Z Geburtshilfe Neonatol 2021; 225(02): 167-175
DOI: 10.1055/a-1204-2212
Originalarbeit

Einflussfaktoren auf das väterliche Erleben der Geburt im Kreißsaal: Eine qualitative Studie

Factors Influencing the Paternal Experience of Birth in the Labour Ward: A Qualitative Study
Jennifer Krulis
1   FH-Bachelor-Studiengang Hebamme, fh gesundheit, Innsbruck, Österreich
,
Martina König-Bachmann
1   FH-Bachelor-Studiengang Hebamme, fh gesundheit, Innsbruck, Österreich
,
Christoph Zenzmaier
1   FH-Bachelor-Studiengang Hebamme, fh gesundheit, Innsbruck, Österreich
› Author Affiliations
 

Zusammenfassung

Einleitung Der Großteil der werdenden Väter ist heute bei der Geburt seiner Kinder im Kreißsaal zugegen. Dabei stellt die Anwesenheit der werdenden Väter ein bedeutendes Ereignis in deren Leben dar.

Ziel dieser Studie ist es, beeinflussende Faktoren auf das väterliche Geburtserleben im Kreißsaal zu identifizieren.

Material und Methoden Die Erfahrungen von 12 erstmaligen Vätern während Schwangerschaft und Geburt und ihr Erleben der Geburt im Kreißsaal wurden mittels problemzentrierter Interviews erfasst. Die transkribierten und anonymisierten Interviews wurden mittels Inhaltsanalyse nach Mayring analysiert.

Ergebnisse Alle Väter beurteilten das Erleben der Geburt ihres Kindes retrospektiv positiv. Eine Vielzahl an potentiellen Einflussfaktoren auf das väterliche Geburtserleben konnten eruiert werden, sowohl biografische Einflussfaktoren, als auch Einflussfaktoren während der Schwangerschaft und der Geburt. Insbesondere zeigte sich das medizinische Fachpersonal von Bedeutung, im Speziellen die Hebamme.

Schlussfolgerung Das medizinische Fachpersonal sollte dem väterlichen Geburtserleben mehr Aufmerksamkeit schenken. Der Fokus für weitere Forschung könnte auf Konzepte zur Förderung eines positiven Geburtserlebens der Väter gelegt werden.


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Abstract

Introduction Today the majority of fathers-to-be are present at the birth of their children in the labour ward. Their presence at the birth is a significant event in their lives. The aim of this study is to identify factors influencing the paternal birth experience in the labour ward.

Material and methods The experiences of 12 first-time fathers during pregnancy and birth and their perception of birth in the labour ward were gathered through problem-centred interviews. The transcribed and anonymised interviews were analysed by means of content analysis according to Mayring.

Results All fathers retrospectively assessed the experience of the birth of their child positively. A large number of potential factors influencing the paternal birth experience were identified, both biographical factors and factors during pregnancy and birth. In particular, the medical staff, especially the midwife, proved to be of importance.

Conclusion Medical professionals should pay more attention to the paternal birth experience. The focus for further research could lie on concepts to promote a positive birth experience for fathers.


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Einleitung

Obwohl die Anwesenheit der werdenden Väter bei der Geburt im Kreißsaal heute als Selbstverständlichkeit angesehen wird, widmet sich die Forschung zum Geburtserleben primär der mütterlichen Seite. So beinhaltet die 2018 von der World Health Organization (WHO) herausgegebene Empfehlung „Intrapartum care for a positive childbirth experience“ eine Definition für das „positive Geburtserlebnis“ („positive childbirth experience“) der Frau. Die Empfehlung soll dazu beitragen, dass Gebären nicht nur sicher, sondern auch eine positive Erfahrung für Frauen und ihre Familien ist [1]. Weitere Studien setzen sich mit der Auswirkung der Anwesenheit der werdenden Väter auf das Geburtserleben der Mütter auseinander. Beispielweise zeigte eine qualitative Untersuchung von Kainz et al. [2], dass der Vater des Kindes durch seine Anwesenheit während der Geburt zur wichtigsten Person für die Mutter wurde.

Im Gegensatz zum mütterlichen ist das väterliche Geburtserleben vergleichsweise wenig erforscht, wie eine Recherche nach peer-reviewten Artikeln aus dem deutschsprachigen Raum verdeutlicht. Während in einigen wenigen Arbeiten die väterliche Geburtserfahrung mittels Fragebogenerhebungen quantitativ erhoben wurde [3] [4] [5], wurde nur eine qualitative Studie aus Deutschland zu diesem Thema in den letzten 2 Dekaden publiziert [6]. Für diese Studie wurden Ende der 1990er Jahre 30 werdende Väter vor und nach der Geburt interviewt. Ihr Geburtserleben war durch intensive positive und negative Gefühle geprägt [6]. International stammt der überwiegende Teil qualitativer Studien zum väterlichen Geburtserleben aus Skandinavien [7] [8] [9] [10] [11] [12] [13] [14] und dem anglikanischen Raum [15] [16] [17] [18].

Karl Heinz Brisch [19] schreibt in Bezug auf eine mitunter als traumatisch erlebte Geburtssituation, dass oftmals nur das mütterliche Erleben der Geburt Beachtung findet, dass jedoch auch das väterliche Erleben von Bedeutung ist, weil die Geburt auch bei Vätern vielfach mit sehr intensiven bis überwältigenden Emotionen einhergeht.

Auch wenn der Fokus bei einer Geburt auf der gebärenden Frau und ihrem Kind liegt, stellt die Anwesenheit der werdenden Väter bei der Geburt ihrer Kinder ein bedeutendes Lebensereignis für diese dar. Die vorliegende Arbeit setzt sich mit dem Erleben der Schwangerschaft und der Geburt aus Sicht der Väter auseinander. Dabei stehen v. a. das väterliche Erleben der Geburt im Kreißsaal im Fokus des Interesses.


