Kommentare zu den Bewegungsempfehlungen
Als wissenschaftliche Grundlage und Vorlage für die Bewegungsempfehlungen
wurden die umfangreiche Literaturaufbereitung aus den USA [2] sowie die daraus resultierenden
Bewegungsempfehlungen [3] verwendet.
Zielgruppen
Im Vorspann der Bewegungsempfehlungen gibt es eine kurze Beschreibung der
Gesundheitseffekte durch regelmäßige Bewegung. Mit dieser
zielgruppenspezifischen Auflistung wird den Leserinnen und Lesern noch einmal
bewusstgemacht, wie bedeutsam Bewegung zur Förderung der Gesundheit ist.
Daran anschließend wird die Zielgruppe in Bezug auf das Alter und andere
Merkmale definiert. Was die Zielgruppen anbelangt, gibt es im Vergleich zu den
im Jahr 2010 veröffentlichten Österreichischen Empfehlungen
für gesundheitswirksame Bewegung [4] Änderungen. Zum einen wurden Empfehlungen für die
Zielgruppe „Menschen mit chronischen Erkrankungen“ zum ersten
Mal formuliert. Dies ist in Übereinstimmung mit den 2018 aktualisierten
Bewegungsempfehlungen aus den USA [3]
sowie mit den WHO Bewegungsempfehlungen, die im März/April 2020
im Begutachtungsprozess standen [5].
Weiter wurden Menschen mit Körper-, Sinnes- oder Mentalbehinderung als
Zielgruppe neu aufgenommen. Im Gegensatz zu den Bewegungsempfehlungen aus den
USA [3], aus Großbritannien [6] und den WHO Empfehlungen im
Begutachtungsprozess [5], wurden in
Österreich die Empfehlungen nicht separat für Menschen mit
Behinderungen formuliert. Da die Bewegungsempfehlungen für Menschen ohne
und mit Behinderung gleichlautend sind, wird in der jeweiligen
Überschrift kommuniziert, dass die Empfehlungen für Menschen
ohne und mit Körper, Sinnes- oder Körperbehinderung
gleichermaßen gelten. Dieses Vorgehen wurde beim Treffen mit den
österreichischen Expertinnen und Experten, wo die Entwürfe der
Empfehlungen vorgestellt wurden, vorgeschlagen und gutgeheißen. Ob es
für die Kommunikation als förderlich angesehen wird,
Infografiken getrennt für Menschen ohne und mit Behinderung zu
erstellen, wie in Großbritannien [6]
[6]
[7], wird nach der
Veröffentlichung der Österreichischen Bewegungsempfehlungen zu
entscheiden sein.
Kräftigende Übungen
In der Box mit den Bewegungsempfehlungen werden nach einer einleitenden
Empfehlung (siehe nächster Absatz) die kräftigenden
Übungen vor der ausdauerorientierten Bewegung thematisiert. Für
die Änderung der Reihenfolge gab es 2 Argumente. In Österreich
erreichen mehr Erwachsene (18+ Jahre) die Bewegungsempfehlungen
für ausdauerorientierte Bewegung als für kräftigende
Übungen. Mit der Platzierung der Empfehlungen für
kräftigende Übungen an erster Stelle wird der Versuch gestartet,
den Stellenwert für diese Empfehlung zu stärken. Ein zweiter
Grund war eine inhaltliche Vereinfachung. Anstatt abwechselnd über
ausdauerorientierte Bewegung, kräftigende Übungen und
anschließend wieder ausdauerorientierte Bewegung zu schreiben, wie
bisher in Österreich [4], werden
die ausdauerorientierten Empfehlungen geblockt präsentiert. Diese
Umstellung der Reihenfolge findet man auch in Großbritannien [8] sowie visuell überzeugend
dargestellt in einer Infografik (Visualisierung der Bewegungsempfehlungen mit
kurzen Begleittexten) aus Großbritannien [7].
