Anamnese
Ein 46-jähriger Patient stellte sich in unserer pneumologischen Praxis vor nach stattgehabtem fieberhaftem Infekt der oberen Atemwege. Er berichtete von einer langjährigen Hals-Nasen-Ohren-ärztlichen Behandlung bei chronischer Pansinusitis. Diesbezüglich waren wiederholt antibiotische sowie lokale und systemische Glukokortikoid-Therapien und diverse Operationen der Nasennebenhöhlen erfolgt. Eine digitale Volumentomografie zeigte eine partielle Verschattung von Stirnhöhle sowie Kieferhöhle und Siebbein beidseits.
Weiter bestand ein langjähriges Asthma bronchiale, das seit Jahrzehnten mit Formoterol/Budesonid (4,5/160 µg 2 × 1 Hub/Tag) und Theophyllin (2 × 375 mg/Tag) behandelt worden war. Der Patient litt zudem seit Jahren an Epilepsie. Vor 15 Jahren war es zu einem ersten, wahrscheinlich generalisierten, tonisch-klonischen Anfall gekommen, in dessen Folge eine antikonvulsive Behandlung mit Valproinsäure begonnen wurde. Nach einer Behandlungsdauer von 5 Jahren wurde das Medikament ausgeschlichen. Zwei Jahre später kam es jedoch zu einem erneuten generalisierten tonisch-klonischen Anfall, woraufhin die Therapie mit Valproinsäure 1000 mg/Tag fortgesetzt wurde. Im weiteren Verlauf blieb der Patient anfallsfrei.
Zum Zeitpunkt der Vorstellung bestand die Medikation aus Theophyllin (2 × 375 mg/Tag), Salbutamol bei Bedarf, Formoterol/Budesonid (4,5/160 µg 2 × 4 Hub/Tag) und Valproinsäure (1000 mg/Tag). Ein Nikotinkonsum sei nie betrieben worden, und von Beruf sei der Patient Energieanlagen-Elektroniker.
Erstbefunde
Der pulmonale Auskultationsbefund ist regelrecht, ganzkörperplethysmografisch findet sich eine leichte zentrale Atemwegsobstruktion. Die Röntgen-Thorax-Übersichtsaufnahme zeigt multiple flaue Infiltrate beidseits ([Abb. 1 ]). Im Labor fand sich eine Leukozytose von 14 300/ul und ein CRP von 113 mg/l (siehe [Tab. 1 ]).
Abb. 1 Bds. pulmonale Infiltrate (Ausgangs-Laborwerte).
Tab. 1
Laborwerte (SI-Einheiten).
Normwert
Ausgangs-Laborwerte
Nach 15,5 Monaten
Nach 19 Monaten
Nach 2 Jahren
Nach 2 Jahren und 3 Monaten
LEUK (Leukozyten)
4 – 10 (G/L)
14,3 (+)
7,1
8,06
11,35 (+)
8,78
SEG
50 – 70 (%)
72,7 (+)
45,4 (–)
84,9 (+)
85,5 (+)
51,3
LYMPH (Lymphozyten)
19,1 – 47,9 (%)
13,0 (–)
31,3
11,8 (–)
9,2 (–)
26,8
EOS
0,6 – 7,6 (%)
5,5
13,4 (+)
0,2 (–)
0,2 (–)
11,2 (+)
BASO
0,1 – 1,2 (%)
0,4
0,9
0,4
0,3
0,8
MONO (Monozyten)
2 – 9 (%)
6,5
7,3
2,7 (–)
4,8 (–)
9,9
CRP
≤ 47 (nmol/L)
1079 (+)
52 (+)
77 (+)
Therapie und Verlauf
Bei ambulant erworbener Pneumonie wurde eine antibiotische Therapie mit Amoxicillin/Clavulansäure 875/125 mg 3 × 1 über 5 Tage eingeleitet. Parallel wurde die Theophyllintherapie beendet. Bei der Wiedervorstellung nach 4 Wochen zeigte sich eine deutliche klinische Besserung, eine vollständige Rückbildung der vormaligen Infiltrate im thorakalen Röntgenbild sowie ein CRP von 5 mg/l.
Knapp anderthalb Jahre später stellte sich der Patient erneut vor wegen Dyspnoe, Abgeschlagenheit und Schüttelfrost. Aufgrund der chronischen Sinusitis befand er sich weiterhin regelmäßig in Hals-Nasen-Ohren-ärztlicher Behandlung. Der Patient berichtete auch, an „vielen Allergien“ zu leiden. Der pulmonale Auskultationsbefund zeigte sich regelrecht. Die Medikation bestand aus Formoterol/Budesonid (4,5/160 µg 2 × 3 Hub/Tag) und Valproinsäure (1000 mg/Tag). Das Röntgen-Thorax-Bild zeigte multiple Rundherde beidseits ([Abb. 2 ]) bei einem CRP von 39 mg/l.
