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DOI: 10.1055/a-1205-7467
Rehabilitation nach Schlaganfall: Durch Gehirn-Computer-Schnittstelle vermittelte funktionelle Elektrostimulation
Brain-Computer Interface-Driven Functional Electrical Stimulation for Motor Rehabilitation following StrokeZusammenfassung
Eine Gehirn-Computer-Schnittstelle (BCI) in der Rehabilitation von Schlaganfallpatienten ermöglicht die Steuerung einer funktionellen Elektrostimulation (FES), um eine Muskelkontraktion in der gelähmten Extremität zum Zeitpunkt der Bewegungsintention durch Erkennung entsprechender Hirnsignale auszulösen. Es wird angenommen, dass eine genaue zeitliche Kohärenz zwischen Bewegungsintention und visuellem sowie propriozeptivem Feedback, ausgelöst durch eine reale Bewegung, neuroplastische Prozesse begünstigen und eine funktionelle Verbesserung der Parese bewirken kann. In dieser systematischen Übersichtsarbeit zu randomisierten kontrollierten Studien wurden die Datenbanken Pubmed, Scopus und Web of Science durchsucht und von 516 berücksichtigten Publikationen 13 ausgewählt, die auf 7 Studienpopulationen basierten. Ein direkter Vergleich der Studien ist durch Unterschiede im Studiendesign erschwert. Fünf Studien berichten von einer verbesserten motorischen Funktion in der BCI-FES-Gruppe, davon zeigen 3 signifikante Unterschiede zwischen der BCI-FES- und der Kontrollgruppe.
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Abstract
A brain-computer interface (BCI) enables delivery of functional electrical stimulation (FES), at the time point of movement intention, to induce muscle contraction in a paretic limb, using brain activity recording. It has been hypothesized that tight temporal coupling between movement intention and visual or proprioceptive feedback obtained from an actual movement can enhance neuroplasticity and thus improve limb function. We provide an overview of this approach to post-stroke rehabilitation based on a systematic review of randomised controlled trials. The PubMed, Scopus, and Web of Science databases were searched and 516 titles identified, out of which 13 papers, originating from 7 study populations that met all inclusion criteria were selected. These studies differed in the frequency, duration, and outcome measures of the therapy used. Five studies reported greater functional improvement in the BCI–FES group, with 3 studies showing a difference between the BCI-FES and control groups.
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Schlüsselwörter
Brain-Computer-Interface - EEG - Schlaganfall - motorische Rehabilitation - funktionelle ElektrostimulationKey words
Brain–computer interface - EEG - stroke - motor rehabilitation - functional electrical stimulationEinleitung
Trotz abnehmender Mortalitätsrate war im Jahr 2013 der Schlaganfall die zweithäufigste Todesursache und ist, trotz zahlreicher multimodaler Therapieansätze, der dritthäufigste Grund für eine erworbene dauerhafte Invalidität und Pflegebedürftigkeit im Erwachsenenalter weltweit [1]. In Deutschland ereignen sich jährlich etwa 200 000 erstmalige und 65 000 wiederholte Schlaganfälle. Auf Grundlage von Daten des Erlanger Schlaganfallregisters ist davon auszugehen, dass die Überlebensrate 28 Tage nach dem Schlaganfall bei 78% liegt. Bei den Überlebenden ist nicht von einer vollständigen Erholung der Motorik auszugehen. Zum Beispiel zeigt eine prospektive Kohortenstudie, dass 6 Monate nach Schlaganfall bei etwa 38% der Patienten eine Verbesserung der motorischen Funktionen des Armes zu verzeichnen war, wobei jedoch nur 11,6% die volle Funktionsfähigkeit der Hand wiedererlangten [2]. Aus dieser Konstellation ergibt sich ein dringender Bedarf an neuen rehabilitativen Maßnahmen, deren Wirksamkeit idealerweise durch randomisierte kontrollierte Studien bewiesen werden sollte.
Eine lerntheoretisch vielversprechende Therapie ist die Anwendung einer Gehirn–Computer-Schnittstelle (engl., BCI: brain-computer interface) zur motorischen Rehabilitation nach einem Schlaganfall. Das BCI klassifiziert anhand der neuronalen Aktivität eine Bewegungsintention oder den Ruhezustand und übersetzt dabei die neuronale Aktivität (üblicherweise aus einem EEG) in ein Steuerungssignal für externe Geräte. In den letzten Jahren wurde dieser neue Ansatz in zahlreichen Studien untersucht. Es wird angenommen, dass die zeitliche Kopplung von Bewegungsversuch und durch FES vermitteltes visuelles und propriozeptives Feedback neuronale Plastizität fördert und motorische Rehabilitation begünstigt ([Abb. 1]) [3] [4] [5] [6].
Diese systematische Literaturübersicht beschäftigt sich mit BCIs zur Steuerung funktioneller Elektrostimulation (FES) mit dem Ziel einer zeitlich optimierten realitätsnahen Rückmeldung des Bewegungsversuchs, dekodiert aus dem EEG, an die gelähmte Gliedmaße zur Verbesserung der motorischen Rehabilitation nach Schlaganfall. Ziel ist es, einen Überblick über BCI-FES und deren theoretische Grundlagen zu geben und eine systematische Übersicht über die bisherigen randomisierten kontrollierten BCI Studien zu bieten, in denen Hirnsignale mittels EEG aufgezeichnet und direkt zu Feedback verarbeitet wurden um FES zu steuern.
Die Verwendung des EEGs als Steuerungssignal bietet den Vorteil, dass das EEG bereits breite klinische Anwendung findet, und damit in vielen Rehakliniken verfügbar, sowie kostengünstig und nicht invasiv ist. Neben FES bestehen weitere Möglichkeiten, eine Bewegung auszulösen, z. B. durch robotergestützte Technologien. Mit FES gibt es eine bereits etablierte Rehabilitationstherapie, die eine aktive Beweglichkeit unterstützt, selbst wenn anfangs eine Plegie besteht [8].