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Material und Methoden

Ziel der vorliegenden Studie ist die Untersuchung der beeinflussenden Faktoren auf das Erleben der Geburt von Vätern im Kreißsaal. Demzufolge ist neben dem subjektiven Erleben von Schwangerschaft und Geburt insbesondere die retrospektive Beurteilung des Geburtserlebnisses aus Perspektive der Väter von Interesse. Unter Verwendung eines qualitativen Studiendesigns wurden die subjektiven Erfahrungen und Wahrnehmungen der teilnehmenden Väter mittels leitfadengestützter problemzentrierter Interviews erhoben [20].

Die Rekrutierung der Interviewpartner erfolgte durch in der außerklinischen Wochenbettbetreuung tätige Hebammen. Diese wurden ersucht, Väter über die Studie und die Einschlusskriterien zu informieren und ihnen ein Informationsschreiben mit Kontaktdaten der Erstautorin auszuhändigen. Die weitere Kontaktaufnahme erfolge von Seiten interessierter Väter telefonisch oder per E-Mail an die Erstautorin. Folgende Einschlusskriterien für die Teilnahme an der Studie wurden definiert: Vater (männliche Person), wohnhaft in Österreich, Geburt des ersten Kindes, Geburt im Krankenhaus, anwesend bei der Geburt. Die Geburt des Kindes per primären Kaiserschnitt wurde als Ausschlusskriterium definiert.

In Vorbereitung auf die Interviews entwickelte das Forschungsteam nach einer ausführlichen Literaturrecherche zu den theoretischen Hintergründen einen Interviewleitfaden. Die Hierarchie an Fragestellungen im Leitfaden folgte einem chronologischen Ablauf. Anschließend an die Erhebung der soziodemografischen Daten und der Einstiegsfrage, wurden Fragen beziehungsweise Erzählaufforderungen betreffend das Erleben der Schwangerschaft, über das Erleben der Geburt bis hin zur retrospektiven Beurteilung des Geburtserlebens gestellt. Am Ende wurde den Interviewteilnehmern die Möglichkeit für Ergänzungen geboten. Leitfaden und Interviewtechnik wurden in einem Pre-Test mit einem Vater überprüft und entsprechend angepasst.

Insgesamt wurden 12 Interviews im Zeitraum von 7. August 2018 bis 26. Oktober 2018 in Österreich durchgeführt. Die Väter wurden 10 bis 105 Tage (Median: 36,5 Tage) nach der Geburt des Kindes interviewt. Die Durchführung fand bei 10 Interviews in Form von Face-to-Face-Interviews statt, 2 erfolgten telefonisch. Die Wahl des Ortes für die Interviews wurde den Teilnehmern überlassen. Fünf Interviewteilnehmer wurden bei sich zu Hause interviewt, wobei in 4 Fällen zeitweise die Partnerin mit Kind anwesend war. Die übrigen Interviews wurden bei der Autorin bzw. einer Hebamme zu Hause, in einem Kaffeehaus bzw. am Arbeitsplatz der Teilnehmer durchgeführt. Die Interviewdauer betrug zwischen 14 und 36 min (Median: 24 Min). Die Interviews wurden aufgezeichnet, pseudonymisiert transkribiert und die Audiodateien anschließend gelöscht.

Nach dem mehrmaligen Lesen der Transkripte erfolgte die Auswertung der Daten anhand der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring [21]. Für die Analyse wurde die Software f4analyse® angewendet. Eine deduktive Kategorienbildung wurde bereits vor der Erhebung der Daten durchgeführt. Diese Kategorien wurden bereits im Vorfeld aus der Theorie abgeleitet. Die Analyseeinheiten wurden im Rahmen der Datenauswertung dem entwickelten Kategoriensystem in Form von Kategorien und Subkategorien zugeordnet, und infolge der Analyse überarbeitet. Zusätzlich zu den primär deduktiven Kategorien wurden aus den Daten heraus ergänzend induktive Kategorien beziehungsweise Subkategorien entwickelt.

Da keine besonders schutzwürdigen Personengruppen eingeschlossen wurden und keine besonderen Kategorien personenbezogener Daten erhoben beziehungsweise verarbeitet wurden, war für die Durchführung dieser Arbeit kein Votum einer Ethikkommission notwendig. Die Teilnehmer erhielten vor den Interviews mündliche und schriftliche Informationen zu Hintergrund und Ablauf der Studie sowie Informationen und Aufklärung zu ethischen Aspekten und zum Datenschutz. Anschließend unterzeichneten alle Teilnehmer eine Einwilligungserklärung.


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Ergebnisse

Studienteilnehmer

Die 12 Interviewteilnehmer waren zum Zeitpunkt der Geburt ihres Kindes zwischen 28 und 42 Jahren alt (Median: 30). Sechs waren verheiratet, 6 ledig. Zwei hatten eine Lehre abgeschlossen, 2 eine berufsbildende höhere Schule, einer eine hochschulverwandte Lehranstalt und 7 hatten eine Hochschule absolviert. Alle Kinder wurden im Zeitraum vom 24. April 2018 bis zum 25. September 2018 in Krankenhäusern in Österreich geboren


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Erleben der Schwangerschaft und die Geburtsvorbereitung

Die Mehrzahl der interviewten Väter haben die Zeit der Schwangerschaft insgesamt als positiv erlebt. Dennoch war die Tatsache der bevorstehenden Elternschaft während der Schwangerschaft für die werdenden Väter häufig noch nicht greifbar.

„[…] aber natürlich habe ich miterlebt, wie der Bauch gewachsen ist und was sich verändert hat, aber, ja, so richtig greifbar ist es nicht gewesen. Das habe ich dann erst gewusst, wie sie auf die Welt gekommen ist. Jetzt ist das Baby da und jetzt ist es so“ (V1).

„[…] aber richtig realisieren, dass ein Kind da ist, das tust du erst dann, wenn du daheim bei der Haustür reingehst und das nachher dauerhaft da ist“ (V8).

Fehlende Handlungsmöglichkeiten und Veränderungen in der Beziehung führten teilweise zu Gefühlen der Hilflosigkeit und zu Stress. Dementsprechend hatten die Teilnehmer ein großes Interesse an strukturierenden Angeboten. So hatten alle werdenden Väter ihre Partnerinnen zu gynäkologischen Vorsorgeuntersuchungen begleitet und drei Viertel gemeinsam mit ihrer Partnerin an einem Geburtsvorbereitungskurs teilgenommen.