Abb. 2 Pulmonale Rundherde bds. (nach 15,5 Monaten).
Erneut wurde antibiotisch mit Amoxicillin/Clavulansäure (875/125 mg 3 × 1) über 5 Tage behandelt. Zur Abklärung der Rundherde erfolgte eine Computertomografie des Thorax ([Abb. 3 ]), in der sich bipulmonale, zum Teil nekrotisierende Rundherde zeigten.
Abb. 3 Pulmonale Rundherde bds. (nach 15,5 Monaten).
Die Laboruntersuchungen ergaben folgende Werte: Leukozyten 7100/ul, eosinophile Granulozyten 13,4 %, CRP 5,5 mg/l, c-ANCA und p-ANCA negativ (siehe [Tab. 1 ]).
Zur weiteren Diagnostik erfolgte eine Bronchoskopie mit folgendem Ergebnis: Die bronchoalveoläre Lavage zeigte sich mäßig zellreich mit geringgradiger Eosinophilie. Histologisch fanden sich regelrechte bronchiale Epithelien mit einzelnen Entzündungszellen und Makrophagen, eine mäßiggradige chronische und floride, teils eosinophile Bronchitis mit geringgradiger, teils eosinophiler Peribronchitis und Alveolitis mit makrophagozytärer Alveolitis ([Abb. 4 ]). Aus dem Bronchialsekret gelang kein mikrobiologischer Nachweis humanpathologischer Mikroorganismen. Insbesondere säurefeste Stäbchen oder Pilze waren nicht nachweisbar.
Abb. 4 Biopsie der Bronchialschleimhaut mit einem dichten lymphohistiozytären und plasmazellreichen Entzündungsinfiltrat mit einzelnen eosinophilen Granulozyten (a ) mit Übergriff des entzündlichen Infiltrates auf das unmittelbar angrenzende parabronchioläre Lungenparenchym (c ). Peripher paravasal zahlreiche eosinophile Granulozyten. Intraalveolär Makrophagen mit zahlreichen Eosinophilen und Anthrakose (b ). Hämatoxylin Eosin (HE), Vergrößerung im Bild.
Wir etablierten eine orale Prednisolon-Therapie zusätzlich zur Vormedikation (initial 40 mg, Dosisreduktion auf 20 und 10 mg nach 14 respektive 28 Tagen). Bei der Wiedervorstellung nach 2 Monaten berichtete der Patient von einer klinischen Besserung bei jedoch noch eingeschränkter Belastbarkeit und persistierender Dyspnoe. Die bds. infiltrativen Veränderungen im Röntgen-Thorax-Bild hatten sich vollständig zurückgebildet ([Abb. 5 ]).
Abb. 5 Röntgen-Thorax unter Prednisolon-Therapie (nach 17,5 Monaten).
Die Laborwerte zeigten eine Sensibilisierung auf Katzenepithelien, Birkenpollen, Wiesenlieschgras, Dermatophagoides pteronyssinus und Dermatophagoides farinae.
Eine Literaturrecherche ergab, dass eosinophile Lungenerkrankungen unter Valproinsäure beschrieben sind, sodass wir bei unserem Patienten jetzt die Medikation von Valproinsäure auf Levetiracetam (Zieldosis 1500 mg pro Tag) umstellten.
Bei Wiedervorstellung nach 2 Monaten zeigte sich der Patient unter den verbliebenen 10 mg/Tag Prednisolon beschwerdefrei. Die röntgenologischen Verlaufskontrollen zeigten unauffällige Befunde, während sich bodyplethysmografisch nur noch eine leichte zentrale Obstruktion nachweisen ließ. Aufgrund der persistierenden Sinusitis erfolgte weiterhin eine HNO-ärztliche Mitbetreuung. Der klinische Verlauf des Patienten über die folgenden 2 Jahre war sehr erfreulich bei jedoch wiederkehrender peripherer Eosinophilie.
Diskussion
Wir beschreiben den Verlauf eines 47-jährigen Patienten mit Dyspnoe, wechselnden bildmorphologischen Befunden und ausgeprägter peripherer und Gewebs-Eosinophilie.
Eosinophilen-assoziierte Erkrankungen der Lunge zeichnen sich durch eine parenchymale und interstitielle Infiltration eosinophiler Granulozyten sowie eine bronchiale Eosinophilie aus. Sie können im Rahmen verschiedener Grunderkrankungen auftreten, so bei (Medikamenten-)Allergien, Infektionen (insbesondere durch Parasiten, aber auch Tuberkulose), im Rahmen muskulokutaner Erkrankungen, bei Kollagenosen oder Vaskulitiden wie der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis oder auch der rheumatoiden Arthritis, im Rahmen neoplastischer und myeloproliferativer Erkrankungen, bei Immundefizienz-Syndromen und schließlich auch als einfache pulmonale Eosinophilie oder akute eosinophile Pneumonie, auch im Rahmen einer idiopathischen Lungenfibrose oder der desquamativen interstitiellen Pneumonie (Übersicht siehe [1 ]
[2 ]
[3 ]
[4 ]).