Neuroplastizität und Rehabilitation nach Schlaganfall
Dem Verlust motorischer Funktionen nach Schlaganfall kann durch zwei Mechanismen entgegengewirkt werden: einerseits durch motorische Erholung, der zur nahezu selben motorischen Funktion führt, wie sie vor dem Schlaganfall vorhanden war, andererseits durch Kompensation, wobei eine alternative Bewegung durchgeführt wird. Die Grundlage motorischer Rehabilitation nach Schlaganfall liegt in der neuronalen Plastizität. Der Begriff „Plastizität“ beschreibt im Allgemeinen die Fähigkeit des Gehirns, sich an veränderte Umgebungsbedingungen anzupassen. Wie Studien am Tiermodell und auch bildgebende Studien am Menschen belegen, unterläuft das vom Schlaganfall betroffene Gehirn sowohl innerhalb der Läsion als auch im unmittelbar periläsional liegenden Hirngewebe eine strukturelle und funktionelle Reorganisation, welche sich über beide Hemisphären erstreckt. Zu differenzieren ist die unmittelbar nach dem Insult einsetzende, sogenannte läsionsinduzierte Plastizität von der durch Rehabilitation und Training hervorgerufenen trainingsinduzierten Plastizität, welche auch im gesunden Gehirn bei Lernprozessen auftritt. Ziel der Neurorehabilitation ist es vorwiegend, trainingsinduzierte Plastizität durch geeignete Therapien zugunsten einer möglichst vollständigen Wiederherstellung motorischer Funktionen zu beeinflussen [9].
Es wird postuliert, dass ein durch BCI zeitlich genau an entsprechende Hirnfunktionen gekoppeltes sensorisches und/oder visuelles Feedback die neuronale Plastizität fördern kann. Durch positive Verstärkung sowie durch aktivitätsbasierte Hebb‘sche Plastizität wird der BCI-Nutzer zur Modulation seiner Gehirnaktivität angeregt. Mit gleichzeitigem sensorischem und visuellem Feedback wird möglicherweise durch das Etablieren von zumindest afferenzähnlicher Gehirnaktivität die Erholung motorischer Funktionen angestoßen. Periläsionale Aktivität um den Infarktkern, welche bspw. durch afferente Signale aus der FES ausgelöst wird, könnte die Exzitabilität dieser Neurone fördern. Gerade im Zusammenhang mit funktionell relevanten Afferenzen könnten z. B. die Flexion im Handgelenk und deren visuelles sowie, propriozeptives Feedback verhaltensrelevante Kreisläufe fördern [10] [11].
Ein sicherer zeitlicher Zusammenhang zwischen EEG-Rhythmen im motorischen Kortex und Bewegung wurde bereits in mehreren Studien gezeigt. Weiterhin konnte in Kombination mit der Elektromyografie (EMG) betroffener Muskeln die Kohärenz zwischen EEG- und EMG-Signal ermittelt werden. Anhand festgestellter Veränderungen im Verlauf der motorischen Rehabilitation könnte die EEG-EMG Kohärenz sowohl als Biomarker der motorischen Erholung nach Schlaganfall dienen, als auch voraussichtlich zur Erklärung der Mechanismen beitragen, die der Plastizität der Verbindung zwischen motorischem Kortex und betroffen Muskeln während der Erholung nach Schlaganfall zugrunde liegen [12]. Die Ableitung des Oberflächen-EEGs ermöglicht somit zum einen die Steuerung eines BCIs, zum anderen aber auch eine Quantifizierung des Erfolgs einer Therapie.
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BCI
Ein BCI setzt sich aus folgenden Komponenten zusammen: (I) einem Gerät, welches die neuronale Aktivität des Nutzers erfasst, (II) einer Software, die die gemessenen Signale verarbeitet und für das BCI relevante neuronale Aktivität identifiziert, klassifiziert bzw. diskriminiert und (III) einem körperexternen Gerät das abhängig von der Hirnaktivität des Nutzers, ein Feedback generiert. Das Feedback kann mittels verschiedener Modalitäten erfolgen: visuell (z. B. Präsentieren eines Wortes auf einem Monitor), akustisch (z. B. Präsentation eines Tons), vibrotaktil, durch Bewegung (z. B. FES; Steuerung eines Exoskeletts oder einer Armprothese).
Derzeit werden zwei Methoden genutzt, um die motorische Rehabilitation nach Schlaganfall mittels BCI zu fördern: zum einen die Steuerung einer Prothese oder einer Muskelstimulation, ein sogenanntes assistierendes BCI, welches motorische Funktionen substituiert und so zur Verbesserung der Alltagsfunktionen führt. Zum anderen das rehabilitative BCI, welches durch Neuroplastizität und motorisches Lernen eine Regeneration in den entsprechenden Hirnarealen anregen kann.
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Grundlagen und Nutzung des EEGs im Rahmen des BCI
Diverse Merkmale im EEG sind als Steuersignal für ein BCI geeignet. Da das Rehabilitationsziel ist, die motorischen Funktionen wiederherzustellen, fokussiert man sich häufig auf die Rhythmen, die direkt mit Bewegung verbunden sind, wie die Alpha- und Beta-Rhythmen. Der Mu-Rhythmus, auch sensomotorischer Rhythmus (SMR) genannt, welcher über der Zentral- bzw. Zentroparietalregion lokalisiert und mit Motorik assoziiert ist, hat das gleiche Frequenzband wie der Alpharhythmus (7,5–12,5 Hz). Der Mu-Rhythmus hat eine Amplitude von meist unter 50 µV, welche durch imaginierte oder tatsächlich durchgeführte Bewegungen, Bewegungsintentionen oder Berührungsreize der kontralateralen Körperhälfte vermindert oder blockiert wird. Man spricht dabei auch von Desynchronisation. Eine ereigniskorrelierte Desynchronisation (engl.: „ERD: Event-related desynchronisation“) und ereigniskorrelierte Synchronisation (engl.: „ERS: Event-related synchronisation“) des Mu-Rhythmus kann während motorischer Aufgaben detektiert werden ( z. B.: [13]) und dient als Basis für SMR-basierte BCIs. Durch die Möglichkeit der kognitiven Beeinflussung des SMR (z. B. die Vorstellung einer Bewegung) ist er als Steuersignal für ein BCI geeignet.
