DVÄD: Bremsen für die ärztliche Diagnostik in der COVID-19-Pandemie lösen
Berlin, 15.06.2020 – Ein Bekenntnis der Selbstverwaltung zur ärztlichen Diagnostik
in der COVID-19-Pandemie fordern die Berufsverbände der Labormediziner, Pathologen
und Radiologen. Wenn etablierte diagnostische Verfahren noch breiter eingesetzt würden,
könnten schwere Krankheitsverläufe in der COVID-19-Pandemie noch frühzeitiger erkannt
und wirksamer behandelt werden. Auch für die Frage wie schnell und wie nachhaltig
man Kontaktbeschränkungen lockern kann, sei der Aktionsradius der ärztlichen Diagnostiker
entscheidend.
In der COVID-19-Pandemie steuern Labormediziner(innen), Radiolog(inn)en und Patholog(inn)en
die Patientenversorgung vor allem zu diesen Fragestellungen: Infiziert oder nicht?
Stationäre Aufnahme oder Quarantäne? Welche Patient(inn)en sind besonders von schweren
Krankheitsverläufen betroffen? Wie verändert sich die epidemische Lage? Zu den Leistungen
und Erkenntnissen der drei Fachgebiete und ihren resultierenden Erwartungen an die
Entscheider im Gesundheitsbereich informierten die Berufsverbände heute (15.06.) in
einer Web-Pressekonferenz des Dachverbandes Ärztlicher Diagnostikfächer (DVÄD):
Labormedizin
Dass Deutschland vergleichsweise niedrige Infektionszahlen und Todesraten verzeichnet,
hat viel mit der Sonderstellung der deutschen Labormedizin in Europa zu tun. Mit ihrem
Know-how in der Testentwicklung konnten fachärztliche Diagnostiker bundesweit schnell
PCR-gestützte SARS-CoV-2-Infektionstests etablieren und ihre Qualität sichern. In
wenigen Wochen wurden die Testkapazitäten massiv ausgeweitet. Kurze Transportwege
für die Abstriche ins wohnortnahe, medizinische Labor und die digitale Befundübermittlung
an die Gesundheitsämter sind entscheidend, um Infektionsketten schnell zu unterbrechen.
Mit bundesweit gelockerten Kontaktbeschränkungen nimmt die Gefahr massiver Infektionsausbrüche
wieder zu. Um eine zweite Infektionswelle zu vermeiden, sollen verstärkt Reihentestungen
durchgeführt werden, zum Beispiel in Kindertagesstätten. Die Fachärztinnen und Fachärzte
für Laboratoriumsmedizin kritisieren, dass Länder und Kommunen diese Tests mit Unterstützung
durch den Bundesgesundheitsminister zunehmend an nichtärztliche, gewerbliche Akteure
vergeben. „Auch bei den Reihentests geht es um Menschenleben. Ärztliche Beratung und
Qualitätssicherung sind hier unverzichtbar – und die schnellen, sicheren Meldewege,
die die medizinischen Laboratorien garantieren“, appelliert der Vorsitzende des Berufsverbandes
Deutscher Laborärzte Dr. Andreas Bobrowski an die Gesundheitsbehörden. Gravierend
dürfte sich auch die am Mittwoch beschlossene massive Honorarkürzung für die Infektionstests
in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV)auswirken. Bestandteil einer erfolgreichen
„Exit“-Strategie müssten SARS-CoV-2-Antikörpertests sein, die noch immer nicht im
Leistungskatalog der GKV verankert wurden.
Radiologie
Die Fachärztinnen und Fachärzte für Radiologie untersuchen vor allem auf ärztliche
Überweisung Patient(inn)en mit typischen Krankheitssymptomen aber auch asymptomatische
Personen mit gesundheitlichen Risikofaktoren (z. B. Tumorpatienten, Dialysepatienten,
mehrfach erkrankte Patienten). Ihre CT-Diagnostik (Computertomografie) ist für die
Frage „Quarantäne oder Krankenhaus“ mitentscheidend.
