Einleitung
Neuroendokrine Neoplasien der Lunge sind eine heterogene Gruppe von Tumoren, die sich hinsichtlich ihrer Häufigkeit, der Wachstumskinetik, der biologischen Funktionalität und der Prognose deutlich unterscheiden. Dabei zählen die bronchopulmonalen Karzinoide (PC) zu den gut differenzierten Tumoren mit unabhängig von demografischen Faktoren wie Alter, Geschlecht und Rasse steigender Prävalenz. Als Ursache hierfür wird u. a. die verbesserte immunhistologische und radiologische Diagnostik angesehen [1 ]
[2 ]. Die Inzidenz der bronchopumonalen Karzinoide liegt aktuell bei 0,2 – 2 pro 100 000 Einwohner pro Jahr sowohl in den USA als auch in Europa. Der Anteil der bronchopulmonalen Karzinoide an der Gesamtzahl aller Lungentumorerkrankungen beträgt lediglich ca. 1 – 2 %. Sie machen jedoch insgesamt ca. 25 – 30 % aller gut differenzierten neuroendokrinen Neoplasien aus [3 ]. Bronchopulmonale Karzinoide sind Tumoren mit neuroendokriner Morphologie und Differenzierung und gehen von den neuroendokrinen Zellen (PNEC) der Lunge aus. Die Mehrheit der Patienten mit einem bronchopulmonalen Karzinoid sind Nie- oder Wenig-Raucher, wobei Raucher oder Ex-Raucher häufiger ein atypisches Karzinoid entwickeln. Die meisten bronchopulmonalen Karzinoide treten sporadisch auf. In ca. 5 % der Fälle gibt es eine Assoziation im Rahmen der autosomal-dominant vererbten multiplen endokrinen Neoplasie Typ I (MEN 1) [3 ]. Die häufigsten bronchopulmonalen Karzinoide sind funktionell inaktiv. Es gibt jedoch auch funktionell aktive Formen mit hormonellem Hypersekretionssyndrom (z. B. Karzinoidsyndrom, Cushingsyndrom) [3 ]
[4 ]. Eine Neubestimmung der histologischen/immunhistologischen Diagnosekriterien durch die WHO ist 2015 erfolgt. Für die Sicherung der Diagnose, die Differenzierung zwischen typischem und atypischem Karzinoid und die Abgrenzung zu SCLC und LCNEC ist neben dem Nachweis von neuroendokrinen Markern wie Chromogranin A, Synaptophysin und/oder CD56 ein exaktes Tumorgrading mittels Bestimmung des Ki-67-Index, der Mitoserate und der Nekroseareale essentiell [5 ]. Die Bestimmung von Somatostatinrezeptoren (2 und 5) kann zusätzliche Informationen liefern. Die Klassifikation der bronchopulmonalen Karzinoide erfolgt mittels TNM analog zum Lungenkarzinom nach aktueller UICC-Version [6 ]
[7 ]. Das Staging umfasst neben CT-Thorax/Abdomen und symptombezogener zerebraler/ossärer MRT-Untersuchung die Bronchoskopie mit in Abhängigkeit der Lokalisation des Tumors möglicher Sicherung durch transbronchiale/endobronchiale Biopsie und EBUS-Punktion bei Vorliegen mediastinaler Lymphknotenmetastasen. Häufig wird die Diagnose eines bronchopulmonalen Karzinoids jedoch im Rahmen eines diagnostischen operativen Eingriffes bestätigt.
Die Möglichkeiten des Somatostatinrezeptor-Imaging haben sich in den letzten Jahren zunehmend verbessert. Hier ist aufgrund der deutlich höheren Sensitivität der Ga68-DOTA-PET-Untersuchung der Vorzug zu geben.