Bevor ein BCI zuverlässig bedient werden kann, muss zunächst eine Trainingsphase durchgeführt werden, in der spezielle mentale oder motorische Aufgaben wiederholt ausgeführt werden. Die optimalen Merkmale werden aus dem vorher aufgezeichneten Trainingsdatensatz ausgewählt oder mit geeigneten Algorithmen extrahiert. Da Elektroenzephalogramme individuell sehr unterschiedlich sind, muss das BCI aus den individuellen Trainingsdaten jedes Nutzers neu lernen. Nachdem das BCI trainiert wurde, ist das System bereit, zur Klassifikation geeignete Muster in der Hirnaktivität des Nutzers zu erkennen und diese in Befehle für einen Computer zu übersetzen.
In der Trainingsphase soll sich der Nutzer eine Bewegung vorstellen, oder im Rahmen seiner Möglichkeiten versuchen diese auszuführen. Dadurch generiert der Proband ein für die Bewegung typisches EEG-Muster. Die Hirnaktivität wird aufgezeichnet und dann vorverarbeitet, sowie Merkmale extrahiert, was bspw. durch räumliche und spektrale Filter realisiert werden kann. Anhand bestimmter Merkmale können dann die vorher trainierten kognitiven oder motorischen Aufgaben detektiert und in Befehle für eine Anwendung übersetzt werden. Der Kreislauf wird geschlossen, indem der Nutzer durch ein Feedback zurückgemeldet bekommt, welches mentale Kommando erkannt wurde.
FES ist nicht nur eine Feedbackvariante, die funktionell wirkt (Vermittlung von passiven Bewegungen), sondern zielt auch darauf ab, neuronale Netzwerke zu reorganisieren, indem ein sensorischer Input über die natürliche Afferenz vermittelt wird. FES löst dann eine Bewegung aus. Daraufhin leiten Golgi-Organe und Muskelspindeln die propriozeptive und somatosensorische Information an den somatosensorischen Kortex weiter und es entsteht ein Feedbackmechanismus.
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BCI-Studien
Das Prinzip der BCI-FES-Rehabilitationstherapie bei Schlaganfallpatienten ist intuitiv und vielversprechend. Diverse renommierte Forschungsgruppen aus den Bereichen Neurorehabilitation, Bioingenieurswissenschaften und Bioinformatik haben zu seiner Entwicklung beigetragen und durch Einzelfallbeschreibungen und Fallserien die Wirkung bei Schlaganfallpatienten eingeschätzt und die vielversprechendste Vorgehensweise für zukünftige randomisierte kontrollierte Studien herausgearbeitet. Bei den Fallserien handelt es sich um eine Reihe von Schlaganfallpatienten, die mit BCI–FES behandelt werden. Üblich ist es, die Patienten vor und nach der Therapie zu evaluieren, aber es wird auch nach Korrelationen, etwa zwischen klinischen Ergebnissen und BCI–FES-Faktoren wie Dosis, Intensität und Häufigkeit der Therapie gesucht [14]. Dabei zeigte sich, dass Dosis und Intensität entscheidender sind als die Häufigkeit der Behandlung.
Häufig wird der Fokus aus zwei Gründen auf die obere Extremität gelegt. Erstens ist die Beeinträchtigung durch eine Armparese besonders hoch, da grundlegende alltägliche Funktionen und damit die persönliche Unabhängigkeit der Betroffenen beeinträchtigt sind. Zweitens ermöglicht der Fokus auf einfache Bewegungen mit begrenztem Freiheitsgrad eine objektive Einschätzung des Erfolgs der Therapiemethode.
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Assessments in Forschung und Praxis
Die Abschätzung der Effektivität der klinisch gängigen Rehabilitationsmaßnahmen zur Verbesserung der Funktion nach einem Schlaganfall ist komplex. Durch die Nutzung verschiedener Testverfahren zum motorischen Endergebnis ist zum einen eine Differenzierung zwischen Kompensation und motorische Erholung häufig nicht sicher möglich, zum anderen ist eine Vergleichbarkeit der Studien untereinander erschwert, sollten zu viele unterschiedliche Testbatterien verwendet werden. Hiermit geben wir einen kurzen Überblick über die Testverfahren die von den hier eingeschlossenen Studien verwendet worden sind.
Die Wirkung der BCI–FES als Rehabilitationstherapie wurde durch diverse klinische Verfahren quantifiziert. Der Fugl-Meyer-Test (FMA) wird häufig, abhängig von der Fragestellung, nur für die obere (FMA-UE) oder untere (FMA-LE) Extremität erhoben. Er ist ein häufig angewandter Test, da eine detaillierte Bewertung der Beweglichkeit der Gliedmaßen möglich ist. Der FMA für die obere Extremität misst bspw. in 3 Subtests die Funktionen: „Motorik“ (max. 66 Punkte), „Sensibilität“ (max. 24 Punkte) und „passives Bewegungsausmaß“ (max. 44 Punkte). Jedes Item kann von 0 (nicht möglich), über 1 (teilweise möglich) bis zu 2 Punkten (vollständig möglich) bewertet werden. Dabei ist zu erwähnen, dass sich die meisten Studien auf den motorischen Teil fokussieren. Weiterhin wird regelmäßig der Action Research Arm Test (ARAT) verwendet, dieser enthält 19 Aufgaben in 4 Subtests (Greifen, Festhalten, Präzisionsgriff, grobe Bewegung). Beim Gesunden ohne Einschränkung können maximal 57 Punkte erreicht werden.
Weitere Tests sind wie folgt. Die Medical Research Council scale for muscle strength (MRC-Skala), bewertet die Muskelkraft jeder Bewegung mit 0–5 Punkte. Der Nine-Hole-Peg Test (9-HPT) beinhaltet eine Prüfung der Feinmotorik, wobei 9 Stäbchen in dafür vorgesehene Löcher positioniert werden sollen. In der klinischen Praxis werden am häufigsten die sogenannte National Institute of Health Stroke Scale (NIH Stroke Skala, NIHS-Skala) und die MRC-Skala angewendet. Die NIHS-Skala beinhaltet 15 Aufgaben, die dazu dienen, die Bewusstseinslage und Orientierung, Okulomotorik, Gesichtsfeld, faziale Parese, Arm- und Beinhalteversuch, Sensibilität, Sprach- und Sprechstörungen, sowie Neglect zu erfassen.