„Ja. Das war eigentlich von dem her interessant, dass ein bisschen die Schwangerschaft und so/ der Verlauf und so, dass man das durchgemacht hat, aber dass man da auch schon praxisnah gewisse Sachen durchbesprochen hat oder ausprobiert hat, jetzt die Stellungen bei der Geburt und so weiter, auch was dann los ist, wenn das Baby da ist, […]“ (V10).

Vereinzelt wurde der Kurs zu detailliert und ausführlich empfunden, dennoch würde sich der Großteil der Teilnehmer im Nachhinein betrachtet erneut für den Besuch eines Vorbereitungskurses für die Geburt des ersten Kinds entscheiden.

Eine weitere Möglichkeit zur Vorbereitung stellte der Austausch mit dem persönlichen Umfeld, in erster Linien mit der Familie, dar, wobei diese am häufigsten Freude, Bestärkung sowie Unterstützung zum Ausdruck brachte.

„Also einfach/ Sie haben mich bestärkt. Ich glaube, in dem Sinne haben sie es beeinflusst und halt gesagt, dass es ein tolles Erlebnis ist und, ja, dass ich ein toller Papa werde und so, solche Wörter haben mich bestärkt, auch wenn es einfach Stehfra/ oder Stehsätze sind. Aber so, einfach dieses verbale Schulterklopfen war sehr positiv“ (V12).

Neben der Familie tauschte sich die Mehrheit der Interviewpartner zumindest oberflächlich auch mit anderen Männern, insbesondere anderen Vätern, aus. Ein Drittel der Befragten gab an, sich intensiver mit anderen Vätern ausgetauscht und aktiv Informationen rund um die Geburt eingeholt zu haben.

Weitere in den Interviews angesprochene Möglichkeiten der Vorbereitung auf Geburt und Elternschaft, waren die Recherche in Büchern bzw. im Internet, Kreißsaalführungen, und der Austausch mit der Partnerin. Für die Zeit der Elternschaft befassten sich die werdenden Väter darüber hinaus mit der bevorstehenden Karenzzeit und der Planung notwendiger Anschaffungen wie Auto sowie Wohnraumgestaltung bzw. -schaffung.

Zusammenfassend haben zehn Interviewteilnehmer die Vorbereitung auf die Geburt während der Schwangerschaft als ausreichend eingestuft, wobei 2 anmerkten, eher zu viel an Information zur Verfügung gestellt bekommen zu haben.

„Nein. Ich meine, eher kriegst du zu viel Information, wie es nachher eigentlich im Endeffekt ist, weil halt die Situationen so unterschiedlich sein können, ja“ (V8).

Zwei Teilnehmer fühlten sich nicht ausreichend informiert, insbesondere in Hinblick auf weitere Möglichkeiten die Partnerin während der Geburt zu unterstützen.

„Ja, ich habe, glaube ich, immer das Gefühl gehabt, dass mir irgendwas fehlt, aber einfach aus dem Grund, weil ich es halt nicht gewusst habe, auf was ich mich genau vorbereite und deswegen wollte ich irgendwie jede Lücke und jede Spontanität wegnehmen, […]“ (V12).


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Erleben der Geburt

Das Erleben der Geburt war für die werdenden Väter mit einer Vielzahl positiver und negativer Gefühle verbunden. Die Ambivalenz der Gefühle zeigte sich nicht nur zwischen einzelnen Teilnehmern, die die Geburt generell positiver bzw. negativer erlebten, sondern auch durch verschiedene Emotionen während des Geburtsverlaufes bei einzelnen Interviewpartnern. Die Nennungen zum emotionalen Geburtserleben sind in [Abb. 1] zusammengefasst.

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Abb. 1 Emotionales Geburtserleben. Die Äußerungen der interviewten Väter zu ihren Gefühlen während der Geburt ihres ersten Kindes dargestellt als Schlagwortwolke.

Beinahe die Hälfte aller interviewten Väter gab an, dass es ihnen insbesondere schwerfiel, ihrer Partnerin unter Schmerzen leiden zu sehen und sie nicht besser unterstützen zu können.

„Man steht einfach nur daneben, man kann nicht viel machen, man muss dem Menschen zuschauen, wie er sich da quält, wie er Schmerzen hat “ (V7).

„Natürlich ist das nicht schön anzuschauen für den Papa oder für den Mann, wenn es jetzt deine Frau so herbiegt und du merkst, du kannst eigentlich jetzt gar nichts tun, außer nur blöd da stehen und blöd schauen“ (V10).

Die meisten Interviewpartner gaben an, sich im Kreißsaal generell wohlgefühlt zu haben.

„Also ich habe mich grundsätzlich schon wohlgefühlt, willkommen, ja/willkommen vielleicht schon, aber eher ein bisschen fehl am/Fehl am Platz ist vielleicht auch das falsche Wort, aber ein bisschen nutzlos, sagen wir es einmal so“ (V10).

Eine angenehme Atmosphäre und die kompetente Betreuung insbesondere durch die Hebamme wurden als Gründe dafür genannt. Zwei Väter haben jeweils eine Ärztin als Ausnahme benannt. Zwei Teilnehmer hatten sich im Kreißsaal nicht wohl gefühlt, zum einen wegen der als zu steril empfundenen Einrichtung, zum anderen fühlte sich ein Teilnehmer durch eine Wanduhr gestört, die er und seine Partnerin die ganzen Nacht im Blickfeld hatten.

Die Hälfte der interviewten Väter erlebte die Geburt ihres Kindes als überraschend lang, da sie mit einer schnelleren Geburt gerechnet hatten. Ein Grund dafür wurde in den häufigen Phasen der Untätigkeit und des Wartens speziell in der Eröffnungsphase gesehen, wodurch die Zeitdauer als wesentlich länger empfunden wurde. Dementsprechend hat ein Teilnehmer bspw. angegeben, die Geburt im Kreißsaal als lange empfunden zu haben, rückblickend jedoch nicht. Als Grund für die Annahme einer kürzeren Geburtsdauer wurde teilweise fehlende Information genannt.