Dauer der Bewegung
Was die empfohlene Dauer der Bewegung pro Woche anbelangt, gibt es in den
Empfehlungen mehrere Botschaften. Eine aus Public Health Sicht wichtige
Botschaft ist zu Beginn die Aufforderung an körperlich inaktive
Personen. Als körperlich inaktiv werden Personen bezeichnet, die
keinerlei – manchmal auch definiert als weniger als 30 Minuten
– Bewegung pro Woche mit mittlerer Intensität ausüben
[3]
[9]. In den Bewegungsempfehlungen
heißt es: „Vor allem der Wechsel von „körperlich
inaktiv“ zu „ein wenig körperlich aktiv“ ist ein
wichtiger erster Schritt“. Diese Aussage basiert auf dem (nichtlinearen)
Dosis-Wirkungszusammenhang zwischen Bewegung und Gesundheit mit dem
größten gesundheitlichen Nutzen am unteren Ende der Dosis
Wirkungskurve (siehe auch Beitrag „Bewegung und Gesundheit“)
[10]. Bei einem Umfang zwischen 150
bis 300 Minuten pro Woche Bewegung mit mittlerer Intensität
(bzw. 75 bis 150 Minuten Bewegung pro Woche mit höherer
Intensität oder einer entsprechenden Kombination aus Bewegung mit
mittlerer und höherer Intensität) geht man von einem
substantiellen Nutzen für die Gesundheit aus. Daher heißt es in
den Empfehlungen „ … sollen Erwachsene mindestens
150 Minuten (2 ½ Stunden) bis 300 Minuten (5 Stunden)
pro Woche ausdauerorientierte Bewegung mit mittlerer Intensität
ausüben“. Die 150 bis 300 Minuten Bewegung pro Woche
sind ein Orientierungsrahmen mit Vor- und Nachteilen. Vorteile ergeben sich
für die Policy (Kommunikation von Bewegungsempfehlungen oder
Durchführung von Bewegungsmonitoring), für
Bewegungsförderungsprojekte (Evaluation von Interventionen, Beratung und
Feedback) und für die Anwendung von
Verhaltensänderungsstrategien (konkretes messbares Ziel) [11].
Nachteile sind, dass (1) die wenigsten Menschen wissen, wie viel Bewegung sie
tatsächlich machen, (2) der Eindruck entstehen könnte, dass
147 Minuten Bewegung pro Woche mit mittlerer Intensität nichts
wert seien und (3) für körperlich inaktive Menschen dieser
Bewegungsumfang zu hoch ist, um als Ziel attraktiv zu sein.
Aus wissenschaftlicher Sicht überwiegen die Vorteile eines nummerischen
Orientierungsrahmens. Durch Empfehlungen mit einer geringeren nummerischen
Spezifizierung wie bspw. „Es wird empfohlen im Alltag und in der
Freizeit mehrmals pro Woche körperlich aktiv zu sein“ werden die
Nachteile des spezifischeren nummerischen Orientierungsrahmens (150 bis
300 Minuten Bewegung pro Woche) nicht zwingend aufgehoben.
Für die Empfehlung einen Bereich, nämlich zwischen 150 bis
300 Minuten Bewegung mit mittlerer Intensität (bzw. die
entsprechende Dauer, je nachdem, ob auch Bewegung mit höherer
Intensität ausgeübt wird) zu wählen, ändert
möglicherweise etwas in der Einstellung zur Gesundheitsressource
Bewegung. Bewegung ist ein Gesundheitsverhalten und keine Pille. Statt den
Schwellenwert „150 Minuten Bewegung pro Woche“
vorzugeben, wird ein Kontinuum, nämlich 150 bis 300 Minuten
Bewegung pro Woche, genannt. Damit wird signalisiert, dass es durchaus
erstrebenswert ist, mehr als 150 Minuten pro Woche körperlich
aktiv zu sein.
Schließlich heißt es: „Erwachsene können einen
zusätzlichen gesundheitlichen Nutzen erzielen, wenn sie den
Bewegungsumfang über 300 Minuten pro Woche steigern“.
