Einleitung
Immunonkologische Therapien und insbesondere die Immuncheckpoint-Inhibitoren (ICPi)
als Hauptvertreter dieser neuen Substanzklasse haben die Therapiemöglichkeiten in
der Onkologie revolutioniert. Das hervorragende Tumoransprechen mit hohen Remissionsraten
selbst in fortgeschrittenen Tumorstadien basiert auf einem zelleigenen Wirkprinzip:
nach dem Schlüssel-Schloss-Prinzip blockieren monoklonale Antikörper gezielt das zytotoxische
T-Lymphozyten-Antigen 4 (CTLA-4; Ipilimumab), das programmierte Zelltod Protein 1
(PD-1; Nivolumab, Pembrolizumab, Cemiplimab) oder den programmierten Zelltod Protein
Ligand 1 (PD-L1; Atezolizumab, Avelumab, Durvalumab). Die dadurch getriggerte Aufhebung
der (größtenteils Tumorzell-induzierten) Inhibierung der T-Lymphozyten führt zur Erkennung
maligne entarteter Zellen und deren physiologischer Elimination. Die Entdeckung und
gezielte Anwendung dieses erfolgreichen Wirkprinzips wurde 2018 mit dem Nobelpreis
für Medizin gewürdigt und steht am Beginn einer umfangreichen Forschungs- und Studienpipeline,
die in den nächsten Jahren eine zunehmende Zahl an zugelassenen Substanzen für eine
wachsende Anzahl an Indikationen hervorbringen wird [1 ].
Derzeit stellen die fortgeschrittenen/metastasierten Stadien des malignen Melanoms,
nicht-kleinzelligen Bronchial- (NSCLC), Urothel- und Plattenepithelkarzinoms der Kopf-Hals-Region
sowie das klassische Hodgkin-Lymphom die Hauptindikationen der ICPi-Therapie dar.
Gleichzeitig hat der zunehmende Einsatz von ICPi auch neue Herausforderungen gebracht,
denn die medikamentöse Einflussnahme an den Immuncheckpoints, die eine zentrale Schaltstelle
der Immunantwort-Eindämmung z. B. im Kontext der „Selbst- und Fremderkennung“ des
Immunsystems sind, ist ein zweischneidiges Schwert. Auch in der Rheumatologie macht
sich die Immuncheckpoints in gewisser Weise therapeutisch mit dem CTLA-4-Fusionsprotein
Abatacept mit einem zum ICPi Ipilimumab konträren Prinzip zunutze. Hierbei blockt
CTLA-4 auf antigenpräsentierenden Zellen Moleküle, die üblicherweise eine T-Zell-Kostimulation
vermitteln, mit der Folge von T-Zell-Anergie. Entsprechend entgegengesetzt sind auch
die Nebenwirkungen der ICPi: sie lösen bei 60–70% der Patienten unter Anti-PD-1/PD-L1-
und 80% unter Anti-CTLA-4-Antikörpertherapie eine überschießende Immunantwort mit
reduzierter Eigentoleranz, sogenannte „immune-related adverse events“ (irAEs), aus
[2 ]
[3 ]. Diese immunvermittelten Nebenwirkungen ähneln teilweise klassischen Autoimmunopathien
und können jedes Organsystem betreffen – bei einem Viertel der Patienten unter der
potenteren Kombinationstherapie mit Ipilimumab und Nivolumab treten irAE im Therapieverlauf
an mehr als einem Organsystem auf [2 ]
[4 ]. In mehr als der Hälfte der Fälle unter der Kombinationstherapie, aber immerhin
noch bei jedem vierten bis fünften Patienten unter der Monotherapie mit Anti-PD-1/PD-L1-Antikörper
nehmen irAEs einen schwerwiegenden oder gar letalen Verlauf [2 ]
[3 ].
Die irAEs treten an den jeweiligen Organsystemen in unterschiedlicher Häufigkeit und
zu verschiedenen Zeitpunkten nach Therapiebeginn auf, wobei Hautveränderungen am häufigsten
und eher frühzeitig auftreten, gefolgt von gastrointestinalen und endokrinologischen
Nebenwirkungen in absteigender Häufigkeit und zunehmendem Zeitabstand zum Therapiebeginn
[2 ]
[5 ]. Seltener treten pulmonale, kardiale, renale, neurologische, hämatologische und
rheumatologische (s.u.) Nebenwirkungen auf [2 ]. Auch eine verzögerte Erstmanifestation von irAEs erst nach Beendigung der ICPi-Therapie
wurde beschrieben (sogenannte „delayed immune -related events“ (DIRE)) [6 ]. Die Hauptmanifestationen nicht-rheumatologischer Nebenwirkungen sind in [Tab. 1 ] zusammengefasst und nehmen in der Regel einen (hoch-)akuten Verlauf. Sie werden
je nach Schweregrad mit einer Glukokortikoidstoßtherapie mit 1–2 mg/kg und ggf. vorübergehendem
Einsatz von Mycophenolat und/oder Infliximab behandelt. Ausnahmen sind leichtgradige
Hautveränderungen, die topisch oft ausreichend therapiert sind sowie endokrinologische
irAEs, die bei meist komplettem Ausfall der betroffenen Hormonachse einer dauerhafte
Hormonsubstitution bedürfen [2 ]. Je nach Schweregrad muss auch eine vorübergehende Unterbrechung oder Abbruch der
ICPi-Therapie erwogen werden.