„[…] und eigentlich hätte ich damit gerechnet so um Neun, Zehn, dass das vorbei ist ((lacht)). Ja, das wäre vielleicht/ wenn man an der Stelle/ das wäre als Aufklärung nämlich spannend gewesen ((lacht)), dass man weiß/ weil es heißt oft, ja, die sind reingefahren und es hat eine Stunde gedauert und dann sind sie wieder raus und dann ist man selber 14 Stunden/ Dann denkt man sich, okay/ ((lacht))“ (V3).

Ein Viertel der interviewten Väter hat die Geburt als schnell empfunden. Sie waren von einer länger dauernden Geburt ausgegangen, so war bspw. in einem Fall aufgrund einer Geburtseinleitung und ärztlicher Aufklärung eine mögliche Geburtsdauer von bis zu drei Tagen erwartet worden. Für 2 Interviewteilnehmer entsprach die empfundene Geburtsdauer der Erwartungshaltung.

„Ja, ich habe halt dahingehend damit gerechnet, weil ich halt einige Geschichten gehört habe von anderen Leuten, wo es halt auch ähnlich lang gedauert hat und dann stellt man sich eigentlich schon ein bisschen drauf ein“ (V10).

Die Interviewpartner berichteten von einer Reihe medizinischer Interventionen während der Geburt. Ein Viertel der Geburten wurde eingeleitet und mehr als die Hälfte der Partnerinnen erhielt im Verlauf der Geburt eine Infusion mit wehenfördernden Mitteln. Ein Teilnehmer berichtete von einer Tokolytikagabe. Schmerzmedikation erfolge z. T. mit Lachgas, intramuskulärer Schmerzmittelgabe oder mittels Kurzinfusion. Zwei der interviewten Väter haben zudem eine Periduralanästhesie genannt. Einmal wurde eine Mikroblutanalyse erwähnt. Von 3 Vätern wurde am Ende der Geburt die Anwendung eines Kristeller-Handgriffes beschrieben.

„[…] es war ja die letzten Wochen und Monate so, dass man den Bauch/ der war natürlich tabu während der Schwangerschaft und da hat man, ja, auf den halt aufgepasst und wo es dann losgegangen ist, […] hat sie halt dann gesagt, ja, nein, Madl, jetzt musst du da halt/ jetzt muss ich dir noch einen Schupfer mit auf den Weg geben und hat dann halt zuerst angefangen so gegen den Bauch zu drücken und ich habe mir gedacht, wohwohwoh und so und dann/ Auf einmal ist sie aufs Bett gestiegen und hat dann angefangen so gegen den Bauch springen ((lacht)) und/ Da habe ich mir gedacht, phau“ (V11).

Während 8 Kinder spontan geboren wurden, erfolgten 2 Geburten mittels Vakuumextraktion und 2 durch eine sekundäre Sectio Caesarea. Diese Abänderungen im geplanten Geburtsverlauf führten Teils zu Verwirrung, die werdenden Väter erlebten ihre Partnerin teils aufgelöst, da der Geburtsmodus nicht dem Wunsch der Frau entsprochen hat. Die sich plötzlich verändernde Situation, das Hinzukommen weiterer Fachkräfte sowie weiter Maßnahmen wurden von den Interviewpartnern berichtet.

„[…] sie machen es mit der Saugglocke […] und im Endeffekt war es nachher so, dass sie da einen halben OP aufgebaut haben. Da sind nachher auf einmal/ eine zweite Hebamme ist gekommen, nachher ist noch die Ärztin da gewesen, nachher war noch/ein Kinderarzt ist gekommen und haben überall die ganzen Tücher/alles abgedeckt als/richtig OP-fertig gemacht haben, hinten die ganzen Instrumente/keine Ahnung, ob sie das so gemacht haben, falls ein Notkaiserschnitt oder was notwendig gewesen wäre“ (V8).


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Betreuung durch das medizinische Fachpersonal

Die Betreuung während der Geburt erfolgte bei allen Paaren primär durch Hebammen, wobei die meisten aufgrund bspw. des Schichtwechsels von mehreren Hebammen betreut wurden. Zusätzlich waren bei allen Geburten ergänzend Ärztinnen/Ärzte in unterschiedlichem Ausmaß eingebunden. Als Kontaktpunkte zu Ärztinnen/Ärzten sind von den Vätern bspw. die Morgenvisite, das Legen einer Venenverweilkanüle, das Hinzukommen zur Geburt, die Inspektion der Plazenta beziehungsweise das Versorgen der Geburtsverletzung genannt worden.

Die Erreichbarkeit des medizinischen Fachpersonals wurde durchwegs positiv erlebt. Die Erfahrungen der Interviewteilnehmer betreffend die Erreichbarkeit des medizinischen Fachpersonals, insbesondere der Hebamme, waren durchwegs positiv. Auch wenn die Hebamme im Kreißsaal nicht immer physisch anwesend war, auch aufgrund der Betreuung anderer Paare, war sie bei Bedarf erreichbar. Ein Interviewpartner hätte sich eine kontinuierliche Betreuung gewünscht, was aufgrund der gleichzeitigen Betreuung mehrerer Paare durch die Hebamme nicht möglich war. Ein Teilnehmer kritisierte die lange Wartezeit vom Betätigen der Rufanlage bis zum Eintreffen im Kreißsaal.

Die Mehrheit der Interviewpartner äußerte sich positiv zur Kommunikation mit dem medizinischen Fachpersonal. Sie gaben an, alle benötigten Informationen zur Verfügung gestellt bekommen zu haben, dass auf ihre Fragen ausreichend eingegangen wurde, und dass sie das Gefühl hatten, bei Unklarheiten jederzeit Fragen stellen zu können. Drei Teilnehmer beurteilten den Informationsfluss als schlecht, oder hätten sich eine bessere Kommunikation von Seiten der Hebamme gewünscht beziehungsweise erwartet.