Diese Empfehlung basiert auf dem aktuellen Wissenstand, dass mit zunehmenden
Bewegungsumfang noch immer Gesundheitseffekte gegeben sind [3]
[10]. Um noch einmal den Vergleich mit
einem Medikament heranzuziehen, ist die Gefahr einer Überdosierung
gering. Dennoch ist es wichtig, Sicherheitsaspekte zu beachten (siehe Artikel
„Bewegung und Gesundheit“ [1]).
Bewegungsempfehlungen
Erwachsene ohne und mit Körper-, Sinnes- oder
Mentalbehinderung
Erwachsene, die sich regelmäßig bewegen, sind gesünder,
fühlen sich besser und entwickeln mit einer geringeren
Wahrscheinlichkeit chronische Erkrankungen wie Herz-Kreislauferkrankungen,
Diabetes mellitus Typ 2, verschiedene Tumorarten (z. B. Dickdarm-,
Brust-, Gebärmutter-, Blasen-, Speiseröhren-, Nieren-, Lungen-
und Magenkrebs) als Personen, die körperlich inaktiv sind. Durch
regelmäßige Bewegung mit mittlerer bis höherer
Intensität werden Gefühle der Angst und Depression vermindert
und der Schlaf sowie die Lebensqualität verbessert. Unmittelbare Effekte
nach einer Bewegungssequenz sind verbesserte kognitive Funktionen und die
Abnahme von Angstzuständen. Ein körperlich aktiver Lebensstil
erlaubt es, alltägliche Anforderungen wie Stiegensteigen oder etwas
Schweres tragen ohne übermäßige Ermüdung zu
bewältigen. Gründe hierfür sind die Aufrechterhaltung
der Fitness und die größere Wahrscheinlichkeit, ein gesundes
Körpergewicht beizubehalten [1]
[2].
Zielgruppe
Die Bewegungsempfehlungen gelten für Erwachsene von 18 bis 65 Jahren,
unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit und von
Körper-, Sinnes- oder Mentalbehinderungen.
Bewegungsempfehlungen
Erwachsene sollen regelmäßig körperlich aktiv
sein. Vor allem der Wechsel von „körperlich
inaktiv“ zu „ein wenig körperlich aktiv“
ist ein wichtiger erster Schritt.
Um die Gesundheit zu fördern und aufrecht zu erhalten
…
… sollen Erwachsene an 2 oder mehr Tagen der Woche
muskelkräftigende Übungen durchführen, bei denen
alle großen Muskelgruppen berücksichtigt werden.
… sollen Erwachsene mindestens 150 Minuten (2 ½
Stunden) bis 300 Minuten (5 Stunden) pro Woche
ausdauerorientierte Bewegung mit mittlerer Intensität
oder
… 75 Minuten (1 ¼ Stunden) bis
150 Minuten (2 ½ Stunden) pro Woche ausdauerorientierte
Bewegung mit höherer Intensität
oder
… eine entsprechende Kombination aus ausdauerorientierter
Bewegung mit mittlerer und höherer Intensität
durchführen.
Erwachsene können einen zusätzlichen gesundheitlichen
Nutzen erzielen, wenn sie den Bewegungsumfang über
300 Minuten pro Woche steigern. Wobei Bewegungen mit mittlerer
und höherer Intensität wieder kombiniert werden
können.
Langandauerndes Sitzen soll vermieden beziehungsweise immer wieder durch
Bewegung unterbrochen werden.
In den Bewegungsempfehlungen wird zu Beginn darauf hingewiesen, dass
Erwachsene regelmäßig körperlich aktiv sein sollen
ohne weitere Hinweise, was mit „regelmäßig“
gemeint ist.
Idealerweise wird die ausdauerorientierte Bewegung auf möglichst
viele Tage der Woche verteilt. Die Verteilung auf mehrere Tage pro Woche hat
unter anderem den Vorteil, dass die positiven Effekte unmittelbar nach
körperlicher Aktivität (z. B. niedrigerer Blutdruck,
verminderte Angespanntheit, verbesserter Schlaf, verbesserte kognitive
Funktionsfähigkeit [3])
regelmäßig erfahren werden.