Tab. 1 Zusammenfassung der Hauptmanifestationen nicht-rheumatologischer irAEs. Die Organsysteme
sind in der Reihenfolge der Häufigkeit von irAEs aufgelistet (adaptiert nach [2 ]).
Organsystem
irAE-Hauptmanifestationen
Haut
Pruritus, makulopapulöse und lichenoide Effloreszenzen, Vitiligo, seltener schwerwiegende
Hautreaktionen, Psoriasis, kutane Sarkoidose oder Vaskulitis, Panniculitis u.v.m
Gastrointestinal-Trakt
Kolitis, Hepatitis, Pankreatitis
Endokrinium
Hypo-/Hyperthyreose, Hypophysitis, Diabetes mellitus und insipidus
Lunge
Pneumonitis, Sarkoidose
Niere
Akutes Nierenversagen, tubulointerstitielle Nephritis ohne Granulomnachweis, Glomerulonephritis,
thrombotische Mikroangiopathie
Herz
Myokarditis, Kardiomyopathie, Perikarditis, ggf. mit akutem Herzversagen
Nervensystem
Guillain-Barré-Syndrom, sterile Encephalitiden/Meningitiden, Myasthenia gravis, Myelitis
transversa, Epilepsie, Dysgeusie, Fatigue, periphere (Poly-) Neuropathie u.v.m. Auge: Uveitis anterior, Erblindung, Xerophtalmie
Blutbildung
Zytopenie bis hin zu Panzytopenie oder Agranulozytose, autoimmunhämolytische Anämie,
Immunthrombozytopenie
Rheumatische immunvermittelte Nebenwirkungen (irAEs)
Rheumatische irAEs unter ICPi wurden lange als unspezifische muskuloskelettale Nebenwirkungen
bzw. Symptome der Tumorerkrankung und physischer Inaktivität interpretiert. Erst seit
ca. 2016 häuften sich die Hinweise auf objektivierbare entzündlich-rheumatische Symptomkomplexe
mit teils enormer Ähnlichkeit zu bekannten Erkrankungen des rheumatischen Formenkreises.
Die Inzidenz rheumatologischer Nebenwirkungen wird aktuell mit ca. 5–20% unter ICPi-Therapie
angegeben, variiert aber wegen inkonsistenter Erfassung und Bewertung in klinischen
Studien stark [7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]. Die in onkologischen Studien gebräuchlichen Toxizitätskriterien (Common Terminology
Criteria of Adverse Events, (CT-CAE): 1=mild, 2=moderat, 3=schwer, 4=lebensbedrohlich,
5=Tod) führten in früheren ICPi-Studien häufig trotz erheblicher Schmerzen, Funktions-
und Lebensqualitätseinbußen zu einer Unterbewertung (Grad 1–2) rheumatischer irAEs
[7 ]
[8 ]
[11 ]. Die zu geringe Erfassung wird vermutlich auch durch die Neigung vieler Patienten
zur Dissimulation aus Sorge vor Abbruch der wirksamen ICPi-Therapie mitverursacht.
Hingegen erhielten schwere Myositiden (Grad 3–4), die potenziell letal verlaufen können,
frühzeitig Aufmerksamkeit [7 ]
[8 ]
[12 ]
[13 ]. Erst verzögert fand die Abfrage und Erfassung muskuloskelettaler Manifestationen
Eingang in die klinisch-onkologische Routine und Befundung der Staging-Bildgebung.
In den letzten Jahren entwickelt sich in der Onkologie eine zunehmende Sensibilisierung
für rheumatische irAEs durch eine verstärkte Berücksichtigung in der überarbeiteten
CT-CAE Version 5.0 sowie die Zusammenarbeit in interdisziplinären Leitlinienkommissionen
jüngst unter Mitwirkung der Autoren unter der Schirmherrschaft der EULAR [11 ]
[14 ]
[15 ]
[16 ].
Erste interdisziplinäre Registerprojekte zur Erfassung rheumatischer irAEs sind entstanden,
davon eines auch in Deutschland durch die Initiative der Autoren („MalheuR-Projekt“:
Register für Patienten mit malignen und entzündlich-rheumatischen Erkrankungen) [9 ]
[13 ]
[17 ]. Diese Projekte ermöglichen erstmals eine detailliertere Charakterisierung dieser
Nebenwirkungen und Erstellung fundierter Empfehlungen zum klinischen Management. Dem
Rheumatologen kommt aufgrund seiner immunologischen Vorerfahrung bei der (frühen)
Erkennung und adäquaten Behandlung rheumatischer irAEs eine Schlüsselrolle zu, nicht
zuletzt da Tumorpatienten aus Unwissenheit um diese Art der Nebenwirkung teils auch
auf Eigeninitiative ohne Rücksprache mit dem Onkologen beim Rheumatologen vorstellig
werden.