„Ich habe schon das Gefühl gehabt, man muss schon eher nachfragen. Also es waren ziemlich kurze Antworten. […] Wie gesagt, man hätte sich einfach ein bisschen mehr gewünscht und erwartet, dass das mehr so ein Dialog ist mit der Hebamme, dass sie sagt, okay, jetzt als nächstes wird dann das und das gemacht, dann ist das und das zu machen. Das wäre einfach beruhigend gewesen, dass man weiß, was passiert jetzt dann und sie hat auch nie gesagt, ich komme jetzt in 5 Minuten wieder, sondern ist einfach rausgegangen, es war keiner mehr da und das war ein paar Mal. Das habe ich jetzt nicht so angenehm empfunden“ (V7).

Zwei Drittel der interviewten Väter fühlten sich durch das medizinische Fachpersonal in die Geburt miteinbezogen. Zwei Interviewteilnehmer gaben an, nicht wirklich eingebunden beziehungsweise in die Geburt miteinbezogen worden zu sein. Wichtig für das einbezogen werden war für die Teilnehmer v. a. das Erteilen von Aufgaben sowie Anweisungen von Seiten der Hebamme.

„Ja, also ich habe mich nicht als fünftes Rad am Wagen gefühlt. Also ich bin da eigentlich immer ganz gut mit einbezogen worden. Also kleinere Aufgaben habe ich gekriegt immer. Also ich/ Mir ist es nicht langweilig geworden, sagen wir so“ (V1).

Generell zeigte sich die Mehrheit der interviewten Väter zufrieden mit der Betreuung durch das medizinische Fachpersonal. Hier wurden von den Interviewpartnern unter anderem die Hilfsbereitschaft, das Bemühen, die Zuvorkommenheit sowie die Fürsorge in der Betreuung betont. Ein Teilnehmer hat die Betreuung durch eine Wahl-Hebamme hervorgehoben. Zwei der Väter waren mit der Betreuung nicht zufrieden. Sie kritisierten fehlendes Mitgefühl, mangelndes Eingehen auf die Patientin, und vermissten ausreichende Vermittlung von Informationen. Außerdem wurde der Zeitdruck seitens der Fachpersonen angesprochen.

„Man hat halt einfach gemerkt, dass relativ viel los war im Kreissaal und es war halt/[…] wir haben einfach das Gefühl gehabt da ist ein Zeitdruck da. Da wartet schon die Nächste vorn außen. Ja“ (V2).

Speziell die Betreuung durch die Hebamme wurde mehrheitlich positiv erlebt. Diese war aus Sicht der Interviewpartner gekennzeichnet durch ein Ausstrahlen von Ruhe, ein angenehmes Empfinden, einen positiven Umgang und ein Gefühl des Sich-in-besten-Händen-fühlens. Im Gegensatz bemängelten 2 Teilnehmer zu wenig Einfühlungsvermögen seitens der Hebamme beziehungsweise dass das Paar anfangs aufgrund einer Wunscheinleitung belächelt wurde.

Die Zufriedenheit mit der ärztlichen Betreuung zeigte ein heterogenes Bild. Das Ermöglichen der Selbstbestimmtheit und das Mitspracherecht bei Entscheidungen wurden positiv hervorgehoben. Andererseits wurde die Anwesenheit der Ärztinnen/Ärzte manchmal als störend empfunden.

„Ja, wie zwei Ärzte reingekommen sind mitten, während der Geburt, wo eigentlich schon die guten Wehen angefangen haben und dann gesagt haben/Also der eine Assistenzarzt hat seinen Kollegen vorgestellt und hat gesagt, der hat noch nie eine Geburt gesehen, er möchte nachher dabei sein, ist das eh okay und, ja, eigentlich in einer Szene, wo die Frau sich definitiv nicht mehr wehrt“ (V3).

Auch das Thematisieren von Verhütung direkt nach der Geburt des Kindes wurde als unpassend erlebt. Das Beiziehen von Ärztinnen/Ärzten in kritischen Situationen führte auch zu teils negativen Wahrnehmungen betreffend der ärztlichen Kompetenz. So mussten in einem Fall zur Inspektion von Geburtsverletzungen mehrere Ärztinnen/Ärzte hinzugezogen werden. In einem anderen Fall musste bei einer Vakuumextraktion die Saugglocke mehrmals angesetzt werden.


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Rolle des Vaters während der Geburt

Die eigene eingenommene Rolle während der Geburt wurde sehr unterschiedlich beschreiben und bspw. als „Hilfsarbeiter“, „Praktikant“, „Statist“, „Beobachter“, „Nebendarsteller“, „Stütze“ und „Motivator“ bezeichnet. Fünf Interviewpartner haben ihre Rolle als „aktiv“ bezeichnet, einer als eher „passiv“.

Alle Interviewpartner haben angegeben, während der Geburt bestimmte Aufgaben übernommen zu haben. Hier wurden die Unterstützung beim Einnehmen von Positionen sowie das Bilden einer Stütze zum Anlehnen für die gebärende Partnerin, das Motivieren und gut zureden, das gemeinsame Atmen während der Wehen, Spazierengehen und Duschen, das Massieren des Rückens, oder das Abkühlen als Aufgaben beschrieben. Darüber hinaus wurde von den Teilnehmern vielfach die Versorgung mit Getränken oder Essen, teilweise auch das Füttern der Partnerin, sowie das Reichen der Lachgasmaske oder einer Nierentasse bei Erbrechen als unterstützende Maßnahmen genannt. Insgesamt elf der 12 Interviewteilnehmer waren mit der von ihnen eingenommenen Rolle zufrieden.

„Ich bin mir schon komisch vorgekommen, aber S. hat mir auf jeden Fall eine positive Rückmeldung gegeben, dass sie sich mir sehr vertraut und nahe gefühlt hat und das hat mich dann bestärkt in meinem Rollenverhalten. Genau. Also ich bin eigentlich zufrieden“ (V12).