Es gibt vielfältige Möglichkeiten, die 150 bis
300 Minuten ausdauerorientierte Bewegung pro Woche
zusammenzustellen. Das Konzept des Aufsummierens von Bewegungseinheiten pro
Woche lässt es zu, z. B. 5-mal 30 Minuten pro Woche
Bewegung mit mittlerer Intensität durchzuführen. Diese 5-mal
30 Minuten pro Woche könnten auch dazu ermutigen, Bewegung
als integralen Bestandteil des Alltagslebens zu betrachten.
Sitzen bzw. sitzendes Verhalten ist gekennzeichnet durch einen geringen
Energieverbrauch. Hierzu zählen bspw. Sitzen, Liegen, Stehen, die
meisten Formen von Büroarbeit, Fernsehen, Computerspielen oder
Autofahren. Die Empfehlung ist, Sitzzeiten immer wieder mit Bewegung
jeglicher Intensität (auch leichte Intensität) zu
unterbrechen. Für Menschen, die sehr viel sitzen (müssen),
ist es umso wichtiger, die Bewegungsempfehlungen zu erfüllen [12].
Ältere Erwachsene ohne und mit Körper-, Sinnes- oder
Mentalbehinderung
Regelmäßige Bewegung ist während der gesamten
Lebensspanne bedeutsam für die Gesundheit. Mit der
regelmäßigen Aktivierung großer Muskelgruppen
können ältere Erwachsene dazu beitragen, ihre funktionale
Fitness und ein unabhängiges Leben beizubehalten.
Regelmäßige ausdauerorientierte und muskelkräftigende
Bewegung hilft bspw., geistig gesund zu bleiben, die Lebensqualität zu
verbessern sowie Herz-Kreislauferkrankungen und Stürzen vorzubeugen
[3].
Zielgruppe
Die Empfehlungen gelten für Erwachsene ab 65 Jahren, bei denen keine
Kontraindikation in Bezug auf körperliche Aktivität gegeben
ist. Sie gelten unabhängig von Geschlecht, ethnischer
Zugehörigkeit und Körper-, Sinnes- oder
Mentalbehinderungen.
Bei älteren Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen
sollen die Empfehlungen in Abhängigkeit vom
Bewegungsvermögen und den spezifischen gesundheitlichen Risiken
individuell angepasst werden. Die Förderung
regelmäßiger Bewegung ist für ältere
Menschen besonders wichtig, weil diese Gruppe im Vergleich zu den anderen
Altersgruppen am wenigsten körperlich aktiv ist.
Bewegungsempfehlungen
Für ältere Erwachsene mit guter Fitness gelten dieselben
Empfehlungen wie für gesunde Erwachsene unter 65 Jahren. Die
Bewegungsempfehlungen enthalten zwei Ergänzungen, die je nach der
körperlichen Verfassung einer älteren Person, relevant
werden können.
Ältere Erwachsene sollen regelmäßig
körperlich aktiv sein. Vor allem der Wechsel von
„körperlich inaktiv“ zu „ein wenig
körperlich aktiv“ ist ein wichtiger erster Schritt.
Um die Gesundheit zu fördern und aufrecht zu erhalten
…
… sollen ältere Erwachsene an 2 oder mehr Tagen der Woche
muskelkräftigende Übungen durchführen, bei denen
alle großen Muskelgruppen berücksichtigt werden.
… sollen ältere Erwachsene mindestens 150 Minuten
(2 ½ Stunden) bis 300 Minuten (5 Stunden) pro Woche
ausdauerorientierte Bewegung mit mittlerer Intensität
oder
75 Minuten (1 ¼ Stunden) bis 150 Minuten (2
½ Stunden) pro Woche ausdauerorientierte Bewegung mit
höherer Intensität
oder
eine entsprechende Kombination aus ausdauerorientierter Bewegung mit
mittlerer und höherer Intensität
durchführen.
