
der Aktivierungsmaßnahmen beschrieben. Zudem trat keine einzige akzidentelle Extubation
im Rahmen der Frührehabilitation auf. Speziell für COVID-19-Patienten sind Trainingskonzepte
in der Akutphase bislang nicht publiziert. Die kardiale und vaskuläre Situation sollte
hierbei gut überwacht werden, da die endotheliale Beteiligung aktuell noch nicht ausreichend
bekannt ist.
Die Notwendigkeit frührehabilitativer Behandlungsangebote besteht insbesondere bei
Patienten nach Langzeitbeatmung oder mit fortbestehender ventilatorischer Insuffizienz
und stark reduziertem Allgemeinzustand [32]. In Abgrenzung zur AHB sind pneumologische Frühreha-Patienten bei den Alltagsverrichtungen
wie der Körperpflege, dem Aufstehen und der Mobilität noch auf fremde Hilfe angewiesen.
Es besteht zum einen ein höheres Risiko für Komplikationen im Verlauf, sodass die
Anforderungen an die medizinische Betreuung höher sind und die Möglichkeit einer problemlosen
Rückverlegung in den Akutbereich vorhanden sein sollte. Zum anderen ist der Personalaufwand
in der Pflege und Therapie deutlich größer.
5.2 Rehabilitation/Anschlussheilbehandlung bei COVID-19-Patienten
Bei Patienten mit chronischen Lungenerkrankungen (wie z. B. COPD oder interstitiellen
Lungenerkrankungen) kann eine multimodale und interdisziplinär durchgeführte pneumologische
Rehabilitation die körperliche Funktionsfähigkeit, Lebensqualität und Dyspnoe signifikant
verbessern [33]. In Analogie hierzu wird angenommen, dass pneumologische Rehabilitation auch bei
COVID-19-Patienten mit vorwiegend pneumologischen Erkrankungsfolgen einen effektiven
Therapieansatz darstellen kann. Carda et al. [17] bspw. empfehlen für eine post-COVID-Reha, sich am Reha-Programm für Patienten mit
idiopatischer Lungenfibrose zu orientieren. Konzepte bei anderen restriktiven pneumologischen
Krankheitsbildern oder Z. n. Pleuropneumonie können ebenso einbezogen werden.
Rehabilitationsziele:
Somatisch: Verbesserung der noch bestehenden funktionellen Einschränkungen und der Leistungsfähigkeit,
Verbesserung der aus weiteren Organkomplikationen resultierenden Einschränkungen
Psychisch: Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung nach oft langem und komplikationsträchtigem
Intensivaufenthalt
Teilhabe-orientiert: Wiederherstellung des Leistungsvermögens für Beruf und sozialen Alltag
5.3 Körperliches Training
Vor Aufnahme eines körperlichen Trainings sollte eine Blutgasanalyse in Ruhe und unter
Belastung erfolgen. Während des Trainings sollte die Sauerstoffsättigung gemessen
und ggf. Sauerstoff verabreicht werden.
5.3.1 Ausdauertraining
Je nach Schwere der körperlichen Einschränkungen können verschiedene Ausdauertrainingsformen
wie Fahrradergometer, ein Gehtraining oder langsames Jogging zum Einsatz kommen. Wenn
tolerierbar, sollte initial mit einer Dauer von bis zu 10 Minuten begonnen werden,
um diese wenn möglich auf 20 – 30 Minuten pro Trainingseinheit zu erhöhen [34]. Die Intensität sollte dabei in Abhängigkeit der Oxygenierung (SpO2-Zielbereich: ≥ 88 %) und Dyspnoe angepasst werden. Bei schwer eingeschränkten Patienten
scheint der Einsatz eines Intervalltrainings mit kurzen, ca. 30-sekündigen Belastungsphasen
im Wechsel mit 30-sekündigen Pausen analog zu Patienten mit sehr schwerer COPD eine
machbare Ausdauertrainingsform zu sein [35]. Bei Belastungshypoxämie ist eine Sauerstoffgabe während des Trainings erforderlich.
5.3.2 Krafttraining
Ein lokales Krafttraining der wichtigsten Hauptmuskelgruppen scheint v. a. bei immobilitätsbedingter
Muskelatrophie und -dysfunktion eine wertvolle Maßnahme darzustellen. Die Umsetzung
kann analog zu klassischen Krafttrainingsempfehlungen mit 3 Sätzen à 10 – 15 Wiederholungen
pro Übungsserie erfolgen. Entscheidend ist das Erreichen einer lokalen muskulären
Ermüdung am Ende eines Trainingssatzes bzw. eine progressive Erhöhung des Trainingswiderstandes.
Dieser Krafttrainingsansatz führte bspw. bei Patienten nach SARS-1 zu einem signifikanten
Kraftzuwachs [36].