Rheumatische irAE können sich innerhalb weniger Tage bis mehrere Monate nach Beginn
der ICPi-Therapie erstmals manifestieren; durchschnittlich etwa zwischen 1.–9. Monat
nach Therapieeinleitung [8 ]
[9 ]
[13 ]
[18 ]. Sie können das gesamte Krankheitsspektrum und alle Schweregrade des rheumatischen
Formenkreises nachahmen und werden namensgebend mit den „klassischen“ Erkrankungen
in Verbindung gebracht (z. B. bei Polymyalgia rheumatica: „PMR-ähnlich“, im englischen
Sprachgebrauch: „PMR-like“). Im MalheuR-Projekt ähnelten die irAEs phänotypisch in
etwa der Hälfte der Fälle einer Spondylo- oder Psoriasisarthritis mit Arthritiden,
Tenosynovialitiden und Enthesitiden. An zweiter Stelle folgten in jeweils einem knappen
Fünftel der Fälle das rheumatoide Arthritis-ähnliche irAE mit symmetrischem Befallsmuster
bevorzugt der kleinen Gelenke sowie das Polymyalgia rheumatica-ähnliches irAE mit
stammnahen Polymyalgien und (Morgen-)Steifigkeit [17 ]. Der direkte Vergleich mit den „klassischen“ Erkrankungen ergibt für die irAEs jedoch
in der Regel ein atypisches oder inkomplettes Bild und selten werden entsprechende
Klassifikationskriterien erfüllt ([Abb. 1 ]) [7 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]. Ohne Wissen um die Besonderheiten rheumatischer irAEs können diese Nebenwirkungen
daher vom Rheumatologen leicht verkannt werden.
Abb. 1 Vergleich der häufigsten rheumatischen irAEs mit phänotypisch ähnlichen „klassischen“
entzündlich-rheumatischen Erkrankungen, deren Klassifikationskriterien jedoch in der
Regel bei irAEs nicht erfüllt sind (in Anlehnung an [7 ]
[11 ]
[12 ]
[29 ]
[30 ]
[44 ]). ACE=Angiotensin-konvertierendes Enzym, ACPA=Antikörper gegen citrullinierte Peptide,
ANA=Antinukleäre Antikörper, ANCA=Anti-Neutrophile cytoplasmatische Antikörper, BKS=Blutkörperchensenkung,
CK=Creatinkinase, CRP=C-reaktives Protein, ENA=Antikörper gegen extrahierbare nukleäre
Antigene, PMR=Polymyalgia rheumatica, PsA=Psoriasisarthritis, RA=Rheumatoide Arthritis,
RF=Rheumafaktor, sIL-2R=löslicher Interleukin-2 Rezeptor.
Klinisches Management rheumatischer irAEs
Diagnostisches Vorgehen
Der Rheumatologe kann auf das ihm vertraute diagnostische Instrumentarium zur Objektivierung
entzündlicher Manifestationen zurückgreifen, sollte sich aber der eventuell atypischen
Präsentation von irAEs bewusst sein. Aufgrund des häufig hochakuten Verlaufs mit starken
Schmerzen und Funktionsbeeinträchtigungen sollten Patienten mit Verdacht auf ein rheumatisches
irAE unter ICPi-Therapie frühzeitig innerhalb weniger Tage gesehen werden. Zur möglichst
kompletten Erfassung der Leitsymptome ist eine rheumatologische Erstbeurteilung noch
vor Einleitung einer Glukokortikoidtherapie wünschenswert.
In der Anamnese sollten explizit Symptome einer Polymyositis und bulbärer Begleitsymptome
wie Dysphagie/-arthrie/-phonie/-pnoe, Aspirationsneigung, Zungen- und Kaumuskelschwäche,
Diplopie und Ptosis erfragt und untersucht werden, um ggf. rasch die schwerwiegendste
Form eines rheumatischen irAEs zu identifizieren und der Behandlung zuzuführen [7 ]
[11 ]. Auch klinische Hinweise auf mögliche irAEs an weiteren Organsystemen sollten bei
der Abklärung miterfasst werden. Von Interesse sind zudem Symptome und Risikofaktoren
für eine entzündlich-rheumatische Erkrankung bereits vor ICPi-Einleitung, bspw. eine
positive Eigen- oder Familienanamnese für assoziierte Erkrankungen wie Psoriasis oder
chronisch-entzündliche Darmerkrankungen. Diese Angaben sind für die Abschätzung des
Chronifizierungsrisikos hilfreich (s.u.).