Zum deutschen Erfolgsweg in der COVID-19-Pandemie tragen Radiologen bei, indem sie
bei der Verlaufsdifferenzierung und in der Einschätzung der Krankheitsverläufe die
entsprechenden diagnostischen Methoden zeitnah vorhalten.
Mit dem Ziel frühzeitiger Erkennung und Differenzierung von epidemischen Erkrankungen
fordert der Berufsverband der Deutschen Radiologen frühzeitig eine weniger krankenhauszentrierte,
sondern individuell differenzierte Therapie der Patientinnen und Patienten. Nicht
alle COVID-19-Infizierten bedürfen der primären Krankenhausbetreuung.
Pathologie
Die Obduktion als klassische Methode der Pathologie hat im Hinblick auf die Corona-Pandemie
aktuell wieder erhebliche Bedeutung. „Die Toten lehren die Lebenden“ – dies trifft
gerade auf die COVID-19-Erkrankung zu. Anders als früher steht aber heute umfangreiches
methodisches Werkzeug zur Verfügung, die Grenzen der Pathologie liegen somit zwischen
Sektion und molekularpathologischer Methodik. Letztere erlauben einen tiefen Einblick
in die Abläufe bei COVID-19. Die zum Teil bereits publizierten Ergebnisse aus dem
Sektionssaal haben die therapeutischen Maßnahmen bei klinisch schwer verlaufender
COVID-19-Erkrankung unmittelbar beeinflusst. Die Obduktionsbefunde sollen im Deutschen
Register für COVID-19-Erkrankungen zusammengefasst werden.
Bei schweren tödlichen COVID-19-Erkrankungen zeigt sich ein typisches Bild in den
Lungen, wie es auch von anderen Viruserkrankungen mit letalem Verlauf bekannt ist.
Signifikanter Befund bei Verstorbenen mit COVID-19 sind jedoch Schädigungen des Endothels,
der Innenauskleidung großer und kleiner Gefäße. Daraus kann eine lokale Blutpfropfbildung
(Thrombose) resultieren, die aus größeren Gefäßen (Venen) auch in die Lungen verschleppt
werden kann (Thrombembolie). Aber auch Gefäße im Herzen, den Nieren, der Leber, der
Haut und im Darm können betroffen sein und entzündliche Reaktionen zeigen. Eine verbandsinterne
Umfrage zeigt für Deutschland, dass die Obduzierten im Mittel 70 Jahre alt waren (69 %
Männer, 31 % Frauen) und ganz überwiegend wesentliche Grunderkrankungen vorlagen,
der Tod jedoch durch COVID-19 herbeigeführt wurde.
DVÄD: was leisten die ärztlichen Diagnostikfächer?
Die ärztlichen Diagnostikfächer sind systemrelevant. Sie üben eine Schlüsselfunktion
in der Vorbereitung, Absicherung, Kontrolle und im Monitoring jeglicher Diagnostik
und Therapie aus.
Die ärztlichen Diagnostikfächer sind derzeit der innovativste Bereich der Humanmedizin.
Sie tragen zur Effizienz und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen bei: Durch frühe
Erkenntnis individueller Krankheitsfaktoren ermöglichen sie eine schnelle, zielgerichtete
Behandlung.
Ihre Diagnostik erlaubt, moderne Therapien mit teuren spezifischen Medikamenten bezahlbar
einzusetzen. Nicht Diagnostik ist teuer, sondern Therapie.
Die ärztlichen Diagnostikfächer arbeiten sektorenübergreifend und ermöglichen PatientInnen
so schnittstellenfreie Wechsel zwischen den ambulanten und stationären Bereichen.
Nach den Richtlinien der Bundesärztekammer sowie durch Akkreditierung und Zertifizierung
sichern sie die Qualität ihrer ärztlichen Arbeit über das gesetzlich vorgeschriebene
Maß hinaus.
Die interdisziplinäre, intersektorale und teamorientierte Ausrichtung der diagnostischen
Fachgebiete ist impulsgebend für die zukünftige Gestaltung der Patientenversorgung.
Kontakt:
Sabine Lingelbach
Tel.: (030)28 04 56 10
E-Mail: kontakt@dväd.de