Eine Reihe von Studien zu SARS und Influenza legen die Wirksamkeit von Rekonvaleszentenplasma
bei Viruserkrankungen nahe. Dabei sind der Wirkstoff des Arzneimittels und die zu
verabreichende Plasmamenge nicht gut belegt. Die Qualität der Studien wird teilweise
als unzureichend bewertet [1].
In den Pilotstudien von Duan und Kollegen sowie Shen und Kollegen wurden Patienten, die schwer an COVID-19 erkrankt sind, mit jeweils 200 oder 400 ml
Rekonvaleszentenplasma behandelt. Neutralisierende Antikörper gegen SARS-CoV-2 konnten
in den Präparaten nachgewiesen werden. Verglichen mit historischen Kontrollen hatten
die Patienten ein besseres Behandlungsergebnis [2], [3].
Bemerkenswert ist, dass bei allen Patienten, die mit Rekonvaleszentenplasma behandelt
wurden, auch vor den Transfusionen teilweise bereits neutralisierende Antikörper in
hohen Titerstufen nachweisbar waren.
Diese Studien widersprechen einem Einsatz von Rekonvaleszentenplasma bei COVID-19
nicht.
Am 27.02.2020 erschien im Bundesanzeiger eine Bekanntmachung des Bundesministeriums
für Gesundheit, nach der die Behörden in der Pandemiesituation nach Maßgabe des § 79
Absatz 5 und 6 AMG im Einzelfall befristet von den Vorgaben des AMG abweichen können
[4]. Daraufhin erteilten viele Aufsichtsbehörden eine Gestattung für die Herstellung
und Anwendung von Rekonvaleszentenplasma. Im Mai 2020 erteilte auch die FDA die Freigabe
für Rekonvaleszentenplasma als Prüfsubstanz, das entweder im Rahmen von klinischen
Prüfungen oder nach behördlicher Prüfung in Härtefällen außerhalb von klinischen Studien
in den Vereinigten Staaten angewendet werden kann [5].
Die Ergebnisse der beiden chinesischen Arbeiten sind ermutigend und die regulatorischen
Aspekte der Herstellung und Anwendung sind in Deutschland aktuell geklärt. Dennoch
sollte die Indikation von Rekonvaleszentenplasma außerhalb von klinischen Prüfungen
weiterhin streng gestellt werden.
So liegen mittlerweile auch die Ergebnisse einer frühzeitig abgebrochenen randomisierten
Studie aus Wuhan vor. Der Abbruch der Studie war erfolgt, da mit der Kontrolle des
Ausbruchs in Wuhan die Rekrutierung ins Stocken geriet. In dieser Studie wurden schwer
an COVID-19 erkrankten Patienten eine Dosis von 4 – 13 ml Rekonvaleszentenplasma pro
kg Körpergewicht transfundiert. Die Studie zeigte eine erhöhte Rate PCR-negativer
Patienten nach Plasmatransfusionen. Allerdings waren der primäre Endpunkt, d. h. die
Zeit bis zur klinischen Besserung, der Anteil von Patienten mit klinischer Besserung
an Tag 28, die Dauer des stationären Aufenthalts und die Mortalität im Vergleich von
Rekonvaleszentenplasmagruppe und Kontrollgruppe nicht statistisch signifikant unterschiedlich.
In der Studie waren auch 2 unerwünschte Ereignisse im Plasmaarm aufgetreten [6].
Wo immer möglich sollten Patienten zur Behandlung mit Rekonvaleszentenplasma in prospektive
kontrollierte Studien eingeschlossen werden. Hier sind Dosierungsschemata vorgeben
und die Endpunkte sind klar definiert. Nur so kann die Frage nach der Wirksamkeit
und das Spektrum unerwünschter Ereignisse von Rekonvaleszentenplasma bei COVID-19
abschließend geklärt werden.