Auch die onkologischen Befunde sollten berücksichtigt werden: Insbesondere Patienten
mit NSCLC erhalten häufig die ICPi-Therapie in Kombination mit Cisplatin und Pemetrexed
und berichten an den Chemotherapietagen von einer Besserung der muskuloskelettalen
Symptomatik bedingt durch die Dexamethason-Gabe als Prämedikation. Ferner geben die
Staging- und Laborbefunde Hinweise darauf, ob differenzialdiagnostisch paraneoplastische
Syndrome oder Metastasen bei Tumorprogress sowie Infekte erwogen werden müssen [7 ]
[10 ]
[11 ]
[19 ]
[20 ]. Relevante Paraneoplasien, die im Vergleich zu den irAEs in der Regel kaum auf einen
immunsuppressiven Therapieansatz ansprechen, sind unter anderem das Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom
bei NSCLC ([Abb. 2c ]), paraneoplastische (Poly-)Arthritiden und Vaskulitiden [21 ]
[22 ]
[23 ]. An dieser Stelle sei auch auf die Übersichtsarbeit zu den Paraneoplasien in dieser
Ausgabe verwiesen.
Abb. 2 Patient aus dem MalheuR-Register mit nicht-kleinzelligem Bronchialkarzinom (NSCLC).
Wenige Monate vor der Tumordiagnose traten erstmals Trommelschlegelfinger und symmetrische,
distal betonte Knochen- und Gelenkschmerzen auf, die klinisch als charakteristisches
paraneoplastisches Syndrom (Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom) beim NSCLC gewertet wurden.
Unter ICPi-Therapie kamen neu schmerzhafte massive Schwellungen der distalen Unterarme
bis in die Hände bzw. Unterschenkel und Füße mit deutlichen Funktionseinschränkungen
als irAE hinzu. a+b Objektivierung entzündlicher Veränderungen durch Gelenksonografie. a dorso-medialer Längsschnitt Handgelenk rechts: Ausgeprägte Tenosynovialitis (↓) der
Extensorsehnen (*) mit Begleitsynovialitis carpal (°). b ventraler Transversalschnitt Schulter rechts: Deutliche Bicepssehnentendinitis (* Sehne)
mit peritendinösem Exsudat (↓) und Begleitbursitis. c Im Röntgen der Hände zeigt sich neben deutlicher Weichteilschwellung eine typische
Periostverdickung (↓) auch an den langen Röhrenknochen als Korrelat zum klinisch vermuteten
paraneoplastischen Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom.
Als Korrelat für die überschießende Immunsystemaktivierung ist das CRP nicht selten
auf Werte über 50–150 mg/l erhöht, obwohl die entzündliche Manifestation bei der korrespondierenden
„klassischen“ entzündlich-rheumatischen Erkrankung eine solche CRP-Erhöhung nicht
erwarten lassen würde. Im MalheuR-Projekt wiesen etwa drei Viertel der Patienten eine
CRP-Erhöhung auf. Hingegen ist das CRP unerwarteter Weise vor allem bei Patienten
mit Polymyalgia rheumatica-ähnlichen irAEs meist normwertig ([Abb. 1 ]) [7 ]
[12 ]
[13 ]
[17 ]
[24 ]
[25 ]. Bei Patienten mit muskulären Symptomen sollte immer auch der CK-Wert bestimmt werden,
um eine Myositis nicht zu übersehen. Typische Immunlaborveränderungen „klassischer“
entzündlich-rheumatischer Erkrankungen fehlen hingegen meist: zur klinischen Manifestation
passende spezifische Laborbefunde wie Nachweis von höhertitrigen ANA mit spezifischem
Floureszenzmuster, positiven ENA, Myositis-Autoantikörpern, Anti-CCP-Antikörpern oder
Rheumafaktor sind selten [7 ]
[8 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[17 ]
[20 ]
[24 ]
[25 ]
[26 ].
Da die Einleitung einer immunsuppressiven Therapie potenziell auch Auswirkungen auf
den onkologischen Behandlungsverlauf nehmen kann, sollte die Notwendigkeit dieses
Schrittes wann immer möglich durch objektive bildgebende und/oder histologische Befunde
der entzündlichen Organmanifestation(en) untermauert werden [7 ]
[11 ]
[12 ]
[20 ]. Im klinischen Alltag steht hierfür dem Rheumatologen die Gelenksonographie als
geeignete und schnell verfügbare diagnostische Maßnahme zur Verfügung. Etwa 80% der
untersuchten Patienten im MalheuR-Projekt zeigten Artikulo-/Tenosynovialitiden, Enthesitiden
und/oder Bursitiden oft an multiplen Gelenken und teils in stärkerer Ausprägung, als
es rheumatologischerseits bei „klassischen“ entzündlich-rheumatischen Erkrankungen
sonst zu erwarten wäre ([Abb. 2a, b ]) [7 ]
[13 ]
[17 ]. In einer MRT-Fallstudie mit acht irAE-Patienten mit Arthritis konnten bei drei
im Hand-MRT bereits Knochenmarködeme und erosive Veränderungen nachgewiesen werden
[27 ]. Nativradiologisch lassen sich neben den zu „klassischen“ entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen passenden Veränderungen auch typische Läsionen bei Pierre-Marie-Bamberger-Syndrom
bei NSCLC darstellen: die Periostreaktion, die an den Fingern initial auch mit Proliferationen
bei einer Psoriasisarthritis verwechselt werden könnte, findet sich hierbei auch an
den proximalen Röhrenknochen ([Abb. 2c ]) [22 ].