Ältere Erwachsene können einen zusätzlichen
gesundheitlichen Nutzen erzielen, wenn sie den Bewegungsumfang
über 300 Minuten pro Woche steigern. Wobei Bewegungen
mit mittlerer und höherer Intensität wieder kombiniert
werden können.
Im Rahmen des wöchentlichen Bewegungsumfanges soll vielseitig
trainiert werden, indem Aktivitäten zur Verbesserung der Kraft,
der Ausdauer, des Gleichgewichts und der Beweglichkeit
durchgeführt werden.
Ältere Menschen sollen die Belastung und den Umfang ihrer
körperlichen Aktivität entsprechend ihrem Fitnessniveau
beziehungsweise ihrer Einschränkungen festlegen.
Langandauerndes Sitzen soll vermieden beziehungsweise immer wieder durch
Bewegung unterbrochen werden.
Der Gesundheits- und Fitnesszustand von Menschen, die 65 Jahre und
älter sind, variiert stark. Mit steigendem Alter nehmen die
motorischen Fähigkeiten Kraft, Ausdauer, Schnelligkeit,
Beweglichkeit, Koordination (wozu auch das Gleichgewicht gehört),
Beweglichkeit und somit auch die funktionale Fitness ab.
Daher heißt es in den Bewegungsempfehlungen: „Im Rahmen des
wöchentlichen Bewegungsumfanges soll vielseitig trainiert
werden“. Sich vielseitig zu bewegen, bedeutet, dass im Laufe der
Woche unterschiedliche motorische Fähigkeiten aktiviert werden. Bei
manchen Aktivitäten werden mehrere Fähigkeiten gleichzeitig
trainiert wie z. B. bei einer Wanderung auf einen Hügel oder
Berg. Dabei werden Beinkraft, Ausdauer und auf unebenen Wegen auch die
Koordination gefordert. Aber auch in angeleiteten Bewegungseinheiten werden
üblicherweise mehrere motorische Fähigkeiten trainiert.
Wenn eine Person alltägliche Tätigkeiten nicht mehr
verrichten kann, spricht man von funktionaler Einschränkung.
Ältere Menschen mit funktionaler Einschränkung, die sich
regelmäßig bewegen, können ihre vorhandenen
funktionalen Fertigkeiten beibehalten oder sogar verbessern und tun sich
dadurch im Alltag leichter.
Für Erwachsene und ältere Menschen gilt, dass während
einer Erkrankung – wie z. B. Erkältungskrankheiten
oder Grippe – es notwendig ist, die regelmäßige
körperliche Aktivität zu unterbrechen. Es wird empfohlen,
nach einer solchen Unterbrechung mit der Bewegung wieder zu beginnen, aber
vorerst auf einem niedrigeren Niveau und mit dem Ziel, schrittweise wieder
jenes Aktivitätsniveau von vor der Erkrankung zu erreichen. Wenn der
Wiederaufbau des Bewegungsumfanges schwerfällt, wird empfohlen,
Unterstützung zu suchen.
Erwachsene mit chronischen Erkrankungen
Regelmäßige körperliche Aktivität ist bei
Erwachsenen mit chronischen Erkrankungen von besonderer Bedeutung. Bei dieser
Zielgruppe geht es einerseits um eine generelle Stärkung der Gesundheit
und einen positiven Einfluss auf die Lebensqualität, andererseits aber
auch um positive Wirkungen, die im Management der chronischen Erkrankung wichtig
sind. Zu beachten ist, dass das wöchentliche Ausmaß an
ausdauerorientierter und muskelkräftigender Aktivität der
chronischen Erkrankung einer Person angepasst werden muss. Je nach
Gesundheitszustand soll die Bewegung nach Rücksprache mit
Ärztinnen/Ärzten ausgeführt werden [3].
