Pneumologie 2020; 74(08): 492
DOI: 10.1055/a-1199-7613
Pneumo-Fokus

COVID-19: Charakteristiken, Beatmung und Verläufe von Patienten in der Lombardei

Grasselli G. et al.
Baseline Characteristica and Outcomes of 1591 Patients Infected With SARS-CoV-2 Admitted to ICUs of the Lombardy Region, Italy.

JAMA 2020;
323: 1574-1578
 

    Am 20. Februar 2020 wurde der erste norditalienische Patient mit COVID-19 wegen Lungenversagens auf eine Intensivstation aufgenommen. Die rasche Virusverbreitung und die vielen Todesfälle führten im März zur Gründung eines ICU-Netzwerks, das die exponentielle Zunahme intensivpflichtiger Patienten koordiniert. Die retrospektive Beobachtungsstudie ergab besondere Risiken und Behandlungsprobleme von COVID-19-Erkrankten auf Intensivstationen.


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    An dem Netzwerk sind 72 norditalienische Krankenhäuser beteiligt. Der Beobachtungszeitraum für die Studie betraf die erste Phase der Pandemie vom 20. Februar bis 18. März 2020. Den SARS-CoV-2-Nachweis erbrachten PCR an Nasen-Rachen-Abstrichen und später auch aus den tieferen Atemwegen. Die Autoren sammelten klinische Daten und legten ein besonderes Augenmerk auf die Beatmung. Zielvariablen waren die invasive maschinelle Beatmung, nichtinvasive maschinelle Beatmung, Maskenbeatmung, der positive endexspiratorische Druck (PEEP), die inspiratorische Sauerstofffraktion FiO2, der Sauerstoffpartialdruck PaO2, die PaO2 /FiO2-Ratio (Oxygenierungsindex), die Nutzung der extrakorporalen Membranoxygenierung ECMO und eine Versorgung in Bauchlage. Die Stratifizierung der Patienten erfolgte in jüngere (≤ 63 Jahre) und ältere Erkrankte (≥ 64 Jahre).

    Insgesamt 1591 kritisch kranke Patienten mit bestätigter Infektion waren median 63 Jahre alt (14 – 91 Jahre). 203 Erkrankte hatten ein Alter < 51 Jahre. In allen Altersgruppen waren die meisten Patienten männlich (83 %). 68 % aller Patienten hatten mindestens 1 Vorerkrankung. Die häufigsten Komorbiditäten waren:

    • arterielle Hypertonie (49 %),

    • kardiovaskuläre Erkrankungen (21 %) und

    • Hypercholesterinämie (18 %).

    Nur 4 % der Erkrankten hatten eine vorbekannte chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD). Bei den Hochbetagten bestand in allen Fällen ≥ 1 Vorerkrankung.

    Von 1300 Personen mit vollständigen Beatmungsprotokollen benötigten 1150 eine invasive maschinelle Beatmung mit endotrachealer Intubation. 137 wurden nichtinvasiv beatmet. Die Häufigkeit einer invasiven maschinellen Beatmung unterschied sich für ältere und jüngere Erkrankte nicht signifikant (89 % vs. 88 %; p = 0,33). Dies galt auch für die nichtinvasive Atemunterstützung. Die Schwere der Lungenerkrankung reflektierten die Beatmungsparameter:

    • hoher PEEP (median 14 cm H2O),

    • FiO2 ≥ 50 % n = 887 von 999,

    • FiO2 100 % n = 120 von 999 und

    • deutlich reduzierter Oxygenierungsindex (median160 mmHg).

    Die PEEP-Einstellung war nicht altersabhängig, aber ältere Patienten hatten einen höheren inspiratorischen Sauerstoffbedarf und stärker reduzierte Oxygenierungsindizes. 27 % der Intensivpatienten wurden in Bauchlage behandelt, und 1 % erhielt eine ECMO.

    Die arterielle Hypertonie war als häufigste Vorerkrankung assoziiert mit

    • einem höheren Alter,

    • höheren PEEP,

    • einer schlechteren Oxygenierung und

    • einer höheren Mortalität.

    Am Ende des Beobachtungszeitraums befanden sich 58 % der Erkrankten auf der Intensivstation, 256 waren entlassen und 405 (26 %) gestorben. Verglichen mit Jüngeren war die Mortalität von Senioren signifikant höher (15 % vs. 36 %; p < 0,001).

    Fazit

    Die meisten Patienten waren ältere Männer, von denen viele mit einem hohen PEEP invasiv beatmet werden mussten. Insgesamt jeder 4. Erkrankte starb. Das mediane Alter der kritisch Kranken unterschied sich nicht vom mittleren Alter aller italienischen Infizierten. Dies untermauere, dass nicht allein das Lebensalter einen Risikofaktor darstelle. Die hohe Rate intensivpflichtiger Patienten erklären die Autoren mit international unterschiedlichen Gesundheitsstrukturen. In Italien erfolgten z. B. nichtinvasive Beatmungen auch außerhalb von Intensivstationen. In jedem Fall seien ausreichende intensivmedizinische Kapazitäten entscheidend für das Management des schweren Lungenversagens bei COVID-19.

    Dr. med. Susanne Krome, Melle


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    Publikationsverlauf

    Artikel online veröffentlicht:
    21. August 2020

    © Georg Thieme Verlag KG
    Stuttgart · New York