Ein Interviewteilnehmer war mit seiner Rolle während der Geburt unzufrieden, einerseits hätte er gerne mehr für seine Partnerin getan, andererseits hatte er die Erfahrung einer negativen Rückmeldung durch seine Partnerin gemacht.


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Retrospektive Beurteilung des Geburtserlebens

Am Ende des Interviews wurden die Teilnehmer gebeten, das Geburtserlebnis retrospektiv zu beurteilen und hilfreiche und störende Aspekte zu nennen. Alle 12 Väter haben das subjektive Erleben der Geburt ihres Kindes retrospektiv als positives Ereignis in ihrem Leben eingeordnet.

„[…] ganz ein existentieller Moment. Ich habe noch nie so was Heftiges erlebt und es wird mich sicher mein ganzes Leben lang prägen. Das war schon ein extrem positives Erlebnis. Ich bin richtig berauscht nach Hause gekommen, […] ich weiß nicht, war richtig aus dem Häuschen. Habe zuhause allen das erzählt und habe/ ich weiß nicht, nur über das Gesicht gestrahlt. Also es hat schon richtig was Positives ausgelöst“ (V12).

Im Rahmen der retrospektiven Beurteilung wurde von den Teilnehmern eine Vielzahl individueller Ressourcen benannt, die bei der Geburt als hilfreich erlebt wurden. Hier wurde am häufigsten die Hebamme genannt, v. a. ihre Kompetenz und beruhigende Art, sowie ihr Beitrag zu einem positiven Geburtsverlauf. Auch die Kommunikation mit der Hebamme wurde als hilfreich empfunden, das Geben kurzer Statusberichte und das Aufzeigen von Perspektiven sowie eines realistischen Bildes der weiteren Abläufe. Teilweise wurde auch der Besuch eines Geburtsvorbereitungskurses, eine Kreißsaalführung, sowie der Austausch mit anderen Personen als hilfreich erwähnt.

Ein Teilnehmer betonte die Möglichkeit bei der Geburt anwesend zu sein als wichtige Ressource. Weitere als hilfreich erlebte Aspekte waren bspw. mitgebrachte gemütliche Kleidung, Essen, eigene Musik, eine positive Atmosphäre und Stimmung im Kreißsaal oder ein Familienzimmer auf der Wochenstation. Vereinzelt wurden auch individuelle Ressourcen wie ein relativ unkomplizierter Geburtsverlauf, eine positive Rückmeldung der gebärenden Frau oder die Vorfreude auf das Kind genannt.

Fünf Teilnehmer äußerten Kritik in Zusammenhang mit den Räumlichkeiten beziehungsweise der Einrichtung und Ausstattung der Kreißsäle, wie dem Fehlen einer eigenen Sitzgelegenheit für den werdenden Vater, einer zu hohe Raumtemperatur oder fehlender Privatsphäre. Auch die Reinigung des Kreißsaales durch eine Reinigungskraft während der Geburt oder das Scherzen zweier Ärzte beim Betreten des Kreißsaales wurden als störende Faktoren angegeben. Zwei Interviewteilnehmer waren retrospektiv mit der Betreuung durch die Hebamme, insbesondere mit der Kommunikation zwischen Hebamme und werdendem Vater unzufrieden.

„Was mir wichtig gewesen wäre, wäre halt einfach auch, dass die Hebamme auch einmal zwischendrängen, wie geht es dir, brauchst du was. Ja, dass halt einfach auch vielleicht ein bisschen auf den Mann eingegangen wird, auch gerade emotional, ja. Es ist halt einfach ein Gefühlschaos“ (V2).


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Diskussion

In Übereinstimmung mit früheren Ergebnissen aus Deutschland [6], verbanden die Interviewpartner die verschiedensten positiven wie negativen Gefühle mit dem Geburtserleben im Kreißsaal. Der Moment der Geburt des Kindes war mit einem Abfall der Anspannung sowie einem Gefühl der Erleichterung verbunden. In ähnlicher Weise beschrieben Teilnehmer einer schwedischen Studie die Geburtserfahrung als einen verwobenen Prozess und ein Pendeln zwischen Euphorie und Agonie [8]. Ebenso wurde in vorhergehenden Studien die Geburt mit starken positiven Gefühlen in Verbindung gebracht [5] [8] [13] [14] [22]. Die Geburt des Kindes beziehungsweise das erste Schreien wurde als schönster Moment eingestuft [18] und als Beginn der Vaterschaft gesehen [20].

In früheren Studien wurde berichtet, dass sich eine als lang erlebte Geburtsdauer negativ auf das väterliche Geburtserleben der Geburt auswirkt, während eine kürzere bzw. schneller als erwartete Geburt mit einem positiven Geburtserlebnis assoziiert wurden [13] [23] [24]. In der vorliegenden Erhebung erlebte etwa die Hälfte der Väter die Geburtsdauer als überraschend lange, während ein Viertel der Teilnehmer von einer längeren Geburt ausgegangen war, wobei sich dieses Viertel mit jenen Vätern deckt, die an keinem Geburtsvorbereitungskurs teilgenommen hatten. Der Besuch eines Vorbereitungskurses wurde in Studien mit einem positiven Geburtserlebnis assoziiert [23] und die Zufriedenheit der hier interviewten Väter mit den besuchten Vorbereitungskursen war hoch. Dennoch deutet die Tatsache, dass jene Teilnehmer, die mit einer schnelleren Geburt gerechnet hatten auch einen Geburtsvorbereitungskurs besucht hatten, möglicherweise auf ein Informationsdefizit in den Kursen hin.

Neben den Geburtsvorbereitungskursen nutzten die Interviewpartner weitere institutionalisierte Angebote sowie den Austausch mit ihrem sozialen Umfeld und Literatur- bzw. Internetrecherchen zur Geburtsvorbereitung. Insgesamt wurde die Geburtsvorbereitung mehrheitlich als ausreichend eingestuft, teilweise wurde ein Angebot an zu viel Information genannt. Diese Ergebnisse sind im Einklang mit früheren Berichten, die zeigen, dass sich werdende Väter mit einer Vielzahl an unterschiedlichen Möglichkeiten auf die Geburt vorbereiten [5] [15] [25]. In einer Umfrage an einer deutschen Wochenstation betrachteten 91% der Väter ihre Vorbereitung auf die Geburt retrospektiv als ausreichend [5]. Im Gegensatz dazu fühlten sich Teilnehmer einer englischen qualitativen Erhebung oftmals von der Schwangerenvorsorge ausgeschlossen und äußerten den Wunsch nach väterspezifischen Inhalten [15].