Die Untersuchung ist im Rahmen der Diagnostik analog FDG-PET sinnvoll, um die Tumorausdehnung zu verifizieren. Bei vorliegendem Tumorstadium IV besteht die Möglichkeit, zugleich therapeutische Optionen im Sinne einer PRRT auszuloten [8 ]. Um den klinischen Erkrankungsverlauf bronchopulmonaler Karzinoide zu systematisieren, erfolgte die retrospektive Auswertung von Patienten aus 3 großen Berliner Lungenkrebszentren (Evangelische Lungenklinik Berlin, Helios Klinikum Emil von Behring – Lungenklinik Heckeshorn, DRK-Kliniken Berlin, Lungenklinik Mitte).
Ergebnisse
Häufigkeiten
Insgesamt wurden im Untersuchungszeitraum von 2007 – 2016 151 Patienten mit einem typischen Karzinoid (81 %) und 34 Patienten mit einem atypischen Karzinoid (18 %) dokumentiert. 1,1 % der Patienten waren nicht klassifizierbar (n = 2) (siehe [Tab. 1 ]).
Tab. 1
Häufigkeit der Diagnose im Untersuchungszeitraum 2007 – 2016.
Karzinoide
Gesamt
Typisch
151 (80,1 %)
Atypisch
34 (18,2 %)
Unklassifizierbar
2 (1,1 %)
Gesamt
187 (100,0 %)
Altersverteilung je Geschlecht
Das mediane Erkrankungsalter lag bei 65,4 Jahren (Männer 64,0 Jahre; Frauen 67,1 Jahre). 64 % der Patienten waren Frauen (n = 119), 36 % Männer (n = 68) (siehe [Abb. 1 ]).
Abb. 1 Alters- und Geschlechtsverteilung bei Erstdiagnose.
Symptomatik/Funktionalität
20 Patienten (10,7 %) waren bezüglich der Erkrankung symptomatisch. Hierzu zählten Dyspnoe, Husten, Heiserkeit, Hämoptysen, rezidivierende Pneumonien, Tachykardie, Hypertonie, Zephalgie und Kopfrötung. Ein MEN-1-Syndrom lag bei keinem Patienten vor.
Karnofsky-Index
Insgesamt wurde der Karnofsky-Index bei 74,9 % Patienten evaluiert (n = 140). Von den dokumentierten Fällen waren die meisten Patienten in einem sehr guten Allgemeinzustand. Bei 95 Patienten lag der Karnofsky-Index bei 100 bzw. 90 %, bei 28 Patienten wurde der Karnofsky-Index mit 80 % angegeben. Lediglich bei 17 Patienten lag der Karnofsky-Index bei 70 % oder darunter.
Raucherstatus
Der Raucherstatus wurde bei 70,1 % der Patienten dokumentiert (n = 131). 59 der erfassten Patienten waren Nichtraucher (45 %), 41 Patienten Ex-Raucher (31 %) und 31 Patienten aktive Raucher (24 %). Für die Ex-Raucher lagen Angaben bezüglich der Packungsjahre von 27 Patienten vor (66 %). Davon waren 44 % starke Raucher mit > 30 Packungsjahren, 22 % der Patienten wiesen 20 – 30 Packungsjahre auf, 26 % 10 – 20 Packungsjahre und 7 % < 10 Packungsjahre. Bei den aktiven Rauchern lagen Angaben für 21 Patienten vor (68 %). Davon waren 71 % starke Raucher mit > 30 Packungsjahren, 19 % zählten 20 – 30 Packungsjahre und 10 % 10 – 20 Packungsjahre (siehe [Tab. 2 ]).
Tab. 2
Raucherstatus.
atypisch
typisch
Gesamt
Ex-Raucher
Anzahl
6
35
41
%
28,6 %
31,8 %
31,3 %
Nie-/Nicht-Raucher
Anzahl
9
50
59
%
42,9 %
45,5 %
45,0 %
Raucher
Anzahl
6
25
31
%
28,6 %
22,7 %
23,7 %
Gesamt
Anzahl
21
110
131
%
100,0 %
100,0 %
100,0 %
Lokalisation des Primärtumors
Bezüglich der Lokalisation des Primärtumors fanden sich die Tumormanifestationen bei 59 Patienten (32 %) jeweils in den Lungenoberlappen, bei 32 Patienten (17 %) im Mittellappen und bei 74 Patienten (40 %) in den Unterlappen. 14 Karzinoide (7 %) waren zentral im Hauptbronchus lokalisiert. Bei 8 Patienten (4 %) lag eine multifokale Ausprägung vor. Bei 66 % der Patienten ließ sich der Tumor rechts, bei 34 % der Patienten links pulmonal lokalisieren.