Neben der reinen Betrachtung der motorischen Funktion ist eine weitere wichtige Zielgröße die Alltagsaktivität der Schlaganafallpatienten zur Sicherung der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben. Die Aktivitäten des alltäglichen Lebens, die sogenannten „activities of daily living“ (ADL), werden in der Regel mit dem Barthel Index gemessen. Er ist letztlich auch für die Kostenträger ein wichtiger Indikator des Rehabedarfes. Er nimmt eine Einschätzung der Alltagsfunktion von voller Selbstständigkeit (Barthel Index von 100) bis zur absoluten Pflegebedürftigkeit (Barthel Index von 0) vor. Dabei werden in einem Interview oder durch Beobachtung alltägliche Fähigkeiten wie Anziehen, Essen, Waschen, Fortbewegung, Blasen- und Darmkontrolle bewertet.
Gerade Patienten mit chronischen Folgen eines Schlaganfalls leiden häufig unter der Entwicklung einer Muskelspastik. Deshalb sind Testverfahren, wie bspw. die modifizierte Ashworth-Skala zur Messung des Muskelwiderstands während passiver Bewegung von 0 (keine Tonuserhöhung) bis 4 (Muskel versteift in Extension oder Flexion) ein bekanntes, wenn auch sehr subjektives, Messinstrument der Spastik.
Der hohe Aufwand einer BCI–Studie mit einem meist eher älteren und krankheitsanfälligen Patientenkollektiv führt dazu, dass die Patientenzahlen relativ klein sind. Eine Möglichkeit, um eine therapiebedingte klinische Verbesserung nachzuweisen und damit gegebenenfalls eine zerebrale Reorganisation in Folge der Therapie zu vermuten trotz zu geringer Patientenzahlen um klinische Unterschiede zwischen den Vergleichsgruppen zu zeigen, ist eine Korrelation zwischen klinischen und elektrophysiologischen Werten oder Bildgebungsparametern [15] [16].
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Methoden
Zielstellung
Ziel dieses Übersichtsartikels ist die Bewertung der Wirksamkeit eines BCI–FES Rehabilitationsprogramms nach einem Schlaganfall anhand von randomisierten kontrollierten Studien ([Abb. 2]).
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Suchmethoden und Einschlusskriterien
Die Literaturrecherche erfolgte durch 2 Autorinnen, (JK, CMSR) unabhängig voneinander in den Datenbanken PubMed, Scopus und Web of Science mit Erscheinungsdatum bis zum 24. Februar, 2020 ([Tab. 1]). Die folgenden Schlüsselbegriffe wurden dafür verwendet: stroke, brain-computer-interface, brain-machine-interface, BCI, functional electrical stimulation, FES, neuromuscular stimulation, patient, randomized controlled trial.
Datenbank |
Suchbegriffe |
Anzahl identifizierter Artikel |
Artikel die alle Einschließungskriterien erfüllten |
---|---|---|---|
PubMed |
stroke AND (brain-computer-interface OR brain-machine-interface OR BCI) AND (“functional electrical stimulation” OR FES OR “neuromuscular stimulation”) AND patient AND randomized controlled trial[ptyp] |
229 |
Biasiucci et al., 2018; Chung et al., 2015a; Chung et al., 2015b; Mrachacz-Kersting et al., 2016; Remsik et al., 2018; Remsik et al., 2019; Young et al., 2016 |
Scopus |
ALL(stroke AND (“brain computer interface” OR “brain machine interface” OR “BCI”) AND (“functional electrical stimulation” OR FES OR “neuromuscular stimulation”) AND patient AND (“random* control*”) AND ( LIMIT-TO (DOCTYPE, “ar”) OR LIMIT-TO (DOCTYPE , “cp”)) ) |
216 |
Biasiucci et al., 2018; Chung et al., 2015a; Chung et al., 2015b; Jang et al., 2016; Kim et al., 2016; Li et al., 2014; Mohanty et al., 2018; Mrachacz-Kersting et al., 2016; Remsik et al., 2018 |
Web of Science |
stroke AND (“brain computer interface” OR “brain machine interface” OR BCI) AND (“functional electrical stimulation” OR FES OR “neuromuscular stimulation”) AND patient Mit ̒AND (“random* control*”)’ ergab es nur 9 Artikel. |
71 |
Chung et al., 2015a; Chung et al., 2015b; Kim et al., 2016; Jang et al., 2016; Li et al., 2014; Mrachacz-Kersting et al., 2016 |
Referenzlisten-durchsuchung |
2 |
Leeb et al., 2016; Young et al., 2014 |
Insgesamt ergaben sich aus den Suchbegriffen 516 Treffer in den drei wissenschaftlichen Datenbanken. Nach händischem Vergleich anhand der DOI-Nummer, bzw. falls nicht vorhanden anhand von Titeln, fanden sich nach Abzug von Mehrfachtreffern 375 Titel. Es gab weder eine Einschränkung hinsichtlich der Interventionen in den Vergleichsgruppen, noch in der Art von erhobenen klinischen Tests oder des Schweregrads der Schlaganfälle.
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Ergebnisse
Es wurden insgesamt 13 Artikel aus 10 Studien identifiziert, die alle Einschlusskriterien erfüllten ([Tab. 2]). Einige Studien schlossen Patienten mit chronischem Schlaganfall ein, wobei sich nur 2 [17] [18] auf Akutschlaganfallpatienten fokussierten. Bei den chronischen Schlaganfallpatienten war der Vorteil der BCI-FES Patienten, im Vergleich zur Kontrollgruppe, deutlicher ausgeprägt. Die Anzahl der Behandlungen lag zwischen 5 und 30 Sitzungen (2- bis 6-mal pro Woche) mit einer Dauer von 20 bis 120 Min. über einen Zeitraum von einer bis zu 8 Wochen. Es gab dabei keine klare Dosis-Wirkungs-Beziehung bezüglich Häufigkeit, Dauer oder Zeitraum der Intervention und klinischer Ergebnisse.