Übereinstimmend mit früheren Studien [8] [14] [23] [26] [27], erlebten die werdenden Väter es als besonders negativ, ihre Partnerin unter Schmerzen leiden zu sehen, ohne ihr direkt helfen zu können. Generell wurden durch die Teilnehmer der vorliegenden Studie eine Reihe medikamentöser Interventionen, von Geburtseinleitung über wehenfördernde Medikamente, Tokolyse, Schmerzmittelgabe bis hin zur Periduralanästhesie beschrieben, diese meist jedoch eher als notwendige Maßnahme und nicht als negativer Einflussfaktor wahrgenommen. Ähnlich wurde in einer dänischen Studie eine medikamentöse Wehenförderung primär als Hilfe zur Beendigung der Geburt erlebt einhergehend mit Gefühlen der Erleichterung und Sicherheit [12].

Der Geburtsmodus wurde vielfach als wesentlicher Einflussfaktor auf das väterliche Geburtserleben diskutiert [11] [23] [24] [26] [28] [29] [30] [31]. Wenngleich werdende Väter eine vaginale Geburt präferierten, kam dabei dem Geburtsmodus meist eine eingeschränkte Bedeutung zu, da sich die Sicherheit der Mutter und des Kindes als das primäre Anliegen der Väter erwies [11] [26] [30]. In der vorliegenden Untersuchung wurde ein Drittel der Kinder nicht spontan geboren, dennoch erlebten alle Interviewteilnehmer die Geburt retrospektiv als positiv, unabhängig vom Geburtsmodus. Auch das Auftreten von Komplikationen wurde in Studien mit einem negativen väterlichen Geburtserlebnis assoziiert [18] [23] [26]. Neben Vakuumextraktion und sekundären Sectio Caesarea als Geburtsmodus wurde nur eine weitere Geburtskomplikation/-intervention, die Anwendung des Kristeller-Handgriffes, von einigen Interviewpartner beschrieben und als irritierend wahrgenommen.

Die Mehrheit der Väter zeigte sich in der vorliegenden Untersuchung mit der Betreuung durch das medizinische Fachpersonal zufrieden. Die zentrale Fachperson, und damit wesentlicher Einflussfaktor auf das Geburtserleben, war in allen Fällen die betreuende Hebamme. Dieses Ergebnis steht im Einklang mit früheren Studien, welche einen Zusammenhang zwischen dem väterlichen Geburtserleben und der erlebten Unterstützung durch die Hebamme zeigten. So wurde eine geringe Zufriedenheit mit der Hebamme mit einem weniger positiven Geburtserlebnis assoziiert [29]. Dabei zeigte sich sowohl die Präsenz der Hebamme als auch die Kommunikation mit und die Unterstützung durch die Hebamme für das väterliche Erleben der Geburt von Bedeutung [16] [27]. Hinsichtlich der Bedürfnisse an das medizinische Fachpersonal sind neben der Kommunikation auch das Erhalten von Informationen, das Involvieren der werdenden Väter, das Einbinden in Entscheidungsprozesse, aber auch die Präsenz der Hebamme im Kreißsaal sowie die Möglichkeit der Nachbesprechung der Geburt bedeutend [7] [13] [17] [23] [26] [32] [33] [34].

Die vorliegende Studie hat mehrere Limitationen. Die Relevanz der Ergebnisse ist durch den geringen Stichprobenumfang begrenzt. Die Ergebnisse unserer Studie spiegeln einen bestimmten kulturellen und zeitlichen Kontext wider und sind daher möglicherweise nicht auf andere Länder oder andere Rahmenbedingungen verallgemeinerbar, insbesondere auf Länder mit stark abweichenden Gesundheitssystemen. Die Teilnehmer wurden durch Hebammen rekrutiert und die Interviews durch eine Hebamme geführt, wodurch es betreffend die Rolle der Hebamme bei der Geburt möglicherweise zu einer positiven Verfälschung gekommen sein kann. Unter diesem Aspekt ist zu berücksichtigen, dass die Partnerinnen dieser Väter entweder schon im Vorfeld in der Schwangerschaft oder aber v. a. unmittelbar nach der Geburt im Rahmen der Wochenbettbetreuung zu Hause Betreuung durch eine Hebamme hatten, und damit ein Auswahlbias gegeben ist. Acht der 12 Interviewteilnehmer hatten eine hochschulverwandte Lehranstalt oder eine Hochschule als höchste abgeschlossene Ausbildung absolviert, womit obere Bildungsschichten in der Stichprobe überrepräsentiert sind. Bei 4 Interviews waren zeitweise die Partnerin und das Kind anwesend, was eventuell die Offenheit der Väter oder andere Aspekte beeinflusst haben könnte.

Tab. 1 Empfehlungen für die Praxis.

Schwangerschaft

Erstkontakt mit der Hebamme

Idealerweise bereits in der Schwangerschaft, z. B. in Form eines Beratungsgespräches. Die Hebamme sollte wenn möglich auch den werdenden Vater zu diesem Gespräch einladen.

Geburtsvorbereitungs-kurs

Vermittlung klarer und ehrlicher Informationen/eines realistischen Bildes von einer Geburt inkl. möglicher Komplikationen. Gezielt Informationen auch für die werdenden Väter, z. B. aktive Beteiligung der Partner bei praktischen Übungen für unterstützende Maßnahmen während der Geburt. Eine väterspezifische Vorbereitung durch eine fachkundige männliche Person wäre – auch im Rahmen des Paarkurses – denkbar.