Immunhistologie
Der Proliferationsindex Ki-67 wurde bei 86/187 Patienten (46 %) erfasst. 71 Befunde wurden als typisches Karzinoid klassifiziert, davon 62 (87 %) mit einem Ki-67-Index < 5 % und 9 (13 %) mit einem Ki-67-Index > 5 ≤ 10 %.
Bei 15 Patienten wurde die Diagnose eines atypischen Karzinoids gestellt. Der Ki-67-Index lag hier bei 10 Befunden (67 %) > 10 %, bei 1 Befund (7 %) zwischen 5 ≤ 10 % und bei 4 Befunden (27 %) < 5 % (siehe [Abb. 2 ]).
Abb. 2 Prozentuale Darstellung des Ki-67-Index (n = 86/187).
Alternativ zu Ki-67 wurde bei 51/187 Patienten (27,3 %) der MIB-1-Index bestimmt. 40 Befunde wurden einem typischen Karzinoid zugeordnet, davon 38 (95 %) mit einem MIB-1-Index < 5 % und 2 (5 %) mit einem MIB-1-Index > 5 %.
Als atypisches Karzinoid wurden 11 Befunde gewertet, 7 (64 %) davon mit einem MIB-1-Index < 5 % und 2 (36 %) mit einem MIB-1-Index > 5 % (siehe [Abb. 3 ]).
Abb. 3 Prozentuale Darstellung des MIB-1-Index (n = 51/187).
Der TTF-1-Status wurde bei 120 Patienten erfasst (64 %). Hier ergab sich in 41,7 % der Fälle ein positiver Befund. CD56 war bei 58 % der Patienten verfügbar. Hier lag eine Positivität bei 95,4 % vor. Chromogranin A wurde bei 42 % der Patienten bestimmt und war bei 96,2 % der Patienten nachweisbar. Synaptophysin wurde in 67 % der Fälle ausgewertet und war bei 97,6 % der Patienten positiv (siehe [Abb. 4 ]).
Abb. 4 Bestimmung neuroendokriner Marker.
Somatostatinrezeptor-Imaging
Bei 33,2 % der Patienten (n = 62) wurde der Somatostatinrezeptorstatus ermittelt, davon bei 63 % der Patienten mittels Octreoscan, bei 6 % der Patienten mittels Tektrotydscan und bei 27 % der Patienten mittels 68-Gallium-DOTATOC-PET-CT. Bezüglich des Zeitpunktes der ersten Erfassung des Somatostatinrezeptorstatus wurde die Diagnostik bei 37,1 % der Patienten prätherapeutisch durchgeführt (n = 23), bei 27,4 % der Patienten postoperativ (n = 17) und bei 12,9 % der Patienten bei Verdacht auf Rezidiv oder Metastasen (n = 8). (siehe [Tab. 3 ]) Dabei lag eine Positivität für Somatostatinrezeptoren bei 48 % der Tumore vor (n = 30), 40 % der Karzinoide waren Somatostatinrezeptor-negativ (n = 25), bei 11 % (n = .7) der postoperativ untersuchten Patienten ließ sich im Nachhinein eine Metastasierung ausschließen.
Tab. 3
Zeitpunkt der Somatostatinrezeptordiagnostik.
Häufigkeit
Prozent
präoperativ
23
37,1 %
postoperativ
17
27,4 %
Verdacht Metastase/Rezidiv
8
12,9 %
Primärdiagnostik (keine OP)
14
22,6 %
Gesamt
62
100,0 %
Tumorklassifikation
Bei 98,4 % der Patienten (n = 184) wurde der TNM-Status vollständig erfasst. Dabei wurden 59,8 % der Patienten (n = 110) im Stadium IA klassifiziert. Lediglich in 9,8 % der Fälle (n = 18) ließ sich primär ein Stadium IV diagnostizieren. Dabei handelte es sich bei 9 von 151 (6 %) um typische Karzinoide und bei 9 von 34 (26,4 %) um atypische Karzinoide.