Zielgruppe
Die Empfehlungen gelten für Erwachsene mit chronischen
körperlichen oder mentalen Erkrankungen im stabilen Stadium wie
z. B. Diabetes mellitus Typ 2, Bluthochdruck, nach einem
Schlaganfall, bei Krebserkrankungen, depressiven Störungen,
Hüft- und Kniegelenksarthrose, klinisch stabilen
ischämischen Erkrankungen oder chronischen
Rückenschmerzen.
Empfehlungen
Erwachsenen mit einer chronischen Erkrankung wird empfohlen,
regelmäßig körperlich aktiv zu sein. Vor allem
der Wechsel von „körperlich inaktiv“ zu
„ein wenig körperlich aktiv“ ist ein wichtiger
erster Schritt.
Um die Gesundheit zu fördern …
… sollen Erwachsene an 2 oder mehr Tagen der Woche
muskelkräftigende Übungen durchführen, bei denen
alle großen Muskelgruppen berücksichtigt werden.
… sollen Erwachsene mindestens 150 Minuten (2 ½
Stunden) bis 300 Minuten (5 Stunden) pro Woche
ausdauerorientierte Bewegung mit mittlerer Intensität
oder
… 75 Minuten (1 ¼ Stunden) bis
150 Minuten (2 ½ Stunden) pro Woche ausdauerorientierte
Bewegung mit höherer Intensität
oder
… eine entsprechende Kombination aus ausdauerorientierter
Bewegung mit mittlerer und höherer Intensität
durchführen.
Erwachsene können einen zusätzlichen gesundheitlichen
Nutzen erzielen, wenn sie den Bewegungsumfang über
300 Minuten pro Woche steigern. Wobei Bewegungen mit mittlerer
und höherer Intensität wieder kombiniert werden
können.
Wenn erwachsene Personen auf Grund ihrer chronischen Erkrankung nicht in
der Lage sind, diese Empfehlungen umzusetzen, dann sollen sie dennoch
soweit wie möglich körperlich aktiv sein und
Inaktivität möglichst vermeiden.
Langandauerndes Sitzen soll vermieden beziehungsweise immer wieder durch
Bewegung unterbrochen werden.
Trotz einer oder mehrerer chronischer Gesundheitsbeeinträchtigungen
gilt die klare Empfehlung, regelmäßig körperlich
aktiv zu sein. Wenn Einschränkungen, betreffend Bewegungsart,
-dauer, -häufigkeit oder -intensität, gegeben sind, kann im
Rahmen von Beratungen mit der (Haus)Ärztin/dem (Haus)Arzt
und weiteren Gesundheits- oder Bewegungsfachpersonen geklärt werden,
wie individuelle Anpassungen der Bewegungsempfehlungen vorzunehmen sind.
Zusätzlich kann es hilfreich sein, die Zusammenhänge
zwischen körperlicher Aktivität,
Gesundheitsbeeinträchtigung und Gesundheit zu erörtern.
Gegebenenfalls wird empfohlen, gemeinsam mit einer Ärztin oder einem
Arzt zu entscheiden, ob die selbstständige Durchführung
körperlicher Aktivität sicher und angemessen oder ob eine
fachliche Betreuung angebracht ist. In Phasen der Krankheitsprogression,
mangelnder Krankheitskontrolle oder einer Verschlechterung des
Gesundheitszustandes wird empfohlen, den professionellen Rat von Personen
aus Gesundheitsfachberufen einzuholen, weil z. B. veränderte
körperliche Aktivitäten oder sogar eine
Aktivitätspause notwendig sein könnten [13]
[14].