Oft ist auch die Nachbefundung bereits vorliegender Staging-(PET-) CTs/MRTs auf entzündlich-rheumatische
irAE-Manifestationen zielführend, ohne dass neue Bildgebung veranlasst werden muss:
Radiologischerseits wird der Fokus in den schriftlichen Befunden allzu oft auf die
onkologische Fragestellung (Tumoransprechen bzw. -progress) gelegt und muskuloskelettale,
myositische oder vaskulitische Pathologien sowie jüngst bei irAE-Patienten im MRT
beschriebene myofasziale Entzündungen bleiben meist unerwähnt [7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[20 ]
[24 ]
[26 ]
[28 ].
Ergänzende histologische Sicherung vor allem bei schwerwiegenden Organbeteiligungen
wie der Myositis, Sarkoidose, Nephritis oder Systemische Sklerose ist einerseits zur
Abgrenzung anderer Ursachen (z. B. Lymphknotenmetastasen, toxischer Nierenschaden)
und andererseits wegen der meist erforderlichen intensiven immunsuppressiven Therapie
mit ggf. ICPi-Abbruch sinnvoll, sollte deren Einleitung aber insbesondere bei der
Myositis nicht unnötig verzögern [7 ]
[11 ]
[12 ].
Therapeutisches Management
Grundlegende Prinzipien bei der Behandlung rheumatischer irAEs, die nachfolgend ausführlicher
erläutert werden, sind [7 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[29 ]:
Ein an Schweregrad und Organmanifestationen adaptiertes, patientenorientiertes irAE-Management
mit dem vorrangigen Ziel der ICPi-Fortführung
Gemeinsame Entscheidungsfindung in enger Absprache mit behandelndem Onkologen und
informierten Patienten insbesondere hinsichtlich ICPi-Pause/Abbruch
Defensive Therapiestrategie mit dem Ziel bestmöglicher Symptomkontrolle unter niedrigstmöglicher
Immunsuppression
Therapie bevorzugt mit schnell wirksamen Substanzen (v. a. NSAR und/oder Glukokortikoide)
und supportiven Maßnahmen
Mit Ausnahme schwerwiegender systemischer irAEs entgegen der Treat-to-Target Strategie
zurückhaltender Einsatz von Glukokortikoiden >10 mg Prednisonäquivalent und cs/bDMARDs
Die ICPi-Therapie ist bei Patienten in fortgeschrittenen Tumorstadien oft die einzige
noch wirksame und verbliebene Therapieoption. Ein Therapieabbruch ist daher in vielen
Fällen mit einer Beendigung der Tumorbehandlung und Wechsel zu palliativen „Best supportive
care“ Maßnahmen gleichzusetzen. Die Hauptaufgabe des Rheumatologen besteht daher darin,
wann immer möglich die Fortführung der ICPi-Therapie zu ermöglichen. Entsprechend
sollte die Entscheidung zur ICPi-Pause oder -Therapieabbruch aufgrund der weitreichenden
Konsequenzen nie vom Rheumatologen im Alleingang getroffen werden. Eine intensive
Zusammenarbeit mit dem behandelnden Onkologen und enge Absprache bei jeglichen Therapieentscheidungen
wird prinzipiell empfohlen [7 ]
[11 ]
[13 ]
[29 ].
Die immunmodulierende/-supprimierende Wirkung des rheumatologischen Therapiearsenals
ist dem T-Zell-aktivierenden Wirkmechanismus der ICPi-Therapie entgegengesetzt. Der
Einsatz immunsuppressiver Substanzen kann sich daher negativ auf das Tumoransprechen
auswirken. Die Frage, für welche Medikamente unter welchen Voraussetzungen diese Hypothese
zutrifft, ist Gegenstand intensiver Forschung [7 ]
[11 ]
[13 ]. Gegen eine aggressive Therapiestrategie spricht zudem, dass das Auftreten eines
(rheumatischen) irAEs mit besseren Tumoransprech- und Überlebensraten assoziiert ist:
dieser Vorteil sollte nicht durch die Therapie des irAEs gefährdet werden [7 ]
[8 ]
[9 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[20 ]
[29 ].
Aus diesen Überlegungen heraus sollte der Rheumatologe bei leichten und moderaten
muskuloskelettalen irAEs entgegen der gewohnten offensiven Treat-to-Target Strategie
ein defensives Vorgehen wählen, das einen Kompromiss aus bestmöglicher Symptomkontrolle
und niedrigstmöglicher Immunsuppression darstellt. Das vorrangige Ziel ist die Schmerzreduktion
und weitgehende Wiederherstellung der Funktionalität im Alltag und nicht etwa die
Remission [7 ]
[8 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[20 ]
[24 ]
[26 ]
[29 ]. Naturgemäß unterscheidet sich die Definition dieses Ziels in Abhängigkeit von der
individuellen Situation des jeweiligen Patienten. Das therapeutische Vorgehen sollte
daher patientenorientiert in gemeinsamer Entscheidungsfindung mit dem Onkologen sowie
dem über limitierte Datenlage und fehlende Langzeitbeobachtungsdaten (s.u.) informierten
Patienten festgelegt werden.