Die Metastasen waren pulmonal, ossär, hepatisch, pleural, adrenal, pankreatisch, zerebral und dermal lokalisiert (siehe [Tab. 4 ]).
Tab. 4
Tumorstadium bei Erstdiagnose.
TNM
AC
TC
Gesamt
IA
10
100
110
IB
1
12
13
IIA
4
10
14
IIB
2
4
6
IIIA
4
11
15
IIIB
3
3
6
IV
9
9
18
k. A.
1
2
5
Gesamt
34
151
187
Therapie
Operation
Insgesamt wurden 87,7 % der Patienten (n = 164) operiert, in 84,7 % der Fälle (n = 139) im Tumorstadium I und II. 7,9 % (n = 13) der operierten Patienten wiesen ein Tumorstadium IIIA auf. Differenziert man zwischen Patienten mit typischen und atypischen Karzinoiden, wurden 92,1 % der Patienten mit typischen Karzinoiden operiert (139 Patienten inklusive 5 endoskopische Abtragungen). Eine Operation bei atypischen Karzinoiden erfolgte bei 70,6 % der Patienten (24 Patienten).
In 69,5 % der Fälle (n = 114) handelte es sich bei den operativen Verfahren um eine Lobektomie. Bei 9,1 % der Patienten (n = 15) wurde eine Segmentresektion durchgeführt. Bei 15,2 % der Patienten (n = 25) erfolgte eine Keilresektion. 1 Patient wurde pneumonektomiert, und bei 5 Patienten erfolgte eine komplette endoskopische Tumorresektion mittels Schlingenabtragung. Die überwiegende Mehrheit der Patienten konnte R0-reseziert werden (94,9 %), 2 Patienten hatten eine R1-, 1 Patient eine R2-Resektion (siehe [Abb. 5 ]).
Abb. 5 Operationen 164*/187 Patienten (87,7 %).* inkl. 5 endoskopische Abtragungen
Adjuvante Therapie
Bei 4 Patienten mit typischem Karzinoid und lokal fortgeschrittenem Tumorstadium III–IV wurden adjuvant intendierte Therapien durchgeführt. Dabei erfolgte bei 1 Patienten eine zusätzliche Operation einer Lebermetastase, bei 2 Patienten eine Radiatio der Lunge und bei 1 Patienten eine medikamentöse Therapie mit Everolimus, 6 Patienten mit atypischem Karzinoid im Stadium III–IV erhielten adjuvante Therapien. 1 Patient wurde bezüglich einer vorliegenden Nebennierenmetastase operiert, 2 Patienten erhielten eine adjuvante Chemotherapie, 1 Patient eine adjuvante Chemo- Radiotherapie, und 2 Patienten eine adjuvante Radiatio der Lunge. Bei 1 Patienten wurde zusätzlich eine Radiatio ossärer Metastasen durchgeführt.
Systemtherapie
Die Systemtherapie war aufgrund der geringen Patientenzahlen, des langen Beobachtungszeitraums, der zwischenzeitlich erfolgten neuen Therapiezulassungen und der Therapie im Rahmen von Studien insgesamt uneinheitlich. Bei 14 (7,5 %) Patienten im erstdiagnostiziertem Tumorstadium IV wurde eine Systemtherapie mittels Chemotherapie durchgeführt. 13 der chemotherapeutisch behandelten Patienten wiesen ein atypisches Karzinoid auf. Es wurde primär eine platinbasierte Therapie in Kombination mit Etoposid oder Vinorelbin eingesetzt. Weitere Systemtherapien wurden im Verlauf bei Tumorprogress bzw. Metastasierung bei 9 Patienten (4,8 %) durchgeführt. 3 Patienten mit typischem Karzinoid erhielten Everolimus, 2 Patienten mit atypischem Karzinoid wurden initial mit Everolimus und bei Tumorprogress mit Lanreotide-Autogel behandelt. 1 Patient mit atypischem Karzinoid erhielt Everolimus und bei Tumorprogress in der Sequenz Sandostatin LAR Depot. 1 Patient mit atypischem Karzinoid wurde mit Depot-Octreotid behandelt und bei Progress auf Everolimus umgestellt. Jeweils 1 Patient mit typischem Karzinoid und 1 Patient mit atypischem Karzinoid wurde bei Tumorrezidiv mit Sandostatin LAR Depot behandelt.