5.3.3 Vibrationstraining
Bei pneumologischen Patienten mit muskulärer Schwäche oder nach immobilisationsbedingter
Muskelatrophie konnte gezeigt werden, dass Vibrationstraining auf speziellen Vibrationsplattformen
eine effektive Methode darstellt, um die muskuläre Leistungsfähigkeit zu verbessern
[37]
[38]. Zudem zeigen erste Daten, dass Vibrationstraining auch bei Patienten auf der Intensivstation
sicher durchgeführt werden kann [39]
[40]. Bei COVID-19-Patienten gibt es bislang noch keine Untersuchung für den Einsatz
eines Vibrationstrainings. Eine internationale Expertengruppe hat aktuell Vibrationstraining
als mögliche Trainingsmethode bei COVID-Patienten, sowohl in der akuten Phase auf
der Intensivstation als auch in der post-COVID-Reha-Phase vorgeschlagen [41].
Es gilt jedoch zu bedenken, dass bei ca. 25 % der intensivpflichtigen COVID-19-Patienten
thromboembolische Komplikationen trotz Antikoagulation beobachtet wurden [42]. Beinvenenthrombosen gelten als Kontraindikation für ein Vibrationstraining. Insofern
bleibt die Durchführung eines Vibrationstrainings bei COVID-Patienten aktuell eine
individuelle klinische Entscheidung unter Abwägung von Nutzen und Risiko.
5.4 Atemphysiotherapie
In einer aktuellen randomisiert, kontrollierten Studie aus China [43] wurden die Effekte eines Atemmuskeltrainings in Kombination mit atemphysiotherapeutischen
Übungen (Hustentraining, Zwerchfelltraining, Lippenbremse, Dehnübungen) bei 72 post-COVID-19-Patienten
(≥ 65 Jahre) untersucht. Nach 6 Wochen kam es in der Trainingsgruppe zu signifikanten
Verbesserungen der 6-Minuten-Gehteststrecke, der Lungenfunktion, des Gasaustauschs
und der Lebensqualität im Vergleich zu einer Usual Care-Gruppe. Insofern werden bei
COVID-19-Patienten die Durchführung atemphysiotherapeutischer Techniken sowie Atemmuskeltraining
(unter Berücksichtigung einer fehlenden Datenlage zum Risiko thromboembolischer Komplikationen)
empfohlen.
Die Arbeitsgemeinschaft Atemphysiotherapie hat auf ihrer Homepage (www.ag-atemphysiotherapie.de) praxisnahe Empfehlungen zur physiotherapeutischen Behandlung von COVID-19-Patienten
zusammengestellt. Praktische Beschreibungen zur Durchführung eines Atemmuskeltrainings
sind unter www.atemmuskeltraining.com zu finden.
5.5 Psychoedukative Maßnahmen und psychosoziale Unterstützung
Generell sollte eine aktive Beteiligung multidisziplinärer Teams erfolgen, um sicherzustellen,
dass physische, psychologische und soziale Aspekte berücksichtigt werden. Die psychologische
Begleitung kann in Einzel- oder Kleingruppengesprächen erfolgen. Art und Ausmaß der
Interventionen sollten an den Grad der Beeinträchtigung angepasst werden.
5.5.1 Ziele psychoedukativer und psychosozialer Interventionen
-
Patienten bei der Verarbeitung der Erkrankung unterstützen
-
Psychische Einflussfaktoren auf den Erfolg der Rehabilitation positiv beeinflussen
-
Psychisches Befinden und Lebensqualität stabilisieren bzw. verbessern
-
Potenzielle psychische Komorbiditäten berücksichtigen
5.5.2 Inhalte
-
Unterstützung bei der Krankheitsverarbeitung (Informationen über Erkrankung und deren
Behandlung, individuelle Erfahrungen im Umgang mit Erkrankung [Isolation und Quarantäne-Erfahrungen,
Umgang mit potenziellen Ängsten, Depressivität, Einsamkeit])
-
Emotionale Entlastung bei Krisen
-
Wiederherstellung des Funktionsniveaus (soziale Rollen, Arbeitsfähigkeit)
-
Etablierung eines gesundheitsförderlichen Lebensstils (Ressourcenaktivierung, Stressbewältigung,
Erlernen von Entspannungsverfahren)
-
V. a. ältere Patienten sollten unterstützt werden, Telekommunikation und internetbasierte
Kommunikation zu nutzen, um mit wichtigen Bezugspersonen in Kontakt bleiben zu können.
-
Wenn nahe Bezugspersonen von COVID-19-Betroffenen mit beeinträchtigt sind (durch Isolation,
Sorgen um den Angehörigen, mangelndes Wissen über die Erkrankung), kann sich eine
Telefon-Beratung zusätzlich positiv auswirken.
Bei Bedarf sollte eine intensivere psychologische Begleitung der Betroffenen, bspw.
zu folgenden Themen, erfolgen: Umgang mit allgemeinen, krankheitsbezogenen und posttraumatischen
Ängsten und Depressivität, Erfahrungen von Isolation und Quarantäne, Sorgen in Bezug
auf die Zukunft und Wiederherstellung des Funktionsniveaus.