Schwerwiegende systemische irAEs mit Myositis oder Organbeteiligung müssen hingegen
aggressiv immunsuppressiv behandelt werden, da sie einen potenziell lebensgefährlichen
Verlauf nehmen können [7 ]
[12 ]
[29 ].
[Abb. 3 ] fasst einen an den Schweregrad und Organbeteiligung adaptierten Therapiealgorithmus
zur Behandlung rheumatischer irAEs zusammen [7 ]
[11 ]
[29 ]
[30 ]. Bei schwerwiegenden irAEs ist eine sofortige ggf. stationäre Therapieeinleitung
mit hochdosierten Glukokortikoiden und mindestens vorübergehender ICPi-Pause regelhaft
erforderlich. Bei der Myositis wird bislang von der Notwendigkeit eines dauerhaften
Abbruchs der ICPi-Therapie ausgegangen, allerdings sind Re-Expositionsversuche bereits
bei 2 Patienten in anhaltender Remission der Myositis erfolgreich ohne ein irAE-Rezidiv
verlaufen [7 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[31 ].
Abb. 3 Schweregrad-adaptiertes Therapiestufenschema bei rheumatischen irAEs. Je nach klinischem
Schweregrad und Ansprechen sollte die empfohlene initiale Therapiestufe im Verlauf
bei Nicht-Ansprechen intensiviert bzw. bei Remission des irAE deeskaliert werden.
* Add-on cs/bDMARDS: zur Glukokortikoideinsparung csDMARDS (v. a. MTX, SSZ, HCQ) oder
bDMARDs (v. a. TNF-, IL6R-Inhibitoren) vor allem bei Therapieintensivierung erwägen,
aufgrund des verzögerten Wirkeintritts derzeit nicht als erste Wahl in Monotherapie
zu empfehlen. ‡ Supportivmaßnahmen: Nicht-NSAR Analgetika, Opioide, intraartikuläre Steroide (IACS)
und/oder Heil- und Hilfsmittel auf jeder Stufe erwägen. Quelle: [29 ] [rerif].
Leicht- und mittelgradige irAEs sind hingegen meist gut im ambulanten Setting ohne
ICPi-Unterbrechung behandelbar. Bei der Therapie stehen Glukokortikoide und/oder Nicht-steroidale
Antirheumatika (NSAR) aufgrund ihres raschen Wirkeintritts an erster Stelle. Im Gegensatz
zu „klassischen“ entzündlich-rheumatischen Erkrankungen sprechen muskuloskelettale
irAEs trotz ausgeprägter entzündlicher Manifestationen häufig bereits auf niedrigdosierte
Glukokortikoidtherapie ≤10 mg Prednisonäquivalent sehr gut an. Sofern unter Beachtung
der Komorbiditäten vertretbar, sollte einer vorübergehenden Kombination mit NSAR ggf.
in Form magenverträglicherer Coxibe gegenüber einer höher dosierten Glukokortikoidtherapie
Vorzug gegeben werden. Drei Viertel der irAE-Patienten waren im MalheuR-Projekt unter
niedrigdosierter Glukokortikoidtherapie und/oder NSAR ausreichend symptomkontrolliert
[7 ]
[12 ]
[13 ]
[17 ]
[29 ]. Supportive Maßnahmen wie Opioid- und Non-NSAR-Analgetika, intraartikuläre Steroidinjektionen
(IACS), Physio-, Ergotherapie und Hilfsmittel sollten zur Einsparung der Immunsuppression
ausgeschöpft werden.
Mit Ausnahme schwerwiegender systemischer irAEs sollten Glukokortikoidgaben >10 mg
Prednisonäquivalent restriktiv verordnet werden. Ihr Einsatz vor ICPi-Einleitung korrelierte
bei NSCLC-Patienten in einer Studie mit schlechterem Therapieansprechen. Unter der
laufenden ICPi-Therapie kann ein negativer Effekt noch nicht endgültig ausgeschlossen
werden, obgleich erste Daten diesbezüglich ermunternd sind [7 ]
[11 ]
[32 ]
[33 ]. Onkologischerseits wird die ICPi-Therapie außerdem bei der Einleitung von >10 mg
Prednisonäquivalent wegen möglicherweise reduzierter Wirksamkeit meist unterbrochen,
wodurch das Risiko für einen Tumorprogress potenziell ansteigt.
Sollte dennoch eine höherdosierte Glukokortikoidtherapie unumgänglich sein, ist eine
Reduktion auf ≤ 10 mg Prednisonäquivalent mittelfristig anzustreben, um die ICPi-Therapie
fortsetzen zu können. Hier nimmt die steroidsparende systemische Basistherapie mit
konventionellen (cs) oder biologischen (b) DMARDs einen zentralen Stellenwert ein,
obgleich sie aktuell ansonsten zurückhaltend und nicht als erste Therapielinie bei
rheumatischen irAEs einzusetzen sind. Gründe hierfür sind nicht nur der verzögerte
Wirkeintritt, sondern auch die nicht auszuschließenden negativen Auswirkungen der
DMARDs auf das Tumoransprechen unter ICPi-Therapie [7 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[29 ].