Kreißsaalbesichtigung

Erstes Kennenlernen der räumlichen Gegebenheiten und des medizinischen Fachpersonals. Ermöglichen der Teilnahme der werdenden Väter.

Austausch

Der werdende Vater kann sich während der Schwangerschaft über die bevorstehende Geburt und damit verbundene Themen in seinem Umfeld (Partnerin, Familien-, Freundeskreis, Arbeitsumfeld, im Speziellen mit anderen Männern und Vätern) austauschen. Die Hebamme sollte die werdenden Väter zum Austausch untereinander ermutigen.

Kreißsaaltasche

Das Mitbringen von diversen Dingen, wie bspw. Essen und Trinken, Musik und bequeme Kleidung, kann das väterliche Wohlbefinden im Kreißsaal steigern. Die werdenden Väter sollten entsprechend dazu animiert werden, sich eine eigene Tasche für die Geburt zu packen.

Geburt

Anwesenheit

Dem werdenden Vater sollte die Präsenz im Kreißsaal während der gesamten Geburt möglich sein. Die Hebamme sollte die werdenden Väter nicht nur akzeptieren, sondern auch als Teil des gebärenden Paares wahrnehmen.

Kontinuität der Betreuung

Eine 1:1 Betreuung bei der Begleitung von Geburten wäre wünschenswert, um die Kontinuität der Betreuung zu gewährleisten. Durch ihre Präsenz im Kreißsaal ist die Hebamme auch für den werdenden Vater erreichbar.

Privatsphäre

Wird der Wunsch nach Privatsphäre geäußert, sollte dieser Berücksichtigung finden. Unnötige Störungen sollten vermieden werden.

Rolle des Vaters

Die Einnahme einer aktiven Rolle des Vaters während der Geburt soll ermöglicht werden, sie sollten einbezogen und beteiligt werden. Z.B. durch Anweisungen bzw. Vorschläge für Maßnahmen zur Unterstützung der Partnerin.

Kommunikation

Die Kommunikation ist während der gesamten Geburt von essentieller Bedeutung, insbesondere beim Auftreten von Komplikationen. Die Kommunikation mit den werdenden Eltern sollte respektvoll und empathisch erfolgen, die werdenden Eltern sollen in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und nicht zu Entscheidungen gedrängt werden. Auch innerhalb des medizinischen Fachpersonals sollte die Kommunikation respektvoll erfolgen und es sollten gegenüber den werdenden Eltern keine gegensätzlichen Meinungen vertreten werden.

Information

Dem werdenden Vater sollten jederzeit alle benötigten Informationen zur Verfügung stehen. Die werdenden Eltern sollten jederzeit die Möglichkeit haben, Fragen zu stellen. Die Vermittlung der Information sollte ehrlich sein und keine falschen Hoffnungen wecken. Insbesondere bei ungeplanten Interventionen oder auftretenden Komplikationen benötigen beide Elternteile ausreichende und angemessene Informationen. Auch in dringlichen Situationen sollte darauf geachtet werden, dass die Väter nicht alleine ohne Information zurückgelassen werden.

Nach der Geburt

Erstes Kennenlernen

Die erste Zeit nach der Geburt dient einem ersten Kennenlernen von Mutter, Vater und Kind. Eine Trennung des Vaters von der Mutter und dem Kind sollte, wenn möglich vermieden werden. Bedarf es noch weiterer Versorgung, bspw. aufgrund einer Geburtsverletzung, sollte diese möglichst ruhig verlaufen, um das Kennenlernen nicht unnötig zu stören.

Frühes Wochenbett

Ein Zusammenbleiben der Familie auch im frühen Wochenbett sollte ermöglicht werden (z. B. Familienzimmer bei stationärem Aufenthalt). So können beide Partner in die Pflege des Neugeborenen miteinbezogen werden und der Kontakt zwischen der Mutter, dem Vater und dem Kind gestärkt werden.

Nachbesprechung

Bei Bedarf sollte die Möglichkeit einer Nachbesprechung der Geburt gegeben sein. Für allfällige Fragen auch des Vaters sollte eine entsprechende Anlaufstelle zur Verfügung stehen.

Fazit für die Praxis

In der vorliegenden Studie haben sich eine Vielzahl an potentiellen Einflussfaktoren auf das väterliche Geburtserleben des Kindes im Kreißsaal gezeigt, wobei sich insbesondere die Rolle des medizinischen Fachpersonals, im Speziellen der Hebamme, von Bedeutung erwies. Um den werdenden Vätern ein positives Geburtserlebnis zu ermöglichen beziehungsweise dieses zu fördern, sollte das medizinische Fachpersonal die beeinflussenden Faktoren auf das väterliche Geburtserleben kennen. Das medizinische Fachpersonal, insbesondere die Hebamme, sollten sich ihrer Verantwortung im Rahmen der Betreuung und Begleitung vor, während und nach der Geburt bewusst sein. Die aus den Ergebnissen dieser Studie und der diskutierten Literatur abgeleiteten Empfehlungen für die Praxis sind in [Tab. 1] angeführt. Weiter Forschung könnte den Fokus auf Konzepte zur Förderung eines positiven Geburtserlebnisses der Väter legen. Möglicherweise sind auch spezielle Schulungen für das im Kreißsaal tätige medizinische Fachpersonal, insbesondere die Hebammen, denkbar.


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Interessenkonflikt

Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.

Danksagung

Die Autorinnen/Autoren danken den Hebammen, die die Rekrutierung der Studienteilnehmer unterstützt haben, sowie den Interviewpartnern für ihre Bereitschaft, ihre Geschichte mit uns zu teilen.


Korrespondenzadresse

Christoph Zenzmaier
FH-Bachelor-Studiengang Hebamme
fhg – Zentrum für Gesundheitsberufe GmbH
Innrain 98
6020 Innsbruck
Österreich   

Publication History

Received: 18 June 2020

Accepted after revision: 29 July 2020

Article published online:
17 September 2020

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Abb. 1 Emotionales Geburtserleben. Die Äußerungen der interviewten Väter zu ihren Gefühlen während der Geburt ihres ersten Kindes dargestellt als Schlagwortwolke.