Autoren |
Kontrollgruppe (KG) |
N (BCI/K) |
Alter in Jahren (Mittelwert±SD) |
Geschlecht (BCI M:W // K M:W) |
Die Lage der Läsion im Gehirn (inkl. Gehirnseite)
|
Zusätzliche Behandlungs-maßnahmen |
Therapiebeginn nach Schlaganfall in Monaten Mittelwert±SD |
Therapiezeit – Sitzungen x Zeit – Zeitraum |
Besondere Studienmerkmale |
|
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 |
Biasiucci et al. 2018 (Leeb et al., 2016: Früher Studienbericht, als N=18) |
Sham-FES |
27 (14/13) |
BCI: 56,6±9,6 |
6:8//10:3 |
A: 7:7//7:6 |
45 min PT des Arms |
BCI: 39,8±44,2 |
10×60 min 5–6 Wo, max. 2x/Wo |
Mittel bis schwer (<=FMA40) |
2 |
Chung et al. 2015a: klinische Befunde, Chung et al.2015b: EEG Befunde |
Sham-FES |
10 (5/5) |
BCI: 43,6±10,9 |
4:1//4:1 |
A: 2:3//2:3 |
BCI: 16,4±19,2 |
5×30 min |
||
3 |
Jang et al. 2016 |
Sham-FES |
20 (10/10) |
BCI: 61,1±13,8 |
6:4//4:6 |
A: 5:5//8:2 (betroffene Seite) |
30×20 min PT |
BCI: 4,4±0,97 |
30×20–30 min 6 Wo, 5x/Wo |
|
4 |
Kim et al. 2016 |
PT |
30 (15/15) |
BCI: 59,1±8,1 |
6:9//6:9 |
A: 8:7//6:9 (betroffene Seite) |
Action observational Training (AOT) bei BCI+20×30 minPT |
<12 Monate BCI: 8,3±1,9 |
12×30 min 4 Wo, 3x/Wo |
Erster Schlaganfall |
5 |
Li et al. 2013 |
Sham-FES |
15 (8/7) |
BCI: 67±4,6 |
5:3//6:1 |
A: 5:1:2Bilat// 4:1:1Bilat:1BS |
PT beide gruppen 5x/Woche für 8 Wo Akupunktur |
1–6 Monate |
24×60–90 min, 8 Wo, 3x/Wo |
|
6 |
Mohanty et al. 2018 |
Crossover- Design |
20 (10/10) |
62,4±14,27 |
12:8 |
A: 12//8 |
>6 Monate 37,65±40,84 |
9–15×120 min 6 Wo; max. 3x/Wo |
BCI 2000 mit Modifikationen für TS (TDU 01.30, Wicab Inc) und FES (LG-7500, LGMedSupply; Arduino 1.0.4) Bewegungsversuch |
|
7 |
Mrachacz-Kersting et al. 2016 |
Sham-FES |
20 (10/10) |
BCI: 46,3±12,5 |
11:2//8:1 |
A: 3:10//5:4 |
Nicht beschrieben |
BCI: 15,4±6,2 |
3×unbek. Dauer 1 Wo, 3x/Wo |
|
8 |
Remsik et al. 2018: Verhaltensdaten, Remsik et al. 2019: EEG Befunde |
Crossover-Design und einfache Kontrolle |
21 (9/12) |
61,6±15 |
4:10 |
Ja, inklusive Händigkeit |
37,56±44,23 |
9–15x 120 min (max 30 h), 2–3x/Wo |
||
9 |
Young et al., 2014 |
Crossover-Design und einfache Kontrolle |
14 (8/6) |
63±9,5 |
5:3/5:1 |
A: 2:6/2:4 |
BCI: 13,13±8,44 |
9–15×120 min bis 5–6 Wo |
FES Feedback und auch Stimulation der Zunge |
|
10 |
Young et al., 2016 |
Crossover- Design und einfache Kontrolle |
19 (9/10) |
63±11,7 |
7:2/6:4 |
A: 4:5/7:3 |
Nicht beschrieben |
BCI: 41,6±52,38 |
15×120 min 5–6 Wo,2–3x/Wo |
FES Feedback und auch Stimulation der Zunge |
Chung und Kollegen untersuchten in 2 Artikeln verschiedene Aspekte zur gleichen Studienpopulation [19] [20]. Fünf Artikel gründen ihre Ergebnisse ebenfalls auf einer gemeinsamen Studienpopulation mit teilweise unterschiedlichen, teilweise sich überschneidenden Patienten [14] [21] [22] [23] [24]. Ein kurzer Überblick der Patientenkollektive der Artikel zeigt schematisch [Abb. 3].
Hinsichtlich der Einschlusskriterien der Studien wird deutlich, dass häufig ein pragmatischer Ansatz gewählt wird, ebenso wie beim Studiendesign. Nur eine Studie [25] beschränkte sich ausschließlich auf ischämische Schlaganfälle. Unter dieser Prämisse wären die Fallzahlen der anderen Studien deutlich geringer gewesen. Jedoch unterscheiden sich möglicherweise die Mechanismen von Blutung und Ischämie, auch wenn beide eine Hirnschädigung bedingen.
Hinsichtlich betroffener Hemisphäre oder subkortikaler/kortikaler Läsion wurde ebenfalls keine Vorauswahl getroffen. Es könnten hier wichtige Unterschiede vorliegen, insbesondere hinsichtlich kortikaler und subkortikaler Läsionen. Bei einem subkortikalen Schlaganfall befindet sich gesundes Gewebe zwischen der Kopfoberfläche und der Läsion, was die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass mit dem EEG motorische Aktivität gemessen werden kann. Obwohl der motorische Kortex keine Signale aus geschädigten subkortikalen Hirnarealen erhält, bleibt der Kortex intakt. Die Frage, welchen Einfluss diese Aspekte auf die neuronale Plastizität nach einem Schlaganfall haben, ist offen.