Bei 7 Patienten mit typischem Karzinoid und 1 Patient mit atypischem Karzinoid erfolgte aufgrund des Alters, der Komorbiditäten oder des sehr langsamen Tumorprogresses keine tumorspezifische Therapie.
PRRT (Peptid-Radiorezeptortherapie)
Eine Radiorezeptortherapie erfolgte bei 6 Patienten (1 × Yttrium-90, 5 × Lutetium-177). 4 der behandelten Patienten hatten ein typisches Karzinoid, 2 Patienten ein atypisches Karzinoid. Bei 4 Patienten wurde die Therapie bei metastasiertem Tumorrezidiv durchgeführt, 2 Patienten mit typischem Karzinoid im Tumorstadium IIIA erhielten die PRRT als Primärtherapie. Es wurden insgesamt maximal 5 Zyklen verabreicht.
Strahlentherapie
Bei 13 Patienten wurde eine Radiatio des Lungentumors durchgeführt. Die Therapie erfolgte sowohl adjuvant, primär kurativ, bei Tumorprogress oder im Rahmen einer kombinierten Radiochemotherapie, bei 2 Patienten in palliativer Intention. Bei 7 Patienten wurden symptomatische Metastasen bestrahlt, 1 × als SIRT (selektive interne Radiotherapie von Lebermetastasen), 4 × bei ossären Metastasen, 1 × bei zervikalen Lymphknotenmetastasen und 1 × bei disseminierten Hirnmetastasen.
Beobachtungszeit für Gesamtüberleben/Erkrankungsverlauf
Insgesamt lag der Median für die Beobachtungszeit des Gesamtüberlebens bei 4,87 Jahren (Mittelwert 4,85 Jahre). Minimal wurden 0,08 Jahre beobachtet (1 Patient früh nicht im Rahmen der Tumorerkrankung verstorben), maximal 11,68 Jahre. Die Beobachtungszeit für die Erkrankungsverläufe lag median bei 4,26 Jahren (Mittelwert 4,19 Jahre), Minimum 0,08 Jahre, maximal 10,22 Jahre. Stratifiziert man das Gesamtüberleben nach der Histologie, zeigt sich ein deutlicher Vorteil für die Patienten mit TC (siehe [Abb. 6 ]). Ebenso ist das Tumorstadium als prädiktiv für das Outcome der Patienten anzusehen (siehe [Abb. 7 ]).
Abb. 6 Gesamtüberleben von Patienten mit TC und AC in Abhängigkeit von der Histologie.
Abb. 7 Gesamtüberleben von Patienten mit TC und AC in Abhängigkeit vom Tumorstadium.
Tumorrezidiv/Tumorprogress/Tod
Lokalrezidive traten im Verlauf bei 3 von 187 Patienten auf (1,6 %), davon bei 1 Patienten mit einem typischen Karzinoid und Z. n. primärer Radiotherapie und bei 2 Patienten mit atypischem Karzinoid nach Operation sowohl des Lungentumors als auch einer Nebennierenmetastase und nach kurativ intendierter Radiochemotherapie.
Eine Metastasierung ließ sich im Verlauf bei 16 von 187 Patienten nachweisen (8,6 %). Davon hatten 6 von 151 Patienten (4,0 %) ein typisches Karzinoid und 10 von 34 Patienten (29,4 %) ein atypisches Karzinoid.