Erste Erfahrungen zu Methotrexat, Sulfasalazin, Hydroxychloroquin sowie bei Patienten
mit Niereninsuffizienz auch zu Leflunomid liegen rheumatologischerseits vor, in der
Onkologie werden bei irAEs zudem Mycophenolat oder Cyclosporin eingesetzt [7 ]
[9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[18 ]
[20 ]
[24 ]
[26 ]. Die Anwendung von Mycophenolat beschränkte sich bei rheumatischen irAEs bislang
auf Sklerodermie-ähnliche irAEs und Myokarditis in wenigen Fallberichten [11 ]. Neben den üblichen Kontraindikationen ist bei NSCLC-Patienten zusätzlich zu beachten,
dass wenn sie mit dem Folsäureantagonisten Pemetrexed behandelt werden, Methotrexat
und Sulfasalazin aufgrund ähnlicher Metabolisierungswege wegen des Risikos verstärkter
Myelosuppression nicht eingesetzt werden sollten [34 ].
Bei den bDMARDs liegen erste Erfahrungen bei rheumatischen irAEs vor allem für den
TNF-Inhibitor Infliximab und den Interleukin-6-Inhibitor Tocilizumab vor, ersteres
wird onkologischerseits regelmäßig bei der schweren Kolitis bis zur Remission des
irAEs kurzzeitig ohne negative Auswirkungen auf das Tumoransprechen eingesetzt [7 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[26 ]
[35 ]
[36 ]
[37 ]. Zwar wird der Einsatz von TNF-Inhibitoren bei irAEs weiterhin kontrovers diskutiert,
Daten aus einem Mausmodell wiesen jedoch auf einen potenziellen synergistischen Effekt
mit ICPi hin, weswegen derzeit in einer Phase I Studie (NCT03293784) die simultane
Anwendung beider Substanzen geprüft wird [11 ]
[38 ]. Bei TNF-Inhibitoren wird seitens der Autoren bei rheumatischen irAEs aufgrund der
kürzeren Halbwertszeit, ähnlicher Zulassungsdauer und größerer Praktikabilität im
Patientenalltag meist Adalimumab gegenüber Infliximab der Vorzug gegeben, allerdings
ist für dieses Vorgehen bislang keine Evidenz verfügbar.
Insgesamt erscheint es wahrscheinlich, dass mit zunehmender Erforschung und Verständnis
der irAEs der Einsatz von cs/bDMARDs in der Zukunft weniger restriktiv gehandhabt
wird.
Zu weiteren in der Rheumatologie zugelassenen Substanzen liegen bei irAEs nur sehr
begrenzte Erfahrungen vor. Die Therapie mit Interleukin-17-Inhibitor Secukinumab war
in einem Fall mit Arthralgien, Psoriasis und Colitis als irAE mit einem Tumorprogress
assoziiert und wird seither zurückhaltend bei irAEs verwendet [11 ]
[39 ]. Rituximab oder auch Cyclophosphamid wurden vereinzelt als Reservesubstanzen bei
schwerer Vaskulitis oder Sjögren-ähnlichem irAE eingesetzt [11 ]
[12 ]. Intravenöse Immunglobuline ggf. in Kombination mit Plasmapheresen und weiteren
Immunsuppressiva wurden in ca. 20% der Myositisfälle mit unterschiedlichem Erfolg
appliziert [11 ]. Die Anwendung von Abatacept als direkter Gegenspieler von Ipilimumab wird als Salvagetherapie
in lebensgefährlichen irAEs diskutiert, da dies jedoch einen ICPi-Wirkverlust nach
sich ziehen könnte, liegt bislang nur ein Fallbericht zu dessen erfolgreicher Anwendung
bei einer therapierefraktären schweren Myokarditis vor [11 ]
[40 ]. Azathioprin kann das Risiko für Hautmalignome und damit potenziell auch das Tumorprogressrisiko
erhöhen, weswegen es zurückhaltend bei irAEs eingesetzt werden sollte. Da aufgrund
der kurzen Zulassungsdauer bei JAK-Inhibitoren generell die Langzeitdaten zum Malignomrisiko
fehlen, wird deren Anwendung von bei irAEs derzeit nicht empfohlen [7 ].
Verlauf des irAE und der onkologischen Grunderkrankung
Verlaufsbeobachtungen von Patienten mit rheumatischen irAEs erfassen bislang nur einen
begrenzten Zeitraum von ca. 3 Jahren. Eine wichtige Botschaft für betroffene Patienten
ist, dass das Auftreten eines irAEs nicht nur rheumatischer Art, sondern auch an anderen
Organsystemen mit besseren Tumoransprech- und Überlebensraten assoziiert ist. Diesbezüglich
werden irAEs als ein Surrogatmarker der verstärkten T-Zellaktivierung auch Tumorzellen
gegenüber interpretiert [7 ]
[8 ]
[9 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[20 ]
[29 ]
[41 ].