Bei den meisten Studien wurde in der Kontrollgruppe eine Scheinstimulation mittels FES (Sham-FES) durchgeführt, das heißt, es fand keine zeitliche Kopplung an die Gehirnaktivität statt. Ein Crossover-Design mit einfacher Kontrolle, die auf derselben Kohorte beruhten, wurde von diversen Artikeln berichtet [21] [22] [23] [24]. Eine Studie hatte eine Kontrollgruppe, die Physiotherapie erhielt [26]. Die klinischen Befunde ([Tab. 3]) wurden hauptsächlich vor und nach der Therapie verglichen und statistisch genauer untersucht. Manche Studien nahmen auch einen direkten Vergleich zwischen den Gruppen vor [11] [17] [18] [19] [20] [25] [26].
Studien-ID |
Therapiertes Körperteil |
Zeitpunkte der Erhebung der Verhaltensdaten mit Bezug auf BCI-FES |
FMA-UE (BCI/K) 0 Plegie 66 Voll Kräftig |
Barthel Index (BCI/K) |
Klinische Tests |
Positive Befunde (BCI vs. K) |
Negative Befunde (BCI vs. K) |
Elektrophysiologisch/Bildgebungsbefunde |
|
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
1 |
Biasiucci et al. 2018; (Leeb et al., 2016) |
Handgelenk |
Pre/Post/6–12 Monate (36wk) |
FMA Handgelenk und Hand |
Nein |
MRC, FMA-UE, ESS, MAS |
FMA-UE und MRC signifikant besser nach der Therapie und nach einem Jahr als vor der Therapie nur in der BCI-Gruppe |
Kein signifikanter Unterschied bei ESS und MAS |
EEG: Erhöhte funktionelle Konnektivität zwischen motorischen Arealen in der betroffenen Hemisphäre in der BCI-Gruppe als in der K-Gruppe |
2 |
Chung et al. 2015a, 2015b |
Fußgelenk |
Pre/Post |
Kein FMA |
Nein |
TUG, BBS, GAITRite |
TUG, Kadenz und Seitenschrittlänge signifikant höher nach der Therapie als vor der Therapie nur in der BCI-Gruppe |
Kein signifikanter Unterschied bei BBS und hinsichtlich Schrittlänge. Kein signifikanter Gruppenunterschied nach der Therapie |
EEG: signifikanter Unterschied im frontopolaren Areal bei Aufmerksamkeitsindiz und Aktivierungsindiz |
3 |
Jang et al. 2016 |
Schulter |
Pre/post |
Kein FMA |
Nein |
MFT, MAS, Schulter-Subluxation, pain |
VD signifikant besser nach der Therapie in der BCI-Gruppe aber nicht in der K-Gruppe. VD und Schulterflexion und Abduktion signifikant mehr in der BCI- als in der K-Gruppe |
HD, VAS und MFT signifikant besser nach der Therapie in beiden Gruppen. MAS weder signifikant unterschiedlich nach der Therapie noch zwischen den Gruppen |
Nicht berichtet |
4 |
Kim et al. 2016 |
Obere Extremität: diverse komplexe Bewegungen |
Pre/post (4wk) |
7,87 (2,42)//2,92 (2,74) Veränderung 34,67 (9,31)//24,80 (9,51) p<0,05 |
MBI: 87,7 (3,9)//90,9 (4,0) 70,9 (13,8)//72,6 (14,1) |
FMA-UE, MAL, MBI, ROM |
FMA-UE (Gesamt, Schulter, Handgelenk und Hand), MAL, MBI und ROM signifikant besser nach der Therapie in beiden Gruppen, und dabei signifikant besser in der BCI-Gruppe als in der K-Gruppe |
FMA-UE Koordination wurde nicht besser |
Nicht berichtet |
5 |
Li et al. 2014 |
Obere Extremität: komplexe Bewegungen – Wasser trinken |
Pre, dann wöchentlich, insgesamt 8x |
Genaue Werte nicht berichtet |
Kein BI |
FMA-UE, ARAT |
ARAT signifikant besser nach als vor der Therapie in beiden Gruppen. ARAT signifikant höher 6 Wochen nach der Therapie in der BCI-Gruppe |
FMA signifikant besser nach als vor der Therapie in beiden Gruppen, ohne signifikanten Unterschied zwischen den Gruppen |
EEG: ERD des betroffenen sensorimotorischen Kortex signifikant höher nach als vor der Therapie nur in der BCI-Gruppe |
6 |
Mohanty et al. 2018 |
Hand |
Pre, während der Therapie, post, 1 Monat später |
Kein FMA |
BI |
ARAT, 9HPT, SIS, BI |
SIS, ARAT,BI verbessern sich innerhalb der gesamten Studienpopulation, jedoch nicht signifikant und nicht im Gruppenvergleich. 9HPT verschlechtert sich im Median |
Keine signifikante Änderung, auch nicht über die Zeit |
fMRI: resting state Konnektivitätsänderungen korrelierten mit klinischen Befunden |
7 |
Mrachacz-Kersting et al. 2016 |
Fußgelenk |
Pre/post |
FMA LE: post 25,69±6,61// 24,44±5,34 |
mRS Post2 2±0.71//1,76±0.69 |
mRS, NIHSS, LE-FMA, MAS, HDRS |
FMA, Fußbewegungsrate und Gehgeschwindigkeit signifikant besser nach als vor der Therapie in der BCI-Gruppe aber nicht in der K-Gruppe |
Kein signifikanter Unterschied für mRS NIHSS, MAS, HDRS |
MEP: signifikante Steigerung in der BCI-Gruppe aber nicht in der Kontrollgruppe. DTI: Integrität des kortikospinalen Trakts korrelierte nicht mit klinischen Befunden |
8 |
Remsik et al. 2018, 2019 |
Hand |
Baseline, T4, nach den ersten Therapiewochen (Mittelpunkt,T5), direkt nach der letzten Therapiesitzung (Komplett, T6), und wieder 1 Monat später (follow-up, T7) |
Nur FMA-UE Änderung, FMA nur geschätzt, initial wurde nur ARAT erhoben |
Nein |
ARAT (mit FMA davon geschätzt), 9HPT, SIS |