5.5.3 Umgang mit umfassenden psychischen Komorbiditäten
Falls über eine subklinische Begleitsymptomatik hinaus bedeutsame psychische Komorbiditäten,
bspw. in Form einer diagnostizierten Angststörung (z. B. Posttraumatische Belastungsstörung)
oder Depression vorliegen, sollte eine intensive psychologische Begleitung bis hin
zu einer Psychotherapie und/oder eine medikamentöse Unterstützung erfolgen [44].
5.6 Sauerstofftherapie
Mindestvoraussetzung für die Reha bei Post-COVID-19-Patienten ist eine permanente
Verfügbarkeit von Sauerstoff (in Ruhe und/oder bei Belastung). Die Testung des O2-Bedarfs sollte in Anlehnung an die aktuelle DGP-Leitlinie zur Langzeit-Sauerstofftherapie
erfolgen [45].
Eine Kontrolle der Oxygenierung sollte in verschiedenen Situationen (Ruhe, Belastung
und nachts) erfolgen. Bei der Komorbidität einer COPD ist die mögliche Entwicklung
einer Hyperkapnie zu beachten.
Bei Nachweis einer Gasaustauschstörung kann z. B. der 6-Minuten-Gehtest oder eine
Belastungs-Blutgasanalyse durchgeführt werden, um den O2-Bedarf bei Belastung zu titrieren. Zur Reha-Entlassung sollte eine wiederholte Kontrolle
des O2-Bedarfs, ggf. eine O2-Verordnung und Schulung erfolgen. Eine Re-evaluierung des O2-Bedarfs sollte nach 3 Monaten durchgeführt werden.
O2-Brille oder Maske sind bei inzwischen negativem COVID-19-Befund abhängig von Präferenz
des Patienten und Effektivität zu wählen.
5.7 Nicht invasive Beatmung
Bei Patienten nach COVID-19, die nicht pulmonal vorerkrankt waren, ist nicht damit
zu rechnen, dass sich in der Reha noch eine Indikation zur nicht invasiven Beatmung
ergibt. Bei bereits vorbestehender Atemmuskelschwäche insbesondere in Zusammenhang
mit der Komorbidität COPD sollte die Initiierung einer NIV-Therapie bedacht werden.
Bevorzugt erfolgt diese als nächtliche Anwendung, ggf. zusätzlich tagsüber. Der Beatmungszugang
erfolgt entweder über Nasen- oder Mund-Nasen-Maske, abhängig von Effizienz und Präferenz
des Patienten. Nach 6 Wochen sollte die Beatmungsindikation erneut überprüft werden.
Die Hygiene-Vorschläge für eine NIV unter positivem COVID-19-Nachweis sollten berücksichtigt
werden (siehe DGP-Statement zu schlafbezogenen Atmungsstörungen unter www.pneumologie.de).
5.8 Sozialmedizinische Leistungsbeurteilung/Beratung
Bisher liegen keine Erfahrungen über Langzeitfolgen für Patienten nach COVID-19 in
Bezug auf die allgemeine berufliche Leistungsfähigkeit oder Häufigkeit von drohender
Pflegebedürftigkeit vor. Dies ist für die Rehabilitation ein essenzieller Aspekt.
Der Sozialdienst trägt hier die wichtige Aufgabe, über individuelle Hilfsmöglichkeiten
nach der COVID-Reha zu beraten (z. B. Wiedereingliederungsmaßnahmen bei Berufstätigen,
Hilfen für ältere alleinlebende Patienten etc.). Es ist zu erwarten, dass am Ende
der Rehabilitation nicht bei allen Patienten eine so gute körperliche und psychische
Stabilisierung erreicht werden kann, dass ein nahtloser Übergang in das Berufsleben
oder das Alltagsleben möglich ist. Eine persistierende (Ruhe- oder Belastungs-)Hypoxämie
oder Restriktion kann die Leistungsfähigkeit bez. der letzten beruflichen Tätigkeit
bzw. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gefährden. Daher ist bei Entlassung aus der
Rehabilitation eine umfassende Lungenfunktionsdiagnostik inklusive Belastungs-Blutgasanalyse
obligat. Ggf. ist die Einleitung einer Langzeitsauerstofftherapie erforderlich, bzw.
kann eine solche beendet werden, falls diese im Akutkrankenhaus begonnen wurde, bei
Reha-Entlassung aber nicht mehr erforderlich ist. Aktuell, bis mehr Daten über den
längerfristigen Verlauf einer COVID-19-Pneumonie vorliegen, sollten jedoch vorschnelle
Empfehlungen zu dauerhaften Einschränkungen des beruflichen Leistungsvermögens zurückhaltend
geäußert und eine abschließende Beurteilung erst nach einem 3 – 6-monatigen Verlaufsintervall
empfohlen werden.