Im vorliegenden Fall ergaben sich klinisch-anamnestisch keine Hinweise für eine Parasiteninfektion oder Tuberkulose, Länder außerhalb Mitteleuropas hatte der Patient nicht bereist. Dermatologische Erkrankungen wie die atopische Dermatitis, Urtikaria, bullöses Pemphigoid, Scabies oder Ähnliches lagen nicht vor. Anamnestisch ergaben sich keine Hinweise für Kollagenosen, die rheumatoide Arthritis oder das Sjögren-Syndrom. Die entsprechende Serologie war negativ. Klinisch-anamnestisch fanden sich ebenso wenig Hinweise für eine Tumorerkrankung wie bei der körperlichen Untersuchung. Die bildgebende Diagnostik zeigte keine interstitiellen Lungenerkrankungen wie idiopathische Lungenfibrose oder die desquamative interstitielle Pneumonie.
So engte sich in diesem Fall die Differenzialdiagnostik ein auf medikamentenassoziierte eosinophile Infiltrate, die einfache pulmonale Eosinophilie (Löffler-Syndrom) und die eosinophile Granulomatose mit Polyangiitis (EGPA). Nach den Kriterien des American College of Rheumatology von 1990 müssen für die Diagnose der eosinophilen Granulomatose mit Polyangiitis 4 der 6 folgenden Kriterien erfüllt sein: Asthma, Eosinophilie größer als 10 % im Differenzialblutbild, Mononeuropathie (inkl. multiplex) oder Polyneuropathie, flüchtige Lungeninfiltrate im Röntgen-Thorax-Bild, Veränderungen der Nasennebenhöhlen und eine Biopsie, die ein Blutgefäß mit extravaskulärer Eosinophilie zeigt [5 ]. Antineutrophile zytoplasmatische Antikörper (ANCA) sind nur bei etwa 30 % der Patienten mit EGPA nachweisbar [6 ]
[7 ]
[8 ]. Die Annahme, eine EGPA würde durch negative ANCA ausgeschlossen, führt zur Unterdiagnose dieser seltenen Erkrankung. Somit erfüllt der beschriebene Patient gut die Diagnosekriterien für die EGPA. Auch ein Ansprechen auf die Prednisolon-Therapie, wie wir sie durchgeführt haben, ist durchaus bei der genannten Diagnose zu erwarten, schließlich ist ein Rezidiv der Eosinophilie im weiteren Verlauf nach Beendigung der Prednisolon-Therapie bei EGPA nicht ungewöhnlich.
In der Literatur finden sich Fallberichte über Valproinsäure-assoziierte pulmonale Erkrankungen [9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ], u. a. die Beschreibung einer medikamenteninduzierten interstitiellen Pneumonitis durch Valproinsäure [12 ]. Die klinische und radiologische Besserung bei unserem Patienten nach Absetzen der Valproinsäure spricht für eine solche Assoziation.
Zweifelsfrei klärten wir nicht, ob die eosinophilen Infiltrate dieses Patienten einer EGPA oder einer durch Valproinsäure induzierten eosinophilen Lungenerkrankung (oder einer einfachen pulmonalen Eosinophilie [Löffler-Syndrom]) entsprachen. In allen Fällen ist ein gutes Ansprechen auf orales Prednisolon zu erwarten, wie es auch bei diesem Patienten eintrat, mit vollständiger Rückbildung der Infiltrate nach 2-monatiger Therapie mit oralem Prednisolon in absteigender Dosis.
Nach Prednisolon-Therapie über einige Monate und nach Umstellung der antikonvulsiven Therapie von Valproinsäure auf Levetiracetam verblieb der Patient rezidivfrei und beschwerdearm (unter der Therapie mit Budesonid und Formoterol wegen Asthma bronchiale). Insofern war eine weitere Differenzialdiagnostik hinsichtlich eventueller weiterer Ursachen der Eosinophilie verzichtbar. Für den Fall eines Rezidivs sollte jedoch eine aggressivere immunsuppressive Therapie (für die EGPA) in Betracht gezogen werden [7 ].
Verschiedene Lungenerkrankungen können medikamentös induziert sein, sodass bei der differenzialdiagnostischen Abklärung von pulmonalen Erkrankungen eine sorgfältige Medikamentenanamnese zu erheben ist und an die Möglichkeit einer Verursachung der pulmonalen Erkrankung durch Medikamente gedacht werden sollte. Eine Übersicht medikamentös induzierter pulmonaler Syndrome ist im Internet verfügbar (www.pneumotox.com ).