Subgruppen-analyse: ARAT, 9HPT und SIS signifikant besser direkt und ein Monat nach der Therapie in beiden Gruppen zusammen |
Kein signifikanter Unterschied zwischen BCI- und Kontrollgruppe bei ARAT, 9HPT und SIS |
EEG: keine getrennte Auswertung der EEG-Daten aus den BCI- und Kontrollgruppen und kein direkter Vergleich zwischen den Gruppen |
9 |
Young et al., 2014 |
Hand |
Baseline, Mid-Therapie (2–3 Wochen), am Ende der Therapie (4–6 Wochen), und 4 Woche nach dem Ende der Therapie |
Kein FMA |
Kein Barthel |
SIS, ARAT, 9-HPT |
Die klinische Daten wurden nur für die Berechnung von Korrelationen mit fMRI Befunden verwendet |
Keine signifikanten Ergebnisse hinsichtlich Gruppe x Zeit |
fMRI: Lateralisierung nach der Therapie im Vergleich zu vor der Therapie zur nicht-betroffenen Hemisphäre in der BCI-Gruppe, aber nicht in der Kontrollgruppe |
10 |
Young et al., 2016 |
Hand |
Baseline, Mid-Therapie (2–3 Wochen), am Ende der Therapie (4–6 Wochen), und 4 Wochen nach dem Ende der Therapie |
Kein FMA |
Kein Barthel |
SIS, ARAT, 9-HPT |
Die klinische Daten wurden nur für die Berechnung von Korrelationen mit fMRI-Befunden verwendet |
Keine signifikanten Ergebnisse hinsichtlich Gruppe x Zeit |
Korrelationen einiger Tests mit fraktionaler Anisotropie |
Zur Quantifizierung der klinischen Wirkung wurden verschiedene Assessments verwendet. FMA, ARAT und Stroke Impact Scale (SIS) wurden in den meisten Studien erhoben, obwohl kein statistischer Vergleich beim SIS durchgeführt wurde. Dabei hätten sowohl die Beweglichkeit als auch der Einfluss auf den Alltag evaluiert werden können. Die meisten Studien berichten von einer Verbesserung der Testergebnisse mit motorischer Relevanz in der BCI–Gruppe, die in der Kontrollgruppe nicht signifikant waren [11] [17] [18] [19] [20] [25] [26]. Das heißt, die Beweglichkeit vor und nach der Therapie wurde für beide Gruppen getrennt getestet.
Nur 3 Studien fanden signifikant bessere Bewegungskriterien für die Interventionsgruppe nach der Therapie im Vergleich zu den Kontrollgruppen. Bei der Studie von Kim et al. wurde jedoch die Kontrollgruppe nur mit konventioneller Physiotherapie in zeitlich geringerer Ausprägung beübt, was die Vergleichbarkeit schmälert. Jang et al. berichten über einen signifikanten Unterschied in einem Subscore eines Schulter-Beweglichkeitstests [18]. Li et al. berichtet über einen signifikanten Gruppenunterschied im ARAT 6 Wochen postinterventionell [17]. Die Fallzahlen aller Studien lagen insgesamt zwischen 10 und 30 Patienten. Dabei kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Effekt eher klein ist und sich ein signifikanter Gruppenunterschied erst bei einer höheren Fallzahl zeigt.
In mehreren Studien wurde versucht einen Zusammenhang zwischen klinischen und elektrophysiologischen Werten festzustellen. Dafür wurden magnetisch evozierte Potentiale (MEPs) [25], ERD [16] und Lateralität der BOLD-Aktivierung in der funktionellen magnetischen Resonanz-Tomografie (fMRT) [21] [22] verwendet ([Tab. 3]). Mrachacz-Kersting nutzte monophasische transkranielle Magnetstimulation, damit ein MEP im Muskel ausgelöst wurde. Die MEPs wurden vor, nach und erneut 30 Min. nach der Intervention getestet, und dienten als primärer Studienendpunkt. Alle Patienten der BCI Gruppe zeigten am selben Tag signifikant höhere MEPs des Musculus tibialis anterior nach der Intervention als vorher, was bei der Kontrollgruppe nicht der Fall war. Bei Young et al. wurden fMRT Daten während Fingerbewegungen der gelähmten und der gesunden Hand, sowie Ruhedaten aufgezeichnet [21]. Während der Fingerbewegungsübungen der betroffenen Seite zeigten vormals ipsiläsionale Aktivitätsmerkmale nach der Therapie eine bilaterale Aktivierung. Diese Veränderungen dauerten etwa einen Monat an und zeigten sich nicht in der Kontrollgruppe. Mohanty et al. 2018 zeichneten Ruhedaten mit fMRT über 10 Min. auf, während die Patienten ihre Augen geschlossen hielten [22]. Die Autoren stellten sich die Frage, ob die Anwendung von daten-basiertem maschinellen Lernen bei Regressionsmodellen hinsichtlich funktioneller Konnektivität Verhaltensdaten der BCI- oder Kontrollgruppe vorhersagen kann. Sie haben diverse klinische Werte untersucht und festgestellt, dass ein Zusammenhang zwischen der Änderung der funktionellen Konnektivität über die Laufzeit der BCI-FES und ARAT bzw. SIS Werten besteht.
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Diskussion
Die Verstärkung neuronaler Plastizität nach einem Schlaganfall durch BCI–FES ist eine innovative Herangehensweise, die neue Möglichkeiten der Rehabilitation eröffnet. Diverse Forschungsgruppen sowohl aus dem medizinischen Bereich als auch aus den biomedizinischen Ingenieurwissenschaften haben bisher zur Erforschung dieser Behandlungsmaßnahme beigetragen.