Körperliche Aktivität hat bei vielen chronischen Krankheiten
sehr unterschiedliche positive Auswirkungen, die jedoch wechselseitig
miteinander in Beziehung stehen können und sich optimaler Weise
gegenseitig verstärken. Hier sind einige dieser Effekte dargestellt:
(1) Zunächst trägt Bewegung im Sinne der Empfehlungen dazu
bei, dass sich das generelle Wohlbefinden, die Lebensqualität und
somit die Gesundheit verbessern, unabhängig von der Krankheit und
unabhängig davon, ob sich durch Bewegung im Krankheitsverlauf etwas
ändert. (2) Weiter kann Bewegung bei vielen chronischen Krankheiten
Teil der kurativen Therapie sein, insbesondere bei chronischen Krankheiten,
die durch Bewegungsmangel (mit)verursacht werden. (3) Bei eben diesen
chronischen Erkrankungen kann Bewegung dazu beitragen, das Fortschreiten der
Erkrankung zu verhindern. (4) Bewegung hilft dabei, der Entstehung von
zusätzlichen Sekundärerkrankungen entgegenzuwirken, die
möglicherweise durch die Primärerkrankung begünstigt
würden. (5) Schließlich trägt Bewegung bei
chronischen Krankheiten dazu bei, dass sich die Funktionalität
verbessert und Symptome (beispielsweise Schmerz) reduziert werden, wodurch
Personen trotz chronischer Erkrankung mit dem täglichen Leben besser
zurechtkommen.
Die Empfehlungen für Bewegung bei chronischen Erkrankungen sind jenen
für die Allgemeinbevölkerung zumeist sehr ähnlich.
Beispielsweise entsprechen die Bewegungsempfehlungen bei Diabetes mellitus
Typ 2, gemäß der Leitlinie der Österreichische
Diabetes Gesellschaft [15], jenen der
Allgemeinbevölkerung.
In [Tab. 1] ist dargestellt, bei
welchen Erkrankungen – den Empfehlungen entsprechende –
Bewegung wissenschaftlich gut abgesicherte Effekte hat.
Tab. 1 Gesundheitseffekte durch Bewegung bei Erwachsenen
mit chronischen Erkrankungen. Dargestellt sind nur Effekte,
für die es eine starke oder mittlere Beweislage gibt
[2].
Chronische Erkrankung
|
Gesundheitseffekte
|
Brustkrebs
|
Reduzierte Gesamtmortalität und reduzierte
Brustkrebs-spezifische Mortalität
|
Dickdarmkrebs
|
Reduzierte Gesamtmortalität und reduzierte
Dickdarmkrebs-spezifische Mortalität
|
Prostatakrebs
|
Reduzierte Prostatakrebs-spezifische
Mortalität
|
Arthrosen
|
Schmerzreduktion Verbesserte Funktionen und verbesserte
Lebensqualität
|
Bluthochdruck
|
Reduziertes Risiko der Progression von
Herz-Kreislauferkrankungen Reduziertes Risiko einer
weiteren Steigerung des Blutdruckes
|
Diabetes mellitus Typ 2
|
Reduziertes Risiko für Mortalität an
Herz-Kreislauferkrankungen Reduziertes Risiko
für die Progression von Erkrankungsindikatoren:
HbA1c, Blutdruck, Blutlipidwerte, Body Mass Index
|
Multiple Sklerose
|
Verbesserter Gang Verbesserte körperliche
Fitness
|
Demenz
|
Verbesserte Kognition
|
Weitere Erkrankungen mit beeinträchtigenden
Funktionen (z. B. Aufmerksamkeitsdefizit,
Hyperaktivität, Schizophrenie,
Parkinsonkrankheit, Schlaganfall)
|
Verbesserte Kognition
|
Folgende chronische Krankheiten sind Paradebeispiele, bei denen die
Bewegungsempfehlungen für Erwachsene angewendet werden sollen. Die
Auswahl wurde basierend auf der Verbreitung der Erkrankung in der
Bevölkerung und dem aktuellen Wissensstand zur Risikoreduktion durch
regelmäßige Bewegung getroffen.