32 von 187 Patienten (17,1 %) verstarben im Beobachtungszeitraum, davon 19 von 151 Patienten (12,6 %) mit typischem Karzinoid (4 Patienten tumorbedingt, 4 Patienten an einem Zweittumor und 11 Patienten ohne nähere Angabe), 12 von 34 Patienten (35,3 %) mit atypischem Karzinoid (7 Patienten tumorbedingt und 5 Patienten ohne nähere Angabe) sowie 1 Patient mit nicht näher klassifiziertem Karzinoid tumorbedingt.
Diskussion
Mit der hier erfolgten Auswertung werden erstmals Berliner Registerdaten von Patienten mit neuroendokrinen Tumoren der Lunge präsentiert. Retrospektiv wurden mediane Langzeitverläufe von 5 Jahren ausgewertet, um prädiktive und prognostische Indikatoren zu identifizieren.
Bezüglich der Häufigkeit, der Geschlechtsverteilung und der Primärlokalisation bestätigen sich die bekannten epidemiologischen Daten [1 ]
[2 ]
[3 ]. Bronchopulmonale Karzinoide sind insgesamt seltene Tumoren der Lunge. In die Auswertung aus 3 Berliner Lungenkrebszentren gingen im Zeitraum von 10 Jahren die Daten von 187 Patienten ein. Das Verhältnis von TC zu AC lag dabei bei 8:2, der Anteil der Frauen überwog mit 64 %. Bei zwei Drittel der Patienten wurde der Tumor in der rechten Lunge diagnostiziert. Das mediane Alter der Patienten zum Zeitpunkt der Erstdiagnose ist allerdings mit 65,4 Jahren durchschnittlich 10 – 15 Jahre höher als in der Literatur beschrieben. Eine Erklärung wäre der Einfluss des demografischen Wandels. Bezüglich des Raucherstatus kann aufgrund des geringen Anteils der Patienten mit AC und einer lediglich 70 %-igen Erfassung keine Aussage hinsichtlich einer Risikokonstellation getroffen werden. Die prozentuale Verteilung von aktiven Rauchern, Exrauchern und Nichtrauchern war zwischen Patienten mit typischem und atypischem Karzinoid in unserer Kohorte ausgeglichen, wobei Nicht- oder Exraucher mit insgesamt 76 % überwogen.
Die bronchopulmonalen Karzinoide sind i. d. R. funktionell inaktiv. Sehr selten besteht eine Assoziation zu dem autosomal-dominant vererbten MEN-1-Syndrom. Die von uns ausgewerteten Patienten wiesen lediglich in 11 % der Fälle eine überwiegend pulmonale Symptomatik auf, die als Ausdruck der zentralen Tumorlokalisation zu werten war. Lediglich bei 2 Patienten ergab sich der Hinweis auf ein Karzinoidsyndrom. Ein MEN-1-Syndrom war bei keinem Patienten nachweisbar.
Bei insgesamt 73,3 % der im Untersuchungszeitraum erfassten Patienten wurden Untersuchungen bezüglich des Proliferationsindex (Ki-67 oder MIB-1-Index) durchgeführt, wobei die aktuellen Definitionskriterien aufgrund des Untersuchungszeitraumes nicht für alle Patienten Anwendung fanden. Eine Somatostatinrezeptorbildgebung wurde im untersuchten Zeitraum bei 33,2 % der Patienten durchgeführt, wobei hier berücksichtigt werden muss, dass die Diagnose Karzinoid häufig erst im Rahmen eines diagnostischen operativen Eingriffs gestellt wurde. 48 % der untersuchten Patienten wiesen einen positiven Somatostatinrezeptorstatus vergleichbar mit Angaben in der Literatur auf.