Nach jetzigem Kenntnisstand und aktueller BCI-Technologie ist ein positiver Effekt nur marginal nachweisbar und steht einem sehr hohen Therapieaufwand gegenüber. Keine der Studien lieferte bisher klinisch überzeugende Ergebnisse hinsichtlich besserer motorischer Rehabilitationsergebnisse. Für eine effektive BCI-FES Therapie sind grundlegende neue bzw. alternative, fortgeschrittenere Ansätze erforderlich. Jedoch birgt die Nutzung eines BCIs und die parallel dazu erhobenen Verhaltensdaten einen Fundus an Daten, der uns mehr über die Reorganisation des Gehirns nach Schlaganfall offenbaren kann.
Weitere randomisierte kontrollierte Studien mit größeren Patientenkohorten hätten das Potenzial, mittels Subgruppenanalysen bestimmte Patientengruppen zu identifizieren, die von BCI–FES profitieren. Des Weiteren sind multizentrische Studien notwendig, um ausreichende Fallzahlen zu erreichen, mit denen aussagekräftige Analysen durchgeführt werden können. Gerade bei groß angelegten Studien sollte auf die Auswahl der klinischen Tests Wert gelegt werden. Eine Beschränkung auf einige wenige klinische Tests, in derselben Version und Sprache, ist zu empfehlen. Im Hinblick darauf eignen sich FMA, NIHSS und Barthel Index aber ggf. auch die Kraftgradprüfung nach der MRC-Skala, welche gängige Praxis in der Neurologie ist. Um Vergleichsgruppen besser bewerten zu können, wäre es notwendig, die vollständige von ihnen erhaltene Therapie, zu beschreiben und sicherzustellen, dass die Therapiezeiten nicht wesentlich zwischen den Gruppen differieren. Allerdings sind Forderungen wie diese nur schwer in den Alltag von Rehabilitationsmaßnahmen umzusetzen, da patientenabhängige Faktoren wie Motivation und Eigentraining kaum kontrollierbar sind.
Die Produktion eines stabilen Feedbacks ist mittels FES nicht vollständig gegeben, da die Stimulation nicht so akkurate Bewegungen auslösen kann wie bspw. eine Orthese. Möglicherweise ist eine Kombination denkbar.
Hinsichtlich des Patientenkollektivs wäre es auch möglich, enge Kriterien zu definieren, bspw. könnten kortikale und subkortikale Schlaganfälle getrennt voneinander ausgewertet werden, da man noch nicht weiß, wie eine Reorganisation stattfindet und welche Läsionslage hinsichtlich Rehabilitation aussichtsreicher ist. Das EEG bildet hauptsächlich neuronale Aktivität aus den kortikalen Strukturen ab. Bei kortikalen Schlaganfällen ist das Ziel, kortikale motorische Aktivität wiederherzustellen und somit auch Änderungen in den EEG Signalen herbeizuführen. Beim subkortikalen Schlaganfall hingegen besteht die Möglichkeit, von Beginn der Therapie EEG-Signale aus intakten, jedoch isolierten kortikalen Gewebe abzuleiten und eine Reorganisation der Konnektivität zu erreichen.
Die Begrenzung der Schlaganfallpatienten hinsichtlich Läsionstyp scheint schwierig, da so ein großer Teil der Schlaganfallpatienten nicht eingeschlossen werden können. Dasselbe gilt für Hämorrhagien oder Ischämien. Im Allgemein kommen ischämische Schlaganfälle häufiger vor als Blutungen. Das jüngere Patientenalter bei Blutungen könnte, hinsichtlich geringerer Multimorbidität, vorteilhaft für die entsprechenden Studien sein. Obwohl die klinische Wirkung nicht ausgeprägt ist, bleibt die Theorie des Einflusses auf die neuronale Plastizität vielversprechend. Einige Studien zeigen neben den klinischen- auch neurophysiologische Effekte. Tiefere Einblicke in die Mechanismen, die einer Erholung zu Grunde liegen, könnten zu weiteren Fortschritten führen [27]. Die Präzision der Klassifizierung neurophysiologischer Aktivität durch das BCI könnte dabei eine wichtige Rolle spielen [28]. Eine relevante neurophysiologische Grundlage der Klassifizierung von Hirnsignalen könnte einen positiven Einfluss auf die Modulation der neuronalen Plastizität haben. Beispielsweise könnte die Auswahl von bilateral auftretenden EEG-Merkmalen möglicherweise zu einer größeren Aktivierung führen.
Auch die Identifizierung der Patienten, die besonders profitieren, könnte zu größeren Effekten führen [27]. Die Patientenauswahl ist ein wichtiger Faktor bei der Anwendung von BCI-FES. Eine Teilnahme an der Therapie verlangt nicht nur eine hohe Motivation, sondern auch gewisse kognitive Fähigkeiten des Patienten. Multimorbidität, Alter, Depression und Müdigkeit spielen dabei häufig eine entscheidende Rolle. Größere Patientengruppen, die eine Möglichkeit bieten Subgruppenanalysen durchzuführen, wären ein wichtiger Schritt zur Identifizierung von geeigneten Patienten.
Derzeit nutzen viele BCIs traditionelle maschinelle Lernmechanismen zur Klassifizierung der komplexen, nicht stationären EEG-Signale. Neue selbstlernende BCIs sind Gegenstand intensiver Forschung in den Computerwissenschaften und könnten eine genauere zeitliche Kohärenz, sowie eine bessere Klassifizierung der Gehirnsignale ermöglichen.
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Interessenkonflikt
Die Autorinnen/Autoren geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
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Literatur
- 1 Kyu HH, Abate D, Abate KH. et al. Global, regional, and national disability-adjusted life-years (DALYs) for 359 diseases and injuries and healthy life expectancy (HALE) for 195 countries and territories, 1990-2017: A systematic analysis for the Global Burden of Disease Study 2017. Lancet 2018; 392: 1859-1922
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- 27 Cervera M, Soekadar S, Ushiba J. et al. Brain-computer interfaces for post-stroke motor rehabilitation: a meta-analysis. Ann Clin Transl Neurol 2018; 5: 651-663
- 28 Carvalho R, Dias N, Cerqueira J. Brain-machine interface of upper limb recovery in stroke patients rehabilitation: a systematic review. Physiother Res Int 2019; 24 e1764 1-16
Korrespondenzadresse
Publication History
Article published online:
29 September 2020
© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York
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Literatur
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