-
Bluthochdruck (Hypertonie)
-
Muskuloskelettale Erkrankungen wie Arthrosen, Osteoporose oder
chronische Rückenschmerzen
-
Common Mental Disorders wie Depressionen, Angststörungen und
Stress-bedingte Störungen
-
Ischämische Herz-Kreislauferkrankungen, inklusive Nachsorge
kardiovaskulärer Vorfälle wie Herzinfarkt und
Schlaganfall
-
Adipositas (Body Mass Index≥30 kg/m²)
-
Diabetes mellitus, Typ 2 (Zuckerkrankheit)
-
Krebs
Einige wissenschaftliche Fachgesellschaften haben auf Basis nationaler und
internationaler Bewegungsempfehlungen bereits spezifische Leitlinien
beschrieben. Weitere Fachgesellschaften sind dazu eingeladen, basierend auf
den allgemeinen Bewegungsempfehlungen für Erwachsene mit chronischen
Erkrankungen spezielle Bewegungsempfehlungen bzw. Umsetzungsempfehlungen zu
formulieren.
Fazit für die Praxis
Bei der Erstellung der Bewegungsempfehlungen war es das Ziel,
unmissverständliche Formulierungen zu verwenden. Beispielsweise wurde nach
der Veröffentlichung der Österreichischen Bewegungsempfehlungen im
Jahr 2010 häufig gefragt, ob die Zeit, die man für
kräftigende Übungen aufwendet zu den 150 Minuten Bewegung
mit mittlerer Intensität addiert werden kann. Die Empfehlung ist,
zusätzlich zu den kräftigenden Übungen 150 bis
300 Minuten Bewegung pro Woche mit mittlerer Intensität zu
betreiben. Aus diesem Grund, wird in den aktualisierten Österreichischen
Bewegungsempfehlungen ausdrücklich zwischen ausdauerorientierter Bewegung
und kräftigenden Übungen unterschieden.
Die Formulierung von Bewegungsempfehlungen ist ein wichtiger erster Schritt. Dieser
Policy-Maßnahme müssen Kommunikations- und Umsetzungsprogramme
folgen, damit regelmäßige Bewegung im Alltag und in der Freizeit
(wieder) zur Gewohnheit werden kann. Dazu gehören die Schaffung
bewegungsfreundlicher Infrastrukturen/Städte sowie
bewegungsfreundlicher sozialer Normen beginnend beim Kindergarten über den
Betrieb bis zum Pflegewohnheim und es bedarf der Unterstützung, sich von
klein auf Bewegungskompetenz aneignen zu können. Möglichkeiten,
Bewegungskompetenz zu erwerben, soll es für alle Bevölkerungsgruppen
geben, auch für jene mit niedrigerem Einkommen. Bei der Angebotsgestaltung
ist ebenfalls auf kulturelle Vorlieben zu achten. Für den fair gestalteten
Zugang zu sicheren Bewegungsräumen sind nationale und lokale Verantwortliche
zuständig.
Für das Erlernen technisch anspruchsvoller neuer Sportarten, z. B.
Schwimmen oder Tanzen, wird empfohlen, sich an Bewegungsexpertinnen und -experten zu
wenden, um den technisch richtigen Bewegungsablauf zu erlernen.
Eine Zusammenarbeit mit Bewegungsexpertinnen oder -experten ist ebenfalls für
inaktive Erwachsene mit Körper-, Sinnes- oder Mentalbehinderung hilfreich,
um zu verstehen, welche Aktivitäten und welche Bewegungsumfänge
geeignet sind.
Generell sind Bewegungsexpertinnen und -experten ausgebildet, Sportarten zu lehren,
Trainingsprogramme zu erstellen und die Motivation aufrecht zu erhalten.
Die Bewegungsempfehlungen wurden für Personen aus dem Bereich Gesundheits-
und Bewegungsförderung formuliert. Bei der Vermittlung und
Umsetzungsunterstützung wird es notwendig sein, beim Kommunizieren eine
Trägerfrequenz zu finden, bei der die Empfänger/innen der
Botschaft den Wert regelmäßiger Bewegung verstehen und beginnen,
Bewegung emotional positiv zu besetzen [16].
Unser Ziel ist es, dass regelmäßige Bewegung für den
Großteil der Bevölkerung zur Gewohnheit werden kann. Die
vorliegenden Bewegungsempfehlungen sind ein Baustein von vielen, um dieses Ziel zu
erreichen.