Die Diagnose erfolgt größtenteils in einem frühen bzw. lokal fortgeschrittenen Tumorstadium. In unserem Patientenkollektiv wurden 86 % der Patienten im Tumorstadium I–IIIA diagnostiziert. Somit kann ein operativer Therapieansatz in kurativer Intention verfolgt werden [1 ]
[3 ]. Patienten mit TC konnten dabei häufiger einer Operation zugeführt werden als Patienten mit AC. Bei den operativen Eingriffen überwog bei peripherer Tumorlage die Lobektomie mit systematischer Lymphadenektomie. Bei lungenfunktionell eingeschränkten Patienten war eine anatomische Resektion im Sinne der Segmentektomie einschließlich der Lymphknotendissektion möglich. Bei zentraler Tumorlage sollte ein parenchymsparendes Konzept (sleeve resection) favorisiert werden [3 ]. In besonderen Fällen ist hier auch eine isolierte Bronchusresektion ohne Parenchymresektion möglich. Bei den 5 von uns endoskopisch behandelten Patienten ließ sich im Langzeitverlauf kein Tumorrezidiv bzw. Metastasierung nachweisen. Ist lediglich ein intraluminaler Tumor nachweisbar und der Patient funktionell eingeschränkt, kann bei Vorliegen eines gut differenzierten Tumors (TC) somit auch eine bronchoskopische Tumorabtragung unter engmaschiger radiologischer und endoskopischer Kontrolle erwogen werden. Eine operative Entfernung von solitären Metastasen (Leber) in kurativer Intention ist sinnvoll. Alternativ kann eine selektive interne Radiotherapie (SIRT) oder transarterielle Embolisation (TAE) durchgeführt werden. Ein Konsens bezüglich einer adjuvanten Systemtherapie nach erfolgter kompletter Resektion liegt bei fehlenden prospektiven Studien nicht vor. Sollte ein operatives Vorgehen nicht möglich sein, kann alternativ eine lokale Radiotherapie durchgeführt werden [3 ]. Nur ein geringer Anteil der Patienten wird im Tumorstadium IV erstdiagnostiziert. In unserer Auswertung betraf dies 10 % der Patienten. Hier überwogen die Patienten mit AC. In der Vergangenheit sind systemisch firstline-platinbasierte Chemotherapieregime in Anlehnung an die Therapie gastrointestinaler NET mit Responseraten < 30 % eingesetzt worden. Dezidierte Studien bronchopulmonaler NET fehlten. Aufgrund der RADIANT-2- und -4-Daten und den vorläufigen Ergebnissen der LUNA-Studie ergeben sich bezüglich der Systemtherapie bronchopulmonaler Karzinoide mittlerweile neue Möglichkeiten durch den Einsatz des mTOR-Inhibitors Everolimus in der Firstline-Therapie sowie von Somatostatinrezeptoranaloga [9 ]
[10 ]
[11 ]
[12 ]
[13 ]
[14 ]. Bei somatostatinrezeptorpositiven Tumoren stellt die PRRT (Peptid-Radiorezeptortherapie) bei Progress der Tumorerkrankung nach systemischer Therapie eine weitere Behandlungsoption dar [15 ]. Die Möglichkeit von Spätrezidiven/-Metastasen macht ein Langzeit-Follow-up (10 Jahre) erforderlich [16 ].
Zusammenfassend bestätigt die Auswertung unserer Daten, dass die Prognose der bpNET als insgesamt sehr gut einzuschätzen ist, wobei diese in Abhängigkeit von Histologie und Tumorstadium differiert. Der überwiegende Teil der Patienten kann mit einem operativen Ansatz kurativ behandelt werden. Bei Notwendigkeit einer systemischen Therapie ist diese aufgrund der insgesamt geringen Fallzahlen im Rahmen von prospektiven Studien empfehlenswert. Möglicherweise ergeben sich zukünftig durch die molekulare Charakterisierung der pulmonalen Karzinoide neue therapeutische Ansätze [17 ]. Eine weitere systematische Erfassung der Patienten im NET-Register ist sinnvoll. Derzeit werden prospektiv Daten erhoben, die im Verlauf weitere Auswertungen ermöglichen. Diagnostik und Therapieentscheidung erfordern einen interdisziplinären Ansatz in Zusammenarbeit von Pneumologie, Thoraxchirurgie, Pathologie, Strahlentherapie und Nuklearmedizin. Die Behandlung sollte deshalb spezialisierten Zentren vorbehalten bleiben.