Aus der Erfahrung der Autoren können de novo irAEs zwar selbstlimitierend verlaufen,
unbehandelt können sie aber wie „klassische“ entzündlich-rheumatische Erkrankungen
auch eine Verschlechterungstendenz unter fortgesetzter ICPi-Therapie aufweisen. Bei
frühzeitiger Intervention wird oft ein ausreichendes Ansprechen bereits auf NSAR und/oder
niedrigdosierte Steroidtherapie beobachtet. Allerdings wird bei rheumatischen irAEs
im Gegensatz zu irAEs an anderen Organsystemen mit regelhaft (hoch-)akuten Verläufen
und Ausheilung nach immunsuppressiver Behandlung zunehmend ein chronischer Verlauf
berichtet: etwa die Hälfte der irAE-Patienten mit einer de novo Arthritis wies diese
auch ca. 9 Monate nach ICPi-Beendigung weiterhin auf [25 ].
Möglicherweise sind erosive Veränderungen in der Bildgebung prädiktiv für einen chronischen
Verlauf, jedoch ist diese Hypothese bislang nicht untersucht [27 ]. Auch das Vorliegen eines differenzierten Immunlaborprofils wie spezifischen ENA
oder anti-CCP-Antikörpernachweis könnten ein Hinweis auf eine „klassische“ entzündlich-rheumatische
Erkrankung bzw. eine chronisch verlaufende Nebenwirkung sein [7 ]
[8 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[20 ]
[24 ]
[26 ]. Im MalheuR-Projekt sahen die Autoren eine Chronifizierung des irAEs vor allem dann,
wenn das typische klinische Bild einer „klassischen“ entzündlich-rheumatischen Erkrankung
oder weitere Risikofaktoren wie Psoriasis in der Anamnese vorlagen. Die Tendenz zu
eher chronischen Verläufen v. a. der rheumatologischen irAEs wird in den nächsten
Jahren Kapazitäten in der Rheumatologie beanspruchen und eine zunehmende Verordnungshäufigkeit
von cs/bDMARD bei betroffenen Patienten nach sich ziehen [29 ].
Klinisches Management einer vorbestehenden entzündlich-rheumatischen Erkrankung
Der Rheumatologe ist insbesondere bei Malignompatienten mit vorbestehenden entzündlich-rheumatischen
Erkrankungen ein wichtiger Ansprechpartner des Onkologen. Mit der wachsenden Anzahl
zugelassener Indikationen und Substanzen in der ICPi-Therapie werden Rheumatologen
in den nächsten Jahren zunehmend mit dieser Problematik konfrontiert sein. Schübe
der entzündlich-rheumatischen Grunderkrankung treten in etwa der Hälfte der Patienten
als irAE unter ICPi-Therapie auf, ein signifikanter Anteil entwickelt auch irAEs an
anderen Organsystemen. Etwa 15% der irAE-Patienten im MalheuR-Projekt hatten einen
Schub der vorbestehenden Grunderkrankung, während der Rest rheumatische Symptome de
novo entwickelte. Bei den meisten vorbelasteten Patienten können die irAEs therapeutisch
ausreichend gut kontrolliert und die ICPi-Therapie fortgeführt werden [7 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[17 ]
[19 ]
[29 ]
[42 ].
Entsprechend den o.g. Ausführungen sollte vor ICPi-Einleitung ggf. die laufende Basistherapie
in Absprache mit dem Onkologen angepasst werden, allerdings liegen keine Untersuchungen
dazu vor, ob eine Reduktion oder gar Unterbrechung der Basistherapie anzustreben ist.
Insbesondere ist von der gängigen Praxis abzusehen, ab Bekanntwerden der Malignomdiagnose
vermehrte entzündliche Krankheitsaktivität ausschließlich mit Glukokortikoidboli oder
Dauertherapien > 10 mg Prednisonäquivalent zu therapieren, da hierunter das Ansprechen
auf die ICPi-Therapie beeinträchtigt sein kann [7 ]
[11 ]
[29 ]
[32 ]. Dies sollte auch bei Patienten bedacht werden, deren Malignomdiagnose zu den Hauptindikationen
für ICPi-Therapie zählt, selbst wenn eine Therapieeinleitung zum aktuellen Zeitpunkt
noch nicht geplant ist.
Insgesamt stellt die vorbestehende entzündlich-rheumatische Erkrankung keine Kontraindikation
gegen die ICPi-Therapie dar, allerdings sollte der Patient über das erhöhte Schubrisiko
informiert und an der Entscheidungsfindung beteiligt sein [7, 11 12, 19, 29, 42].
Ob die vorbestehende Autoimmunopathie prognostisch für das Tumoransprechen auf die
ICPi-Therapie eine Rolle spielt, ist bislang nicht untersucht. Bei klinisch unauffälligen
Patienten sollten präformierte Autoantikörper vor ICPi-Einleitung nicht bestimmt werden,
da deren Vorhersagekraft für das individuelle irAE-Risiko noch unklar ist [7 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[18 ]
[29 ]
[43 ].